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Lm Isafen von Oette. Frankreichs einziger offener Hasen. Über den Hafen von Cette, den die deutsche Blockade für den überseeischen Verkehr der Schweiz offen gelassen hat, macht ein schweizerisches Blatt Angaben, die ein größeres Interesse erwecken dürften. Der Hasen ist die natürliche Ergänzung des Hafens Port-Vendres. Während dieser aber, arm an Zufahrtsschienensträngen, mehr dem Passagiervertehr zwischen Algier und Marokko einerseits und Frankreich anderseits dient, ist der Hafen von Cette von Natur aus eher dem Güterverkehr augepaßt, denn er ist vom Innern des Landes aus durch Eisenbahnlinien wesent lich besser erreichbar und ist aus diesem Grunde zum einheitlichen Umschlagshafen der algerischen Weine geworden. Der Hafen von Cette ist vollständig künst lich angelegt; eine gewaltige mehrere hundert Meter lange vorgelagerte Mole schützt ihn vor der Hochgehenden See, und gleich hinter der Einfahrt teilt er sich in zwei große Bassins, von denen aus besondere Kanalverbindungen ihn mit dem Etang de Thau und weiterhin durch einen Kanal mit der Rhone verbinden. Was dem Besucher des Hafens auf den ersten Blick auffällt, ist einmal der fast völlige Mangel an Kranen und mechanischen Umschlagseinrich- tungcn und dann die endlosen Lager von Fässern aller Art. Bei dem eigentlichen Charakter als Wein- und Petroleumhafen waren übrigens ausgedehnte l mechanische .Kran- und Umschlagseinrichtungen höchstens dem Verkehr hinderlich. Die See- ! beziehungen des Hafens dehnen sich auf ganz Europa, Amerika und Nordafrika aus lin nor malen Zeiten) und sind ganz besonders rege mit Algerien; die tunesischen Transporte gehen in der Hauptsache in Marseille vor sich. Einige Schiffahrtsgesellschaften unterhalten einen ziem-, lich regen Seeverkehr zwischen Cette einerseits und Dünkirchen, Havre, Rouen anderseits. Mit dem Innern des Landes steht der Hafen nur durch eine einzige Straße in Verbindung, die Straße nach Montpellier, aber er hat den großen Vorteil, durch Wasserstraßen mit den Becken der Garonne und der Rhone in Verbindung zu stehen. In Friedenszeiten sind im Hasen rund 2000 Dockarbeiter beschäftigt; ihre Zahl ist jetzt auf etwa 400 zurückgegangen, so daß man spanische Arbeiter und Kriegsgefangene eingestellt hat. Ein Hafenarbeiter stellt sich heute auf etwa 15 Frank täglich. In Cette und seiner nächsten Umgebung befinden sich drei große Schwefel- rasfinerien, die zu Kriegszwecken und für die Landwirtschaft den sizilianischen Schwesel ver arbeiten. Wirtschaftliche Förderung erfuhr die Stadt und der Hasen durch den Weintransport aus Algier und Spanien, der zugleich die Likör- und Faßfabrilalion zu großer Blüte brachte. Cette ist der Mittelpunkt der Weinlikör- sabrikation. Da wird der künstliche Malaga, Madeira, Porto, Leres und Totayer aus hel lenischen Trockentrauben hergesteüt, und der Verbrauch an solchen Weinen ist noch bedeutend gestiegen seit der Unterdrückung des Absinths. Die Faßfabriken von Cette verarbeiteten vor dem Kriege das Holz, das aus Riga, Triest und Odessa einlief; jetzt wird dieses Holz größtenteis durch Kastanienholz aus Korsika und Sardinien, dessen Preis viel höher ist, er setzt. Cette ist auch die eigentliche Heimat der französischen Reservoir - Eisenbahnwagen; die dortige Industrie versügte vor dem Kriege über etwa 8000 solcher Wagen. kriegsfiirlorge. E i n m a I i g e K r i e g s n n 1 e r st ü tz u n g. Mit Rücksicht auf die Teuerungsverhältuisse wird auch den hilfsbedürftigen Heeresbeamten im Ruhestande und den versorgungsberechtigten Witwen von Heeresbeamten eine einmalige Kriegsunterstützung in Höhe von 100 Mark ge währt, wenn das Gesamteinkommen des Be amten weniger als 2500 Mark, das der Witwe weniger als 1200 Mark — und zwar ohne etwaiges Waisengeld — beträgt. Dasselbe gilt für pensionierte Offiziere und die gesetzliche Ver sorgung beziehenden Offizierswitwen, wenn die gleichen Einkommensverhältnisse vorliegen. Diese Kriegsunterstützungen sind von den Heeresbeamie» und den Beamtenwitwen bei der stellvertretenden Intendantur — dem Sitz des stellvertretenden Generalkom mandos —, von den Offizieren und den Offizierswitwen bei dem stellvertretenden General kommando zu beantragen. Die für die Anträge vorgeschriebenen Muster werden bei den Kassen vorrätig gehalten, die Pensionen usw. zahlen. Auch den Militärrentenempfängern und den ver- sorguugsberechtigten Witwen von Militär personen der Unterklassen wird in diesen teuren Zeilen wie bisher geholten werden. Sie haben ihre Gesuche unter kurzer Schilderung der Einkommensvechäftnisse (Angabe der Rente, des Witwengeldes, der Zinsen aus Kapitalvermögen, des Ertrages aus Grundvermögen usw.) und unter Beifügung der Mililärpapiere bei dem stellvertretenden Generalkommando anzubringen. Von unä fe^n. Hindenburg an erblindete' Krieger. Kürzlich sandten 23 erblindete Krieger, die im Kriegerheim in Düren ausgebildet werden, an Gründen versagen, dieser echtem deutschen Pairionsmus entspringenden Anregung Folge zu leMn.. Eigenhändig setzte der Feldmarschall dem Sch eiben noch hinzu: „Meinen lieben Kameraderf herzlichen Gruß, ich bin oft in Ge- danken^bei euch." Fünf Bergleute erstickt. Auf dem Werle der Bergwerksakliengesellichast „Glückauf" sind durch Einatmen giftiger Gase fünf Bergleute er stick!. Bei der Einfahrt am Morgen wurde be merkt, daß Gase aus dem Schacht strömten. Als Ursache wurde sestgestcllt, daß beim Ab dämmen eines älteren Brandherdes abziehende i Gase in den übrigen Grubenschacht drangen und ihren Abzug durch den aussührenden Wetter schacht genommen hatten. Die Erste holländische Jahrmcsse, die eine bessere Würdigung dec holländischen In dustrie im Auslande bezweckt, findet bis 10. März d. I. in Utrecht statt. Zur Aus stellung werden nur Fabrikate und Erzeugnisse > zugelassen, die in Holland und seinen Kolonien angesertigt worden sind oder dort eine Bearbeitung erfahren haben. Die Geschäfts- i räume befinden sich im Rathause der Stadt ! Utrecht. Auf der Messe sind u. a. folgende V^6!tW6II6N6k'Ni6. Oie wicktiAZtenLl'ieuAunAMkiösk'. LiAecibeciLcl Überschuss 27,5 16.5 11.0 Verein!Als ZtäLlsn ' 17,4 16^ 0.9 10,2 2.5 7 ? 4.2 2,5 1.S Inclisn 10,2 8.o 2,2 S.7 8.0 0,7 4,7 2.0 2,7 ArHsniimen o a«» ü 2.1 2.0 0.1 2 s 1,0 2.9 HusitAlisn «««» rs 4,o 4.0 3.0 -«.1915 L-s 1916 in^illicwen^ormen A Die Produktion der wichtigsten Wcizcnci- zcugungslünder steht ausschließlich unseren Gegnern zur Verfügung. Sie halten disker kaum euren fühlbaren Mangel an diesem wichtigsten Ernährungs gut: Das letzte Erntejahr aber hat ihnen, wie unsere Zeichnung zeigt, einen bösen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Jahre 1915 betrug die Ge- samtcrnle der Ber. Staaten in Millionen Tonnen ausgodriickt 27,5, wovon für Eigenbedarf 16,5 ab gingen, somit zur Ausfuhr ein Überschuß von 11,0 übrigblieb. Im Jahre 1öl6 aber betrug die Gesamt ernte nur 17,4, der Eigenbedarf blieb mit 16,5 der ¬ selbe, während iomit nur 0,9 Uberschuß ver blieben. In Kanada waren die Zahlen im Jahre 1915 10,2, 2,5, Ubmchuß 7,7, im Jahre 1916 stellte sich das Verhältnis ans 4,3, 2,5, 1.8. In Indien 1915 10,2, 8,0, 2,2, UN Jahre 1916 8,7, 8,0, 0,7. In Argentinien im Jahre 1915 4,7, 2,0, 2,7, im Jahr- 1916 2,1, 2,0, 0,1. In Australien 1915 3.9, 1,0, 2,9, im Jahre 1916 4,0, 1,0, 3,0. Man sieht also, daß cs iür unsere Feinde aus geschlossen war, sich wie bisher einzudcckcn, da sie alle auf die ausländische Einfuhr angewiesen sind. den Generalseldmarschall v. Hindenburg eine Ergebeuheilsadresse, in der sie bedauerten, daß sie nicht mehr milkämpsen könnten. Sie er klärten gleichzeitig ihre Bereitwilligkeit, ihre schwachen Kräfte zur Vesügung stellen zu wollen, wenn sie noch zu irgeud einer militärischen Dienstleistung zu gebrauchen wären. Sie wären bereit, alles hinzugeben zur Niederringung Englands. Daraus sandle Generalseldmarschall v. Hindenburg ein Schreiben, in dem er mit- leilen ließ, er bewundere in hohem Maße das Anerbieien der Kriegshelden, die ungeachtet der Einbuße ihres Augenlichtes und jeglicher weiteren Lebensgefahr in so heldenhafter und hochherziger Weise ihre Dienste dem Vaterlande zur Verfügung stellen wollten. Der Feld- marschall müsse es sich jedoch aus naheliegenden Gruppen vertreten: Keramik, Gtau usw., Che mische Industrie, Sleiukohle und Tors, Metalle und Bearbeitung von Metallen, Papier und Papierverarbcilung, Textilindustrie, Gas und Etektrizilüi, Nahrungs- und Genußmitiel. Rattenplage in England. Von den in den englischen Lagerhäusern unlergebrachten Ge treidevorräten werden, nach Berichlen holländi scher Blätter, durch Rallen läglich Mengen im Werle von 300 000 Mark vernichte!. Es soll daher eine Belohnung von 1 Penny sür jede gelötete Ratte ausgesetzt werden. Tas Ende Ler Nusfenherrschaft in Warschau. Aus Veranlassung der Warschauer Stadtverwaltung werden eines nach dem andern der an die ehemalige russische Herrschaft erinnern den Wahrzeichen in Warschau beteiligt. So wurden sür eine Anzahl Straßen, die nach Mit gliedern des Zarenhauses oder russischen Würden trägern benannt waren, entweder die vordem gebräuchlichen Bezeichnungen wiederhergestellt, oder sie erhielten neue, am die Nalioualgeschichw und die Freiheitskämpfe gegen Rußland bezüg liche Namen. Russische Gesetzlosigkeit. In Sibirien organisierte ein Psalmenleser eine Bande, die die Ermordung der politisch Verbannten zum Ziele hatte. Im Dorfe Preobrascheusk, Gou vernement Jrknlsk, töteten sie bei Nacht zwei „Politische" und steckten das Haus tu Braud. Die Polizei ließ, um das entsetzte Volk zu be ruhigen, die Täter verhalten, um sie daun mög lichst bald jreizusprechen. Der Staatsanwalt weigerte sich, die Sektion der Leichen zu veran lasse». Die ganze Sache wäre auch diesmal vertuscht worden, wenn nicht ein Brief eines dortigen Kaufmanns an die Schwester eines der Ermordeten zusällig die Sache in die Öffentlich keit gebracht hülle. Zeitungen wie Metsch' empören sich über diese Gesetzlosigkeit. Was Hilst aber die Presse, wenn die Behörde taub bleibt. Raubmord in Warschau. In Warschau wurden die Frau Sophie Alexandra Grobicka und deren Diener Wladislaus Czapikowski er mordet und beraubt aufgefunden. Der Polizei präsident setzt 1000 Mark sür die Ermittelung des Mörders aus. Das lateinische Alphabet in der türkischen Sprache. In einer Unterredung mit Sachverständigen begründete der Vize präsident der Kammer Hussein Dschahid die Notwendigkeit der wfortigen Einsührung des laleinischen Alphabets. Lcbensmittelnot in New Hork. Der Gemeinderat von New Jork hat beschlossen, vom Staal eine gesetzliche Regelung der Lebens mittelversorgung sür die ärmeren Klassen der Bevölkerung zu verlangen. Die Stadt wünscht ermächtigt zu werden, Lebensmittel anzutausen und zum Selbstkostenpreis weiterzuverkaufen. Außerdem wird eine Untersuchung verlangt. Die Regierung in Washington hat bereits eine Untersuchung nach den Ursachen in den ver schiedenen amerikanischen Städten angeordnet. Gerrcktskatte. Berlin. Bel dem vorbestraften Schlächter- gcsellcn August Birkholz wur-d-n weil mehr als 1000 Brotkarten gesunden, die dieser zu hohen Preisen in der Schlächlerherbcrge veräußerte. Er wurde deshalb wetzen gewerbs- und gewohnheits mäßiger Hehlerei im Rückfälle und wegen Verletzung von MaMratsverordnungen zn vier Jahren Zucht haus, fünf Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht verurteilt. Der Mitangeklagte, Schlächtergesclle Adolph Krause, der einige Brot- kalten von B. gekauft und weiter veräußert hatte, kam mit fünf Tagen Gefängnis davon. Halle a. S. Wegen Laudstrcichens mußte sich der 21 jährige Arbeiter Zinke verantworten, der acht Wochen hindurch sich hcrumgclricben halte. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu zwei Wochen Haft und Überweisung. Rach einer neuen Verord nung wird der Angeklagic wahrscheinlich einer so genannten Arbeiterkolonie zugejührt, so daß er nicht ins ArbeitShans kommt. Führt er sich in der Kolonie gut, dann braucht er die Nachhaft nicht zu verbüßen. Königsberg. Wegen Überschreitung des Höchst- preiscs sür Kohlrüben wurde der Amtsrat Wicgcr Von dec hiesigen Slrafkamcr zu 3000 Mark Geld strafe verurt-iu. Während der Höchstpreis sür Kohl rüben 2,50 Mark sür den Zentner betrug, Halle W. 6 Mark genommen. Goläene Morre. Das Licht, das ist das Gule; Die Finsternis die Nacht, Das ist das Reich der Sünde Und ist des Bösen Diacht. Chamisso. Das Schaffen hat nur Wert, Nicht das Geschaffene; Was wird, das lebt! Gewordenes ist tot. L. Schefer. Die Tränen lassen nichts gelingen, Wer schaffen will, muß fröhlich sein. """ Theodor Fontane. müssen," meinte die Kommerzienrätin. Hedwig hatte inzwischen dem Doktor ein Glas Wein vvMsetzt; er nahm einen Schlnck. „Sie leben in unserem Korbe, von unserem Honig, und das verbittert den gemeinen Mann, der sich verkürzt sieht. Wir dulden sie, und uns zieht man znr Verantwortung." „Das allein genügte doch nicht, um der Ge sellschaft einen Teil der Schuld an den jetzigen traurigen Verhältnissen aufzubürden," wandte Hedwig jetzt ein., „Allerdings, Fräulein Hedwig!" erwiderte der Doktor. „Wir verbittern noch durch andere Eigen schaften, die uns nicht gerade zieren, durch all die Vorurteile, die uns anhaften. Noch immer waltet uneingeschränkt bei uns der Fluch der Herkunft, Ahnenstolz und Patrizierdünkel. Dem Sohne der Wäscherin verschließen wir die Salons; wenn wir auch nicht imstande sind, leine Lambahn zu vernichten, wir erschweren sie ihm doch." Die Kommerzienrätin lächelte vor sich hin, denn sie hatte den bezeichnenden Blick wohl ver standen, den bei diesen Worten der Doktor ihrer Tochter zugeworsen hatte. „Wenn er etwas leistet — weshalb!" meinle sie nachlchsigen Tones, „wenn er nichts leistet oder nur Mittelmäßiges, was geht er uns dann an? Jeden Augenblick sterben Menschen, die, wie wir, das Leben glühend sieben. Wir trauern deshalb nicht; wir wissen nicht einmal, wie er heißt, wer er ist!" »Würden Sie, anädiae Frau, den Sohn einer Wäscherin als Schwiegersohn willkommen heißen?" fragte der Doktor. „Aber, Herr Doktor, das gehört doch nicht hierher," entgegnete die Kommerzienrätin halb beleidigt. „Warum nicht, Mama!" rief jetzt Hedwig lebhaft. „Weshalb sollte ich nicht den Sohn einer Wäscherin heiraten, er müßte selbstredend den Makel seiner Geburt durch Berühmtheit er setzt haben." — Doktor Faller zuckte bei diesen Worten leicht zusammen. — „Berühmt aber wird ein Gelehrter, ein Politiker heute nicht mit 27 Jahren, er müßte denn Jolei sein, einen Jockei kann eine Dame von Stand ebensowenig heiraten, wie eine vermögende Dame einen be rühmten, aber alten Mann heiraten würde. Was würde die Gesellschaft dazu sagen!" „Die Gesellschaft! Das ist es eben," sagte der Doktor und stieß die Asche von seiner Zigarre in den Aschenbecher ab. „Dieselbe Ge sellschaft, Fräulein Hedwig, welche einen vor nehmen Nichtstuer protegiert und für seine srivolsten Streiche immer noch eine Entschuldi gung findet, würde diese Dame wahrscheinlich sür unzurechnungsfähig erklären? Warum? Weil die Gesellschaft, auch die bürgerliche Ge sellschaft, nach ihren veralteten Grundsätzen handelt, ohne Rücksicht auf die großen Um wälzungen der Neuzeit. Das Geld hat die Schranken gebrochen, welche der Adel nm sich ausgebant hat, die politische Bildung der Massen wird gewaltsam mit unseren Vorurteilen auf- räumcu, wenn wir nicht selbst damit auszuräumen beginnen." „Sie widersprechen sich, Herr Doktor, Bildung der Massen I" erinnerte die Kommer zienrätin. „Pardon, gnädige Frau, ich meine nicht die wissenschaftliche, durch bestandene Examen doku mentierte Bildung des einzelnen, ich meine die Bildung des Bölkes, das in sich die Kraft spürt, seine Pflichten dem Staate und der Ge samtheit gegenüber zu ersüllen. In der Politik hat jeder gleiche Rechte, wir erkennen diese Rechte, auch die des Arbeiters an, wir ver teidigen unsere Rechte und die der Gesellschaft nur gegen die umstürzlerischen Bestrebungen, die Gesellschaft aber erschwert uns den gerechten Kampf; sie hält zu schroff an dem Altherge brachten, an ihren Standesvorurteilen fest, und das ist vom Übel!" „Es muß doch Unterschiede geben!" meinte Hedwig. „Doch dürfen sie nicht fühlbar gemacht wer den, das meinen Sie doch, Herr Doktor l" jagte die Kommerzienrätin. „Das meine ich, gnädige Frau!" „Also muß ich auch standesgemäß anslreten können!" „Gewiß, gnädige Frau." „Nun machen Sie mir doch schon ein Zu geständnis," lachte die Kommerzienrätin, „denn hauptsächlich unser standesgemäßes Äufneten wird uns von feiten nuferer Gegner vorge- worsen. Das ist es, was sie erbittert." „Gnädige Frau, ich jpcach von Vorurteilen, die in sich den lächerlichen und bedauerlichen Kastengeist tragen, der gerade bei uns wie nirgends in der ganzen Wett großgezogeu wurde. Der Gelehrte bildet eine Kaste, ver Offizier, der Großkansmann, der Adel, der Be amte, und da wundern wir uns noch, wenn die Arbeiter eine politische Kaste bilden." „Aber die Vorurteile, Herr Doktor," wandte Hedwig ein. „Sie sehen, wir glauben nicht so recht an diese Vorurteile." „Und dennoch haben wir sie," erwiderte ernst Doktor Faller. „Da ist vor allem der über triebene Standesstolz; diesem Götzen, blicken wir doch tiefer in das Leben, wie es sich um uns herum abspielt, hinein, opfert die moderne Gesellschaft alles. Was hat dieser Götze nicht schon für Elend verursacht, sür Unheil an gerichtet. Das ist der Teufel der Menschheit und der Ehrgeiz, dieser Vater des modernen Strebertums, ist sein Genosse." „Ist dieser Ehrgeiz der Menschen nicht die beste Bürgschaft dafür, daß niemals eine absolute Gleichheit sein wird?" „Das wshl, gnädige Frau, aber dieser Ehr geiz sührt zum ungesunden Streben, zur Un zufriedenheit. Wir sind unzufrieden aus Ehr geiz, der Arbeiter war es einst der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, jetzt ist das leider anders; aber haben wir das Recht, es ihm zu verargen, daß er unzufrieden ist, wenn wir selbst nicht unzufrieden fein können ? Unsere Unzufriedenheit ist gerade so gefährlich wie die der Umstürzler, beide drängen znr Katastrophe. Es dars, wie in allen Dingen, so auch hier, das Gipfelchen sich nicht vermessen, daß es allein der Erde nicht entsprossen." r, » (Fortsetzung folgt.)