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chiften wird aus Brüssel gemeldet, daß der belgische Ministerrat außerordentliche Matzregeln gegen die Anarchisten angeordnet hat. Die Fremdenpolizei wird aufs strengste gehandhabt werden; alle italienischen Anarchisten wurden ausgewiesen. Schweden-Norwegen. * Am Montag haben die norwegischen Storthing-Wahlen ihren Anfang ge nommen. Sie finden zum ersten Mal unter dem allgemeinenWahlrecht statt. Die Wahlen dehnen sich auf einen längeren Zeit raum aus und werden voraussichtlich, nach der allgemeinen Erwartung wenigstens, die Zu sammensetzung der jetzigen Storthings wesentlich verändern, da der äußerste Radikalismus, der die früheren Wahlen beherrschte, stark an seiner Anziehungskraft verloren haben dürste. Ruhland. * Die Sonder gesandt schäft der Boeren ist in Petersburg bei ihrer An kunft von der Bevölkerung mit außerordentlicher Wärme und Herzlichkeit ausgenommen worden. In den amtlichen Kreisen scheinen die Gesandten aber einer völlig ablehnenden Haltung zu begegnen. Anders sind wenigstens die an die russische Presse ergangenen Vorschriften nicht aufzufassen, die nichts über die Anwesenheit der Gesandtschaft veröffentlichen darf. * Die Ausfuhr von Waffen und Pulver nach China ist nunmehr auch in Rußland durch einen kaiserlichen Ukas vom 17. August verboten worden. (Etwas spät!) Balkanstaaten. * König Alexander von Serbien hat die Stelle des Armeekommandanten, die sein Vater Milan, wie bekannt, infolge des Zwiespalts zwischen beiden in der Frage der Vermählung des jungen Königs niedergelegt hatte, neu besetzt, dabei aber Sorge getragen, die Bedeutung des Postens stark herabzndürcken. Das Amtsblatt in Belgrad veröffentlicht die Ernennung des Generals Michael Sretschko« witsch zum Kommandanten der Armee. Gleichzeitig machte es neue Bestimmung bekannt, wonach der Ae..icekommandant von nun an dem jeweiligen Äriegsminister unter st eh t. — Auch ist nunmehr der Hof staat des Königs Milan aufgelöst, und dessen Chargen sind aufgehoben worden. Politische Rundschau. Der Boxer-Aufstand in China. * Nicht nur, daß der Einnahme Pekings noch Kämpfe vorausgegangen find — auch m den Straßen wurde noch später und wird viel leicht noch gekämpft. Am 20. d. meldete der deutsche Konsul in Tschisu amtlich: „Verbündeten Truppen beschießen den befestigten Kaiserpalast, in dem sich noch die Kaiserin befinden soll." Die deutschen Mannschaften von der „Hertha" haben an den Kämpfen um und in Peking nicht teilgenommen. * Es ist höchst eigentümlich, daß aus Pe king nicht schnellere und genauere Berichte ein treffen. Die Verbündeten „sollen" nun auch die innere, die „Kaiserstadt, geiwnunen, die Kaiserin „soll" mit 50 Millionen Taels das Weite gesucht haben, aber von japanischer Kavallerie umzingelt sein! *Li-Hung-Tschangs Gesuch um Ein leitung von Friedensverhandlungen ist von der Regierung der Ver. Staaten ab schlägig beschieden worden. * Von dem Schicksal der Befreiten hat des weitern noch kein Sterbenswörtchen ver lautet. In Tientsin sind sie jedenfalls noch nicht eingetroffen. Die Rückzugslinie dorthin soll von chinesischen Truppen in ge fährlicher Weise bedroht sein. 5000 Mann chinesischer Truppen sollen von Sung- liuching nach Peitsang ausgebrochen sein; weitere 5000 rücken gegen Tungtschou vor. * Der Kuriosität halber sei noch eines Schreibens der südlichen Vize könige an die auswärtigen Konsuln gedacht, das diesen kurz vor der Einnahme Pekings zuging. Die chinesischen Herren bitten darin auf das dringendste, diesen Vor marsch sofort einzustellen, da sonst die Gefahr entstände, daß die Kaiserin von China durch den Kriegslärm und das Schießen mit Kanonen beängstigt und erschreckt werden könne. Eine derartige Belästigung Ihrer himmlischen Majestät müsse unter allen Umständen vermieden werden. Die Militärs haben aber auf die Nerven Ihrer chinesischen Majestät keine Rücksicht genommen. * Die Russen machen in der Mand schurei Fortschritte. General Rennenkampf Hai den sehr wichtigen Chingan-Paß erstürmt. * In Tientsin ist ein Kreuzer der Zoll behörde angclangt, der die in Peking b e - freiten Fremden an Bord nehmen soll. *Li-Hing-Peng, einer der am meisten genannten fremdenfeindlichen Gene rale, ist seinen bei der Verteidigung Pekings erhaltenen Wunden erlegen. *Wcgen Schanghai und des Jangtse- Gebietes ist die „Einigkeit" der Mächte wieder hergestellt. Frankreich hat schon einige Truppen mit den englischen gelandet. * * * Bom afrikanischen Kriegsschauplatz. *Die von den Londoner Blättern gebrachte Meldung, daß de Wet 4000 Engländer zu Gefangenen gemacht, 7 Geschütze er beutet und General Roberts Middelburg wieder habe räumen müssen, bestätigen sich nicht; ebensowenig hat Baden-Powell wegen der Bedingung seiner Uebergabe ver handelt. Die Aufforderung an ihn, sich zu er geben, war nur eine Kriegslist de Wels, um Baden-Powells Stärke zu erfahren. Deutschland. * Der Kaiser empfing am Dienstag den Fürsten von Bulgarien, der auch mit seinen Begleitern an der Frühstückstafel teil nahm; am Mittwoch stattete der Prinz von Wales dem Kaiser einen längeren Besuch ab. * Das deutscheOberkommando hat sich am Dienstag in Genua eingeschifft; nur Gras Walders ee ist nach Rom gefahren, woselbst er am Mittwoch vom König Viktor Emanuel empfangen wurde. Der Feld- marschaü setzte sodann seine Reise auf der Bahn nach Neapel fort, wo er das inzwischen aus Genua angelangte Schiff besteigen wird. *Die Kaiserin Friedrich wird sich auf ärztliches Anraten in Kürze nachItalien Plan de? Stadt Peking begeben und dort längeren Aufenthalt nehmen. Die Kaiserin leidet zeitweise an heftigen neu ralgischen Schmerzen, die eine fortgesetzte ärzt liche Behandlung als notwendig erscheinen lassen, doch ist sie weder bettlägerig, noch in ihrer sonstigen Thätigkeit irgendwie behindert. * Betreffs der Thätigkeit des Grafen Waldersee in China, so schreibt die ,Nat.- Ztg.', hat man in informierten Kreisen Berlins mit Befriedigung den Eindruck, daß Graf Waldersee auch sein Augenmerk in hervor ragendem Maße darauf richten werde, den Be ziehungen der Finanz- und Han delswelt aller verbündeten Nationen zu China eine brettere und gesichertere Grundlage zu schaffen. Die Entwickelung der hierfür in Be tracht kommenden Faktoren würde nicht allein für die verbündeten Mächte, sondern ebenso sehr für China selbst und seine Bewohner von größestem Wert sein. * Nachdem bereits seit dem Jahre 1889 in dem Rechtshilfe-Verkehr zwischen Preußen und Dänemark auf die Er hebung der durch die Erledigung von Ersuchungs schreiben der beiderseitigen Gerichte erwachsenen und zur Staatskasse fließenden Gebühren ver zichtet worden war, ist zwischen der kaiserlichen Regierung und der dänischen Regierung verein bart worden, daß auch bei Erledigung von Er suchungsschreiben der Gerichte der übrigen Bundesstaaten und von Elsaß - Lothringen in Dänemark und umgekehrt die bezeichneten Ge bühren nicht mehr erhoben werden sollen. Das Wkommen ist am 1. Juni d. in Kraft ge treten. * Der .Reichsanzeiger' erklärt, daß der Ver dacht einer Pe st erkrank ung in Berlin ein grundloser war. Die unter Beob achtung gestellten Personen sind freigegeben. *Wie von zuständiger militärischer Seite verlautet, ist das strafgerichtliche Verfahren gegen den Leutnant Prinzen Prosper von Arenberg (wegen Ermordung des Misch lings Cain) vollständig zum Abschluß gekommen. Danach muß also die Enscheidung des Kaisers in der Sache bereits ergangen sein. Doch wird nicht gesagt, wie sie ausge fallen ist. * Anarchistische Versammlungen werden von der Polizei in Deutschland jetzt nicht mehr geduldet. So wurden alle drei Versammlungen in und um Berlin, in denen der „Genosse" Dempwolf über „Attentate und Anarchie" sprechen wollte, verboten, und als Dempwolf in einer gewerkschaftlichen Versamm lung in Ädlershos in der Diskussion seine an archistischen Redensarten vom Stapel lassen wollte, wurde die Versammlung aufgelöst. Oesterreich-Ungarn. * Große Verstimmung hat es unter den Deutschnationalen erregt, daß in Wien am Tage der 70jährigen Geburtstagsfeier Kaiser FranzJosephs, die deut schen Fahnen entfernt worden find, während alle anderen Nationalitäten ruhig in ihren Farben flaggen durften. Schweiz. * Es wird gemeldet, die belgische Regierung verlange die Auslieferung des nach der Schwerz geflüchteten Attentäter sSipido. — Belgien hat bisher ein Auslieferungsgesuch nicht gestellt. Da die Schweiz nur flüchtige Ausländer ausliefert, welche wegen eines Ver brechens angeklagt oder wegen eines solchen be reits verurteilt sind, müßte sic die Auslieferung Sipidos verweigern. Es sollen aber Verhand lungen wegen eines Separatabkommens statt finden. Belgien. * lieber Maßnahmen gegen Anar- Uon Uah und Fern. Die Eröffnung der Kaisergräber in Speier hat begonnen. Am Donnerstag wurde uach zweistündiger Arbeit nächst dem Denkmal Rudolfs von Habsburg in einer Tiefe von 80 Zentimeter ein kunstloser, kastenartiger Blei sarg aus einer Einzelgruft gehoben. Die darin liegende Leiche hat das Antlitz gen Osten und hat blendend weiße Knochen. Sie trägt ein Diadem, einen Schnallengurt und Sporen und ist in drei golddurchwirkte Gewänder gehüllt. Von dem Skelett ist besonders das Haupt und ein Ober- und Unterschenkel gut erhalten. Man glaubt, es seien die Gebeine des Kaisers Konrad II. Sie werden photographiert und sorgfältig notiert. Stumms Krankheit. An dem durch die Presse gegangenen Gerücht, daß der Reichstags abgeordnete Freiherr v. Stumm-Hallberg an Speiseröhrenkrebs erkrankt sei, ist nach ander weitiger Darstellung nur wahr, daß Herr v. Stumm seit einiger Zeit an Magenkatarrh leidet, der aber zu keinem ernsten Bedenken An laß gibt. Frhr. v. Stumm ist nicht einmal bett lägerig, nur hat ihm der Arzt, Professor Fleiner- Heidewerg, Schonung auferlegt. Er wird vor aussichtlich seine alte Thätigkeit in vollem Um fang wieder aufnehmen können. Die Versuche mit dem Zeppelinsche« Luftschiff sollen im September wieder ausge nommen werden. Die Rücksicht auf die Beendi gung der Herbstmanöver ist für die Wahl dieses Zeitpunktes maßgebend, da dann die Offiziere der Luftschiffer-Abteilung an den Versuche« wieder teilnehmen können. Vor dem neue« Aufstieg sollen zwei technische Aenderungen vor genommen werden, die sich aus dem ersten Auf stieg als praktisch ergeben haben, und zwar a der Anbringung des Laufgewichts und der Steuer. Wußte es sein? Roman von C. v. Berlepsch. kF-rts-HMI«.) „DaS gebe ich gern zu. Glücklicherweise hast hv mich wenigstens bald genug aufgeklärt. Und ivm sei gnädig und schone mich." Walter sah nicht das bittere Lächeln, welches «n Gabrielens Lippen spielte. ES war ihr ge lungen, ihn diesmal völlig zu täuschen. Ungefähr eine Woche später erhielt er ein Briefchen von ihr, welches folgendermaßen lautete: „Lieber Walter! Du interessierst dich ja so lebhaft für die Angelegenheiten des Grafen Brandner. Frage ihn doch, wenn Du ihn triffst, ob er Dir nichts Neues z» erzählen hat. Gabriele." Die große Neuigkeit war, daß der Graf sich »ft Gabriele von Roden verlobt hatte und die Hochzeit schon im August stattfinden sollte. An dem Tage, an welchem Gabriele dem Grafen Brandner ihr Jawort gegeben hatte, fand sie wenig innere Ruhe. Der Schritt war gethan; sie hatte auf das ihr vorschwebende und ihr ganzes Innere ausfüllende Glück ver richtet, verzichten müssen. Sie ging von einem Zimmer zum andern, bald ergriff sie ein Buch, bald öffnete sie den Flügel, schlug ein paar «Lord« an und schloß ihn wieder. Endlich blieb sie vor Frau von Palm stehen. „Darf ich das Buch sehen, in welchem du »«hin lasest? Ist es etwas Neues?" „Ach, es ist ein altes Buch noch von meinem seligen Mann her, das zufällig unter meine Sachen gekommen, ein Bulwerscher Roman in einer Uebersetzung vom Grafen Wolf Baudisfin, mtt dem wir befreundet waren," erwiderte die alte Dame und gab ihr das Buch. Diese nahm es, blätterte darin hemm und vertiefte sich dann ganz in dasselbe. „Endlich!" sagte sie, als sie eS wieder aus der Hand legte, „endlich habe ich er gefunden l" „WaS hast du gefunden?" fragte Frau von Palm. „Etwas, was ich eifrig gesucht habe," ent gegnete Gabriele und verließ das Zimmer. S. Im folgenden Winter war das Erscheinen der jungen Gräfin Brandner das große Ereignis der vornehmen Wien. Sie verstand es, sich noch mehr zum Mittelpunkt der Gesellschaft zu machen, als sie es in ihren Mädchenjahren ge wesen war. In ihrem Hause verkehrte nur die erlesenste Gesellschaft; dort eingeführt zu werden, rechnete fich jeder zur Ehre. Die Gräfin hatte sich vorgenommen, den Ton anzugeben, und mit ihren hervorragenden geselligen Talenten war eS ihr schnell gelungen, den ersten Platz zu er ringen. Sie wollte in ihrem Hause nur Gäste sehen, die fich in irgend einer Weise ausgezeichnet hatten, sei es durch Talent, durch Begabung, eine glänzende Karriere oder auch durch Schön heit und Jugend. Nm das Geld spielte keine Rolle, und wer als einzigen Vorzug Reichtum aufzuweisen hatte, der besaß keinen Anspruch auf Berücksichtigung. Nach kurzer Zett sprach ganz Wien von der schönen Gräfin Brandner. In den Zeitungen fehlte bei der Rubrik: „Aus der Gesellschaft" ihr Name nie. Ihre Feste, ihre Toilette wurden eingehend beschrieben, und auch bei Wohlthätig- keits-Bazaren oder -Vorstellungen ward sie stets in erster Linie genannt. Schon ihre Hochzett war ein großartiges Fest gewesen. Bei der Trauung hatte fich die ganze vornehme Gesellschaft versammelt und alle stimmten in der Bewunderung der schönen Braut überein. Sie sich strahlend, glücklich und be friedigt aus, und niemand ahnte, wrlche Kämpfe ihr der Tag kostete. Nach dem Festmahl fuhr das junge Pam nach dem Schloß des Grafen, wo sie fich einige Wochen den Blicken des neugierigen Publikums entzogen. Hätte der Gras jemand von dem wetteren Verlauf seines Hochzeitstages erzählt, so wären vielleicht sonderbare Gerüchte und Mutmaßungen entstanden. Als sie in ein reserviertes Koupö eingestiegen wmen und der Zug fich in Bewegung setzte, wollte der Graf sich seiner jungen Frau mit einem zärtlichen Wort nähern, aber sie war auf gesprungen, hatte die Hände abwehrend auSge- streckt und auSgerufen, er solle sie nicht anrühren; daun wm sie in Thränen ausgebrochen. Er glaubte, Gabriele sei von der Aufregung und Hitze des Tages angegriffen. Er f»Ge sie wie ein Kind zu trösten und als sie in Schloß Schönwalde anlangten, bestand er darauf, daß sie fich zunächst niederlege, um zu ruhen. Sie folgte ihm und schlief auch bald ein. Wie schön war sie auch tti ihrem unruhigen Schlummer! Ihr dunkles Ham fiel von den Schultern, das bleiche Gesicht färbte fich wieder, aber die Lippe» bebten wie von verhaltenem Weinen. Der GM beobachtete sie und dankte in seinem Herze» Gott, daß er diesen Schatz endlich errunge» hatte. Nach einer Weile bewegten fich Lippen, Gabriele flüsterte unverständliche Worte, Namen die ihn nichts angingen. breitete sie die Arme aus: „O mein Geuemer, mein Geliebter!" rief sie auS. Damit konnte sie niemand meinen als ihn. Der Graf rm«e am Lager seiner Frau nieder und umfaßte ne. „Gott sei Dank, mein Lieb," sagte er,,er geht dir jetzt also besser. Ich Hab-mH »"hm recht um dich geängstigt, ich fürchtete schon, vu seiest krank." Gabriele wm fich sofort der ganzen Sttuatton bewußt. Sie war die Gattin des vortrefflichen Mannes an ihrer Seite. Sie mußte mtt vn Vergangenheit brechen und ein neues Leven anfangen; freiwillig hatte fie ihm die Hand g reicht, und weder er noch jemand anders vurn- erfahren, wie eS in ihrer Seele aussah. , „Es thut mir leid, dich beunruhigt zu haben, sagte fie freundlich. „Ich Mte mich A schlecht, aber jetzt geht eS um besser, v ^Vou der Zett an lebten fi-üuK-rAülü^ zusammen. Wenn Graf Brandner auch empsanv, daß seine Frau weniger liebevoll wm, aw » erwartet hatte, so klagte er nicht. „Sie ist so schön und talentvoll," sagte » fich, „ich kann auch nicht alles veAangem L wenn fie es auch nicht zeigt, so wich ich °ow, daß fie mich liebt."