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Allgemeiner Anzeiger : 28.07.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191707283
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19170728
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170728
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-07
- Tag 1917-07-28
-
Monat
1917-07
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.07.1917
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Vie erste Nede vr. Michaels. NeichStagssitzungvomlS. Juli. Dor einem übervollen Hause hielt Reichs kanzler Dr. Michaelis seine erste Rede, indem er zur Fortsetzung der Beratung der Kicgs- krcdite das Wort ergriff. Der Kanzler erbat zunächst die vertrauensvolle Mitarbeit des Reichstages und wandle sich dann einer Wür digung der Verdienste des Kanzlers v. Bethmann Hollweg zu. Erst wenn das Bnch dieses Krieges ge öffnet vor uns liegen wird, so sagte er, werden wir voll würdigen könne», was Bethmanns Kanzlerschaft für Deutschland bedeutet hat., (Sehr richtig links und im Ztr.) Wenn ich nicht den testen Glauben an die Gerechtigkeit unserer Gache hätte, ich hätte die Ausabe nicht über nommen. Wir müssen uuS täglich die Ereig nisse von vor drei Jahren vor Augen hallen, die geschichtlich seststehen und die beweisen, das; wir in den Krieg gezwungen worden sind. Ruß lands Rüstungen, ffstne heimliche Mobilmachung waren eine große Gesahr für Deutschland. An einer Konferenz teilzunchmen, während deren Tauer die Mobilmachung weitcrgcgnngen wäre, wäre politischer Selbstmord gewesen. Tor N-Boot-Kricg. Wir weisen den Vorwurf zurück, daß der U-Boot-Krieg völkerrechtswidrig lei, daß er gegen dir Menschenrechte verstoße. England hat uns die Waffe in die Hand gedrückt; durch seine völkerrechtswidrige Seeiperre hat cs den neu- rralen Handel mit Deutschland unterbunden und t-cn Aushungerungskrieg proklamiert. Unsere schwache Hoffnung, daß Amerika an der Spitze der Neutralen der englischen Rechtswidrigkeit Einhalt gebieten würde, ist eitel gewesen, und der letzte Versuch, den Deutschland gemacht hat, durch ein ehrlich gemeintes Friedensangebot das Äußerste zu vermeiden, ist sehlgeschlagen. D». durste und mußte Deutschland dies letzte Nittel wählen als in der Notwehr gebotene Gsgeumaßregel, und nun auch als ein Büttel zur Abkürzung des Krieges. Ich stelle fest, daß der U-Boot-Krieg in der Vernichtung feindlichen Frachtraums das leistet, . was er sollte, schädigt Englands Wirtschaft und Kriegssührung von Monat zu Monat wachsend, so daß dem Friedcnsbcdürsnis nicht mehr lange wird cnt- gegcugswirkt werden können. Wir können den weiteren Arbeiten unserer wackeren U-Boot- Lcnte mit vollem Vertrauen entgegensehen. Der Kanzler wandte sich dann den Leistungen unserer Wehrmacht zu, der er unter sudelndem Beifall des Hauses seine Huldigung darbrachte. In Zusammenhang damit verlas er ein Telegramm Hindenburgs, das folgenden Wortlaut hat: „Durch die russische Offensive in Galizien heranZgefordert, hat dort heute ein durch starken Regen bisher binausgeschobener deutscher Angriff östlich Slolschow eingesetzt. Unter persönlicher Leitung des Feldmarschalls Prinze» Leopold von Bayern haben deutsche Divisionen, unterstützt durch österreichisch-ungarische Artillerie in altbe währtem Schneid und fester Zuversicht die russischen Stellungen durchstoßen." Der Kanzler schilderte dann unsere Lage an den übrigen Fronten. Italien mache keine Fortschritte, in Palästina und am Kaukasus wurden die Feinde beim Wiederaufflammen der Offensive das gutgerüstete kampfbereite türkische Heer finden. Im Hinblick auf das Eingreifen Amerikas meinte Dr. Michaelis, unsere Streitkräfte würden sich auch zu Herren der neuen Sachlage machen. Deutsch land hat den Krieg nicht gewollt, und darunr wird Deutschland auch nicht einen Tag länger Krieg sichren, wenn cs einen ehrenvollen Frieden bekommt, bloß darum, nm gewaltsame Eroberungen zu machen. Das, was wir wollen, ist in erster Linie, daß wir den Frieden als solche machen, die sich erfolgreich durchgefetzt haben. Meine Herren, wir können de» Frieden nicht nochmals anbieten. Die Hand, die einmal ehrlich und friedens bereit ansgeftrcckt war. hat ins Leere gegriffen. Wenn wir Frieden machen, dann müssen wir in erster Linie erreichen, daß die Grenzen des Deutschen Reiches sür alle Zeit sichcrgestellt werden. Wir müssen im Wege der Verständi gung und des Ausgleichs die Lebensbedingungen des Deutschen Reiches ans dem Kontinent und über See garantieren. Der Frieden muß die Grundlage für eine dauernde Versöhnung der Völker bilden. Ec muß der weiteren Verfeindung der Völker durch wirtschaftliche Absperrung Vor beuge». Diese Ziele lassen sich im Rahmen Ihrer Resolution, wie ich sie ausfasse, erreichen. Wenn dis Feinde ihre Eroberungsgelüste, ihre Niederwerfungsgelüste aufgegeben haben und eine Verhandlung wünschen, dann ist das ge samte deutsche Volk und die deutsche Armee mit ihren Führern, die mit diesen Erklärungen ein verstanden sind, darin-einig, daß wir den Gegner, der die Fühler ansstreckt, fragen, was er uns zu sagen hat, denn wir wollen ehrlich und friedensbereit in die Verhandlungen eintreten. Unsere Ernährung. Bis dahin müssen wir geduldig ausharren. Wir können es, da jetzt in unserer Er nährung die schwerste Zeit vorüber ist und bald Erleichterungen eintreten werden. Über unsere Ernte wissen wir noch nichts Gewisses. Aber das steht fest, daß sie besser wird, als wir befürchtet hatten. Wir hoffen auf eine gute Kartoffelernte,, und wenn wir das, was uns aus Rumänien und aus den besetzten Gebieten in diesem Jahre zuwachsen wird, wirt schaftlich vorsichtig sür uns nutzen, dann wird auch die Futterkuappheit überwunden werden, vor der wir sonst stehe». Es ist in diesen drei KriegSjahren der Beweis erbracht worden, daß selbst bei einer schlechten Ernte, wie im Jahre 1916, Deutschland überhaupt nicht aus gehungert werdeir kamt. Im Anschluß an diese Mitteilungen wandte sich der Kanzler dem Verhältnis zwischen Stadt und Land zu und drückte die Hoffnung aus, daß es im neuen Wirtschaftsjahr zu einer Ver ständigung und gegenseitigen Würdigung der unleugbaren Schwierigkeiten kommt. „Die Ver pflanzung von Hundertlausenden von Städtern auf das Land kann vielleicht die Brücke bilden. Aber wir müssen auf alle Weise dafür sorgen, daß dieser Gegensatz ausgeglichen, daß er be seitigt wird." Alft Bezug auf die innere Politik führte Dr. Michaelis aus: Nach Erlaß der Allerhöchsten Botschaft vom 11. Juli über das Wahlrecht in Preußen stelle ich mich selbstver ständlich auf deren Standpunkt. Ich halte es für nützlich und sür notwendig, daß zwischen den großen Parteien und der Regierung eine engere Fühlung herbeigesührt wird, und ich bin bereit, soweit dies möglich ist, ohne den bundes staatlichen Charakter und die konstitutionellen Grundlagen des Reiches zu schädigen, alles zu tun, was dieses Zusammenarbeiten lebens- und wirkungsvoller machen kann. Ich halte es auch sür nützlich, daß Männer in leitende Stelle» berufen werden, die neben ihrer persönlichen Eignung für die leitende Stellung auch das volle Verlrauen der großen Parteien und der Volksvertretung genießen. Selbstverständlich ist alles das nur unter der Voraussetzung möglich, daß von der anderen Seite anerkannt wird, daß das verfassungs mäßige Stecht der Reichsleitung zur Führung in der Politik nicht geschmälert werden darf. Ich bin nicht willens, mir die Führung aus der Hand nehmen zu lassen. Deutschlands Zukunft. Meine Herren, wir fahren in wildbewegter See und im gefährlichen Fahrwasser. Aber das Ziel steht Uns leuchtend vor Augen. Das, was wir ersehnen, ist ein neues, ein herrliches Deutschland, nicht ein Deutschland, das mit seiner Waffengewalt die Welt terrorisieren will, wie unsere Feinde glauben, nein, ein sittlich geläutertes, ei» gottessürchtiges, ein freies, ein friedliches, ein machtvolles Deutschland, das wir alle liebe». Für dieses Deutschland wollen wir, unsere Brüder draußen, bluten und sterben, und dieses Deutschland wollen wir uns er kämpfen, allen Feinden zum Trotz. Vie erlerne Ariegsroman von G. v. Brockdorff.*tz „Drei Lilien, drei Lilien, Tie vflanzt ich auf sein Grab. Da kam ein stolzer Reiter lind brach sie ab." — Junge, ftische Soldatenkehlen sangen das alte Lied. An den Fenstern des langen Lazarett zuges zeigten sich bleiche, aber lächelnde Ge sichter, Leichtverwundete, die fröhlich ihre feld graue Mützen schwenkten, — dann glitt der Zug aus der riesigen Glashalle des Bahnhofs in das freie, vom morgendlichen Herbstnebel ver- schleierle Land hinaus. Aus den ersten Waggons flatterten noch abgerissene Worte des allmählich verhallenden Gesanges: .Da kam ein stolzer Reiter und brach sie ab." — — — Dann wand sich der Zug wie eine graue Schlange durch die sanft abfallende Ebene. Bis weilen leuchtete eins der roten Kreuze im weißen Felde auf in der blanken Helle, die hinter trüben Wolken wie ein jäher Strom hervorquoll und auf die welken Wiesen niederrauschte. Fern am Horizonte begann ein schmaler, silbergrauer Streifen aufzufunkeln: das Meer. Es sah ans, als eile der Zug, der durch weißen Rauch wie durch ein flatterndes Banner gekennzeichnet war, gerade auf diesen Streifen zu und versänke in der silbernen Unendlichkeit. Sabine Asmussen, geborene Grotenius stand *> Unberechtiater Nachdruck wird verfolat. auf dem menschenübersüllten Bahnsteig und sah dem langsam »erzitternden Rauchwölkchen nach. Die Hände über der weißen Helferinnen schürze verschränkt, stand sie nachdenklich mitten im hastenden Getriebe des Großstadtbahnhofs, seltsam fremdartig in ihrer starren Ruhe. Ein Soldat hatte sich ihr genähert. „Ich möchte nach Stuttgart, Schwester" — Sie wies ihn durch den Tunnel, halb mecha nisch, noch immer in ihre Gedanken verloren. Erst als er ging, sah sie die abgenutzte, feld- graue Uniform, das magere Gesicht, das von tausend Strapazen redete. Nach Stuttgart? Also zur Westfront! Wer mochte wissen, in welchen Schützengraben? Wer mochte wissen, welcher Zukunft entgegen! Und wieder dachte sie au den Lazarettzug, der soeben dis Station passiert hatte. Junges, frisches, fröhliches Blut, das lachte und fang, obwohl es von draußen kam und Greuel ge sehen hatte, von denen die Zeitungen nichts brachten, und die bisweilen nur als dunkle Gerüchte an das Ohr der Daheimgebliebenen schlugen. War bas Größe, daß sie dort noch lachen konnten oder war es Verrohung? Wie mochien sie wiederkommen, die vor einem Jahre ansgezogen waren, für die Gattinnen und Mütter daheim flehten und beteten? Waren es noch dieselben, die jetzt wiederkehrten? Wenn sie überhaupt wiederkehrten! Sabine Asmussen runzelte plötzlich die Stirn, als wäre ein Ge danke in ihr aufgetaucht, den sie am liebsten weit, weit verbannt wissen wollte. Mit einer eltvas nervösen Handbewegung > An die Rede des Kanzlers knüpfte sich eine' längere Aussprache. Äbg. Fehrenbach (Ztr.) legt im Namen des Zentrums, der Sozialdemokraten und der VolkSparteiler die bekannte KriegSziel-Ent- schließung dieser Parteien vor, wonach der Reichstag einen Frieden der Verständigung und der dauernden Versöhnung der Völker erstrebt. Der Reichstag tritt jetzt damit, so sührt der Redner aus, auS seiner Zurückhaltung heraus und verkündet der Welt die Bereitschaft des deutschen Volkes. Zn einem für alle Be- teiligien, tür Freund wie Feind ehrenvollen Frieden. Er macht kein Friedensangebot, das ist Sache der Regierungen. Er macht aber eine Friedenskundgebung. Er fordert die feindlichen Völker in feierlicher Weise auf, sich von dem gleichen Friedenswillen beseelen zu lassen. Seine Ansicht geht in Übereinstimmung mit dem Reichs kanzler auf einen Frieden der Verständigung. Nicht Eroberungen, nicht Vergewaltigung, sondern Rückkehr zur Friedensarbeit. Bezüglich der inneren Politik fordert der Redner die Ein führung des NeichStagswahlrechts in Preußen. Die Sprecher der anderen Parteien, die die Nefolution mit eingebracht haben, Nbg. Scheidemann sür die Sozialdemokraten und Abg. v. Payer sür die Volkspartei schlossen sich im wesentlichen den Aussührungen des Zentrumsredners an. Für die Nationalliberalen erklärte Prinz zu Schönaich-Carolath und für die Konservativen Graf Westarp, daß ihre Par teien die Resolution ablehnen. Der Kriegswille unserer Gegner sei noch nicht gebrochen und die Resolution brächte uns dem Frieden nicht einen Schritt näher. Auch Abg. Warmuth (Dtsch. Frakt.) lehnt die Fliedensresolution ab. Ebenso sür die Un- abhäng. Sozialisten Abg. Haase, der in län gerer Rede u. a. die Einsührung der unabhängigen Republik fordert. Abg. Seyda (Pole) erklärt, daß er und seine Freunde, da die Resolution nichts vom Selbstbestimmungsrecht der Völker enthält, sich der Stimme enthalten wollen, während Abg. Hansen (Däne) der Resolution zustimmt. Da rauf wird mit allen gegen die Stimmen der Unabh. Soz. die Kreditvorlage ange - nomine n. Die Friedensen Schließung der Mittelparteien wird mit 214 gegen 116 Stimmen bei 17 Enthaltungen ange nommen. verschiedene Nriegrnachrlchten. Der überfall auf die deutschen Schiffe. Der englische Admiralstabsbericht, der die Heldentat auf den Überfall der deutschen Schiffe berichtet, sagt kein Wort davon, daß er sich in neutralen Gewässern ereignete. Demgegenüber berichtet der Kapitän eines der Schiffe: „Wir führen.2'/, Meilen von der holländischen Küste entfernt innerhalb der niederländischen Hoheits- gewäsfer. Plötzlich sah ich zwei unserer Schiffe direkt auf die Küste znfahren. Ich sichtete zu gleich englische Torpedojäger, änderte den Kurs landwärts und wurde unter Feuer genommen. Die Torpedojäger fuhren nach einigen Augen blicken südwärts, so daß sie sich zurückzuziehen schienen. Ich ließ, da wir auf Strand gelaufen waren, die Anker fallen. Dis Torpedojäger kehrten um, näherten sich auf dreiviertel Meilen und eröffneten Schnellfeuer auf das Schiff, das 800 Meter von der Küste entfernt war. Jetzt wurden die Boote ausgesetzt. Die Engländer feuerten ununterbrochen. Drei Mann der Be- jatzung wurden getötet." — Der holländische Minister des Äußeren hat anläßlich dieser Bölkerrechisverlrtzung dem deutschen Gesandten im Haag das tiefste Bedauern seiner Regierung ausgesprochen und den Entschluß seiner Regie rung mitgeteilt, von Englano Genugtuung zu verlangen. Die holländische Regierung hat zu gleich durch ihren Gesandten in London auf den Ernst des Vorfalles hingewiesen und der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die englische Regierung zn vollständiger Genugtuung bereit sein werde. * fuhr sie glättend über dis weiße Binde mit dem roten Kreuz, dis ihren Oberarm umschloß, warf noch einmal einen kurzen Blick auf den grauen Horizont, dessen stille Farblosigkeit den rollenden Zug wie einen rinnenden Wasserköpfen aufge sogen hatte und schickte sich au, den Bahnhof zu verlassen. Als sie langsam durchs Gedränge schritt, hörte sie plötzlich ihren Namen neben sich. Halb unwillig wandte sie den Kopf. .sGnädige Frau —" Es war Leutnant von Sanden, der funge, lebensfrohe Kamerad ihres Mannes, der Mo nate hindurch an seiner schweren Verwundung krank in der Heimat daniedergelegen hatte. Sabine mußte lächeln, wie sie in das knaben hafte, braune Gesicht sah, aus dem trotz der augenblicklichen Wehmut deS Abschieds die stille, stolze Freude leuchtete, wieder teilhaben zu dürfen an dem großen, heiligen Kampfe. „Soll ich Ihrem Herrn Gemahl Grüße be stellen, gnädige Frau?" Wieder runzelte Sabine ASmussen leicht die Stirn, wieder war es, als müßte sie gewaltsam einen Gedanken zurückdrängen. der Macht über sie gewinnen wollte. Dann lächelte sie kühl. „Bitte grüßen sie ihn, Herr von Sanden." Sie sah auf die junge Frau am Arm des Offiziers, auf das verwachte, rotgeweinte Ge sicht, und sie sühlte eine jähe Bitterkeit in sich aussteigen. „Wann haften Sie zuletzt Nachricht?" fragte Frau von Sanden. „Vor vierzehn Tagen." Die funge Frau machte große, erschrockene Noch drei Jahre Krieg? Ein Stockholmer Blatt bringt unter der Überschrift „England gedenkt de» Krieg noch Jahrs zu führen" folgende Mitteilung aus Rotterdam: AuS sicherster Quelle erfahre ich, daß die Engländer sich kürzlich durch Vertrag das Verfügungsrecht über die Schiffswerften in den französischen Städten an der Westküste sür drei weitere Jahre gesichert haben. Die französische Be völkerung, die diese Tatsache als Beweis dafür ansieht, daß die Engländer den Krieg noch jahrelang hinauszuziehen wünschen, hat die Nachricht mit großer Verstimmung ausge nommen. * Ein erledigtes Wilsonmärchen. Die Regierung der Ver. Staaten hat vor einiger Zeit die schwedische Regierung telegraphisch ersucht, die angeblichen Mißhandlungen der Juden in Palästina an Ort und Stelle untersuchen zu lassen. Die schwedische Gesandtschaft in Konstantinopel, die mit der Ausführung des Auftrages betraut wurde, er klärt nun in einem amtlichen Bericht, alle An gaben über Niedermetzelungcn von Inden in Palästina, die jetzt oder früher während des Weltkrieges stattgesuuden haben sollten, seien unrichtig. Tatsächlich seien keine Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung in Palästina vor gekommen. Politische Aunälckau. Deutschland. * Zwischen denr neuen Reichskanzler Dr. Michaelis und dem österreichisch-ungarischen Minister des Äußeren Grafen Czernin wurden herzliche Telegramme ausgetauscht mit der Ver sicherung dauernder Buudestreue. * Die letzte Sitzung des Bundesrats sand unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Dr. Michaelis statt. Er begrüßte die Vertreter der verbündeten Negierungen, würdigte das Wirken seines Vorgängers nnd versprach, die vertrauensvollen Beziehungen zu den Bnndes- regierungen unter voller Wahrung ihrer ver fassungsmäßigen Rechte aujrechtzuerhalten und zu pflegen. * Der Bundesrat hat beschlossen, eine Ein schränkung der weiteren Bearbeitung der Volkszählung vom 1. Dezember 1916 zu verfügen. Das Gesetz über den vaterländi schen Hilfsdienst hat eine außerordemliche Ver schiebung in der Bernsstätigkeit der Bevölkerung verursacht. Die Volks- und Berufszählung vom 1. Dezember 191^ läßt die hierdurch eingetretene Umwälzung des Wirtschaftslebens und deren Umfang nicht erkennen, weshalb sich das Kriegs amt enlschlossen hat, eine neue gewerbliche Be triebszählung am 15. August d. IS. vorzu- nehmeu. Frankreich. *Jn Lyon sand eine außerordentliche Ver sammlung der S o z i a I i st e n m i u d e rh e i t statt, auf der über die politische Lage beraten wurde. Am Schluß der Versammlung wurden zwei Entschließungen angenommen, deren Ver öffentlichung die Pariser Zensur untersagte. In diesen Entschließungen stellt sich die französische Minderheit auf den Standpunkt, daß die Kriegszielkundgebung des Deut schen Reichstags und die demokratischen Bestrebungen in der deutschen Volksvertretung eine veränderte internationale Lage geschaffen haben, zu der die Sozialisten Frankreichs Stellung nehmen müssen. England. * Allem Anschein nach steht cinKabineits'- wechsel bevor, da Lloyd George immer mehr Anhänger verliert. Außer mit Asquith hat Lloyd George auch mit Lord Haldane, der im Kabinett Asquith Kricgsministcc war, Ver bindung zu gewinnen versucht, um aus diesem Wege Anschluß au die große liberale Partei zu finden. In Unterhauskreffeu betrachtet man indes alle dahingehenden Bemühungen Lloyd Georges als aussichtslos. Allgemein wird Bonar Law als der kommende Mann an gesehen. Augen. Oh! Dir Verbindung ist also wieder sehr schlecht?" Sabine zuckte die Achseln. „Nicht schlechter als früher. Die Stellungen sind ja noch unverändert." „Aber — wie ist das möglich?" Sabine errötete ein wenig unter dem ängst lich prüfenden Blick der jungen Ofsiziersgatuu. Aber sie zwang sich zu einem Lächeln. „Mein Mann schreibt nicht ost. Er war stets ein schlechter Briesschreiber." „Und Sie sorgen sich nicht?" „Seit Weihnachten vorigen Jahres ist ja di« Kompanie in völliger Ruhe," sagte Sabine. „Und ich glaube nicht, daß Sie sür Ihren Herr» Gemahl zunächst viel zu sürchieu haben, Frau von Sanden." Der junge Offizier lachte. „Wir fürchten uns auch nicht, gnädige Frau. Nicht wahr, mein Herz?" Die großen Augen in dem blassen Gesicht hatten sich mit Tränen gefüllt. „Sie sind so tapfer, liebe Frau Asmussen. So stark und tapfer. Während der ersten Kriegsmonate habe ich so viel verflicht mir an Ihnen ein Beispiel zu nehmen. Aber ich bin doch immer verzagt und mutlos gewesen. ES war eben zuviel Bangen und Sorgen dabei — „Wie abscheulich diese Komödie vor der Leuten doch ist," dachte Sabine Asmussen, nach dem sie sich von dem jungen Paar verabschiedet hatte. „Und wie lächerlich noch dazu." Ihr« Mundwinkel bogen sich verächtlich nach wulcn und gaben dem Gesicht einen allen und ver. billerten Ausdruck. Langsam und müde wau-
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