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Allgemeiner Anzeiger : 28.02.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191702287
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170228
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-02
- Tag 1917-02-28
-
Monat
1917-02
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.02.1917
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Der neue d-Soot-Krleg. Der uneingeschränkte V-Voot-Krieg hat be gonnen: die letzte entscheidende Phase des Weltkrieges ist damit eröffnet. Durch das Empfinden des deutschen Volkes braust wieder der Strom des von allen Kräften getragenen Willens zum Sieg wie in den ersten Tagen des Krieges. Der Stotz gegen England wird nun geführt; gegen England, in dem das Gefühl des oft mit einem halbwahren Schlag wort unpolitisch gescholtenen Deutschen längst das beherrschende Haupt des feindlichen Ver bandes erkannt hat. Das Deutsche Reich und seine Verbündeten haben der Stimme der Vernunft und der Menschlichkeit Gehör verschaffen wollen. Ihr Friedensangebot war der lautere Ausdruck des Empfindens in einem Volke, das nie an „Re vanche", an Eroberung, an gewalsame Beseiti gung lästigen Wettbewerbs gedacht, das seinen Aufstieg in freier, friedlicher Entwicklung seiner Kräfte inmitten der Völker zu nehmen ge wünscht hat. Vor der Antwort, die der feindliche Verband uns und dem Präsidenten der Per. Staaten erteilt hat, gibt es keinen Zweifel mehr über die Absichten der Gegner. Daß es ohne ihren Sieg, also ohne die zerschmetternde Nieder lage der Mittelmächte, ohne Rücksicht auf die dazu erforderlichen Ströme Blutes keinen Frieden geben solle, haben Rußland, Italien, Frankreich, England unzweideutig ausgesprochen. Dem Deutschen Reich sollen Elsaß-Lothringen, Posen, Nord- Schleswig, wenn nicht noch mehr genommen, Österreich soll zerschlagen, die Türkei ihres europäischen Besitzes beraubt werden. In der Versicherung, man wolle „die deutschen Völker" am Leben lassen, liegt schon angedeutet, daß das Deutsche Reich wieder in seine einzelstaat- lichsn Bestandtteile zerfallen müsse, um in der politischen Verfassung vergangener Jahrhunderte die den gegnerischen Mächten genehme Rolle der Ohnmacht zu spielen. Dis Hoffnung auf ehrliche und friedliche Verständigung ist zu Grabe getragen; niemand kann mehr bestreiten, daß die Mittelmächte um ihr Leben kämpfen. Wir wenden nun im Stande gerechter Not wehr die Waffe an, die in England selbst immer wieder als die gefährlichste, ja als die einzig wirklich gefährliche besprochen worden ist; und wir wenden sie uneingeschränkt an, wie es ihrem Wesen und den Bedingungen ihrer Wirksamkeit entspricht. Man hat uns eingewandt, der Q-Bootkrieg verletze höhere Gesetze der Menschlich keit. Das erledigt sich durch die einfache Über legung, daß die feindliche und neutrale Schiffahrt genügend gewarnt ist, das Kriegsgebiet zu be fahren, und daß kein Seemann sich beschweren darf» der zu Schaden kommt, weil er aller Warnung zum Trotz für unsere Feinde sich in Gefahr begibt. Wir wenden unrere Waffe an, um dem furchtbaren Blutvergießen ein Ende zu machen. Was sollten unsere deutschen Sol daten, die im Trommelfeuer liegen, von einer Menschlichkeit denken, die ihnen eine unabseh bare Fortdauer des furchtbaren Ringens zu- mutete, um eine verschwindende Anzahl fremder Seeleute zu schonen, die sich um unsere War nungen nicht kümmern? England lehnt die „Freiheit der Meere" ab, die in der letzten Note des Präsidenten Wilson als ein Ziel seiner Friedensidee aufgestellt war. Nun wird England in die Lage kommen, für sein Ideal, die unbeschränkte und rücksichtslose Vorherrschaft zu See, die es mit allen Mitteln raffinierten Zusammenwirkens seiner Flotten macht, politischen Drucks auf die Neutralen, der Schwarzen Listen, der Handelsspionage auszubeulen als sein Kulturinteresse betrachtet, den letzten entscheidenden Gang zu wagen. Gegen den britischen Marinismus, der die Völker unter sein Joch zwängen will, ziehen unsere Q-Boote in den Kampf I Leicht wird der Kampf nicht sein, alle Mittel wird der Gegner an allen Enden einsetzen, aber am Ende des Kampfes steht der Sieg. Schon leistet der den Engländern verbliebene Fracht raum nicht mehr, was ihr militärischer und wirt schaftlicher Bedarf braucht. Die Weltmißernte gefährdet die Versorgung Englands, Frankreichs, Italiens auf das äußerste, die Teuerung ist in England auf vielen Gebieten schon schlimmer als bei uns, und die Not lauert dahinter. Was England an Kriegsmaterial bezieht, was es darin und an Kohle, dem täglichen Brot des wirtschaftlichen Lebens, seinen Verbündeten schickt, führt unter ständiger schwerer Gefahr durch Kriegs gebiet. „Wenn Deutschland imstande ist, England mit seiner Unlerseebootswaffe schwer genug zu treffen, bevor die Wersten die Schiffe zum Lebensmitteltransport Herstellen können, oder bevor unser Land diese Lebensmittel selbst her vorzubringen imstande ist, dann ist cs möglich, daß der Verband, der sich gegen den Kaiser und seine Genoffen gebildet hat, sich lockern wird, und daß Deutschland einen Frieden er hält, der ihm manches von dem, was es ver langt, bringt." So kennzeichnete ein führendes englisches Blatt am 18. Januar die dem Insel- reich drohende Gefahr. Unsere Marine hat natürlich alle Faktoren und Möglichkeiten in Rechnung gestellt und sorgsam erwogen, und sie geht im Vollgefühl ihrer Kraft, mit freudiger Offensive an die neue Aufgabe heran: das Herz Englands zu treffen. v. X, verschiedene Uriegsnachrichten. Groste Kälte an den Fronten. Im Westen wie im Osten wirkt die riesige Kälte lähmend auf die kriegerischen Unterneh mungen. Im Westen herrscht am Tage eine Durchschnittstemperalur von 15 Grad, nachts eine solche von 22 Grad unter Null. Nament lich die Posten und Wachen haben schwer unter der Kälte zu leiden, doch ist der allge meine Gesundheitszustand recht gut, viel besser als in langen Negenwochen. Unsere Mannschaften erhalten überall reichlich Frostsalbe, mit der Füße, Hände und empfind liche Gesichter dick bestrichen werden. Von der Ostfront werden Temperaturen bis zu 34 Grad unter Null gemeldet. Dabei ist genaues Schießen der Artillerie unmöglich, die Minen werfer versagen, die Flugmaschinen funktionieren nicht, die Infanterie kann ihre Gewehre nicht mehr halten, beim Sturm frieren die Kämpfer, wenn sie sich auf den Boden werfen müssen, einfach fest. Russische Angriffe „erstarrten" förm lich in der Kälte, wie ein deutscher Bericht erstatter sich ausdrückt. * Verzicht des Vierverbandes auf die Offensive? ,Corriere della Sera' meldet, es sei wohl möglich, daß der Vierverband dem Gegner den Angriff überlasse und defensiv bleibe. Der Abgeordnete Tardieu und der Senator Berenger warnen das französische Volk vor übereilten Hoffnungen. Zwar seien die Vorteile der Offensive unbestreitbar, aber keinesfalls ab solut. Tardieu wie Berenger warnen das Volk vor Enttäuschungen, sofern der Angriff in den unmittelbar bevorstehenden Kämpfen nochmals Sache des Feindes bleibe. Wenn das zutreffe, sei es gleichbedeutend mit der Erklärung des Bierverbandes, daß er die Vorbereitungen nicht für ausreichend hält, um eine allgemeine Offen sive durchzuführen. Mannschuftsmangel in Italien. Ein Dekret beruft die in den ersten vier Monaten des Jahres 1899 geborenen jungen Italiener zur Ausmusterung und sofortiger Ein stellung in das Territorialheer in den Tagen vom 10. bis 25. Februar ein, diese 17- bis 18 jährigen jungen Leute sollen einen kurzen intensiven Militär-Nnterrichts- kursus durchmachen und bereits im März ihren Dienst antreten zur Ergänzung der älteren Jahrgänge der Territorialarmee, bei der nach den halbamtlichen Auslassungen ein Mann- schaftSmangel besteht. -i« Bisher 1S45 englische Schiffe versenkt. Archibald Hurd stellt im ,Daily Telegraph' est, daß im Dezember 1916 162 englische Schiffe mit 4I9 000 Tonnen versenkt wurden und seit Anfang des Krieges 1215 englische Schiffe mit 2 947 475 Tonnen. Er warnt die Regierung und das Volk davor, eine Blockade Englands durch die Hl-Boote als unmöglich zu verspotten. Wie in Rotterdamer Schiffahrtskreisen ver lautet, sind seit Beginn des verschärften II-Boot- krieges schon über dreißig Schiffe ver- senktworden. Wilson sucht Bundesgenossen. Nach einer Privatmeldung des „Basler Anzeiger" aus Bern hat Präsident Wilson an die schweizerische Regierung eine Note gerichtet, in der er die Negie rung einladct, sich dem VorgehenAmerikas gegen Deutschland anzuschliehen. Der Bundesrat hat in einer Sondersitzung die Antwort ans dre Einladung Wilsons festgestellt. Sie wird aber erst veröffent licht werde», wenn Wilson im Besitze der Note sei» wird. Diese Meldung wird vom ,Basler Anzeiger' wie folgt besprochen: „Es ist eine überaus ge fährliche Einladung, und es ist zu hoffen, daß der Bundesrat ihr keine Folge geben wird. Wir sind keine Seemacht und haben kein Inter esse, uns Amerika anzuschließen in einem Augenblick, wo die Sache gefährlich wird.; um so weniger, als die Union bei ihren bisherigen Schritten über die Lage zur See uns auch nicht zu Nate gezogen hat. Wir begreifen durch aus den schweren Schlag, den dieser neue Schritt Deutschlands der amerikanischen Industrie und dem amerikanischen Handel zufügt. Wir leiden, was unseren Verkehr mit England an- belangt, nicht minder darunter. Aber die Ver. Staaten haben bei ihren bisherigen Schritten sich so eingerichtet, daß diese auch ihren Kriegs material- und Konterbande-Lieferungen zugute kamen. Die Stellung der Ler. Staaten wäre besser, wenn sie das zu vermeiden gewußt hätte. So sehr wir für unbedingte Achtung des Völker rechts eintreten müssen, und zwar nach beiden Seilen, so wenig haben wir ein Interesse daran, uns wegen Amerikas Konlerbande-Lieferungen in eine Abenteurerpolitik einzulassen. Amerikas Bruch mit de» Mittelmächten« Präsident Wilson erklärte vor dem Senat, daß die Vereinigten Staaten die Beziehungen zu den gesamten Mittelmächten und nicht zum Deutschen Reiche allein abbrechen. Ein Reuter-Schwindel. Reuter meldet aus Washington, daß beinahe sofort nach der amtlichen Mitteilung, daß die diplomatischen Beziehungen abgebrochen seien, in der in New London für das E-Boot „Deutschland" aufgestapelteu Ladung Feuer ausbrach. Von unterrichteter Seite wird hierzu erklärt, daß die „Deutschland" die dritte Ausreise nach Amerika nicht angelreten hat und in ihrem deut schen Hafen liegt. Die amerikanischen Diplomaten in Belgien. Dem belgischen Gesandten der Ver. Staaten wurde mitgeieilt, daß die Ver. Staaten ihre diplomatischen Vertreter in Belgien nicht abbe- rnfen, außer, wenn die deutschen Militärbehörden ihnen ein längens Bleiben unmöglich machen. Auch die Amerikaner, die für die Hilfskommifsion arbeiten, sollen vorläufig in Belgien bleiben. Das deutsche Kanonenboot „Geier" in Mammen. Das deutsche Kanonenboot „Geier", das in Honolulu interniert ist, wurde von der Besatzung in Brand gesteckt und steht in Flammen. Die Maschinen deutscher Dampfer zerstört. Die Zollbeamten, die die in Manila liegenden deutschen Dampfer untersuchten, fanden, daß die Maschinen von neun Dampfern zerstört waren, und daß bei den übrigen Schiffen die Feuer unter den leeren Kesseln brannten. Wie verlautet, haben die deutschen Besatzungen an Bord der in philippinischen Häfen liegenden Schiffe versucht, die Maschinen zu zerstören. Auch im Hasen von New Jork soll auf deutschen Schiffen ähnlich verfahren worden sein. Deutsche Schiffe in amerikanische» Häfen. In den atlantischen und pazifischen Häfen der Ver. Staaten liegen 55 deutsche Dampfer mit einer Gesamttonnage von 444 916 Tonnen. Davon gehören der Ham- burg-Amerika-Linie 35 mit 248 301 Tonnen (darunter der Ozeanriese „Vaterland" mit 54 282 Tonnen), dem Norddeutschen Lloyd 12 mit 147 887 Tonnen und der Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft 8 mit 48 728 Tonnen. Außerdem hat die österreichische Reederei Austro- Americana (Triest) sieben Dampser mit 35 780 Tonnen in den HLfen der Ver. Staaten liegen. Hinzu kommen noch in Newport News der deutsche Hilfskreuzer „Prinz Eitel Friedrich" vom Norddeutschen Lloyd und dis deutsche Prise „Appam". Wird Amerika den Krieg vermeiden? Der ,Köln. Volksztg.' zufolge erfährt ,Secolo' aus London, in New Dort mache sich die Meinung geltend, daß Amerika trotz des Abbruches der diplomatischen Beziehungen den Krieg vermeiden werde. In politischen Kreisen wird vieljach betont, Wilson sei nur wieder gewählt worden in der Hoffnung, er werde Frieden stiften und diesen für Amerika erhalten. Polttikke Aunälckau. Deutschland. * Staatssekretär des Äußeren Zimmer mann erklärte in einer Unterredung mit Ber liner Vertretern amerikanischer Zeitungen, Wilsons Botschaft an den Kongreß habe in Deutschland erstaunt und enttäuscht. Wir haben unser möglichstes getan, einen Bruch zu verhindern. Die Entwicklung der Dinge ist nicht unsere Schuld. Wir haben den Ver. Staaten keinerlei bedingungslose Versprechen hinsichtlich der Führung des V-Bootkrieges gegeben; davon, daß Deutschland ein Versprechen gegenüber Amerika verletzt, kann also nicht die Rede sein. Wir hoffen, daß Präsident Wilson einsehen werde, daß wir im Recht sind. In unserem Kampf um unser Dasein gibt es kein Zurück mehr. — Wie verlautet, werden die außeramt lich in Berlin lebenden Amerikaner ihren Wohn sitz behalten. Die deutschen Behörden werden ihnen keinerlei Schwierigkeiten bereiten. * Es hat den Anschein, als greife auch hin sichtlich der fünften Kriegsanleihe bei den Zeichnern Beunruhigung wegen des Ausbleibens der Benachrichtigungen über die erfolgte Eintragung ihrer Zeichnungen in das Reichsschuldbuch Platz. Es muß erneut daraus hingewiesen werben, daß die Ver zögerung nur in der großen Menge der ein- gegangeuen Anträge ihren Grund hat, die trotz größter Anstrengung erst nach mehreren Wochen erledigt werden können. Zu irgend welcher Beunruhigung liegt also kein Grund vor, und es wäre jedenfalls verfehlt, wegen dieser unver meidlichen Verzögerung die Zeichnung auf eine weitere Anleihe zu unterlassen. Österreich-Ungarn. * Das Organ Gras Andrassys Magyar Hir- lap' führt aus, daß der Abbruch der diplomati schen Beziehungen zwischen Amerika und Deutsch land seit der Verkündung des verschärften V-Boot- Krieges vorauszusehen war. Wir sind daher durch Wilsons Botschaft nicht überrascht, jagt das Blatt. Durch dieLeilnahme der V e r. Staken am Weltkriege erreicht dieser seinen Höhepunkt. Nun werden der Welthandel und der Verkehr der Nationen ins Stocken ge raten, was eine Anarchie auf wirtschaftlichem Gebiete zeitigen wird. Australien. * Englische Zeitungen weisen auf die aus fallende Tatsache hin, daß die Zahlen über die Abstimmung der australischen Soldaten in der Frage der Wehrpflicht von der großen englischen Presse nicht veröffentlicht werden, trotzdem jetzt schon zwei Monate seit der Ab stimmung vergangen sind. Es steht fest, daß von den australischen Soldaten 40 000 sür die Wehrpflicht gestimmt haben und 100 000 da gegen, so daß das australische Heer sich mit einer Stimmenmehrheit von 60 000 gegen die Wehrpflicht erklärt hat. Da die Mehrheit, mit der die Wehrpflicht abgelehnt wurde, 60 000 beträgt, war es ausgerechnet die Abstimmung der australischen Soldaten, die die Wehrpflicht- Vorlage zu Fall brachte. ?)mnerk, äer ^neckt. L4j Roman von Bruno Wagener. Mortsetzimg.) Die Magd kam herein und erzählte mit großer Zungenfertigkeit, daß der Bauer in der Scheune schlafen wollte, sie hätten schon einen Dettsack hinübergeschafft. Gesine nickte und sagte, es seien dem Bauern zu viele Fliegen im Hause, die ihn beim Schlafen störten; deswegen sei die Übersiedlung erfolgt. Die Magd lachte hinter ihrem Rücken und ging hinaus, nachdem Gesine ihr befohlen hatte, die Haustür zu schließen. Gleich darauf aber öffnete sich die s Tür noch einmal. Als Gesine aufsah, stand ihr Bruder vor ihr, verstört und aufgeregt. „Was willst du von mir?" herrschte sie ihn an. „Du hast hier nichts zu suchen — noch dazu so spät. Bist wohl wieder betrunken? Mach — daß du zu Bette kommst und störe l mich nicht." Er grinste boshaft. „Dein Mann hat sich wohl ein bißchen ausguartiert?" fragte er höhnisch. Das kommt mir gerade zupaß. Ich muß dich nämlich allein sprechen." Sie schlug mit der Hand auf den Tisch. „Keinen Pfennig bekommst du I" sagte sie zoriiig. „Ich weiß ja schon, was du willst. Hast wieder alles vertrunken? Keinen roten Pseunig, sag' ich dir." Er zvP sich einen Stuhl heran und setzte j sich auf die Kante. „Ihr habt bösen Krach ge- > habt miteinander," fing er an. „Ich habe an i httl Tür gestanden und alles gehört. Du hast unsern Vertrag nicht gehalten — du hast ihm gesagt, daß ich das Geld genommen habe." Gesine zuckte die Achseln. „Unsern Vertrag? Das ist ja dummes Zeug. Oder hast du das Geld damals nicht gestohlen?" Er sah sie wütend an. „Ja, das ist wahr. Slber wer hat mir die Hälfte dafür abge nommen? Das hast du wohl ganz vergessen, du Geizige?" „Schön dumm wäre ich gewesen, hätte ich dir das ganze gelassen. Vertrunken hättest du es doch bald genug. Und der Blutter hättest du doch etwas vorgelogen, wo du das Geld verloren hättest." „Aber der Hinnerk weiß nichts von der Hälfte, die du mir abgenommen hast. Wenn ich nun hinginge und ihm davon erzählte?" Sie lachte laut auf. „Du wirst dich schön hüten. Er schlägt dich tot, wenn du ihm in den Weg kommst. Du bist ia schuld daran, daß er mich hat heiraten müssen; und wenn du klug bist, machst du dich jetzt ans dem Staube, ehe er mit dir Abrechnung hält." Er stand auf. „Das will ich auch, und darum bin ich gekommen. Du sollst das Kapital auszahlen, das mir gehört. Was nützt mir die Monatsrcute und die freie Wohnung und Kost? Ich will iort, nach Hamburg. Und du sollst mir das Geld geben." Er war nahe an sie herangelrelen, »nd nun erhob auch sie sich. „Bist du verrückt ge worden ?" fragte sie ihn. „Ich dir Geld geben? Dein Kapital? Du hast überhaupt kein Kapital zu beanspruchen! Du hast dein festes Geld wie die Allenleiler, und du be ¬ kommst, was dir von den Alten verschrieben ist — mehr bin ich dir nicht schuldig. Und nun mach, daß du fortkommst'" Krischan kam ihr immer näher, so daß sie zurückweichen mußte. „Soo? Ich kriege nichts," stieß er kreischend hervor, „das wollen wir doch einmal sehen. Hast doch eben erst die dreißig Morgen an die Zementfabrik verkauft? Was? Und wieviel hast du dafür bekommen? Willst du mir das nicht einmal sagen?" „Dich geht's nichts an," fiel sie ihm ins Wort. „Und das Geld habe ich noch gar nicht." „Aber eine Anzahlung haben sie dir ge macht." „Was du nicht alles weißt! Ich habe kein Geld im Hause; und hätte ich's, du bekämst doch nichts davon, du Lump!' Er lief erregt im Zimmer auf und ab. Dann blieb er 'wieder vor ihr stehen. „Ich will das Geld Haben, hörst du! Als der Hof bei der Übergabe taxiert wurde, hat kein Mensch von denr Mergellager gewußt. Die Taxe war viel zu niedrig, und darum habe ich nicht be kommen, was mir zukam. Willst du's be streiten? Der Hof ist heute vierzigtausend Mark mehr wert. Ja, lache du nur, ich weiß, daß du tünfundsechzigtausend Mark für die lumpigen dreißig Morgen bekommen hast. Ich habe auch meine Quellen. Und von dem Gelbe will ich die Hälfte haben. Gleich jetzt gibst du mir das Geld — gleich jetzt! Verstehst du? Ich will noch heute nacht nach Mölln und morgen früh mit dem Zuge nach Hamburg. Also mach keine langen Geschichten l" Der Bäuerin war ganz bange geworden. Schreien wollte sie nicht. Es brauchte doch nicht gleich alle Welt zu wissen, daß sie Geld im Hause hatte. Nur den Stuhl brachte sie zu ihrer Deckung zwischen sich und den Bruder. Der stand da mit gierigen Blicken. Nnwill- kürzlich faßte sie mit der Hand nach der Tasche, in der sie die Schlüssel zum Geldschrank bei sich trug. Er sah die Bewegung und deutete sie richtig. „Das Geld her!" sagte er jetzt noch einmal mit heiserem Tone, wie ein Raubtier, das sich zum Sprung anschickt. „Meinst du, ich ließe mich so abspeisen? Wer ist denn der Hoferbe? Du oder ich? Bin ich nicht der Sohn und ält^r noch dazu ? Mir gehört der Hof vr< Rechts wegen. Md ihr habt mich hinausgedrängt, du und der Johann Siemers, ihr geizige Baude! Und jetzt wird das Land teuer verkauft, und ich soll nichts haben? So haben wir nicht gerechnet! Das Geld her, oder ich schlage dich tot!" Mit einer plötzlichen Bewegung riß er den Stuhl nm, der zwischen ihnen stand und schleuderte ihn beiseite. Die Todesangst schnürte ihr die Kehle zu. In ihrem Entsetzen schlug sie den Bruder mit der Hand ins Gesicht. Da fuhr er mit der Rechten in seine Tasche; sie sah etwas Blankes vor ihren Augen — fühlte einen Schlag gegen die Brust, ein scharfes Stechen '— und sie schlug lang hin. Als Gesine nach einer kurzen Weile das Bewußtsein wiederkchrte und sie die Augen ani- schlug, sah sie, wie Krischan vor dem offenen Geldschrank stand. Er wühlte in den Papieren und stieß einen Fluch aus. In dem Schranke
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