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.4 1917. * Nr. 8 Illustriertes Unterdaltungsblatt. Erstbeiirt isdo Verlag Stadt «nd La«d Wax w»«d«r»a«a ve«tt» W, »ü MLnch<n«rfiraß« LL ver Minenkampf? Von Oberleutnant vr. K. Hahn. Gin Abend ist mir unvergeßlich. Wieder war die Meldung an das Bataillon ergangen, ein Unteroffizier der Pioniere und ein Vizefeldwevel der Landwehr batte mit Deutlichkeit das Ar beiten einer Dynamomaschine und Vobrgcräusche gehört. Die Entfernung sei auf 20 bis 25 m zu schätzen. Beide Leute schie nen besonders geeignet zu solchen Beobachtungen zu fein, weil sie Fachmäi ner waren und in der Heimat Basaksteinbrüche besaßen. Mitten in der Nacht trat der Major, der sich jederzeit selbst von allen Veränderungen überzeugte und unermüdlich war, bei mir ein. Hinter ihm folgten zwei Gestalten, die in meinem niedrigen Bau bald eine schwere Wolke non Alkoholduft verbreiteten. Mehrere Stunden hätten sie in dem Stollen gesessen und Horch proben abgehalten. Dabei hätten sie deutlich die Geräusche wahr genommen, die sie zu ihren Schlüssen berechtigten und den Major veranlaßten, die Meldung weilerzugeben. Gs war begreiflich, daß der alte Herr in großer Erregung war. Mir leibst klopfte das Herz, aber wcht, weil ich an die große Gefahr glaubte, son dern well ich dem einen der beiden Zeugen eine Flasche Rum geschenkt hatte, die er mit seinem Kumpan „Proben abhaltend" im tiefen Keiler geleert hatte. Lange dauerte es, bis der Major Vernünftiges aus den beiden schwankenden Gestalten heraüsge- fragt und ich es zu Papier gebracht hatte. Endlich war es ge schehen Wi'- ringen zur TeüvhouzKle und trafen dort auf ein friedliches Bild. Schlafend und schnarchend lag ein halbes Dutzend Landweyrleute auf Sem Stroh. Eine Kerze erhell e mat den niedrigen Naum. Niemand ließ sich durch unsereri Eintritt stören. Fassungslos sank der Major ob dieser Gleichgültigkeit auf eine Bank: „Da liegen sie, und morgen werden sie in die Lust ge- sprengil" So schnell ging es doch nicht. Der andere Tag und auch die fol enden verliefen im gewohnten Einerlei. Die Parolen, die von Witzmachern erfunden winden, nahmen unwahrscheinliche Formen an, weil das Wah:schein! che nicht mehr aktuell genug war, und außerdem v riuchten unsere rührigen Pioniere auch über der Erde dem Feind das Minieren recht sauer zu machen. Ein schwerer Minenwerfer war hinter unserem Graben in einer Wald- eche aufgebaut worden und schleuderte kirchturmhoch über unsere Köpfe hinweg Minen, die ungeheuerliche Dimensionen besagen. *) Düst fesselnde Schilderung findet sich in xm soeben erschienenen Buche „Bonn Feind", in dem eine Mihe mit dem Eisernen Kreuze i. Klasse ausgczeichnete Oberlehrer über ihre spannendsten Feldzugserlebnisseberichten. (Verlag von Quelle L Meyer, Leipzig. Geb. Dl. 3.—) Sie hatten das ansehnliche Gewicht von 200 Pfund, sie zerbarsten beim Ausschlag, erschütterten den Boden ungemein stark und hoben Trichter aus, die 4 bis 6 m Durchmesser und 2 m Tiefe besaßen. Minen hatten wir zuerst in französischer Gestalt kennen gelernt. Es waren eiserne, mit Pulver gefüllte Kugeln von der Größe einer Kegelkugel. Sie wurden uns vorwiegend nachts zugeschickt, wenn Arbeiten im Schützengraben vorgenömmen wur den. Viel Schaden richteten sie nicht an. Die brennende Zünd schnur war weithin sichtbar, und unsere Leute bezeichneten die Geschosse nach dem schönen Anblick, den sie beim Fliegen in der Luft boten, als „Rotschwänzchen". Diese Rotschwänzchen kamen uns schon harmlos gegenüber unseren etwa gleichgroßen, behelfsmäßi gen Minen vor. Aber alles hielt gar keinen Vergleich mit den gewaltigen Geschossen aus, die nun geschleudert wurden. „Kröten" nannten wir die Minengeschütze, und voller Stolz erzählten wir uns, daß die Franzosen ähnliche Mordwerkzeuge nicht besäßen. Heimlich durchlief uns ein Gruseln, wenn wir an die Wirkung dachten, die ein Volltreffer im Graben anrichten mußte. Die Kröten spuckten fast jeden Tag. Man hörte in keiner Meldung mehr etwas von unterirdischen Arbeiten bei den Franzo sen. Austums Dezember hatte beim Nachbarregiment eine Spren gung stattgefunden, ohne viel Schaden zu stiften. Die Weihnachts tage standen vor der Tür, und jede ruhige Stunde benutzten wir, um in unseren Unterstünden zusammenzusitzen und vom Frieden zu plaudern. So war es auch am 20. Dezember. Die Sonne war gerade im Begriff unterzugehen, da schwankte der Boden unter uns wie eine vom Sturm bewegte See. Wir stürzten hin aus in den Graben, hinauf aus die Brüstung und sahen — vor der Nachbarkompagnie, 100 m von uns entfernt, eine weiße Rauckwol e, so hoch und breit wie ein mehrstöckiges Hau«. Noch brodelte und quoll der Rauch. Ein hoher Wall war vor unserem Schützengraben entstanden. Gs war, wie wir später sahen, der Rand eines Sprengtrichters, der mehr als die Hälfte des Abstandes der beiden Gräben ausfüllte. Voller Staunen standen wir da und streckten alle ungeachtet der Gefahr die Köpfe über die Brustwehr. „Aber sie treffen ja auch schlecht. Alles geht zu kurz!" „Hui! Was mar denn das? - Da ist ja eine französische Mine in dev eigenen Graben geg«igen!" Kurz daraus ertönt ein schwerer Schlag, der hinter dem französischen Graden herkommt. Line riesige Rauchwolke quillt über die Bäume dort hinten empor. Jammern und Schreien