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Allgemeiner Anzeiger : 21.04.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191704219
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1917
-
Monat
1917-04
- Tag 1917-04-21
-
Monat
1917-04
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.04.1917
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„^eää^" als Stratege. — Aus der Lebensgeschichte eines Maulhelden — In der langen Reihe aufmunlernder, lobes- der, hetzender Artikel, mit denen die Presse' den Vierverbandes die Entwicklung der Dinge in den Ver. Staaten verfolgte, tauchte immer wieder der Name Theodore Roosevelt auf. Der Expräsideut der nordamerikanischen Union, von seinen Landsleuten nicht ohne einen ironi schen Beigeschmack kurzweg „Teddy" genannt, war ja seit Beginn des Weltkrieges der Wil desten einer. Ihm wenigstens konnte man in keiner Phase des Sturmlaufes gegen die Zen tralmächte den Vorwurf machen, ein „unsicherer Kantonist" zu sein. Mit allem Temperament, das ihm von Anbeginn seiner abenteuerlichen Lausbahn an zu Gebote stand, versicherte er tagtäglich, daß er Amerikas offene Feindschaft gegen Deutschland proklamiert wünsche. Roosevelt hat auf der Bühne, die er schon in den verschiedensten und sonderbarsten Ver kleidungen betrat, immer am liebsten die Rolle des Militärs, des feurig-verwegenen Kämpfers gespielt. Darf es da wundernehmen, daß er in diesem Augenblick von neuem sSbelrasselnd und revolverknallend das Podium der Öffentlichkeit erklettert? Kurze. Telegramme ans Amerika berichteten bereits über den bisherigen Verlauf dieser Kletterparlie. Auftakt: Roosevelt stellt sich an die Spitze der politischen Kriegspartei. -- Erster Akt: Roosevelt begibt sich persönlich zu Präsident Wilson in das Weiße Haus. — Zweiter Akt — dramatischer Ausstieg : Amerika nische Blätter erklären, daß Roosevelt mit Rang und Titel eines Brigadegenerals die Führung von 100 000 Mgnn erhallen werde. Noch ist die Negierung sich über das Wie, Wann und Wo der Organisierung ihrer Land- streitkräste nicht im klaren, und schon erscheint der flinke Teddy als erster auf der Liste von Amerikas Wellkriegsgeneralen. Noch stehen die Truppen nicht einmal auf dem Papier, ganz zu schweigen von den Geisterschiffen, die sie un gefährdet durch die deutsche U-Boot-Sperre nach Europa bringen sollen —, aber seid nur ganz unbesorgt, Ihr Amerikaner, Engländer, Franzosen, Russen usw.: General Roosevelt ist bereit, euch endlich zum bisher vergeblich erhofften Sieg zu führen! Teddy begann seine glorreiche militärische Laufbahn in New Jork. 3 Jahre lang gehörte er der New Yorker Nationalgarde an. Die Tätigkeit dieser Garde beschränkte sich auf ein romantisches Lagerleben mit theatralischem Auf putz, die Tätigkeit Roosevelts im besonderen auf freundliches Erdulden photographischer Ausnah men. Er brachte es zur Würde eines Haupt manns, und diese Würde gefiel Teddy so aus nehmend, daß er von nun an die Pose des bewaffneten Helden nicht mehr aufgab. Beim Feldzug in Cuba ließ er sich mitnehmen, und da er damals kurz vor seiner Präsidenten wahl, also politisch sehr vorteilhaft stand, konnte er den Feldzug als Oberstleutnant mit machen. Was er leistete, wurde mililärischer- seils nie genau festgestellt. Der damalige Ober kommandierende, General Wheeler, gab auf Befragen die ebenso kurze wie diplomatisch ge haltene Antwort: „Roosevelt ist ein Soldat." Im spanisch-amerikanischen Kriege wurde Roose velt vom Kongreß ersucht, das Kommando über ein Freiwilligenregiment zu übernehmen. Da dieses Regiment in vorderster Linie als Sturm truppe angesetzt werden sollte, erschien ihm aber die Situation wohl zu heikel. Er zog sich daher diplomatisch aus der Schlinge, indem er seinem Freunde Leonard Wood das Kommando abtrat, selbst aber nur als „Ratgeber" teilnahm. In einer Autobiographie legte Teddy auch seine militärischen Ansichten nieder. Er ist der Meinung, daß man die Bedeutung militärischer Erziehung in geradezu lächerlicher Weise über schätze. Wenige Wochen genügten, um die großartigsten Soldaten aus der Erde zu stampfen. Verfügen die betreffenden Personen von Hause aus über Ruhe und Kühnheit, so ist ihre Aus bildung fast über Nacht zu erledigen. Sie müssen nur noch Linien und Kolonnen bilden, sich gruppieren, zerstreuen und wieder gruppieren und ordentlich schießen können. Wenn dies der Fall ist, kann man sie ruhig als verwendungs ¬ bereit erklären. Dies ist das militärische Glaubensbekenntnis des „Generals". Als vor sichtiger Mann ließ er jetzt in der französischen Presse verbreiten, daß er sich vorerst nur „or ganisatorischen Arbeiten" widmen wolle. Doch den Engländern scheint das Rooseveltsche Kriegs tagebuch nicht unbekannt zu sein. Sie sprechen nämlich den Wunsch aus, daß Teddy seine Tätigkeit daheim ausüben möge. Von unck fe^n. Feindliche Ehrung für Prinz Friedrich Kart. Außer zwei Kränzen des englischen Fliegerkorps schmücken noch andere Kränze das Grab Friedrich Karls auf dem Rouener Etienne- Friedhof. Namen, Charge und Todestag sind auf dem Holzkreuz englisch angeschrieben. An den militärischen Ehningen bei der Leichenfeier nahmen auch Franzosen teil. Die Verhand lungen wegen der Überführung schweben noch. t»t 571 Freistellen für Kinder in Ost- preufien. Innerhalb der Provinz Ostpreußen! sind bisher 64 571 Freistellen für Kinder aus I den Großstädten und Jndustriebezirken zur Ver fügung gestellt worden. Fast alle Landkreise haben die ihnen zugedachte Durchschnittszahl überschritten. Die Kinder treffen Anfang Mai ein und werden^bis Ende August bleiben. Die Kaiserin hat dem Oberpräsidenlen v. Berg 35 000 Mark als Grundstock für die Geld sammlung zugunsten des Unternehmens über wiesen. Opferwillige Bergleute. Auf Veran lassung der oberen Bergbehörde hat die gesamte Belegschaft der A.-G. Deutsche Kaliwerke Bernte rode einstimmig beschlossen, eine Überschicht zu fahren und den Lohn dafür in Kriegsanleihe anzulegen. Die Zinsen des dadurch aufge brachten Betrages, der in das Reichsschuldbuch eingetragen wird, soll zunächst einer Hilfskasse zur Linderung der Kriegsnot in BergmannS- kreisen zufließen, deren weiterer Ausbau nach dem Kriege in eine Altershilfskasse und Witwen hilfskasse in Aussicht genommen ist. — Die Verwaltung der A.-G. Deutsche Kaliwerke stiftete einen namhaften Zuschuß zu diesem Zwecke. Beschämend für die Kölner Bäcker. In der Generalversammlung der Kölner Bäcker- Zwangsinnung teilte der Obermeister mit, daß die Verfehlungen der Bäckermeister gegen die Lebensmittelverordnung derart zugenommen hätten, daß ein Drittel aller Kölner Bäckereien mit dem Strafrichter in Konflikt geraten wären. Es wurden in Köln allein nicht weniger als 68 Bäckereien durch die Behörde geschlossen. Es sei beschämend, wie mancher Kölner Bäcker mit dem städtischerfeits gelieferten Mehle umgegangen sei. Auf den Kopf der Bevölkerung gelangen nur noch 1500 Gramm Brot in der Woche zur Verteilung, während in anderen Städten, wie im benachbarten Bonn, noch vier Pfund Brot wöchentlich auf den Kopf abgegeben werden könnten. Einem gerissenen Getreideschieber hat die Polizei in Marienburg das Handwerk gelegt. Der in Berlin wohnhafte österreichische jüdische Händler Robaszeck bereiste seit Monaten das Marienburger Werder, um Mehl und Lebens mittel aufzukaufen. Auch Marienburg beehrte er mit seinem Besuch. In der Langgasse lief er einem Polizeibeamten in die Arme, als er einen halben Zentner Mehl auf dem Rücken trug. Er wurde angehalten und dann festgestellt, daß er bei einem Bäcker in der Langgasse den halben Zentner für 40 Mark gekauft hatte. Das Mehl wurde beschlagnahmt, und die beiden Getreide schieber wurden dem Staatsanwalt übergeben. Einen Bären erschlagen. Der kriegs invalide Bauer Valentini aus Tuenno im Roß berg fand eine vom Winterschlaf erwachende vierjährige Bärin auf, die er wegen des Schieß verbotes mit einem Stein verwundete und mit dem Bergstock erschlug. Ein finnisches Nevolnlionsidyll. Wie die finnische Zeitung.Hufvudstadbladet' (Helsing- sors) mitteilt, kam in der finnischen Stadt Borgu eines Nachmittags ein einzelner Soldat an, der die Polizei nach Hause schickte und sich selbst daran machte, die Ordnung in der Stadt aufrechtzuerhalten. Dies war das einzige Er eignis, durch das Borgu bisher mit der Re volution in Fühlung getreten ist. Verhaftung Prager Bankdirektoren. Wie verlautet, sind vier Direktoren der Prager Hauptanstalt der Zivnostenska Banka verhaftet worden, weil das Bankinstitut der Zeichnung für die österreichische Kriegsanleihe Hindernisse in den Weg legte und den Kauf von Papieren feindlicher Staaten über die Schweiz besorgte. Explosion in Amerika. Bei der Ex plosion der Baldwinwerke in New Jork sind über 300 Frauen gelötet worden. In Taunton (Massachusetts) ist eine andere Fabrik durch einen Brand völlig zerstört worden. Der Schaden ist ungeheuer. Oberleutnant zur See Christiansen versah in kühner Wikingerfahrt die Schutziruppe in Deutsch-Ostasrika mit Kriegsmaterial. Schlechte Ernteausfichten in Nord- afrita. Nach Schweizer Berichten verspricht die diesjährige Ernte in Nordafrika keine großen Hoffnungen, da die in der nordafrikanischen Landwirtschaft unentbehrlichen Kunstdüngemittel fast ganz fehlen. Die Einfuhr aus Südsrank reich ist infolge des verschärften Tauchbootkriegs auf ein Mindestmaß zurückgegangen. GeriMsballe. Berlin. Der Handel mit gestohlenen Brot karten führte den Buchbinder Wilhelm Siewert wegen fortgesetzten Diebstahls vor das Schöffen gericht. Der Angeklagte war als Buchbinder in der Buchdruckerei von Hermann beschäftigt, in der der Berliner Magistrat die Lebensmittelkarten jeder Art Herstellen läßt. Seine Tätigkeit nutzte nun Siewert dazu aus, in großen Mengen Lebensmittel karten aller Art, wie Brot-, Fleisch-, Fett- und Zu satzkarten fortgesetzt zu entwenden und damit einen recht schwunghaften Handel zu treiben. Unter anderem gab er von den gestohlenen Karten auch einen Teil an die wegen Hehlerei mitangeklagte Arbeiterin Frau Anna Henke ab, die in der Zeit vom Sommer bis Dezember v. IS. ihrerseits jeden damit versah, der ihr deren bedürftig erschien und sie um Karten anging. Endlich machte eine bei dem Magistrat eingelausene Anzeige diesem geradezu ge meingefährlichen Treiben ein Ende. DaS Gericht verurteilte Siewert zu 1 Jahr 6 Monaten Gefäng nis bei sofortiger Verhaftung. Frau Henke erhielt wegen Hehlerei 3 Monate Gefängnis. Ilmenau. Der Kaufmann Karl Otto Kirchner aus Roda wurde zu 30 600 Mark Geldstrafe ver urteilt, weil er Fieberthermometer in das feindliche Ausland geliefert halte, obwohl ihm bekannt sein mutzte, datz dies seit Kricgsbeginn verboten ist. Naumburg. Der Stadtbaumeister Otto Troll aus Zeitz wurde von der hiesigen Strafkammer wegen Diebstahls zu zwei Monaten Gefängnis ver urteilt. Er war abgesatzt worden, als er mit einem Schlüssel das Pult eines anderen Beamten geöffnet hatte, in dem dieser die Löhne der Ardetler auf bewahrt hatte. Aus dem Pult waren schon öfter grötzere Geldbeträge abhanden gekommen. Kriegsereignisse. 6. April. Die Franzosen werden bei Sa- pigneul nördlich von Reims geschlagen und büßten 15 Offiziere, 827 Mann an Ge fangenen, sowie 4 Maschinengewehre und 10 Mmenwerfer ein. — Ein englisches Ge schwader von 4 Flugzeugen wird bei Douai von deutschen Fliegern vernichtet, außerdem werden noch weitere 8 feindliche Flugzeuge im Luftkampf und 2 von der Erde aus ab geschossen. — Ein russischer Angriff gegen die Höhe Popielicha (südwestlich von Brzezany) scheitert. — Bei Eroberung des russischen Brückenkopfes von Toboly fielen in unsere Hand 130 Offiziere, über 9500 Mann, 15 Ge schütze und etwa 150 Maschinengewehre und Minenwerfer, sowie viel Kriegsgerät aller Art. 7. April. Dreimalige französische Angriffe am Walde von Malancourt (linkes Maasufer) abgeschlagen. — Mehrere feindliche Luft geschwader vernichtet. Die Gegner verlieren 44 Flugzeuge und einen Fesselballon, die Deutschen sünf Flugzeuge. 8. April. Französische Angriffe bei Laffaux werden verlustreich abgeschlagen, 13 feindliche Flugzeuge abgeschossen. 9. April. Zwischen Lens und Neuville-Vitasse entwickelt sich nach mehrstündigem starken Trommelfeuer die große Schlacht bei Arras. — 17 feindliche Flugzeuge und 2 Fessel ballons abgeschoffen. 10. April. Fortdauer der Schlacht bei Arras. Die Engländer dringen infolge ihrer großen Überlegenheit in einzelne Teile der deutschen Stellungen ein. Ein Durchbruch gelingt ihnen nicht. Neue französische Angriffe bei Laffaux brechen im Feuer zusammen. 11. April. Starke Angriffe der Engländer an der Straße Arras—Cambrai scheitern. Zu nehmende Artillerieschlacht von Vailly bis Reims. — Rege Artillerietätigkeit der Russen an Aa, Düna, Stochod, Zlota Lipa und Dnjestr. — Neuerliche Versenkung von 53000 Tonnen Schiffsraum durch unsere U-Boote im Kanal, im Atlantik und in der Nordsee. 12. April. Englische Angriffe auf Vimy und bei Fampoux scheitern. Das Dorf Monchy geht verloren, aber nördlich und südlich da von erleiden die Engländer schwere Verluste. Bei Bullecourt werden ihnen durch erfolg reichen deutschen Gegenstoß über 1000 Mann und 27 Maschinengewehre abgenommen, bei Hargicourt, östlich von Pöronne, 100 Ge fangene und 5 Maschinengewehre. — Von Soissons bis Reims Trommelfeuer. — 24 feindliche Flugzeuge abgeschossen. Vermischtes. Der neueste Pariser Beleuchtungs schmerz. Da die Pariser Behörden beab sichtigen sollen, wegen des Kohlenmangels einen Teil der Stadt durch Petroleum zu be leuchten, erkundigte sich ein Mitarbeiter des .L'Oeuvre' bei dem Syndikat der Petroleum lieferanten nach den diesbezüglichen Möglich keiten. Die Antwort lautete: Erstens sind keine Lampen vorhanden, wie sie zur Petroleum beleuchtung notwendig sind. Zweitens steht kein Personal zur Verfügung, um diese Lampen an- zuzünden und zu reinigen. Drittens würden die Kosten außerordentlich hoch sein. Dies sind die Schwierigkeiten — ganz abgesehen davon, daß überhaupt kein Petroleum vorhanden ist. Wilson als Stenotypist. Anläßlich der amerikanischen Kriegserklärung hebt der ,Gau- lois' hervor, daß Wilson sich hierbei nicht nur als weitblickender Staatsmann, sondern auch als hervorragender Stenotypist ausgezeichnet habe. Er habe nämlich den Text seiner im Kongreß vorgetragenen Kriegsbotschaft persönlich steno graphiert und nach Billigung durch das Mini sterium eigenhändig mit der Schreibmaschine ab geschrieben. Dies sei. die höchste Kriegsaus zeichnung, die dem Stande der Stenographisten und Schreibmaschinisten jemals hätte zuteil wer- Doktor Faller, aber sein Lachen klang unnatür lich, dann durchschritt er in nervöser Unruhe das Gemach. „Grübel hält den wichtigsten Punkt auf dem Lande besetzt!" meinte jetzt der Journalist. „Wie er mir telegraphiert, ist er nicht unzu frieden. Gesetzt nun den Fall, Friedrich, du wirst mit einer Minorität unterliegen; was würdest du mit einerglänzenden Majorität tun! Du bist doch ein stnrmbewährter Mann!" „Ein gebrochener Mensch bin ich, der am liebsten den ganzen Krempel über den Haufen werfen würde!" antwortete düster der Ange redete. „Setze dich," befahl Dr. Beer Und drückte den Freund in den Sessel. „Du machst mich und dich nervös mit deinem ewigen Umher- wufen." „Du hast recht, Freund," meinte Dr. Faller mit mattem Tone. „Weshalb die Gedanken wägen, wenn alles felsenfest vor uns steht und nicht wankt und weicht!" „Freundchen, mit dir ist etwas nicht in Ordnung!" warnte Dr. Beer und suchte des Freundes Blick. „Ich bin vielleicht etwas abgespannt!" wich Dr. Faller dem forschenden Blick seines Freundes aus. Ich weiß alles. Du hast die ganze Nacht geschrieben und in deinen Papieren hernmge- kramt," versetzte dieser ernst, und eindringlich fuhr er fort: „Die Eiche beugt sich im Sturm, aber sie bricht nicht. Der finstere Ausdruck in deinem Ange, der seltsame entschlossene Zug in deinem Mundwinkel beunruhigt mich. Freundchen, Freundchen, du könntest mich entsetzen, wüßte ich nicht, daß du die Sekundanerschuhe ausge treten hast!" Der Fabrikdirektor errötete bei diesen Worten des Journalisten wie ein ertappter Schuljunge. „Schau mir ins Auge, Friedrich!" fuhr dieser fort, indem er aufsprang und des Freundes beide Hände ergriff. „Ich bitte dich, du wendest den Blick hin weg! Das ist nicht recht — vertraue mir, ich bin dein Freund!" „Was fürchtest du noch für mich?" wich ihm der Direktor aus. „Nach dem Schlag, der mich gestern getroffen, ist der heutige Mißerfolg zu ertrugen!" „Ich fürchte, daß du dich vergißt. Hast du Ursache dazu? So, wie ich sie kenne, wird sie dir treu bleiben. Sind deine Freunde dir nicht geblieben? So wahr ein Mott lebt, du darfst dich auf deine Freunde verlassen!" Gerührt umarmte Friedrich Faller den treuen Freund.- , „Man bemitleidet mich! Ja, ja!" wehrte er der Entgegnung des Journalisten. „Das würde mich zur Verzweiflung bringen, wenn Verzweiflung in dieser Brust noch Platz fände!" „Dn übertreibst!" „Ich flehe auf dem Schafott, das die Gesell schaft mir errichtet hat," entgegnete er düster und traumverloren. „Die Moral ist mein Henker; ich denke, da sieht man klar!" Doktor Beer schüttelte nachdenklich mit dem Kopfe, und ein verweisender, forschender Blick aus seinen Augen traf den dumpf vor sich hin starrenden Freund. „Du hast dickes Blut, Friedrich I" „Desto länger fließt es aus der Wunde, anderen zur Augenlust!" lachte jener bitter auf. „Der Menich ist ein Gesellschaftstier, ohne Gesellschaft kann er nicht leben, und des halb hat sie mit all' ihren Schwächen das Leben einer Katze. Wehe, wenn diese Katze kratzt, die Wunde ist klein, aber man träufelt dir Gift hinein." „Laß dich nur ruhig kratzen!" sagte Doktor Beer erregt. „Das heilt von selbst wieder; die Natur ist hier der beste Arzt, aber Unsinn ist's, die Wunde vor dem giftigen Tropfen nicht zu schützen, die man selbst hineintrSufelt. Wenn auch des Menschen Teufel der Mensch ist, darf deshalb des Menschen Gott der Mensch sein? Niemals, Freund, an dem Urteil der Welt darf uns nicht alles liegen. Erfülle deine Pflicht, alles andere soll dir eitel sein!" „Die Theorie ist sehr schön," entgegnete Doktor Faller auffeuszend, „aber sie ver blaßt vor der Wirklichkeit, denn sie hat kurze Beine." „Möglich, manchmal geht es sich mit kurzen Beinen sehr sicher!" entgegnete Beer mit den Achseln zuckend. „Es ist nicht unwahrscheinlich, daß du die Majorität erhältst, dann schweigt alles, das heute den Mund vollnimmt." Über das offene Gesicht -VS^Dokkrs legten sich die Schatten hoffnungsloser Apathie. „Meine Beziehungen zu dem Kommerzien rat und seiner Familie," versetzte er mit schmerz lich bewegter Stimme, „sind auf immer ver nichtet. Ich kann ihm nicht mehr das sein, was ich ihm war. Schweige davon, denn du weißt noch nicht alles! Ich, bin mit mir und allem im Reinen. So ist es mir denn auch gleichgültig, ob ich gewählt werde oder nicht. Meine Wünsche gingen zu Hoch, als daß ich die Ketten der ererbten Schuld hinter mir klirren hörte. Man hat mich aus meiner Sicherheit herausgezerrt, ich bin nicht stark genug, allem zu trotzen, denn mit meinem Stolz hat man meine Ehre angegriffen und in grausam wilder Lust die herrlichsten Hoffnungen in mir erwürgt. Es ist mir zu viel geschehen, mehr als Menschen von msinem Schlage erdulden wollen." Doktor Beer ließ sich achselzuckend in einen Sessel fallen: „Zu viel Ehrgefühl, Friedrich, paßt nicht in diese Welt, wenigstens nicht in die moderne Gesellschaft. Dein Ehrgefühl ver führt dich, daran zu glauben, daß deine per sönliche Ehre hier im Spiele sei. Mit Nichten! Nur die wesenlose Ehre -er Gesellschaft, für die du ihr als Mitglied aufzukommen und einzu stehen dich gewöhnt hast, ist bier ig Frage. Was ist die Ehre? Pah, in einem Staate von lauter Spitzbuben rst derjenige ehrlos, der nicht stiehlt." Doktor Faller war unruhig und nervös im Zimmer auf- und abgegangen; er hörte nur mit halbem Ohre zu. „Du gibst also zu," meinte er, „daß die Gesellschaft ein Recht yov. sich durch mich für bloßgestellt zu glauben, oa sie mir Gastfreundschaft gewährte." Dr r» (Fortsetzung lolotu
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