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Allgemeiner Anzeiger : 14.02.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-02-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1917
-
Monat
1917-02
- Tag 1917-02-14
-
Monat
1917-02
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 14.02.1917
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6nglilcbe Phantasien. — Minister Bonar Law über di« Kriegslage. — Gelegentlich der Debatte über die Thron rede im englischen Unterhause nahm auch der Schatzkanzler Bonar Law das Wort und führte über die Kriegslage u. a. aus: „Alle Anzeichen weisen auf eine Änderung zugunsten der Ver bündeten hin. Die Italiener haben in Anbetracht des Klimas und der Beschaffenheit des Gefechtsfeldes, auf dem sie operieren, nicht mehr tun können, als Streifzüge zu unter nehmen. Aber sie waren erfolgreich; von allen Seiten erfahren wir, daß "der Geist der italienischen Truppen gut ist, und daß, wenn ein neuer Feldzug beginnt, wir auf größere Erfolge rechnen können als die, die ihre Waffen bis zum Ende des letzten Feldzuges krönten. Was Rußland angeht, so finden wir dort Mut und Entschlossenheit. Trotz des furchtbaren Wetters und des Frostes haben unsere russischen Verbündeten Fortschritte nahe Riga gemacht und Gefangene eingebracht. Dieselben Ergeb nisse, obgleich in kleinem Maßstabe, zeigten sich in der Bukowina. An Rumänien können die Verbündeten nicht ohne Schmerz denken. Wir alle erkennen das furchtbare Unglück, das über das Land ge kommen ist. Es ist ein Unglück, das wir und unsere Verbündeten ihm gern mit allen Mitteln erspart hätten. Dank den trefflichen militärischen Eigenschaften der dort kämpfenden Rumänen und Russen, und trotzdem ein großer Teil des Landes überrannt wurde, ist ein großer Teil des rumänischen Heeres in der Umbildung be griffen und bereit, den Kampf fortzusetzen. Durch ihre Anstrengungen ist der Vormarsch der feindlichen Heere am Sereth zum Stehen ge kommen. Wir haben Grund, zu hoffen, daß sie auf diesem Schlachtfeld keine weiteren Erfolge verzeichnen werden. Die Eroberung von Deutsch-Ostafrika ist so gut wie vollendet. Der Feind ist aus allen fruchtbaren Teilen des Landes und aus allen Teilen, in denen es Eisenbahnen gibt, vertrieben worden. Es ist nur eine Frage kurzer Zeit, daß die letzte der deutschen Kolonien dem Zepter deS Deutschen Kaisers entgleitet. In Frankreich ist die Lage so, daß wir sie mit Stolz, was die Vergangenheit anbelangt, und mit Vertrauen hinsichtlich der Zukunft be trachten können. Der Natur der Sache ent sprechend, haben in letzter Zeit keine größeren Kampfhandlungen stattgefunden, aber es find beständig Streifen unternommen worden. Diese Streifen waren fast unterschiedslos erfolg reich, und Gegenangriffe haben, glaube ich, in keinem einzigen Falle zum Erfolge geführt. Das Ergebnis ist, daß nicht nur unsere Soldaten, sondern auch unsere französischen Kameraden die Empfindung haben, daß sie moralisch dem Feinde völlig überlegen sind." Wenn Bonar Law also schon bei der Beur teilung der allgemeinen militärischen Lage alles in rosigem Lichte sah, so ward er erst recht wirklichkeitsfremd, als er von der „Beherrschung der See" durch England sprach. „Die Marine hat alles und mehr als alles getan, was von ihr erwartet werden konnte. Ohne die Marine wäre es für uns und unsere Verbündeten un möglich, diesen Krieg zu gewinnen, mit der Marine ist es trotz der Unterseeboote ausge schlossen, daß wir der von ihnen drohenden Ge fahr nicht begegnen können sollten. Neue Maß nahmen müssen erdacht werden; einige der besten Köpfe unseres Landes sind mit dieser Frage beschäftigt. Wir werden sehen, daß Deutschland alles tut, was es tun kann, und doch, keine Aussicht hat, unser Land auSzn- hungern und dadurch eine Niederlage herbeizu führen." Hinter diesen letzten Worten steckt doch ein wenig Angst vor dem Hunger, den man an fangs in England als ein famoses Kampfmittel gegen Deutschland pries. Krutale Argumente. „Brutalität" ist ein Fremdwort. In der deutschen Sprache haben wir dafür keinen er schöpfenden Ausdruck. Glücklicherweise! Brutal ist eine Behandlung von Gefangenen, die ihnen selbst den Trunk Wasser versagt, wie dies der Heeresbefehl des Generals de Bazelaire vom 12. März 1916 getan. Brutal ist ein Nieder metzeln Wehrloser, die nach Vernichtung ihres Schiffes im Hohlraum eines fremden Schiffes entdeckt worden waren, wie solches von engli schen Matrosen S- M. S. „Baralong" geschah. Brutal sind die Absichten, eine ganze Nation dem Hunger zu überantworten, wie es Eng lands Wille war in der Anwendung einer Waffe, die keinen Mannesmut erfordert, nach dem die Waffen, mit denen der Träger zugleich das Leben einsetzt, versagten. Ansang und Ende dieses Krieges stehen unter dem Zeichen der brutalen Argumentie rung. Daß Deutschland Liedergezwungen werden mußte, war ein selbstisches Interesse der drei Hauptgegner — England, Rußland und Frank reich. Nur vereinigt konnten die Feinde eS wagen, mit dem unbequemen Volke anzubinden, das dem einen den Handel störte, dem andern die wilde Expansion und dem dritten den „Gloire"-Rausch verdarb. Nur ein gemein sames Vorgehen, eine Koalition, sollte für den Erfolg bürgen, und diese Bürgschaft wurde zum Argument Nr das Recht. Als einmal ein Müller und ein König über den Besitz einer Windmühle stritten, war nicht die Übermacht des preußischen Königs ausschlag gebend, sondern das Recht auf feiten des Müllers. Als aber drei Weltreiche, England, Rußland und Frankreich, übereingekommen waren, einen allen dreien lästigen Nachbarn aus dem Wege zu räumen, zu „zerschmettern", wie die bis zum Überdruß gehörte Formel lautet, glaubten sie, mit dem Rechenexempel der Zahlenüberlegenheit das Recht auf die Seite drücken zu können, in der Hoffnung, daß der Sieg der Vergewaltigung sanktionieren werde. Wahrlich, kein völlig neues, aber jedenfalls das brutalste aller Argumente, das man finden kann, um Rechte za begründen! Wer zweifelt heute in der Welt noch daran, daß diese Klugheit sich verrechnet hat, und wer im Reiche derer, denen ewige Werte noch etwas gelten, sollte sich nicht freuen, daß dieser Versuch in die Brüche ging, daß die moralischen Kräfte, die aus dem Bewußtsein einer guten Sache quollen, in der Vaterlandsliebe, in den besten Instinkten, über die ein Volk gebietet, sich wieder einmal als unbesiegbar erwiesen haben? Zu diesen besten Instinkten, über die ein Volk gebietet, gehört unzweifelhaft die Friedens liebe. Sie hat Deutschland wahrlich in einer in der Weltgeschichte seltenen Stärke offenbart, indem es annähernd ein halbes Jahrhundert lang im Frieden mit den Nachbarn lebte, wäh rend andere Völker Kriege führten, obschon im Westen wie im Osten mehr als einmal sich ge nügend Gelegenheit geboten hatte, ein „Präve- nire" zu spielen! Man denke nur an Rußlands Zustand nach dem japanischen Kriege! Wir haben den Frieden vor dem Kriege geliebt und wir haben, im Vollgefühl selbst bewußter Kratt, als erste die Hand zum Frieden geboten. Schwäche zu nennen, was schließlich wahre Vernunft ist, bleibt wiederum einem Gegner Vorbehalten, dessen brutale Argumen tierung auch in anderen Dingen wohl noch wenige Sterbliche angezweifelt haben. „Deutschland will die Unterhandlungen be ginnen, bevor der Grad seiner Schwäche völlig an den Tag kommt und vor dem endgültigen Verlust seiner Widerstandskraft," heißt es in dem Tagesbefehl des russischen Oberbefehls habers an Armee und Marine vom Weihnachts- iag im Jahre des Heils 1916. Und abermals muß der Gegner in diesem Befehl „endgültig zerschmettert" sein, ehe ihm der Friede ausge zwungen werden kann. Demgegenüber muß man sich fast zweifelnd fragen: Sind wir es denn nicht, die an der Düna und dem Sereth stehen? Als der General der Nordstaaten Ulisses Grant gegen das Ende des nordamerikanischen Sezessions krieges vor einer festen Stellung des Gegners lag und dieser naiv danach fragen ließ, was er ! eigentlich wolle, gab Grant, der nachHalige Präsident der Ver. Staaten, die Antwort: „Wenn sie nicht wissen, wozu ich hier bin, dann haben sie so lange zu warten, bis sie es merken." Das war kein brutales Argument, ist aber eines, dessen Beweiskraft zu allen Zeiten wirken wird. v. X. verschiedene Uriegsnachrichten. Reiche H-Boot-Beutc. Der Mailänder .Corriere della Sera' meldet: Der verschärfte Unterseeboot- Feldzug hat in vollem Umfange mit der gesamten deutschen Tauchbootflotte eingesetzt. In 24 Stunden sind 22 Dampfer mit einem Laderaum von zusammen 52000 Tonnen ver senkt worden. Unter den versenkten Schiffen sind die beiden Ozeandampfer „Port Adelheid" und „Floridan". Auch aus anderen feind lichen Quellen laufen andauernd Berichte von Schiffsversenkungen ein. * Verlängerung der englischen Front. Der »Züricher Tagesanzeiger' meldet: Die Engländer nahmen in den letzten vierzehn Tagen ein weiteres nicht unerhebliches Frontstück an der Somme den Franzosen ab. Es sind An zeichen vorhanden, daß die englische Front bis an die Oise, im bekannten Stellungs- Winkel von Noyons, verlängert wird. * Kanada mutz zahlen. Der kanadische Finanzminister hat ein Ab kommen mit der englischen Regierung geschlossen, nach dem Kanada der englischen Regierung sechs Schilling pro Mann und Tag für die an der Westfront kämpfenden kanadischen Truppen zahlen werde. Aus diesem Abkommen schuldet Kanada der britischen Regierung bereits 240 Millionen Mark. Die Nationalschuld von Kanada beläuft sich jetzt auf 160 Millionen Pfund. Binnen kurzem wird in Kanada eine neue Anleihe herauskommen. * / Reorganisation der italienischen Flotte. Wie der römische Korrespondent der .Stampa' berichtet, beschäftigt sich die italienische Negie rung in den letzten Tagen lebhaft mit der Frage der neuen Organisation der italienischen Seestreitkräfte angesichts des ver schärften II-Boot-Krieges. Zwar wurden schon auf der Londoner Marinekonferenz diese Fragen eingehend behandelt; die An kündigung des verschärften II-Boot-Krieges machte aber in der italienischen Flotte weitere Maßnahmen notwendig. Die Zensur unter drückt alle Nachrichten hierüber in der Presse. * Ruhland ist erschöpft. Die russische Presse verwahrt sich gegen das englische Ansinnen, daß Rußland noch mehr leisten könne. Die russischen Kräfte seien bis zum äußersten ausgenutzt, Rußland habe bereits alles getan, was es konnte, es stehe am Ende seiner Krastanstrengungen. Politische AuncUA-au. Deutschland. * In der letzten Bundesratssitzung gelangten zur Annahme der Entwurf einer Be kanntmachung wegen Anwendung der Vertrags- zollsätze auf Waren aus Rumänien, der Ent wurf einer Bekanntmachung wegen Zollerleich terung für Arbeitserzeugnisse der in der Schweiz untergebrachten deutschen Gefangenen, der Ent wurf einer Bekanntmachung über den Zahlungs verkehr mit dem Ausland, der Entwurf einer Bekanntmachung über Goldpreise, der Entwurf einer Bekanntmachung über Kettenhandel in Textilien und Textilersatzstoffen usw., der Ent wurf einer Verordnung über den Ausschluß der Öffentlichkeit für Patente und Gebrauchsmuster, der Entwurf einer Bekanntmachung zum Schutze von Kriegsflüchtigen, und der Entwurf einer Bekanntmachung, betreffend Entschädigungen für Verhaftung oder Aufenthaltsbeschränkung auf I Grund des Kriegszustandes und des Belagerung?- j zustandes. *Jn der letzten Sitzung des Staatshaus halts-Ausschusses des preußischen Abgeordneten hauses erklärte der Minister v. Breitenbach auf Anregungen aus der Mitte der Kommission: Die Eisenbahnverwallung könne jeden Eisen- bahnervercin zulassen, wenn in d.en Satzungen der Vereme bestimmt und unzwei deutig einVerzicht auf den Streik aus gesprochen sei, ein Standpunkt, der vom Landtag gebilligt sei. Wenn der Deutsche Eisenbahner verband auf dieser Grundlage bei ihm den An trag auf Zulassung stelle, sei er bereit, die ent gegenstehenden Erlasse vom August und Sep tember 1916 zurückzunehmen und den Verband zuzulassen. Italic«. * In einer längeren Rede erklärte der frühere Ministerpräsident Salandra: Wir haben uns alle bezüglich der Kriegsdauer und seiner Opfer geirrt. Man kann sagen, daß eine richtige Voraussicht nicht möglich war. Jetzt ist es aber notwendig, daß wir, natürlich unter Wahrung unserer und der Interessen des Vier verbandes, einen Ausweg suchen. Holland. *Jn der Zweiten Kammer erklärte der Minister des Innern van der Linden: „Gegenüber den setzt von Deutschland ange kündigten Maßregeln protestierte die Re gierung unter Beibehaltung ihres unparteiischen Standpunktes nachdrücklich, sowohl was die Be hinderung der freien Fahrt betrifft, als auch die beabsichtigte Benützung der Q-Boote, die nicht mit dem Völkerrecht übereinstimmt. Ebensowenig wie bei anderen Ereignissen, bei denen das Völkerrecht verletzt wurde, fand die Regierung jetzt Anlaß, etwas au ihrer internationalen Politik zu ändern. Sie hält entschieden an der von den Generalstaaten stets gebilligten Politik strikter Neutralität gegenüber allen Parteien fest." Rnstland. *Die Gerüchte, daß Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, dereinst Oberkommandieren der gegen Deutschland, zum Diktator ernannt werden soll, bestätigen sich. Der Zar ist in dessen über diese Zweiteilung der Herrschaft beun ruhigt und befürchtet, daß, wenn die Gewalt über die politischen und administrativen Vorgänge in die Hände des Großfürsten gelegt und er nur die Oberleitung der Armee behält, dies zu pein lichen Verwicklungen und zu Uneinigkeiten führen könnte. Amerika. - In den Ver. Staaten hat nach Amster damer Berichten eine starke Bewegung gegen den Krieg begonnen. ES werden die großen Vorteile, die den Ver. Staaten aus der Erhaltung des Friedens erwachsen würden, geltend gemacht und alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Wilsons Erklärung, daß er die Feind seligkeiten noch abzuwenden hoffe, auszunützen. — Auch im Senat sanden sich Stimmen, die Wilsons Politik mißbilligten. Es entspann sich eine heftige Debatte, in der sich selbst einige Freunde und Parteigänger Wilsons gegen seine Politik erklärten. Schließlich nahm das Haus einen Beschluß an, der Wilsons Vorgehen gut- heißt. * Entgegen den ursprünglichen Reuter- Meldungen wird jetzt zuverlässig bekannt, daß die südamerikanischen Staaten es ablehnen, sich dem Vorgehen Wilsons anzuschließen. Sie werden sich vermutlich mit Protesten gegen die deutsche Sperrgebiets erklärung begnügen. * In Mexiko ist dir Lage wieder sehr ernft. In Chihuahna fanden am 6. Februar schwere Kämpfe statt. Gerüchtweise verlautet, General Pershing habe den Befehl erhalten, den Rückzug der amerikanischen Truppen ein- zustellen und die Grenze weiterhin zu schützen. Asien. *Die russische Negierung läßt einen Teil ihrer ostsibirischen Bahnen von Japanern bewachen. Auch in verschiedenen vorder russischen Häsen leisten japanische Mannschaften Hilfsdienste. Demgegenüber werden in weite« Kreisen der russischen Bevölkerung Beiürchtnngen laut, daß sich die Japaner dauernd in Ost sibirien sestsetzen oder doch nur gegen Einräu mung anderer Vorteile später zu bewegen sein werden, das Land wieder zu verlassen. birmerk, der bneckt. 25j Roman von Bruno Wagener. (Fortsetzung.) Sie standen alle ohne Antwort. Dann eilten mehrere fort, um das Dienletor von außen einzuschlagen. „Wer kommt mit?" wiederholte Hinnerk und sprang ohne Bescheid abzuwarten durch den Garten nach der Rückseite des Hauses. Er hatte durchs Fenster in das Schlafzimmer gewollt. Aber ein Teil des brennenden Daches war herabgestürzt unb hatte gerade vor dem Fenster einen glühenden Berg von Holz und Stroh aufgetürmt. Mehrere Männer waren Hinnerk gefolgt. In der höchsten Not läßt der brave Bauer seinen Nebenmenschen nicht im Stiche. Sie wr-ßten, daß es galt, Menschenleben zu retten, und da gab es kein langes Besinnen. „Reißt den brennenden Haufen auseinander!" rief ihnen Hinnerk zu. „Ich will ins Haus und versuchen, die Frau und das Kind zum Fenster hinauszubringen." Sie schrien ihm zu, das sei unmöglich, er setze sein Leben unnütz auss Spiel. Er aber hörte nicht. Noch war die Hintertür vom Garten aus frei. Zu beiden Seiten waren bereits große Teile deS Daches heruntergerutscht. Uber der Tür wurden sie durch die vorschriftsmäßig an gebrachte Sicherung aus eisernen Stangen zurückgehalten. Das konnte nur noch Augen- blicke dauern. Schnell handeln, war die Haupt sache. Durch die unerträgliche Glut drang Hinnerk ins Haus. Ein greulicher Qualm schlug ihm heiß entgegen und beengte ihm den Atem. ! Das Feuer hatte hier drinnen nicht genug Luft- l zufuhr gehabt und schwelte mehr, als daß es i mit Heller Flamme brannte. Hinnerk hielt den ! Atem an. Jetzt hatte er die Tür zum Schlafzimmer er reicht. Als er sie aufriß, hörte er hinter sich einen lauten Knall, und mit einem Male war es ganz hell. Der Luftzug vom Schlafzimmer zu der Tür, durch die er eingedrungen war, hatte mit.explosionsartiger Kraft dis Flammen auflodern lassen. Er schloß die Tür hinter sich. Auf dem Boden lag die Frau — regungslos, leise wimmernd. Der Junge saß im Bett und schrie. Es war viel Rauch im Zimmer, aber noch nicht so viel, um die Menschen zu ersticken. Hinnerk stürzte ans Fenster. Die Männer draußen hatten mit langen Stangen den bren nenden Haufen auseinander geschoben; aber immer wieder fielen neue Teile des Daches herunter. Und jetzt ertönte draußen lautes Ge- schrei: „Achtung! Zurück da! Der Giebel neigt sich!" Rasch entschlossen hob Hinnerk das Beil; unter seinen Schlägen brachen die Fensterpfosten auseinander, so daß eine große Öffnung sich bot. Nun ergriff er das Kind und schrie zum Fenster hinaus: „Hierher, Männer! Auffangen! Ich werf es euch zu!" Starke Arme singen das Kind auf. Es war unverletzt der Todesnot entkommen. Aber wieder ertönte der vielstimmige Nuf: „Der Giebel senkt sich! Alle Mann zurück I" Hinnerk hatte feine Frau vom Boden aufgehoben. Sie lastete schwer in seinen Armen. Aber er fühlte in diesem Augenblick Riesenkräfte. Wie aber sollte er sie zum Fenster hinausbringen? Es war ganz un möglich. Er mußte durch die Tür; es gab keinen anderen Weg. Noch einmal legte Hinnerk die Bäuerin auf das Bett; dann tauchte er Tücher in das Waschwasser und wickelte sie ihr und sich um den Kopf. Nun hob er die Frau auf und öffnete die Tür. Der Tod schien ihm entgegenzulodern. Aber der Zugwind riß die Flammen plötzlich in eine andere Richtung. Zwischen der Hoftür und sich selbst sah er einen Raum, der vielleicht ein Durchschreiten möglich machte. So schnell er konnte, drang der Mann mit seiner schweren Last vorwärts. Es war ihm, als verbrenne ihm die glühende Luft die Lungen. Die Arme schmerzten ihm, wenn die Flammen sie trafen. Es war zum Ersticken in dieser Hölle. Da fühlte er sich von einem furchtbaren Luftdruck fast umgerissen. Ein Knattern und Poltern erfüllte die Lust und dann ein markerschütternder Krach. Mit einem Male wurde Las Atmen leichter. Ein Strom von kühlerer Luft drang herein. Ohne sich klar darüber zu werden, daß hinter ihm der hohe Giebel und ein Teil des DacheS nach außen gestürzt sei, gelangte Hinnerk zur Tür, gerade noch im letzten Moment. Denn jetzt brach hinter ihm das ganze Dach zusauunen, und als er schon draußen stand, war ihm, als befände er sich in einem Feuerwirbel. Noch ein paar Schritts stolperte er vorwärts, dann brach er zusammen. Als der Morgen graute, qualmte die Brand stätte noch. Aber das Feuer war auf seinen Herd beschränkt. Die aufopferungsvolle Tätig keit der sreiwilliaen Feuerwehr und der aanren Einwohnerschaft hatte die Nachbarhäuser vor der Inbrandsetzung durch Flugfeuer bewahrt. Müde schlich man nach Hause, nur die Brandwache mit der Spritze blieb auf dem Platze. Das Harchtgebäude des Bolten-Siemerschen Hofe« war völlig in Asche gelegt. Wer es schienen keine Menschenleben zu beklagen zu sein. Nur die Bäuerin schwebte zwischen Tod und Leben. In der Altenteilerkate lag sie, und man wartete auf den Arzt, den man gegen Morgen gerufen hatte. Hinnerk Meyer war in der unversehrt gebliebenen Scheune untergebracht. Man hatte feine zahlreichen Brandwunden notdürftig ver bunden. Nun lag er in bleiernem Betäubungs schlaf. Unten in der Scheune stampften die ge retteten Pferde; eine Kuh mit ihrem Kalb und die Schweine waren dort ebenfalls eingestellt. Die übrigen Kühe waren in der Nacht auf der Graskoppel gewesen und nicht in Gefahr ge kommen. Bei dem Vieh saß der Junglnecht auf einem Holzbock, und um ihn standen noch einige Bauernburschen, dw gern näheres über die Entstehung des Brandes wissen wollten. Sonderbar, fchon jetzt hatte sich dis Meinung verbreitet, daß Brandstiftung vorliegen müsse. Wie sollte das Feuer auch sonst ausgekommen sein? Und ein seltsames Gerücht war im Um lauf. Die Bäuerin sollte mit einer schweren Stichwunde in der rechten Brustseite aufgefunden worden sein. Wer konnte das getan baben? Kopfschüttelnd standen die Leute, und nie mand mochte einen Namen nennen. Und doch dachten sie alle an ein und denselben. Aber keiner mochte es dem zutrauen. Wenn das nur
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