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Politische Rundschau. Der Boxer-Aufstand in China. * Ma« erfährt nun, warum keine regelmäßigen Meldungen aus Peking cinlaufcn: Die Verbindung von dort nach Tientsin ist so gut wie unterbräche n. Die Gegend wimmelt noch von Boxern. So viel steht aber fest, daß die Kaiserin und der H o f der Verfolgung durch die japanische Kavallerie entgangen sind. * Während von kriegerischen Ereignissen nichts Neues gemeldet wird, haben die Admirale sich des listigen Li-Hung-Tschang versichert; er darf die Reede von Schanghai nicht verlassen, bis die Gesandtschaften melden, daß sie Unterhandlungen mit ihm beginnen wollen. Es ist zweifelhaft, ob er Verbindungen mit der Kaiserin hat. Wo sich die selbe aufhält, weiß gegenwärtig niemand sicher. Prinz Tuan versucht sich und den Hof zu decken und läßt verbreiten, Aung-Lu, der Anführer der kaiserlichen Schutzwache, sei der eigentliche Anstifter der Fremden- Hetze; er habe die Kaiserin und den Hof zu überreden gewußt. * Die ,Köln. Ztg.' warnt vor englischen Sensations - Depeschen, von denen die beiden letzten über die Gefangen nahme der Kaiserin, sowie die Kri e g s - erklär ung Rußlands an China sich wiederum nicht bestätigten. Als be sonders zuverlässig seien dierussischen Depeschen anzusehen; aus diesen gehe her vor, daß die Kaiserin, der Kaiser und die ge samte Regierung entflohen sei, wodurch den ver bündeten Mächten die Einleitung von Friedensverhandlungen sehr er schwert wurde. Insofern sei das Entwischen des ganzen bisherigen Regierungsapparates ein unerfreuliches Ereignis; daß aber die Regierung im Innern Chinas große Truppenmassen auf bieten und den Mächten nachdrucksvollen, mili tärischen Widerstand entgegensetzen würde, sei nicht anzunehmen. Mit der militärischen Widerstandskraft der Chinesen sei es vorbei. * Li-Hung-Tschang erhielt von dem japanischen Minister des Auswärtigen ein Telegramm, in welchem es heißt, Unter handlungen seien unmöglich, solange nicht China Bevollmächtigte ernenne, die von den Mächten gutgeheißen würden. Der Minister bezeichnet alsdann als genehm die Er nennung der Vizekönige von Nanking und Wutschang zu Beisitzern Li-Hung-Tschangs und macht schließlich auf die Notwendigkeit aufmerk sam, daß China sein Bedauern aus spreche, ausdrücklich sein Unrecht einge stehe und aus freien Stücken vollen Schadenersatz anbiete. Schließlich heißt es in der Depesche, wenn diese Ratschläge be folgt würden, sei Japan bereit, bei den Ver handlungen jede mögliche Unterstützung zu ge währen. * Nach Niederwerfung der chinesischen Truppen haben dieRussen jetzt in der M a n d s ch u r ei leichte Arbeit. Die Mongolen empfingen das Detachement des Generals Orlow gastfreund- lich; sie versehen die Truppen mit allen mög lichen Vorräten und wollen dafür keine Be zahlung nehmen. JnNiutschwang wurde die Zivilverwaltung dem russischen Konsul übergeben. * ch ch Bom afrikanischen Kriegsschauplatz. * Die letzten Meldungen aus Trans vaal sprechen von einem größeren Kampf, dessen Ausgang noch nicht entschieden zu sein scheint. Haben die Engländer bis her unter dem Mangel an Pferden zu leiden gehabt, so können sie jetzt, wo diesem Mangel abgeholfen zu sein scheint, ihre Pferde des un ebenen Terrains wegen, nicht gebrauchen. Gerade dieses Terrain aber bietet bei der Kampfesweise der Boeren diesen große Vor teile. Die Boeren haben jetzt fast alle ihre Kommandos im Norden und Nordosten des Transvaal vereinigt und werden ihren Gegnern noch manche schwere Stunde bereiten. *Anch im Oranjestaat haben die Boeren wieder eine lebhafte Thätigkeit entfaltet, dabei aber einen schweren persönlichen Verlust Der „Illis" mit den Schutz spuren der chinesischen Granate«. erlisten; General Olivier, rühmlich bekannt durch seinen Zug vom Norden der Kapkolonie biö nach Ladybrand im Angesicht mehrerer feind lichen Divisionen, ist in einem harten Kampfe in Gefangenschaft geraten. Deutschland. * Die „Sachsen" mit dem Grafen Walder- s e e und dessen Stab an Bord hat am Dienstag das Rote Meer erreicht. * Offiziös wird nochmals betont, es sei kein Grund vorhanden, den Reichstag vor zeitig einzuberufen. * Der Entwurf desneuenZolltarifes dürste schwerlich noch in diesem Jahre an den Reichstag gelangen. Wenigstens bezweifelt man in unterrichteten Kreisen, daß es gelingen werde, den Entwurf trotz angespannter Thätigkeit vor Ende November zum Abschluß zu bringen, worauf er dann noch erst im Bundesrat erledigt werden muß. Frankreich. * Der frühere Marineminister Lockroy erklärt in der,Depsche de Toulouse', Frankreich hätte den Oberbefehl in China erlangen können, ihn jedoch ab gelehnt, weil man in Paris gefürchtet habe, ein aus China heim kehrender Sieger könne die Republik gefährden. „Man hat," schreibt Lockroy, „das französische Heer einem preußischen Feldmarschall anvertraut, um einen achtzehnten Brumaire zu vermeiden. (Das nennt man die Verteidigung der Republik. Wenn sie nur nicht mit Enttäuschungen im Innern und Demütigungen auswärts endigt!) Belgien. * Die Polizei in Brüssel entdeckte in der Gegend der Rue Beliard an den Häusern angeschlagene Plakate, in denen die An archie verherrlicht wird. Eine Untersuchung wurde eingeleitet. Spanien. * Die Regierung verbot eine Versammlung der protestantischen Vereinigung in Saragossa, weil die Gesetze nur Privat- Zeremonien für Nichtkatholiken gestatten. Ruhland. *Der Empfang des Boerengesandten Dr. Leyds durch den Zaren ist kein besonders auffälliger Vorgang. Noch besteht die Trans vaal-Republik, Dr. Leyds ist als ihr Vertreter in Petersburg beglaubigt und sein Empfang kann daher nicht überraschen. Ob mit ihm irgend welche Bestrebungen zur Herbeiführung des Friedens zusammenhängen, kann vorläufig niemand wissen. Balkanstaaten. * Der b u l g ar i s ch - r u m ä ni s ch e Kon fl i k t schlängelt sich langsam weiter. Man hat auf beiden Seiten die Waffen klirren lassen. Daß die bulgarische Regierung Vorbereitungen getroffen habe, um die Donaufestungen Widdin, Siftowo und Nikopolis in Verteidigungszustand zu setzen, erklärt die ,Agence Bulgare', daß die Wache an der rumänischen Grenze verstärkt worden sei. Es beginnt nun aber auch der diplomatische Kampf, durch den jede Partei die andere ins Unrecht zu setzen sucht. Die Sympathien dürsten wie im allgemeinen so auch in diesem Falle den Bulgaren nicht zu fallen, denn es unterliegt wohl keinem Zweitel, daß das makedonische Komitee seinen Patriotis mus mit der Freude am Mammon glücklich zu einen weiß, und eine Rotte von Erpressern ist. * Gegen die bulgarischen Umtriebe geht die rumänische Regierung weiter hin mit großer Entschiedenheit vor. Im Verlauf der gerichtlichen Untersuchung gegen die bulga rischen Meuchelmörder wurde der Plan einer großen Revolution bloßgelegt, die im nächsten Frühjahr in Macedonien und Albanien gegen die Türkei losbrechen sollte. Bis jetzt sind in Rumänien im ganzen etwa 250 Bul garen verhaftet, die sämtlich beschuldigt werden, geheimen revolutionären Kreisen anzugehören. * Gruitsch , der frühere serbische Minister präsident und spätere Gesandte in Petersburg, ist nach Belgrad zurückgekehrt. Im vorigen Jahre entzog sich Gruitsch gelegentlich des Belgrader Hochverratsprozesses allen Weite rungen durch die Flucht ins Ausland. Jetzt aber find die Radikalen in Serbien wieder oben auf. Uon Uah und Fern. Ein Geldgeschenk von 10«««« Mk. hat der Kaiser aus seinem Dispositionsfonds der katholischen Schulgemeinde in Gnesen als Beihilfe zu den Kosten für den Bau eines neuen (24klasfigen) Schulgebäudes überweisen lassen. Die Saalburgfeier ist verschoben worden. Zu Ende dieses Monats sollte in feierlich charakteristischer Weise in Anwesenheit des Kaisers die Feier stattfinden. Nach dem von dem Wiesbadener Hoftheater-Jntendanten von Hülsen entworfenen Programm sollte der Monarch am Portal der alten Römerburg von einem römischen Legionär begrüßt werden, dessen An sprache Joseph Laufs bereits gedichtet hat. Auf Anordnung des Kaisers ist mit Rücksicht auf den Tod des Königs von Italien und auf die momentanen politischen Verhältnisse die Feier, zu der die Vorbereitungen bereits im vollen Gange waren, abgesagt worden; sie soll z« einer gelegeneren Zeit abgehalten werden. Bor der Abfahrt des kaiserlichen Sonder zuges ereignete sich in Erfurt ein bedauerlicher Unglücksfall. Als die den Kaiser begleitenden Offiziere ihre' Pferde an die Lakaien und Stall bediensteten abgegeben hatten, und diese über die Brücke nach der Daberstädter Straße z« ritten, glitt ein Pferd auf dem glatten Master aus und warf trotz der größten Anstrengung des Reiters diesen ab und kam darauf zu Fall. Das Pferd erhob sich sofort wieder, sprengt nach der Brücke zurück und raste in dre taufend» köpffge Menschenmenge hinein. Dicht am Ge länder, das den Umflutgraben einzäunt, bäumte sich das wütende Tier, rannte zwei Damen an, warf beide zu Bodeu und trat sie mehrmals. Im Augenblicke größter Gefahr sprang ein be herzter Mann hinzu, fing das Pferd ein und befreite somit zunächst die Damen aus ihrer ge fährlichen Lage. Die eine derselben schien nur leicht verletzt zu sein, denn sie lief schnellen Schrittes davon, während die andere bewußtlos vom Platze getragen und mittels Wagen nach ihrer Behausung gebracht werden mußte. Sie hatte anscheinend mehrere Verletzungen am Kopfe davongetragen. Der sofort herbeigeeilte Polizei- Inspektor Mendt stellte den Thatbestand fest. Die Eröffnung des deutsch-amerikani schen Kabels der Deutsch-Atlantischen Tele graphen-Gesellschaft ist jeden Tag zu erwarten, nachdem die Verlegung der Kabclstrecke New Aork—Fayal von den Witterungsverhältnissen so begünstigt worden ist. Ist das Kabelschiff auf den Azoren angelangt, so ist nur noch wenig Arbeit zu verrichten, um die ganze Linie Emden —New Aork dem Betrieb übergeben zu können. Man braucht nur noch das an einer Boje be festigte Kabelende mit dem von Amerika kommen den Kabel zu verbinden und das ganze deutsch amerikanische Kabel Emden—Borkum—Horta— New Dort ist betriebsfähig. Ein dreizehnjähriger Retter. In Hoch feld bei Duisburg fiel ein kleines Mädchen aS Sonntag in den Rhein und wurde von de» Fluten weggetrieben. Der 13 jährige Schüler Rudolf Althoff sprang sofort in den Strom und rettete das Mädchen mit eigener Lebens gefahr. Wußte es fein? 15) Roman von C. v. Berlepsch. <F U-tzung.) „Ja, trotzdem ist es «ein sehnlichster Wunsch." „Meine Mutter —' flüsterte Edith. „Ich weiß von der unglückliche« Heirat Aker Mutter und von allem, was daraus folgte. Beantworten Sie mir eine Frage: Tragen Sie selbst irgend eine Schuld an dieser unglücklichen Sache?" „Nein, keineswegs. Aber Herr von Hohen- fteitt, wenn ich auch die Schuld nicht teste, so doch die Schande, die auf uns ruht. Haben Sie wirklich alles verstanden?" „Ja, gewiß." Edith wurde totenblaß. „Und doch suchen Sie meine Freundschast? — Sie, Herr von Hohenstedt, den die Welt einen so stolzen Mann nennt?" „Wir find nicht Herr über unsere Ab- und Zuneigungen. Die innere Stimme sagt uns, wen wir lieben und wen wir meiden sollen. Als ich Sie vorgestern sah, fühlte ich mich zu Ihnen hingezogen und habe die ganze Zeit hindurch Ihrer gedacht." „Wirklich?" fragte Edith erstaunt, „Vie sonderbar!" „Mir erscheint es gar nicht sonderbar. Als ich Sie nur wenige Minuten gesehen hatte, glaubte ich Sie seit langer Zett zu kennen, und heute, wo ich uüt Ihnen spreche, befestigt sich Lüft Annahme. Das find Vorgänge in unserer Natur, für die wir keine E.iläruug haben." „Nein," entgegnete sie träumerisch. „Vielleicht," fuhr Walter fort, „habe ich immer eine besonders stark ausgeprägte Phan tasie gehabt; schon als Knabe malte ich mir gern ein weibliches Ideal aus, daS ich als Manu lieben müßte." Edith hatte alle Verlegenheit überwunden und sah mit großen Augen zu ihm aus. „Ich gab diesem meinem Ideal," fuhr er fort, „auch eine ideale Gestalt, ihr Antlitz war weiß und rosig, ihre Augen blau wie Schlehen und ihr Haar goldig-blond." „Wie schön!" sagte Edith andächtig, ganz unbewußt, daß es ihr eigenes Bild war. „Es freut mich, daß es Ihnen gefällt. Dann hatte mein Ideal ein Gemüt, welches mit ihrem Körper im Einklang stand, mein Traumbild war ebenso lieblich und anmutig, wie sanft und reinen Herzens." Sie lächelte und hörte voll Interesse zu. „Als ich heranwuchs und zum Dianne ge reift war," sprach Walter weiter, „da suchte ich mein Ideal unter all den Frauen, mit denen ich zusammentraf. An Höfen und in Palästen, in einfachen Häusern, überall suchte ich es, und überall vergeblich. Nirgend fand ich eine, die ihm geglichen hätte." Er sah, wie ein Schatten der Enttäuschung über ihr Antlitz glitt, als ob sie ihn bedauerte. „So verging die Zett," fuhr er fort, „und ich gab das Suchen auf, überzeugt, daß mein Ideal nur in meiner Phantasie, nicht in Wirk lichkeit existierte. Da plötzlich eines Tages traf ich es ganz unvermutet." Die blauen Augen glänzten voll Teilnahme. „Es war an einem Maienmorgrn, da sah ich es unter den Rosen fitzen, unendlich viel schöner noch als die Blumen trotz ihrer Pracht." Edith sah voll Schrecken zu ihm auf; nicht die leiseste Idee war ihr bisher gekommen, daß er von ihr sprach. „Verstehen Sie mich?" fragte er. „Ich .... Sie haben »ich erschreckt, Herr von Hohenstedt." „Warum? Ich sprach nur die Wahrheit. In dem Augenblick, als ich Sie zum ersten Mal sah, wußte ich, daß ich endlich mein Ideal ge- gefunden hatte." „Aber," erwiderte fie einfach, „ich gleiche doch nicht dem Bild, welches Sie entwarfen." „Nur in der Weise nicht, daß Sie tausend mal lieblicher find. DaS war der Grund, wes halb ich nach Ihnen fragte und Ihre Geschichte kennen mußte. Nm wissen Sie alles, können Sie mir jetzt Ihre Freundschast versagen?" „Wenn Sie doch noch danach verlangen, Herr von Hohenstedt, nein. Aber gewiß werden Sie es bald bereuen und sich meiner schämen; ich werde mich nicht wundern, wenn Sie nichts mehr von mir wissen wollen? „Ich sollte Sie je wieder aufgeben? Nein, niemals. Wenn jemand jahrelang etwas gesucht hat, wenn er eifrig einem Traumbild nachjagte und eS endlich verkörpert findet, dam läßt er es nicht wieder fahren." „Es erscheint mir alles so wunderbar," flüsterte fie. „Das wird es nicht mehr, wenn Sie mich erst besser kennen. Wollen Sie mir zum An denken an die heutige Stunde eine Rose schenken?" „Sie verleiten mich, Dinge > zu thun, von denen ich nicht weiß, ob fie recht find," sagte das junge Mädchen. Doch pflückte fie eve Rose und reichte fie ihm. Walter drückte die Blume an seine Lippen, und in dem Augenblick trafen sich ihre Auge« in einem langen Blick. Bon dem Tage au sahen fie sich öfter, dem Walter hatte nur noch das eine Ziel: soviel er konnte, mit Edtth zusammen zu sein, und ei» fester Wille findet in solchen Dingen auch immer Mittel und Wege. Es schien auch, als ob Gabriele, nachdem die Bekanntschaft einmal gemacht war, ihr Zusammentreffen nicht mehr verhindern wollte. Bald aber führte eine Reise der gräflichen Familie nach Rodenhof eine vor läufige Trennung herbei. 10. Der Konsul Arthur Bormann, ein reicher Wiener Bankier, hatte sich in Pola eine Segel jacht bauen und aufs eleganteste einrichten lassen. Als fie fettig war, sah er ein, daß, obgleich er über ein bedeutendes jährliches Einkommen verfügte, ihre Unterhaltung doch auf die Dauer seine Mittel übersteigen würde. Er bot fie des halb zum Verkauf aus. Als die Gräfin Brandner davon Hötte, beschloß fie, die Jacht heimlich zu kaufen und ihrem Mann mit derselben ein Geschenk zu machen. Er war ein leidenschaft licher Segler, und wenn fie selbst auch zu wenig seefest war, um ihn begleiten zu können, so wollte fie ihm doch gern eine freudige Ueber- raschung bereiten. Aber nicht allein an daS Vergnügen des Gatten dachte die schöne Frau,