Volltext Seite (XML)
wird kommen. gierige Politiker das parlamentarische Regiment herbeiführen wollen, so heißt dies dem Volke Steine statt Brot geben. Der Redner schließt: „Der kommende Friede darf nicht mit der Gänsekielfeder des Diplomaten und Bureau- kraten, nicht mehr mit der Goldfüllfeder des Bankiers, sondern nur mit der Spitze des Schwertes geschrieben werden, und erst ein solcher Friede wird das Dichterwort zur Wahr heit machen: „Und es wird am deutschen Wesen einstmals noch die Welt genesen." Von unä fern. Dreifaches goldenes Ehejubiläum. Der vielleicht einzig in seiner Art dastehende Fall, daß drei Ehepaare in einem 400 Ein wohner zählenden Orte au einem Tage die Kaum irgendwo hat de» Krieg erbarmungsloser gehaust als in den Wäldern. Wo früher schatten spendende Bäume in den Himmel ragten, wo muntere Vögel das Herz der Menschen erfreuten, da liegen die Riesen geknickt wie schwache Halme, ein wüstes Gewirr von zersplitterten Stämmen, von verworrenen Zweigen kennzeichnet die Stätten, die mit jahrzehntelangem Fleiß liebevoll gepflegt waren. goldene Hochzeit begehen können, hat sich in Ottendorf (S.-A.) vollzogen. Die Jubelpaare erfreuen sich noch eines verhältnismäßig guten Wohlbefindens. Aufhebung einer Gehcimschlachterei. In einem Schuppen am Lorenzweg in Magde burg wurde eine Geheimschlächterei entdeckt und aufgehoben. In der Zeit vom 16. Januar bis 17. Februar wurden dort über hundert Schweine heimlich geschlachtet. Das Fleisch wurde ohne Untersuchung zum größten Teil an einen Schank wirt zu 3,10 Mark für das Pfund verkauft, der es weiterverkaufte. Gegen alle Beteiligten ist eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet. Ein sonderbarer Grabstein. Ein in Mannheim wohnhafter Wirt erwartete dieser Tage eine Sendung, die auf dem Frachtbrief als „Grabstein" bezeichnet war. Eine Öffnung im Deckel der umfangreichen Kiste gestattete Einblick in die Kiste und ließ den Grabstein sehen. Der Polizeibehörde kam die Geschichte etwas sonderbar vor und sie dirigierte die Kiste statt zu dem Wirt in den Schlacht- und Viehhof. Dort wurde die Kiste geöffnet, der Grabstein, der auf einem Holzgestell in der Kiste ruhte, abgehoben. Dann fand man säuberlich in ein umfangreiches Bügeltuch eingewickelt ein deli kates Schwein und ihm zur Seite, als weh mutsvolle Erinnerung an alte Zeiten, 18 Pfund Der Wirt bekommt nun statt der Grabsteinsendung ein Strafmandat, und der Inhalt der Kiste kommt der Allgemeinheit zugute. «Vereinfachte Hofhaltung im Haag. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Zustände in Holland ordnete Königin Wilhelmina eine Vereinfachung aller öffentlichen Empfänge am Hofe an. Ernährungssorgen in Holland. Bei den letzten Lebensmittelrevolten in holländischen Städten soll ausländischer Einfluß im Spiel ge wesen sein, wie in Haager parlamentarischen Kreisen verlautet. Die holländische Regierung soll nun veranlaßt werden, darüber eine Unter suchung anzustellen. Die jetzigen Lebensmittel schwierigkeiten in Holland haben, wie versichert wird, in keiner Weise mit der Seesperre zu tun, sind im übrigen auch bereits zum Teil durch die Langer Jahre fleißigster Arbeit wird es bedürfen, um die wüsten Wälder wieder aufzuforsten. Um den Robenwald am „Toten Mann" ist in der heißesten Weise gekämpft worden, und was ein Kampf mit den schwersten Kalibern für den Wald bedeutet, das zeigt unser Bild in geradezu ergreifen der Weise. sehr energisch betriebene Organisation der Ver teilung stark gemildert. Lebensmittelkarte« im Kanton Basel. Eine Verordnung der Regierung führt für Mono polwaren, das heißt für Waren, die durch Ver mittelung des Staates an die Bevölkerung ab gegeben werden, Lebensmittelkarten ein. Mono polwaren sind Getreide aller Art und dessen Mahlerzeugnisse, Fntterartikel, Haferflocken, Mais, Reis, Zucker, Petroleum und Benzin! Das Brot als Umwandlungsprodukt fällt nicht unter den Begriff Monopolware. Für alle übrigen Lebens mittel, die'nicht zu den Monopolwaren gehören, werden, sobald Knappheit droht, verringerte Ab gabemengen festgesetzt. Verstaatlichung der drahtlosen Tele graphie in Spanien. Die drahtlose Tele graphie in Spanien war, bisher, wie in vielen anderen Ländern, nicht dem Staate Vorbehalten, sondern dem privaten Unternehmungsgeist zur Ausbeutung überlassen. Wie der,Temps' aus Madrid meldet, ist jetzt ein königliches Dekret herausgekommen, das den Privatbetrieb draht loser Telegraphenstationen verbietet und die Funkentelegraphie als staatliches Regal erklärt. Die Explosion in Archangelsk. .Poli tiken' meldet, daß die Munitionsexplosion in Archangelsk am 27. Januar eine furchtbare Katastrophe war, die Tausende von Menschen opfern forderte. Das Blatt schreibt: Nach den Berichten von Augenzeugen wurde am 27. Januar vormittags das größte Munitionslager der Welt in die Luft gesprengt. Die Katastrophe hatte vollständig den Charakter eines Erdbebens. Die Vorräte an Munition und Kriegsmaterial hatten eine Fläche von zwei Kilometer Länge und einen Kilometer Breite bedeckt. Die Explosionen folgten einander Schlag auf Schlag. Bei der ersten wurde bereits die zwei Kilometer entfernt liegende Eifenbahnstation zerstört. Der Sach schaden wird auf mehrere hundert Millionen Rubel veranschlagt. Die allgemeine Auffassung geht dahin, daß die Katastrophe nicht durch Fahrlässigkeit verursacht worden ist, sondern daß es trotz der strengen Bewachung Personen ge lungen war, eine Höllenmaschine in das Lager einzuschmuggeln. Bisher wurden gegen 100 Finnen unter dem Verdacht einer Verschwörung verhaftet. Esperanto als Universitätslehrfach. An der Universität von Helsingfors (Finnland) liest gegenwärtig ein Dozent ein Kolleg über das Thema „Einführung in die Sprachwissenschaft unter Berücksichtigung des Esperanto". Außer in Helsingfors wird Esperanto noch an einer Anzahl deutscher, französischer und spanischer Universitäten gelehrt. So hat Dresden eine Esperanto-Hochschule, die alljährlich eine große Anzahl Schüler ausbildet. Teuerungskundgebungen auch iu New Dort. Vor dem Rathaus in New Aork sanden in den letzten Tagen Kundgebungen von Frauen gegen die Lebensmittetteuerung statt. Besonders die umherziehenden Gemüsehändler wurden wegen ihrer hohen Preise beschimpft. Die Frauen griffen die Gemüsekäufer in den Straßen an, gossen ätzende Flüssigkeiten auf die Waren und beraubten sie zum Teil. VolksnirtlckaMickLs. Verwendung der Rnnkelrübc für die menschliche Ernährung. Im Hinblick auf tue Notwendigkeit, durch Ausnutzung aller zur mensch lichen Ernährung tauglichen Naturerzeugnisse die Knappheit an Lebensmitteln, insbesondere an Kar toffeln, zu erleichtern und zu überw.nden, muß darauf hingewiesen werden, daß neben der Kohlrübe auch die Runkelrübe der menschlichen Ernährung zugesührt werden kann/ Die Zubereitung der Runkelrübe zu diesem Zweck ist die nämliche wie die der Kohlrübe. Über die Verwendungsart der Kohlrübe zur mensch lichen Ernährung ist die Bevölkerung inzwischen hin reichend aufgeklärt. Wie aus der Kohlrübe, s» können auch aus der Runkelrübe allerhand Gerichte hcrgestellt werden; sie kann zu Suppen, Gemüse, zu Kompott, als Brotaufstrich usw. verwandt werden, sie eignet sich auch in feder Form (roh, gekocht, ge trocknet, gemahlen) zur Brotstreckung. Wenn auch die Runkelrübe von Reichs wegen nicht beschlagnahmt ist, da sie dem Landwirt als hauptsächlichstes, ihm zur freien Verwendung verbliebenes Futtermittel belasten werden muß, so wird sie sich in einzelnen Haushallungen, insbesondere in den jenigen Gegenden, wo starker Runkelrübenanbau betrieben wird, für menschliche Kost ohne weiteres verwenden lassen. Dies ist namentlich in solchen Gegenden zur Ersparnis und Streckung der knappen Kartoffelvorräte dringend zu empfehlen. Denjenigen Haushaltungen, die nicht im Besitz der erforderlichen Rezepte zur Zubereitung von Kohlrüben oder Runkelrüben sein sollten, werden von den zuständigen Kommunalverbänden oder auch von der Rcichs- kartoffelstelle die nötigen Rezeptübersichten in Form von Flugblättern unentgeltlich zur Versügung gestellt werden. Gericktsballe. Berlin. Die Gemeingesährlichkeit mancher Privatdetektivs erhielt wieder einmal eine grelle Be leuchtung durch eine Meineidsanklage, die vor dem Schwurgericht verhandelt wurde. Der noch ziemlich jugendliche Angeklagte Kurt Eckler, der Sohn hoch anständiger Eltern, hatte in sich das Talent zu kriminalpolizeilichen Großtaten entdeckt und ein Privatdctektivbureau begründet. Sein ver meintliches Talent hat ihn auf böse Irrwege ge führt und gleich bei einem der ersten größeren Auf träge ihn zu Verbrechen verleitet, die schweres Unheil über ihn und andere Personen gebracht haben. Er verleitete andere Personen, um seine Darstellungen glaubwürdig zu machen, zum Meineid. Er wurde schon vor einiger Zeit zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt und erhielt jetzt wegen eines zweiten Falles eine Zusatzstrafe von vier Monaten Zucht- Aber wenn ehr- und macht-»Butter. Verwüstungen im Kabenwaiä östlich vom „Hoten ^ann". Der 8unä äer l^anäwirte. Erste Kriegstagung. Ein ganz verändertes Bild gegen früher zeigte diesmal die Generalversammlung des Bundes der Landwirte, die zum ersten Male seit Kriegsbeginn am 21. d. Mts. in Berlin tagte. Es war nicht das Massenaufgebot von Landwirten im Zirkus Busch. Wie Freiherr v. Wangenheim in der Eröffnungsrede betonte, hatte man in der heutigen Zeit und bei den Verkehrsschwierigkeiten es nicht für angebracht erachtet, mit einer Massenkundgebung hervorzu- treten. „Heute," so führte Frhr. v. Wangenheim aus, „müssen wir unserem Kaiser vieles ab bitten, daß wir murrten, als er uns auf die See verwies. Wer hat nicht gemurrt, als er ein großes Stück Afrika für Helgoland gab, als er mit der Welt des Islam in enger Verbin dung trat? Wir beklagen es, daß der Mittel stand noch immer nicht so das Ohr des Kaisers hat. Die Stimme des Volkes wird auch nicht laut durch Scheidemann und Erzberger, nicht durch das Berliner Tageblatt und die Frank furter Zeitung. Ja, diese Stimme wird nicht einmal durch die Mehrheit des Reichstags ver kündet, der unter einer ganz anderen Parole gewählt wurde. — Unsere Blicke sind gleichwohl auf den Kaiser gerichtet, der in seinen Erlassen keinen Zweifel gelassen hat, was nun geschehen soll und geschehen wird." Mit dem Hoch auf den Kaiser schließt der Redner, über das wesentlichste Thema „Unsere Ernährungsverhältnisse" sprach Dr. Rösicke-Gersdorf. Er sagte u. a., man habe es nun einmal versäumt, sich besser für den Krieg vorzubereiten, als es geschehen ist, und müßte sich nun, so gut es angeht, mit dieser Tatsache abfinden. Von der Kriegswirt schaft ausgehend, beleuchtete der Redner die Verhältnisse, wie sie sich in unseren Tagen für die Landwirtschaft gestaltet haben. Er bezieht sich dabei auf die vielfachen Warnungen, die aus den Kreisen der Landwirtschaft ergangen sind. So haben die Landwirte gewarnt, man solle nicht mit niedriger Preisbemeffung die Kartoffeln vernichten, aber man habe nicht gehört. Man habe ver- gefsen, daß nichts zu teuer ist, wenn es uns nur reichlich angeboten wird. Dabei müsse man sich fragen, ob die Kriegsgesellschaften zur Ver teilung oder zum Verdienst da wären. Dabei habe man nach allen Beratungen vergessen, daß man doch nur etwas verteilen kann, was man zum Verkauf hat. Dr. Rösicke schließt hieran das mit brausendem Beifall aufgenommene Wort: „Nur dann werden wir durchkommen, wenn wir die Erzeugung fördern, wenn wir extensiv auf dem Acker und im Stalle werden, und gottlob, schon bewährt es sich in dieser Be ziehung." Im übrigen sprachen die folgenden Redner im wesentlichen über die Kriegsziele. Landrat a. D. Röttger trat für die Forderung einer Kriegsentschädigung ein, die zur Ge sundung unserer Finanzen beitragen müsse. Er sprach ferner die Erwartung aus, daß Deutsch land bei Friedensschluß das Kohlenbecken von Longwy und Antwerpen als festen Besitz be- , hatten werde. Reichstagsabgeordneter Dr. Wild grube gab der Hoffnung Ausdruck, daß der Gedanke einer Verständigung mit England end- gültig abgetan sei. Wer sich mit England verständigen wolle, müsse sich ihm unterwerfen oder es niederschlagen. Nun folgte das Schlußwort des Freiherrn vo« Wangenheim. Darin ermahnte er die Ver sammlung, das hier Gehörte ins Land hinaus zutragen, damit das Volk sich klar werde über den Ernst der Stunde. „Wir stehen", so rief er aus, „vor einem Ausrottungskrieg, und nur die Aufwendung aller Machtmittel kann uns . retten. Die Landwirtschaft setzt ihr alles daran, aus freier werktätiger Vaterlandsliebe, aber auch aus Nächstenliebe. Darum sorgen Sie, daß alle Kräfte für die nun kommende Be stellung angespannt werden. Viel wird jetzt von der Neuorientierung gesprochen. Gewiß! Sie weggelegte Zeitungsblatt ergriffen und las darin; plötzlich rief sie erregt aus: „Mama, Emma Mertens, des Werksührer Viertens Tochter, der früher in unserer Fabrik beschäftigt war, jetzt aber bei Herrn Doktor Faller arbeitet, hat sich ins Wasser gestürzt!" Die Kommerzienrätin horchte auf. „Das Motiv der Tat?" fragte sie. „Furcht vor der Schande!" erwiderte Hedwig. „Die Folge der verkehrten Erziehung. Mertens hat aus seiner Tochter eine Weltdame erzogen, das ist immer ein Fehler. Standes- unterschiede müssen sein, und wer die Schranke überspringt, geht zugrunde oder wird zugrunde gegangen." Hedwig erwiderte nichts auf diese Worte ihrer Mutter; das Schicksal des ihr bekannten Mädchens ging ihr nahe „Daß Otto nicht heraufkommt," sagte jetzt Frau Lang unmutig. „Ach so, ich vergaß, er muß jetzt Arbeiten; wenn es nur seiner Ge sundheit nicht schadet, denn er ist an Arbeit nicht gewöhnt!" „Das bißchen Arbeit," meinte Hedwig und blickte dabei ihre Mutter vorwurfsvoll an. „Andere Leute müssen auch arbeiten! Was Otto im Kontor arbeitet, wzrd so schlimm nicht sein, er hat es zu toll getrieben, und Strafe »mß sein!" „Jugend muß austoben," entgegnete Frau Laug verweisend, denn sie ärgerte der stete Widerspruch, den ihr die Tochter entgegensetzte, iobalb sie ihren Sohn verteidigte, dessen Passionen und Verkehr im Unionklub sie in jeder Weise unterstützte. „Mein Sohn wird sich ohne Nachteil sür seine Gesundheit niemals an ständige Arbeit gewöhnen können." „Der arme Junge," spöttelte Hedwig. „Morgens arbeitet er zwei Stunden, nachmittags nicht mehr; das sind vier Stunden, von denen schwänzt er, unter uns gesagt, wenn Papa sort ist, noch drei und dreiviertel. Da ist der Doktor doch ein anderer Mann." „Nun ja, Hedwig, der Doktor ist ein Mann der Wissenschaft und an das Arbeiten ge wöhnt." „Otto natürlich nicht. Ihm ist es lieber, den Kavalier mit Paul zu spielen, einerlei, ob die verständigen Leute die Achseln zucken und ihn eine Drohne nennen. Ein Segen ist's für ihn, daß ihn Papa beschäftigt." „Wenn dich Otto hörte, er würde das dir niemals vergessen. Er kann dich so wie so nicht recht leiden." „Das ist mir gleichgültig, aber ich halte es für meine Pflicht, ihn an seine Stellung als Sohn dieses Hauses zu erinnern. Der Bruder hat Pflichten gegen seine Schwester, er muß seinen Verkehr danach einrichten," entgegnete Hedwig erregt. „Er muß arbeiten!" „Mein Gott, ja I Er ist erst 22 Jahre alt; ein junger Mann aus privilegiertem Stande hat in diesem Alter Freiheiten, die ihm die Gesellschaft stillschweigend eingeräumt hat," verteidigte die Kommerzienrätin ihren Sohn. „Mama, das ist ein Vorurteil!" „Willst du den Kampf gegen diese Vorur teile aufnehmen? Eine Arbeit, für die ich mich, aufrichtig gestanden, zu schwach fühle! Dem Kavallerie-Offizier erlaubt die Gesellschaft, was sie von einem jungen Elementarlehrer nicht dulden würde. Dagegen läßt sich einmal nicht ankämpfen!" Hedwig erwiderte nichts, sie kannte die Schwäche ihrer Mutter zu genau, um den Versuch zu wagen, die sonst sehr vernünftige Dame davon zu überzeugen, daß Arbeit niemand schände. Sie setzte sich schweigend ans Klavier und spielte ihre Lieblingsstücke, die spanische Serenade und „Die Taube". Die Kommerzien rätin lauschte dem meisterlichen Spiel ihrer Tochter und vergaß dabei ganz, die Schmerzen ihres so angestrengt arbeitenden Sohnes mit zufühlen. 3. Der Kommerzienrat Ferdinand Lang war ein von Vorurteilen des Patriziertums vollge pfropfter Eisenkopf, der gewohnt war, gegen jedermann seinen Willen durchzusetzen; er stand in großem Ansehen und war fast in allen Ehrenstellen, die seine Mitbürger zu verleihen in der Lage waren, aber nur wenige liebten ihn. Das galt ihm gleich; stolz, ehrgeizig wie er war, wagte es niemand, ihm nachzuweisen, daß er irgend jemand einmal unrecht in seinem Leben getan habe. Er duldete keine Über hebung, und so hielt er eiserne Zucht unter seinen Arbeitern. Auch in seiner Familie herrschte uneingeschränkt sein Wille; niemand wagte es, seinen Anordnungen entgegen zu handeln. Nur sein einziger Sohn Otto schlug etwas aus dieser Art; er war ein Lebemann, liebte das Spiel und die Rennen, machte Schulden, trotz seines reichlich bemessenen Taschengeldes und lebte in den La- hinein. bis der Kommerzienrat seinem Verschwender leben dadurch ein Ziel setzte, daß er ihm die Wahl zwischen Arbeit oder Enterbung ließ. Herr Otto zog da die Arbeit vor; ein Ereignis, sür seine Freunde, die ihm den Ruhmeskranz des Spießbürgertums prophezeiten. Die Kom merzienrätin bedauerte ihren Sohn, die Welt aber, die den jungen Kavalier kannte, lachte, und die Arbeiter in der Fabrik rechneten genau den Wert der Arbeit des jungen Herrn aus; viel kam selbstverständlich bei dieser Berechnung nicht heraus. Im Hause des Kommerzienrats verkehrte seit einem Jahre Fabrikdirektor Doktor Friedrich Faller regelmäßig. Faller war ein Mann von Qualitäten, der in der Arbeiterwelt auf Händen getragen wurde; er galt als ein bedeutender volkswirtschaftlicher Schriftsteller und ein Shake- spearekenner ersten Ranges. Er war kein be sonders schöner Mann, aber er gewann viel im persönlichen Verkehr, denn er war ein glänzender Plauderer, dessen Unterhaltung gesucht wurde. Kommerzienrat Lang war Reichstagsabgeord neter; man stand vor den allgemeinen Wahlen; die Agitation unter den Arbeitern wurde ge schickt inszeniert und das Mandat des gefürchteten ManneS war bald so in Gefahr, daß seine Freunde ihm rieten, nicht wieder zu kandidieren, sondern eine Kompromiß-Kandidatur zu unter- stützen. Doktor Faller suchte aus diesem Grunde heute den Kommerzienrat auf, allein er traf nur die Damen an. »»»