Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 21.04.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191704219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19170421
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170421
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-04
- Tag 1917-04-21
-
Monat
1917-04
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.04.1917
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vie Vorräte auf dem Lande. Nachprüfung und Zwangsentnahme. Der Präsident des Kriegsernährungsamts und der preußische Staatskommissar für Volks- ernährung, Unterstaatssekretär Michaelis, haben zur scharfen Erfassung aller für die Lebens mittelversorgung noch verfügbaren Nahrungs mittel die erneute Nachprüfung der auf dem Lande vorhandenen Vorräte und ihre Zwangs entnahme bis zur vollen Höhe dessen, was ab geliefert werden soll, angeordnet, um festzustellen, ob bei den Landwirten mehr vorhanden ist, als die letzte Bestandsaufnahme ergeben hat, und alles in die öffentliche Hand nehmen zu können, was ihr in diesen Zeiten gebührt. Zweifellos ist mit diesen Maßnahmen eine gewisse Belastung der Landwirte, zumal fetzt während der Frühjahrsbestellung verbunden, aber über diese Belastung oder eine Störung der Feldarbeiten herrschen zum Teil salsche »der übertriebene Vorstellungen. Ein Gmnd zur Mißstimmung oder Verärgerung ist nicht vorhanden, denn es handelt sich nicht nur um gine einfache Nachrevision, die, so bedauerlich »S an sich wäre, wohl einen kleinen Aufschub vertrüge, sondern um nichts mehr und nichts weniger als um die Notwendigkeit, zur Sicherung der Ernährung von Heer und Zivilbevölkerung sofort alles in die öffent liche Sand zu bekommen, was an Lebensmitteln überhaupt noch vorhanden und verfügbar ist. Da nur diejenigen Bestände als gesichert anzusehen sind, die sich in öffentlicher Hand befinden, muß mit der Nachprüfung und Zwangsentnahme un bedingt sofort und in durchgreifendster Weise begonnen werden. Jeder Tag, jede Woche wäre «kn Verlust, der eine Schädigung der Allgemein heit bedeutete. Die Nachprüfung wird von Kommissionen vorgenommen, die mit militärischer Hilfe ge bildet werden, der Landwirtschaft werden also nicht allzu viele Kräfte durch diese Kommissionen entzogen. Es ist ferner Vorsorge getroffen, daß diese Nachprüfung in kürzester Zeit, etwa in einigen Stunden an jedem Orte, erledigt werden kann, so daß die landwirtschaftlichen Betriebs leiter oder die Frauen, die die Betriebsleiter vertreten, nur an einem einzigen Tage für wenige Stunden ihrem Betriebe entzogen zu werden brauchen. "Die Nachprüfung wird nm so kürzer dauern, je besser und sorgfältiger die Einzelwirtschaften die Vor bereitungen dazu treffen, d. h. die Vorräte über sichtlich stapeln, die Besichtigungen und Prüfung erleichtern usw. Daß in dieser Zeit die Ge meinde- und Amtsvorsteher in Anspruch ge nommen werden, die ja meistens landwirtschaft liche Betriebsleiter find und für die rechtzeitige Feldbestellung innerhalb der Gemeinden drin gend benötigt werden, ist zwar bedauerlich, läßt sich aber im Hinblick auf die Wichtigkeit der ungeordneten Maßnahmen nicht ändern. Um die Feldbestellung möglichst zu fördern und zu beschleunigen, hat die Heeresverwaltung in vollem Verständnis für die Lage der Landwirte die Gestellung von Mannschaften und Ge spannen zugesagt. Es gilt, die Brotversorgung bis zur nächsten Ernte unter allen Umständen sicherzustellen. Das Sein oder Nichtsein des deutschen Volkes ist nicht mehr allein von dem Erfolge unserer Waffen, sondern auch von der deutschen Land wirtschaft abhängig. Auf den deutschen Land wirten, den deutschen Bauern, ruht zurzeit die ganze Last der Versorgung Deutschlands mit Lebensmitteln. Auf die deutsche Landwirtschaft blicken erwartungsvoll das^ ganze Volk, das Heer, die Arbeiter, die Frauen und die Kinder. Unsere Feinde hoffen, die deutschen Landwirte werden, verärgert durch die Nachprüfung und Zwangsentnahme, in ihrer heiligen Pflicht erfüllung nachlassen, die in der ausreichenden Ernährung der deutschen Bevölkerung besteht. Aber der deutsche Landwirt liebt sein Vaterland und seine Scholle. Er weiß, daß auch ihm nur der Sieg den Besitz seines Grundes und Bodens sichert. Er ist sich der Größe und Bedeutung seiner Aufgabe, der Schwere seiner Verant wortung voll bewußt. Er wird daher sicherlich keinen Augenblick in dex Ersüllung seiner Vrobnen. 15j Roman von M. Berger. (Fortsetzung.) „Bei allen braven Leuten,* widersprach dem Frau Müller eifrig, „ist der fleißige Arbeiter immer noch mehr geachtet als die Drohne, so nennt mein Herr die Nichtstuer und Faulenzer, die dem lieben Herrgott die Tage abstehlen. So schwarz, wie Ihr sie seht, Krüger, ist Gott sei Dank die Welt noch nicht/ Mahler nickte der geschwätzigen Frau zu stimmend zu. So meinte auch er es. Dis Tür öffnete sich und Fabrikdirektor Doktor Faller trat in das Zimmer. Er sah zum Erbarmen müde aus. Die Augen waren ihm tief eingefallen, um den Mund zeigten sich die scharfen Züge des Kummers. 'Die Stirne war gerunzelt; tiefe Entschlossenheit lagerte auf seinem Antlitz. „Guten Tag, Leute I* sagte er kurz, aber nicht unfreundlich, als er die Arbeiter erkannte, die sich bei seinem Eintritt ehriurchtsvoll von ihren Sitzen erhoben hatten. „Was führt euch zu mir?" Er trat mit diesen Worten mehr in das Licht; mit tiefem Entsetzen bemerkte Frau Müller die Veränderungen, die mit ihm vor gegangen waren. „Mein Gott, wie sieht er aus!" murmelte sie tief betrübt. „Unsers Kameraden haben uns gesandt, Herr Doller!" nahm Krüger, als der Älteste, das ' 'ori. „Wir sollen Ihnen sagen, daß wir alle die Angriffe, welche in Len letzten Wochen, gegen Pflichten Nachlassen, er wird unter Hintansetzung aller persönlichen Empfindungen und jeglicher Selbstsucht sämtliche Vorräte frei und offen zur Verfügung stellen, er wird trotz der großen Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hat, den deutschen Boden restlos bestellen und ihm alles abringen, was der Boden dem deutschen Volke zu geben vermag, um es vor über mäßiger Not und Entbehrung zu schützen. v. L. verschiedene Nriegsnachrlchten. Französische Beklemmungen. Nachdem die französische Presse sich lange Zeit bemüht hat, eine Friedensströmung in Rußland abzuleugnen, muß "sie angesichts der Tatsachen ihre Haltung nunmehr ausgeben. Jetzt aber klingt aus allen Organen die Angst vor einem möglichen Zerfall des Vier verbandes. Am deutlichsten gibt dieser Stimmung ein Artikel Hervös in der .Viktoire' Ausdruck, wenn er schreibt: Aus Rußland kommt eine so unfaßbare Nachricht, daß unser Verstand sich sträubt, daran zu glauben. Der Ausschuß der Arbeiter und Soldaten soll beschlossen haben, daß die provisorische Negierung allen Völkern erklären solle, Rußland führe nur einen Ver teidigungskrieg, solange die Mittelmächte nicht über Frieden ohne Annexionen und Kriegs entschädigungen verhandeln wollen. Genau so würde sich Stürmer ausgedrückt haben, wenn er es hätte wagen dürfen, einen Sonder frieden mit Deutschland abzuschließen, wie er es gerne getan hätte. Welcher Tor oder welcher deutsche Agent mag jetzt, gerade nach dem Eintritt Amerikas in den Krieg, auf die Idee verfallen sein, den Mittelmächten einen Frieden ohne Annexionen anzubieten? Zum Glück sind noch Frankreich und England, Italien und Amerika da, die Deutschland zwingen werden, Polen, Elsaß-Lothringen, Siebenbürgen, Triest, das Trentino, Serbien und Armenien abzutreten und für die verübten Greuel eine gehörige Entschädigung zu zahlen. Auch in Rußland herrscht gottlob noch die provisorische Regierung — möge sie acht geben, daß die Friedensströmung nicht auch die gesunden Schichten der russischen Arbeiterschaft ergreift. * Eine englisch-französische Doppeloffenfive? Der Kriegsberichterstatter des Berner ,Bund' sagt, daß die französisch-englische Offen sive strategischer Natur sei und die solchen Durchbruchsversuchen eigentümlichen ersten Erfolge gebracht habe. Die Eng länder haben auf ihrer alten Grundstellung gearbeitet und so die deutschen Pläne beein trächtigt. Der .Bund' hält eine englisch-fran zösische Doppeloffensive sür möglich, um einen doppelten Druck zu erwirken. Schwer aber sei es für die Heeresleitung der Verbündeten, ihre Absichten auf den Flügeln mit der eigentüm lichen Lage im Zentrum in Einklang zu bringen. Englands Mannschaftsersatz. Mannschaftsersatzsragen jeder Art stehen in England im Vordergrund. Die freiwilligen Meldungen zum Zivildienst haben nach einer Unterhausmitteilung 2S0 706 Mann ergeben. Diese an sich bedeutende Zahl wird aber die Einführung der Zivildienstpflicht in England kaum verhindern können, iveil die Regierung auf dem Standpunkt steht, daß eine rationelle Durch führung der Arbeitsleistung, die sür den Krieg notwendig ist, nur möglich ist, wenn die Regierung den Aufenthaltsort aller mit kriegswichtiger Arbeit Beschäftigten bestimmen kann. Der Kriegssekretär Lord Derby erklärte im Unterhaus, daß die Armee an einem höchst bedauerlichen Mangel an Ärzten leide. Allein in der Sommeschlacht seien vier hundert Stabsarzt; verwundet worden oder ge fallen. Abgabe von Ärzten zu Regierungs zwecken sei daher nicht durchführbar. Aus Erklärungen Lord Derbys im Oberhause geht hervor, daß die jetzt mit großen Schwierigkeiten durchgefetzten Nachmusterungen nur eine Teilmaßregel für erheblich drastischere Maßregeln, die bald erfolgen sollten, darstellen. .Daily ——i——— Sie in der Presse standen, aufs tiefste be dauern. Wir beklagen es alle, Mann sür Mann, daß gerade Sie, der ein Herz sür seine Arbeiter hat, so angegriffen worden ist. Wir stehen diesen Angriffen fern und keiner von uns glaubt daran, daß Sie als Abgeordneter weniger Arbeiterfreund sein werden." „Als Abgeordneter!" lachte Doktor Faller bitter auf. „Wir wollen es hoffen, Herr Direktor!" meinte Krüger, „das ist's, was uns hierher ge führt hat. Heute wollten wir Ihnen danken sür all' das, was Sie uns Gutes getan und was Sie uns gewesen sind." „Ich danke euch!" erwiderte Doktor Faller und reichte jedem der drei seine Hand. „Ich erkenne die Freundlichkeit eurer Kameraden an; ich weiß, das; ibr mich liebt; in eurer Achtung und Freundschaft habe ich bisher den edelsten und schönsten Lohn meines Wirkens gefunden. Sagt das euren Kameraden und grüßt sie von mir. Euch danke ich nochmals. Frau Müller, sühren Sie die Herren in das Eckzimmer und bewirten Sie sie," — wandte er sich an die Haushälterin, dann sagte er zu den Arbeitern: „Gerne würde ich euch Gesellschaft leisten, allein ihr seht es mir an, ich bin krank, sehr krank!" Die Arbeiter wollten der voranschreitenden Haushälterin folgen. xropov, Krüger, was ist das mit Mertens; er ist seit gestern nicht zur Arbeit gekommen?" fragte Doktor Faller. „Nein, Herr Direktor, er ist auch nirgends anfzufinden. Seit dem Tode seiner Tochter war es bei ihm in seinen; Oberstübchen nicht News' machen darauf aufmerksam, daß die Nach musterungen im Lande scharf kritisiert werden. * Amerika gegen die Deutschen. Obwohl Präsident Wilson in seinem be rühmten „Kulturdokument", das den Krieg gegen Deutschland fordert, den Deutschen Amerikas das Gastrecht zugesichert hat, trifft man jetzt einschneidende Maßnahmen. In Hoboken bei New Jork wurden zehntausend naturalisierte Deutsche auf die Liste derjenigen Neuamerikaner gestellt, die andere Wohnsitze angewiesen erhalten sollen, weil Hoboken als zur Kriegszone gehörig be trachtet wird. In Chicago erfolgte die Ver haftung von vierzig Deutschen, weil sie angeb lich an einer Verschwörung gegen Munitions fabriken und Eisenbahnen teilgenommen hätten. Die Zahl der im Laufe einer Woche verhafteten Deutschen wird mit 1350 angegeben. Der Senat nahm einen Gesetzentwurf an, wonach die Zerstörung von Kriegsmaterial mit Ge fängnis bis zu dreißig Jahren bestraft werden soll. Lin Wagestück deutscher Seeleute. — Abenteuerliche Fahrt der Bark „Tinto". — Auf der 64 Jahre alten chilenischen Bark „Tinto" von nur 469 Br.-Neg.-To. haben 28 junge deutsche Seeleute in 124 Tagen eine außerordentlich kühne Fahrt von Chile bis nach Norwegen vollbracht.- Das Geld sür das Schiff erhielten sie von in Chile ansässigen wohl habenden Deutschen mit dem Anheimstellen, nach Gelingen der Fahrt den Erlös sür das Schiff dem deutschen Roten Kreuz zur Ver fügung zu stellen. 80 000 Pesos kostete die alte Bark. Dem französischen Konsul in West- Chile kam die Sache nicht ganz geheuer vor, er erhob bei der Regierung Einspruch und ver langte eine Untersuchung, die sechs Wochen dauerte. Dann kam eS nach weiteren großen Schwierigkeiten endlich zur Einschiffung. Die Bark war in Chile gut ausgestattet worden. Ein Funkenapparat war eingebaut, und die kühnen Segler konnten hin und wieder Nachrichten von vorüberfahrenden Schiffen und vom Lande über die neuesten Kriegsereignisse auffangen. Die Verpflegung war gut. Mehl hatten sie in genügender Menge, ein Bäcker be fand sich an Bord, so daß sie jeden Tag frisches Brot erhielten. Fünf Schweine, einige Ziegen, Gänse, Hühner und Konserven vervollständigten den Proviant, der gut bis Norwegen reichte, so daß sie schließlich noch ein Schwein.übrig be hielten. Harte Regengüße und Stürme ver zögerten sehr oft die Fahrt, dennoch kamen sie glücklich an der südamerikanischen Ostküste an den St.-Pauls-Jnseln vorüber, ohne einem feindlichen Kriegsfahrzeug zu begegnen. Nur neutrale Dampfer kamen, aber sehr selten, in Sicht. Die Fahrt über den Ozean überstand die „Tinto" glücklich, bis sie an den Azoren ein schwerer Sturm erfaßte, so daß beinahe ein Mast verloren ging. An den Shetlands-Inseln kamen die deutschen Seeleute in die deutsche U-Bootsperre hinein, hatten jedoch keine Ahnung von den Maßnahmen, welche unsere Marine getroffen hatte. Dort bekamen sie eine gute ! glückliche Brise, mit der sie auf Island zufuhren. ! Da begegneten ihnen zwei englische Kriegsschiffe, ein Kreuzer und ein Hilfskreuzer. Der letztere kam der „Tinto" nach und forderte sie auf, anzuhalten. Wegen der schweren See wagte er kein Boot auszusetzen, sondern begnügte sich mit Signalen. Die „Tinto" gab an, das nor wegische Schiff „Eva" zu sein, das von Liver pool nach Christianiasund fuhr und die Eng länder ließen sie laufen. Noch einmal, bevor sie die norwegische Küste erreichten, begegneten sie einem englischen Kriegsschiff, das aber von ihr keine Notiz nahm. Nach hundertundzwanzig Tagen er reichten sie endlich die norwegische Küste in der Nähe des Drontheimec Fjords. Kein Lotse war zu sehen, und die Deutschen mußten es wagen, selbst die Fahrt in den Hafen anzu- treten, obwohl das Wetter sehr schlecht und die Felsen der Küste eine große Gefahr für die mehr richtig: es wird ihm doch kein Unglück passiert sein?" Der Direktor schüttelte bedenklich mit dem Kopfe; dann trat er an das Fenster, während dis drei Arbeiter das Zimmer verließen. Draußen fiel der Schnee in 'dichten Flocken; das hatte von jeher den Doktor melancholisch gestimmt, jetzt erpreßte es ihm Tränen. 17. Herr Grübel und Doktor Beer waren in fieberhafter Tätigkeit. Grübel, der geschäftlich viel mit der Landbevölkerung zu tun hatte und seines biederen, geraden Wesens auf dem Lande viel Anhang hatte, war auf die Dörfer gegangen und bearbeitete mit großem Geschick und noch größerem Glück die ländlichen Wähler, während Doktor Beer den Gegner in seinen Höhlen aufsuchte und ihn dort energisch und nicht ohne Erfolg bekämpfte, denn bei allen anständigen Menschen, die in X. denn doch noch nicht so dünn gesäet waren, als es der Kom merzienrat meinte, hatte die perfide Kampfes- weise des gegnerischen Wahlflugblattes Abscheu und Ekel erregt. Von seltsamer Unruhe getrieben suchte Doktor Beer den Freund auf; der Ausfall der Wahl machte ihm weniger Sorge als das gedrückre und zerfahrene Wesen des Freundes, dessen er künstelte Ruhe ihm unheilvoll dünkte. Er kannte seinen hochfliegenden Geist und er wußte wohl, daß solche Naturen zermalmenden Schick salsschlägen nicht gewachsen sind. Als er in das Haus seines Freundes eintrat, begegnete ihn; aus der Treppe die Haushälterin mit ihren kleine Dark waren. Zwei Stunden vor dem Hafen trafen sie einen norwegischen Kapitän, der sie glücklich nach Drontheim brachte und ihnen auch die Erlaubnis auswirkte, sofort an Land zu gehen. Am nächsten Tage erschien an Bord der Bark ein norwegischer Marineoffizier, der keine Schwierigkeiten machte und sie zu der gelungenen Fahrt beglückwünschte. Tags darauf ging es in die Heimat. pytttilcke Kunäsckau. Deutschland. * Der Propst von Bayern, Kardinal Erzbischof Dr. Franz v. Bettinger ist in seinem Palast zu München an seinem Arbeitstisch an einem Herzschlage verschieden. Dr. Franz von Bettinger ist 67 Jahr alt geworden und war schon seit langer Zeit herzleidend. Im Mai 1915 sollte er nach der Thronbesteigung König Ludwigs III. die Kardinalswürde erhalten, als ihn der erste bayerische Kardinal als Kurier kardinal nach Rom forderte. Als solcher hat er im politischen und kirchlichen Leben Bayerns eine große Rolle gespielt und das Zentrum bei wichtigen Vorgängen im Staatsleben sowie bei der Aushebung der Regentschaft entscheidend be einflußt. Auch am Hofe war sein Rat und sein Einfluß maßgebend. * Der im Hauptausschuß des Reichstages eingebrachte Gesetzvorschlag auf Einführung einer L'uxussteuer wird nach dem .Tag' im Bundesrat manchem ernsten Widerstand begegnen. Insbesondere verlaute zuverlässig, daß die bayerische Regierung entschieden gegen jede besondere Besteuerung von Werken der Kunst ist. In diesem Sinne werde sie auch ihren Einfluß im Bundesrat geltend machen. * Reichstagsabgeordneter Siokovich hat als Vertreter des ersten Wahlkreises des Groß- Herzogtums Mecklenburg-Schwerin an die mecklenburgischen Staatsminister Dr. Langfeld zu Schwerin und Dr. Bossart zu Neustrelitz ein Schreiben gerichtet, in dem er darauf hinweist, daß die Stunde gekommen sei, wo die innere Neuordnung im Reiche und in den Einzel staaten durch Gewährung weitgehender Volksrechte beginnen müsse. Die ständitche Verfassung Mecklenburgs von 1755 sei ein Hohn auf die Gegenwart. Die mecklen burgische Volksvertretung der Zukunft muß auf Grund des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlrechts gewählt werden. — Zum Schluß erbittet der Abgeordnete öffentliche Mitteilung, ob und welche Schritte im Sinne der mecklenburgischen Neugestaltung in Aussicht stehen. Rußland. * Die vom Ministerpräsidenten Fürsten Lwow unterzeichnete Erklärung der neuen Re gierung über Rußlands Kriegsziele, die betont, daß keine fremden Gebiete erobert werden sollen, ist ein Sieg der sozialistischen Strömung. Miljukow, der mit dem Vier verband auf Verderb und Gedeih den Kampf als einen Eroberungskrieg zu Ende führen wollte, ist vereinsamt. Die Zukunft muß lehren, ob diese Erklärung die Grundlage für weitere Schritte zum Frieden bietet. — Der Verband der russischen Bauern, der 10 Millionen Mit glieder zählt, erklärte in einer Kundgebung, Rußland müsse Republik sein, und sprach sich sür Aufteilung der Fideikommisse und Kloster güter aus. Amerika. * Aus Berichten englischer Blätter aus Washington geht hervor, daß die Regierung der Ver. Staaten noch immer zögert, ein formelles Bündnis mit den anderen Gegnern Deutschlands einzugehen. Man gibt indes in England die Hoffnung nicht auf und tröstet sich einstweilen damit, daß die Amerikaner, die bisher ganz abgesondert waren, sich noch nicht an den Bündnisgedanken gewöhnt hätten. — In Wahrheit will Präsident Wilson einen solchen Vertrag, der dem Kongreß vorgelegt werden müßte, nicht schließen, um die „Kriegs begeisterung" das Volkes nicht durch heftige Debatten (die er also für unausbleiblich hält) zu gefährden. Gästen. Frau Müller teilte ihm mit kummer voller Miene und mit Tränen in den Augen mit, daß ihr Herr die vergangene Nacht sein Lager nicht ausgesucht habe und daß sein eigen tümliches, verstörtes Wesen sie mit banger Un ruhe erfüllte. Doktor Beer wußte genug; in wenigen Sätzen sprang er die Treppe hinauf und trat in das Arbeitszimmer des Freundes ein. „Mut, Freund," rief er heiter und aufge räumt, „es geht alles ausgezeichnet." „Was führt dich her?" fragte Doktor Faller, dem Freunde einen Stuhl anbietend. „Nichts als die Wahl," entgegnete Doktor Beer, indem er forschend dein Direktor in das Antlitz blickte. „Ich weiß nach deinem gestrigen Herzens erguß," meinte er dann in der Absicht, de» Freund auf einen immerhin nicht unmöglichen schlechten Ausgangs der Wahl vorzubereiten, „daß dir die Wahl vollständig gleichgültig ist. Recht so, lieber Freund, würde ich ausrufen, wäre ich pathetischer angelegt. Die Chancen waren vor wenigen Minuten für dich nicht un günstig, aber du machst ein ernstes Gesicht und das beunruhigt mich!" „Da irrst du dich gründlich!' entgegnete der Direktor und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich bin nur etwas angegriffen, schlecht geschlafen. Wie sieht es auf dem Lande aus?" „Gut, sehr gut sogar," antwortete Doktor Beer. „Nur in der Stadt steht eben alles auf der Spitze." „Ich bin auf alles gefaßt; mehr wie durch- fallen kann ich ja jetzt nicht mehr!" scherzt?
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)