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Allgemeiner Anzeiger : 25.07.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191707251
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170725
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-07
- Tag 1917-07-25
-
Monat
1917-07
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.07.1917
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/ Der neue KeickskLnrler. Dr. Georg Michaelis, der in ernster Stunde auf den Posten des Reichskanzlers berufen ward, findet, wie kaum einer seiner Vorgänger eine gute Presse, das Wohlwollen der öffentlichen Meinung. Fast alle Blätter bezeichnen den neuen Mann mit Ausdrücken vertrauensvoller Erwartung und heben hervor, daß er eine Willensstärke Persönlichkeit sei, die fest und sicher zuzugreifen wisse. Besonders die Berliner Presse bereitet dem sechsten Kanzler einen freundlichen Empfang. Die nationalliberale ,Berl. Börsen- Zeitung' schreibt: „Wenn Dr. Michaelis jetzt an die Spitze des Deutschen Reiches ge stellt ist — als erster Bürgerlicher, solange das Deutsche Reich besteht —, so verdankt er das wohl zunächst dem allgemeinen Vertrauen in seine Tatkraft und Umsicht, die er bei seinen Bestrebungen gezeigt hat, dem deutschen Volke das Durchhalten unter allen Umständen in nicht zu drückenden Formen zu ermöglichen. Bei diesen seinen Maßnahmen hat er das Vertrauen weitester Volkskreise, namentlich auch der städti schen und industriellen Arbeiterschaft gesunden." Der fortschrittliche .Berliner Börsen- Courier' sagt: „Der neue Mann, der gleich seinem Vorgänger nicht aus dem aus wärtigen Dienst des Reichs, sondern aus der inneren Verwaltung hervorgeht, hat im Laufe des Krieges bereits Eigenschaften gezeigt, die das Vertraueir zu seiner Willenskraft und Ent schlußfähigkeit kräftigen, wessen der Leiter der Politik Deutschlands in dieser kritischen Stunde mehr als je bedarf." Das Hauptorgan des Zentrums, die „Ger - mani a", äußert: „Die Lösung der Kanzler krisis bringt einen Diann an die Spitze der Reichslsitung, der sich während des Krieges an einer der verantwortungsvollsten Stellen aufs beste bewährt hat. Mit großer Energie und glücklicher Hand hat er die Getreidebeschlag nahme und Mehlverteilung durchgesührt und dabei auch die Mitarbeit der Presse zu gewinnen gewußt. Politisch ist der neue Reichskanzler bisher nicht hervorgetreten; die Parteien werden sein Programm und seine Taten abwarten müssen, ehe sie zu ihm Stellung nehmen können." Die alldeutsche ,Tägl. Rundschau' er hofft das beste vom neuen Kanzler: „Wir be grüßen diese Wahl unseres Kaisers und glauben, daß das Volk und die Parteien ihm mit vollem Vertrauen entgegenkommen werden. Wir haben in Dr. Michaelis eine Hindenburg und dem Generalquartiermeister v. Ludendorff verwandte Natur, eine in sich gefestigte, christliche und deutsche Persönlichkeit von großem Wissen, un gewöhnlicher Tatkraft und reinstem Wollen. Wir sehen in ihm den rechten Mann am Steuer ruder, der sich, wie in allen seinen bisherigen Ämtern, so auch in dem neuen wichtigsten, rasch das Vertrauen aller gewinnen und mit Gottes Hilfe segensreich wirken wird." Die .Deutsche Tagesztg.' schreibt: „Der neue Kanzler hat sich in seiner juristischen wie in seiner Verwaltungstätigkeit als ein Diann von reichem Wissen, großen Fähigkeiten und starker Willenskraft erwiesen. Er gilt als ein Beamter mit starkem Gefühl für die Staats autorität, der deshalb in staatspolitischer Hin sicht gemäßigt-konservativen Auffassungen nahe stehe. Wie man uns sagte, geht sein Programm als Kanzler vor allem dahin, die innere Ge schlossenheit des deutschen Volkes zu fördern und die deutsche Einigkeit im Festhalten an unserer bewährten Bündnispolitik kraUvoll nach außen zu betätigen. Wir müssen natürlich die Tätigkeit des neuen Kanzlers im ganzen wie im einzelnen abwarten: wir können aber sagen, daß wir gern bereit sind, ihn bei der Durch führung eines solchen Programms zu unter stützen." Das sozialdemokratische Hauptorgan, der .Vorwärts', macht in seinem Begrüßungsartikel einige Vorbehalte: „Deutschland braucht einen Kanzler, der die zu spät gewonnenen Erkennt nisse Bethmanns schon als sicheres fertiges Pro dukt seiner politischen Denkarbeit mitbringt, einen Mann, der keine Bedenken mehr kennt, wo es zum Wohl des Volkes entschlossen zu handelt gilt. Einen, der sich mit beiden Füßen auf den Boden der neuen Zeit stellt, einen neuen Mann als Verkörperung eines neuen Systems. Dieser Mann muß den Beweis dafür erbringen, daß das Königtum der Hohenzollern das deutsche Volk nicht daran hindert, das sreieste Volk der Welt zu sein! Dazu gehört neben der sofortigen Durchführung der preußischen Wahlrechtsbotschast, neben der Auflösung aller Fesseln, die der Kriegs zustand nm die staatsbürgerliche Freiheit ge schlagen hat, die freimütige Anerkennung der deutschen Volksvertretung, des Reichstags, als entscheidenden Faktor der deutschen Reichspolitik. Kein Kanzler ist möglich, der nicht fest zur Friedenspolitik des Reichstages steht. Kein Kanzler ist möglich, der nicht die Wahlrechts botschast vom 1l. Juli zur schleunigen Durch führung bringt." Staatssekretär Dr. Helfferich. Der bisberigc Staatssekretär des NelchSamts des Irmern Helfferich wird aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Posten verlassen, und cs ist noch zweifelhaft, ob er nicht als Leiter eines ncn zu errichtenden ReichShandelSamtes, falls ein solches entstehen sollte, im Reichsdienst verbleiben wird. Auch in der Provinz wird Dr. Michaelis mit hoffnungssrohen Worten begrüßt. So schreibt die ,KölnischeZeitun g', es sei offenbar kein Zufall, daß die Wahl nicht aus einen Diplo maten, sondern auf den Mann gefallen sei, dem schon bisher die augenblicklich brennendste Auf gabe, die Volksernährung, anvertraut war. Da liege der Kernpunkt, von hier müsse die Besse- s rung ausgehen. Noch sei es nicht zu spät, aber i es sei höchste Zeit. Dr. Michaelis sei kein Schönfärber, aber ein Mann, der glaube, daß die Mißstände auszurotlen seien, und der sich die Fähigkeit zulraue, die Lage zu verbessern. Nach seinen bisherigen Leistungen habe er auch Anspruch darauf, daß das Volk ihm Vertrauen schenke. In demselben Sinne äußern sich die,L c ip - zigerNeuesteuNachrichte n': „Daß der neue Mann etwas von der Ernährnngspolilik versteht, erweckt die begründete Hoffnung, daß er sich auch darum kümmern werde und diesen zur zeit wichtigsten Verwaltungszweig nicht, wie sein Vorgänger, gehen lassen werde, wie's Golt ge fällt. Die Ordnung der Kriegswirtschaft ist un endlich viel dringlicher als die vielberufene Neu ordnung im Reiche, ja sogar als die preußische Wahlrefoim. Wer uns die Voltsernährung sicherstellt, so sicher, wie es nach den vorhandenen Mitteln längst möglich gewesen wäre, der braucht sich um das, was die parlamentarischen G'schaftel- huber in erster Linie bewegt, keine grauen Haare wachsen zu lassen." meinen Vertrauensäußerungen übernahm. Es ist ganz klar, daß auch er nicht den Partcieu- sirert verstummen machen kann. Gelingt ihm aber der Wurf ins Große, wie er ihm unter ungünstigen Umständen in Preußen gelang, die Verteilung der wesentlichsten Nahrungs mittel »ach gerechten Grundsätzen durchzusühren, so wird er zunächst niemand enttäuscht haben. Mit neu erworbenem Kredit kann Dr. Michaelis dann an die Lösung der anderen. Aufgaben gehen, die aus der Krise dieser, letzten Tage verblieben sind. Freilich, ob er bei allem guten Willen und gestützt auf das Vertrauen des j ganzen Volkes den ersehnten Frieden bringen kann, ist eine andere Frage. Wenn man die j Pressestimmen aus den feindlichen Ländern liest, kann man kaum daran glauben. verschiedene rrnegsnachrichten. Die mißlungene französische Offensive. Hervö schreibt über die Ursachen des Miß lingens der Frühjahrsoffensive in der ,Victoire': Unser Hauptfehler scheint gewesen zu sein, daß wir den Feind gerade an der Stelle seiner Front angegriffan haben, die ihm die gewal tigste natürliche Verteidigung bot. Der Höhen rücken von Craonne bildete eine furchtbare Stellung, sie beherrschte von allen Punkten aus unsere Linien, und die Deutschen konnten von ihr leicht unsere Vorbereitungen beobachten. Diese -Stellung war um so gewaltiger, als die Deutschen, welche bekanntlich die ersten Elektro techniker derWelt sind, vermittelst elektrischerBohrer große Höhlen von 25 bis 30 Meter Tiefe an gelegt hatten, in denen ihre Truppen Schutz vor unsern schweren Kalibern halten. Auch wurden dort ihre Maschinengewehre bis zum Heraunahen unserer Angriffswellen verborgen gehalten. Außerdem fiel die Offensive unglück licherweise mit einerKrise in unserem Flugwesen zusammen. Am 1. Juli 1916 an der Somme hallen wir die Überlegenheit in der Luft, am 16. April 1917 scheinen die Deutschen sie besessen zu haben. Ein weiterer ungünstiger Umstand bestand darin, daß die Deutschen sich die infolge der russischen Revo lution eingetrelene Lähmung an der Ostfront zunutze machen und einen Teil ihrer besten Divisionen an unsere Front bringen konnten. „Flut und Ebbe" im U-Boot-Krieg. Daß es auch in England urteilskräftige Leute gibt, die sich von den schönfärberischen Auslassungen des englischen Ministerpräsidenten nicht überzeugen lassen, beweisen verschiedene englische Zeitungsnachrichten, darunter auch die Wochenausgabe deS ,Journal of Commerce', in der es u. a. heißt: „Alle, die den Er eignissen des U-Boot-Krieges zu folgen ver mochten, haben die Auffassung vertreten, man dürfe unmöglich fchon folgern, daß das Schlimmste vorbei sei, so lange nicht mindestens für einen weiteren Monat die Zahlen vorliegen. Es sind mehrere Gründe dafür vorhanden, warum die Tätigkeit der U-Boote eine Ebbe- und Flutbewegung anfweift. Verrückt wär'e es daher, in den alten Fehler zu ver fallen und zu erklären, wir feien der U-Boot- Bedrohung Herr geworden, solange uns nicht die Ziffern für einen beträchtlichen Zeitabschnitt zur Verfügung stehen und man daraus erkennt, daß der Feind die Ergebnisse des für ihn bis her besten Monats nicht erreichen kann." — Die kürzlich erfolgte Bekanntgabe des Juni- Ergebnisses unseres U-Boot-Krieges dürfte den Engländern beweisen, daß augenblicklich wieder eine Flutbewegung tm Tauchboottriege herrscht. Tas Ende der Balkanexpedition? Wie italienische Blätter berichten, wird in der in einigen Tagen sich in Paris versammeln den allgemeinen Konferenz vor allem die poli tische und militärische Lage auf dem Balkan erörtert und darüber beraten Endlich widmet auch die Presse unserer werden, ob die Armee unter General SarraiHauf Verbündeten dem neuen Leiter der deutschen dem Balkan verbleiben und sich endgültig in das Politik freundliche Worte. Man darf also sagen, Lager in Saloniki zurnckziehen soll, oder ob die daß selten ein Kanzler, überhaupt wohl selten j Stellungen bis nach Monastir weiter gehalten ein Staatsmann einen Posten unter so allge-' werden sollen. Gründe militärischer, politischer s und sanitärer Art machen eine Lösung not wendig. Politische Aunälckau. Deutschland. * Der Ka nz l erw cch s e l wird noch ver schiedene Veränderungen in Reichs- und Staats ämtern im Gefolge haben. So wird als Nach folger des bisherigen Unterstaatssekretärs der Reichskanzlei Herrn Wahnschaffe der Vor sitzende der Reichsfettstelle Hans Joachim Hein rich v. Graevenitz, früher Landrat des Kreises Wcstpriegnitz, genannt. Ferner sollen aus dem Auswärtigen Amt der erste Vortragende Nat Dr. Riester und der Direktor der handelspoliti schen Abteilung Dr. Johannes scheiden. — Was die Veränderungen im preußischen Staatsministeri um anbelangt, so sind noch keine endgültigen Beschlüsse gefaßt, doch i dürfte auch hier sehr bald eine Klärung folgen. "Die Handelsvertragsverhand lungen zwischen Deutschland und Oster reich-Ungarn sind soweit vorbereitet, daß dis beteiligten Regierungen demnächst mit den amtlichen Verhandlungen beginnen werden. Von österreichischer Seite werden die Leiter des Handelsministeriums, die Sektionschefs Geheim rat Viktor Matasa und Richard Riedl und Ministerialrat Schüller, und von ungarischer Seite der Handelsminister Graf Serenyi, und der Staatssekretär im Handelsministerium Baron LerS an den Verhandlungen teil- nehmen. * Auf Grund des 8 17 des HilfsdienstgesetzeS hat das Kriegsamt im Einvernehmen mit dem Herrn Staatssekretär des Innern und nach grundiätzlicher Zustimmung des Herrn Staats sekretärs des Neichsschatzamts die Vornahme einer gewerblichen Betriebszählung ungeordnet. Die Zählung soll den Stand des deutschen Gewerbes um die Zeit des 15. August 1917, in einigen Punkten verglichen mit dem Stand vor Kriegsausbruch, erfassen. Frankreich. *Nach Lyoner Blättermeldungen hat der Ausschuß der französischen Sozialisten die Auf nahme der B e i pre ch un g e u mit den feindlichen Parteigenossen durch neutrale Parteiangehörige beschlossen. England. * Die Regierung hat — nach der Londoner .Morning Post' — abermals weitere Gebiete, die bisher den Neutralen zur Vertilgung standen, für gefährdete Zonen erklärt. Spanten. * Ministerpräsident Tato erklärte in einer öffentlichen Ansprache, daß die Gärung unter derArbeiterschast, die zu Beunruhigungen Veranlassung gegeben habe, nunmehr beendet sei. Das Volk fei einig in dem Wunsche, dem Kriege auch weiterhin sern zu bleiben. Die Regierung finde bei ihrem Willen zu unbe dingter Neutralität die Unterstützung aller Patrioten. Rußland. * Kriegsminister Kerenski, in dessen Händen ! anscheinend die ganze Regicrungsgewalt liegt, ! erklärte in einer Ansprache an ukrainische Bauern, daß die Errichtung einer s ö d er al i st is ch e n j Republik in Rußland in Aussicht genommen f sei. Damit sind alle Wünsche nach Selbstündig- ! keit ersüllt. — Man darf auf die Weiterentwick lung der Dinge gespannt sein. Griechenland. f * Nach Schweizer Berichten sind zwischen ! König Alexander und Venizelos ! ernste Meinungsverschiedenheiten entstanden. Sie haben sich dadurch bekundet, daß der König die Unterschrift des Erlasses hinausgeschodcn Hay durch den die im Juni 1915 gewählte Kammer einberufen wird, dis durch das Kabinett Skuludis aufgelöst wurde. Noch weitere Anzeichen für eine Krins sind vorhanden. Venizelos verlangt „in Überein stimmung mit der großen Mehrheit des Landes", daß der König offen Mil der inneren und äußeren Politik seines Vaters breche. Auch in dieter Beziehung nimmt der König eine zögernde Haltung ein. fneäe Sörzen len. L4j Roman von H. Courihs-Mahlcr. (Schluß.) Ellen hielt sie erschrocken fest. „Nein — ach nein. Bleibe hier, Tanis Friede, laß mich jetzt nicht allein. Mir ist das Herz so voll und schwer wie noch nie in meinem Leben. So wie du — so hat noch kein Mensch zu mir gesprochen. Du bist so gut —so gut— daß ich mich zu Tod« schämen könnte über meine Schlechtigkeit." Friede atmete tief auf und sah mit strahlenden Augen vor sich hin. Eine heilige Freude war in ihr. Schon, daß sie Hans besser gefunden, als sie geglaubt, hatte sie so froh gemacht. Aber noch mehr beglückte sie der Sieg über dieses oberflächliche, flatterhafte Herz. Auch in Ellen war ein Körnchen Gold, ein Tropfen vom Blute ihres Vaters. „Bist du also gesonnen, zu tun, was ich von dir verlange ? Willst du Georg sein Wort zurückgebcn? Du brauchst nichts zu tun, als sofort nach Berlin zurückzukehren. Ein Vorwand findet sich schon. Und von dort schreibst du Georg, daß du dich geirrt hast, daß du ihn nicht genug liebst, um seine Frau werden zu können. Und diesen Brief hier, den zerreißen wir, und du schreibst dafür einen andern, worin steht: Lie Erbtante hilft uns — wir können heiraten." Ellen sah zu ihr empor wie im Traum. „Ist es denn wahr, Tante Friede? Bist du wirklich so reich, daß du mir ein so großes Ver mögen überlassen kannst. Ruth und Hans sind doch auch- noch da." „Ei, sieh' da — du denkst schon an andere. Das ist ein gutes Zeichen. Nun sei nur ruhig, weder Hans noch Ruth sollen deshalb zu kurz kommen." „Aber Mama, Tante Friede! Was wird Mama zu alledem sagen?" Friedes Gesicht überflog ein Schatten. „überlaß es mir, deine Mutter mit den ver änderten Verhältnissen auszusöhnen. Ich glaube, es wird mir nicht schwer fallen." Ellen legte zaghaft den Arm um die Tante. „Du bist so sehr, sehr gut — und so selbst los — ich schäme mich furchtbar vor dir." Friede lächelte. „Das tue nur — und recht eindringlich, und gehe unbarmherzig mit dir selbst ins Gericht — das ist heilsam." Ellen drückte sich fest an sie. „Ich will alles tun, was du von mir ver langst — wenn du mir wirklich so großmütig helfen willst." Aus den letzten Worten klang doch wieder ein ängstlicher Zweifel. Sie konnte noch immer nicht an Friedes Reichtum glauben. „Das will ich — mein Wort daraus. Und das hat Frieds Sörrensen noch nie einem Menschen gebrochen." Ellen nahm plötzlich ihre Hand und küßte sie. „Ich danke dir — tausendmal — ich will cs dir nie vergessen." Friede schloß sie herzlich in ihre Arnie und küßte sie zum ersten Riale mit warmer Herz lichkeit. „So, Ellen — nun lasse ich dich allein, nun t schreib deinem Kurt einen anderen Brief, über den er sich mehr freuen tpird als über diesen da. Ich rede inzwischen niit deiner Mutter. Dann macht ihr euch beide reisefertig. Wenn Georg heute nachmittag hierherkommt, seid ihr schon auf dem Wege nach Berlin. Ich sage ihm irgend eine Entschuldigung. Daß die Verlobungs karten nicht erst gedruckt werden, dafür sorge ich. Was aber sonst hier zwischen uns verhandelt wurde, bleibt unter unS. Georg soll annehmen, daß du ihn ganz aus freien Stücken aufgibst, weil du deinen Irrtum eingesehen hast. Da er, wie ich hoffe, bald dein Schwager wird, ist es für euer künftiges Verhältnis besser so. Und auch Ruth soll nichts von unserer heutigen Unterredung wissen. Du schreibst ihr von Berlin aus, daß dii einen anderen liebst und Georg freigibst, weil du erkannt hast, daß er dich so wenig liebt wie du ihn. Ist es recht so?" Ellen küßte sie stürmisch mit wahrem Gefühl. „Alles ist gut so, wie du es willst. Es soll alles so geschehen. Und ich bitte dich sehr, ver suche, auch mich in Zukunft ein wenig lieb zu haben — ich will es zu verdienen suchen." „Das will ich gern tun — von Herzen gern." .Sie nickte Ellen noch einmal freundlich zu und ging hinein ins HauS. In ihrem Zimmer trat sie an ihren Schreib tisch und nahm aus einem kleinen Fach eine verblaßte Photographie. Es war eine alte Auf nahme von Fritz von Steinbach aus der Zeit, da er mit Friede verlobt war. Sie sah lange mit feuchten Augen darauf nieder, legte sie still wieder auf ihren Platz zurück und schloß den Schreibtisch ab. Gleich darauf ging sie hinauf »u ihrer Schwester. Frau Lizzi war soeben erst aufgesianden und saß Lei ihrer Schokolade, als Friede bei ihr eintrat. Ohne Umschweife, fest und bestimmt ging sie auf ihr Ziel los. Lizzi wollte erst revoltieren, wollte nicht leiden, daß die Verlobung zwischen Ellen und Georg gelöst wurde. Als sie aber hörte, unter welchen Bedingungen das geschehe« sollte, und als ihr Friede kurzerhand die Wahl stellte, sich entweder in alles zu fügen und einen erhöhten Zuschuß zu bekommen oder aber auf jede Zulage zu verzichten, wenn sie sich weigerte, da wählte sie das, was ihrer egoistischen Natur am meisten zusagte. Sie fügte sich. ES wurde dann sofort zur Abreise gerüstet und mit dem Nachmittagszuge fuhren die beiden Damen nach Berlin zurück. Sowohl Georg, der um die angemeldete Zeit kam, als auch Ruth erfuhren nur, daß eins dringende An- gelegenheit dis Abreise nötig gemach! habe. Friede sagte, daß Georg Ellen ihm sofort schreiben würde nach ihrer Ankunft in Beilin. Georg wunderte sich zwar über den hastigen Ausbruch, aber im Grunde suhlte er sich wie bc- sreit. Am liebsten hätte er sein Bündel gc- geschnürt und wäre wieder auf lange, lange Zeit verreist. Aber das ging sreilich nicht. Ruth batte er gar nicht zu scheu bekommen. Sie brachte Mutter und Schwester zur Bahn und sollte noch allerlei für Friede in der Stadt besorgen. Als er sich von Friede verabschiedet hatte, uni allein den Spaziergang zu machen, zu den: er Ellen hatte abbolen wollen, iah sie ihm lächelnd nach. Gm stilles Glück lag aus ihiev
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