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Allgemeiner Anzeiger : 08.08.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190008089
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19000808
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- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
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Monat
1900-08
- Tag 1900-08-08
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Monat
1900-08
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.08.1900
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Politische Nnnd schau. Der Boxer-Aufstand in China. "An amtlicher Stelle in Berlin war von dem Vormarsch auf Peking noch nichts bekannt; am selben Tag« aber trafen schon Privatnachrichten ein, die von einer Niederlage der japanischen Abteilung meldeten, die dabei 150 Mann verloren haben sollen. Die Russen dagegen haben nach leichtem Kampf die chine- fischeu FortS besetzt, aus denen 10 000 Mam Verteidiger entflohen seien. Am Dienstag hoffte man vor Peking zu sein. «Die Lage der Gesandtschaften inPeking hat sich nach den neuesten Berichten erheblich gebessert. Seit dem 18. Juli ist der Kampf nicht mehr erneuert worden. Die Fremden haben auch Proviant erhalten. Außer« dem fehlt es den Angreifern an Munition, und die fremdenfeindlichen Elemente haben zum Tei! Peking verlassen, um dem von Tientsin heran« rückenden Entsatzkorps entgegenzutreten. * Durch die Nachrichten, daß die chiue« sifche Regierung willens ist, die Ge« sandten zu schützen und die Mörder der bisher getöteten Fremden gebührend zu be strafen, hat die ganze Situation in China eine andere Färbung bekommen. Die ,Kreuzztg/ gibt der Anschauung Ausdruck, daß damit die vom deutschen Auswärtigen Amt festgehaltene Aus- safiung, daß man nur den Krieg mit Auf rührern führe und bemüht sein müsse, die chinesische Regierung zu festigen und neu zu or ganisieren, sich bewährt hat, und ein etwaiger Zug auf die Grenzen beschränkt werden muß, hie der Bedeutung der Dinge entsprechen. *Li-Hung«Tschang beabsichtigt, wie du französische Konsul in Schanghai meldet, demnächst nach Herstellung der Ordnung eine Rundreise an die europäischen Höfe zu unternehmen, um den Frieden zu vermitteln. * Fünfzig Missionare find, wie aus Schanghai verlautet, in Schansi ermordet worden. «Die Behörden in Südchina nehmen Rekruten zu einem Monatslohn von neun Dollar an, das ist der doppelte Betrag der bis herigen Löhnung. Es wurde ein Tagesbefehl erlaffen, durch den solche Offiziere mit Strafe bedroht werden, die sich einen Test der Löhnung der Truppen aneignen. «England zieht trotz der Warnungen des Militär-Gouverneurs noch mehr Truppen auS Indien nach China. Nach einer Meldung aus Simla ist eine dritteBrigade von vier Eingeborenen-Regimentern nach China beordert worden. * * * Bom afrikanischen Kriegsschauplatz. * Vom Kriegsschauplatz in Süd - Afrika ist ekl weiterer englischer Erfolg von Lord Roberts gemeldet worden. Die Kommandanten Potgieter urw Joubert ergaben sich an Bruce und Hamilton. Leutnant Andersen und dänische Offiziere der Staatrartillerie ergaben sich gleich falls. Dem Kommandanten Olivier gelang es, mit fünf Geschützen und einer Schar Burghers nach dem Distrikt Harrismith durchzubrechen. (Wenn nur die angegebene Zahl nicht wieder derart stark übertrieben ist, wie es bei der früheren Meldung von der Kapitulation von 5000 Boereu der Fall gewesen ist.) «Zugleich mit diesem Erfolg wird der Un fall eines englischen Eisenbahn zuges gemeldet. Aus der Bahnlinie zwischen Krügersdorp und Potschefstroom entgleiste in der Nähe von Frederikstad ein Zug mit Vorräten, der von einer Abteilung Infanterie begleitet war, da der Feind einige Schienen entfernt hatte. Dreizehn Mann find tot und 39 verletzt. Unter suchung ist eingeleitet. «Die Situation in West-Trans- vaal ist sehr zweifelhaft. Die Generale Methuen und Baden-Powell find außer stände, den Boeren Nachteile zuzufügen, befinden sich vielmehr in bedrängter Lage. TeutsMand «Den ursprünglichen Plan, der Abfahrt sämtlicher Truppen beizuwohnen, hat der Kaiser aufgegeben. Das KastsLrpaar wird nach der Bestattungsfeier für den Herzog von Koburg-Gotha in WilhelmShöhe zur Sommerfrische eintreffen. «Von einer nochmaligen Helgoland fahrt des Kaisers wissen Hamburger Blätter folgendes zu melden. Danach trifft der Kaiser am 10. August, dem Tage der Uebergabe Helgolands, abermals dort ein und wird beim Gedenkstein auf dem Oberlande daselbst eine Rede halten. Am 10. August find zehn Jahre verflossen, als der Monarch seine erste Rede dort hieft am Tage der Uebergabe der Insel. «Der Staatssekretär des Reichsmarineamts, Vizeadmiral v. Tirpitz, hat dem früheren französischen Marine-Minister Locroy auf dessen Ersuchen die Erlaubnis er teilt, die Kieler Werftanlagen zu be« sichtigen. Locroy wird in nächster Zeit dort eintreffen. * Eine Anzahl Offiziere der Landarmee ist neuerdings während der Dauer der Flotten manöver an Bord derSchiffe des zweiten Geschwaders kommandiert worden. Frankreich. «Das Gerücht hatte am Sonntag „vor gespukt" l Am Donnerstag vormittag ist wirk lich ein Attentat auf den Schah in Paris versucht worden, glücklicherweise ohne Erfolg. Als der persische Herrscher nach der Sevres-Brücke fahren wollte, sprang ein etwa 25 jähriger Bursche auf das Trittbrett des Wagens und richtete einen Revolver auf den Schah. Der Attentäter wurde jedoch entwaffnet, ehe er schießen konnte; von wem? Darüber gehen die Berichte auseinander. Der Schah setzte feine Fahrt ruhig fort. Der Attentäter wurde verhaftet und verweigert jede Angabe über seine Person. Man meint, eS sei ein Piemontese. Italien. «König Viktor Emanuel hat das gegen wärtige Kabinett bestätigt. Alle Minister, mit Ausnahme des Kriegs Ministers und des Juftizministers, die in Rom zurückge blieben find, find in Monza anwesend und leisteten dem Könige den Eid. «Nach dem ,Corriere della Sera' mehren und verstärken sich die Grundlagen für die An- nähme, daß die Ermordung deSKönigs Humbert das Ergebnis einer Verschwö rung ist. Den Blättern zufolge legt man der Verhaftung des Anarchisten Lanner in Jvrea große Bedeutung bei. Wie gerüchtweise verlautet, hatte Lanner unwiderruflich den Tod König Humberts beschlossen und er hätte, wenn der Mordanschlag in Monza fehlgeschlagen wäre, einen neuen Anschlag bei der demnächst statt« findenden Tausendjahr-Feier in Jvrea aus« geführt, welcher der König und die Königin bei wohnen wollten. «Der Leutnant Bressi sandte eine Bittschrift an den König, um Aenderung seines NamenS zu erwirken. ES heißt, er werde aus der Armee entlassen werden und ein Verwaltungsamt erhalten. England. «Wie dem,Daily Telegraph' auS Kapstadt gemeldet wird, wurden in Pretoria wichtige, aus England stammende Schriftstücke vor gefunden, durch welche gewisse englische Parlamentsmitglieder und andere Politiker, die mit ihren Gesinnungen auf Seite der Boeren stehen, kompromittiert er scheinen. «Kopenhagener Blätter behaupten, daß Eng land die Faroer-Inseln (nördlich von Schottland), wo bedeutende Kohlenlager entdeckt worden find, von der dänischen Regierung anzu- laufen wünscht. «Im Unterhause erklärte Balfour, die eng lische Regierung habe der belgischen ihr Bedauern über den Ausgang des Ver fahrens gegen Sipido ausgedrückt. Balkanstaaten. «Die Hochzeitsfeier deSKönigS Alexander sollte zwei Tage, Sonntag und Montag, dauern. Die Glückwunsch-Deputationen mußten wegen der großen Zahl wieder auf der Topschieder Wiese vom König empfangen werden. Die Stadt wird glänzend mit Teppichen, Bildern, Flaggmasten und Ehrenthoren ausgeschmückt, wofür der Gemeinderat 100 000 Frank ange wiesen hat. Für ein Brautgeschenk wurden 40 000 Frank von der Belgrader Gemeinde be willigt. Am ganzen Sonntag und Montag werden Volksfeste in Belgrad und vielen anderen Städten Serbiens veranstaltet. Die Flitter wochen wird das Königspaar m Semendria auf dem dortigen königlichen Weingut zubringen. Amerika. «In Paterson, wo sich der Königs« mörder Bressi aufgehalten hatte, hielten die Anarchisten am Dienstag abend eine Ver sammlung ab, in der der Mörder des Königs Humbert gepriesen und ausgerufen wurde, alle Könige und Kaiser müßten ermor det werden. Johann Most äußerte sich zu einem Zeitungsberichterstatter in derselben Weise. Aste«. * Der Kampf der französischen Expeditions armee mit den Grenzstämmen Marokkos hat begonnen. Der marokkanische Stamm der Douimeria griff am 30. v. einen Convoi an. Auf französischer Seite wurden 9 Mann getötet und 9 verwundet. Die Marokkaner wurden zurückgeschlagen und erlitten erhebliche Verluste. Krirgsschrecke« i« Südafrika. Ein nach England zurückgekehrter Kriegs berichterstatter schildert in ergreifenden Worten die Schrecken des Krieges in Süd-Afrika und wünscht, daß die grünen Felder Englands nie mals schauen möchten, was auf dem südafrika nischen Felde das Auge habe sehen und das Ohr hören müssen. Wenn England nur ahne, welche Leute sein Schicksal lenkten, würde es sich fragen, ob ähnliche Leute auch für Englands Flotte verantwortlich wären; denn dann möge Gott in Kriegszeiten der alten Flagge und denen, die für sie kämpfen, helfen. Dann schildert der Korrespondent, wie General Rundle eine Linie von Winburg vis Senekal bis fast nach Basutoland bewachen mußte, von Punkt zu Punkt, auf Anzeichen von Gefahr hin marschieren mußte, und trotz dieser kolossalen Aufgabe hätte man nicht gesorgt, daß diese Soldaten mit Proviant versehen worden wären. Statt dessen hätten die Leute unter Rundle hungern müssen. Viele Infanteristen konnten sich kaum vor Schwachheit fortschleppen, sie seien zu Schatten abgemagert; wer das alles ableugne, leugne die Wahrheit ab. Seit langer Zeit hätte der Soldat nichts anderes zu essen gehabt, als alle zwei Tage ein Pfund grobes Mehl, das er nach hartem Tagesmarsch z« kochen habe. Am folgenden Tag« erhalte er ein Pfund Biskuit. Außerdem erhalte der Soldat täglich ein Pfund rohes Fleisch, das er von zehnmal neunmal nicht kochen könne. „Sind Leute," fragt Mr. Hales, „deren Hand zittert, wenn sie das Ge wehr übernehmen, und nicht etwa aus Furcht oder infolge von Wunden, sondern auch Schwach heit und Mangel an Blut und Muskeln, ver ursacht durch ständigen Hunger, find solche Leute im stände, ein Kopje zu stürmen?" Und un willig ruft der Mann zum Schluß aus: „Ihr steht in euren Mufikhallen und singt Lieder zum Preise eurer Soldaten, der „guten Kerle an der Front", und laßt den Soldaten hungern, so sehr hungern, daß ich ihn auf dem Marsch oft mit einem Neger habe um eine Handvoll Mehl streiten sehen." Der englische Aftika«Schriftsteller Pearse übersandte den ,Daily News' einen längeren Bericht aus Pretoria über die Lage in Trans vaal, der die ganze jetzige Militürarbeit in den Boerenländern als völlig vergeblich darstellt. Pearse sagt, er rechne darauf, daß Krüger und Botha sich unterwerfen werden, sobald Lord Roberts d« ganze Delagoa - Eisenbahn und Lydenburg in seine Gewalt gebracht habe. Das werde vielleicht noch emige Monate schwerer Arbeit kosten, aber abwenden werde Krüger dies nicht mehr können. Er werde sich dann auf Wunsch feiner Leute ergeben, und der Krieg in Transvaal sei damit formell beendet. In dessen werde man einige Wochen später hören, daß vielleicht 2000 Boeren von der jetzigen Gefolgschaft Krügers und Bothas von der Waffenstreckung in nördlicher Richtung abge schwenkt seien und dorthin auch so viel Waffen, Schießvorrat und Kanonen mitgenommen hätten, als sie irgend mit sich schleppen konnten. Diese Truppe werde stch dann im nördlichen Trans vaal häuslich einrichten, und sicherlich würde» dort 2000 Mann genügen, um zwei biS drei Jahre lang den Guerillakrieg fortzu setzen. Und wenn England andauernd 50 OOS Mann gegen diese Schar im Felde hafte« werde, so werde sich der Kleinkrieg doch mehrere Jahre hinziehen. Natürlich werde ebenso langt der Zustand der Unruhe und Unsicherheit in dem ganzen Boerengebiet andauern, da sich stets wieder Unzufriedene finden werden, welche die Kämpfenden durch Zuzug und durch Zufuhr von Lebensmitteln unterstützen werden. Auf einen solchen mehrjährigen Kriegszustand müsse sich also die Londoner Regierung einrichten; denn wollte sie etwa diese Gefahr zu gering ansehen und nur kleine Beobachtungsposten im Lande lassen, so könne man sich jederzeit auf eint Ueberrumpelung Pretorias gefaßt machen. — Anderseits wünschen, nach der Auffassung des Herrn Pearse, diejenigen Boeren, welche den Neutralitätseid oder auch den Loyalitätseid ge« leistet haben, eine möglichst baldige Beendigung des Kampfes. Aber nur deshalb, um möglichst bald für Transvaal irgend eine Form der kolonialen Selbstverwaltung zu erlangen. Und haben sie dies erreicht, so wollen sie sofort die Losreißungspolitik im weitesten Maße beginnen. Pearse sagt: „Ich kann mich nicht dafür ver bürgen, daß auch nur ein einziger Boere de« Untcrwerfungseid ehrlich zu haltengesonnen ist! — Ich bin überzeugt, daß der Haß der Boeren gegen England noch durch vier Geschlechter hi«' durch so stark sein wird, wie heute. Und waS während dieser Zeit geschehen kann, wage ich Uon Mak und Fern. Dresden. Infolge einer Aufforderung seitens des Ministeriums des Innern hat die hiesige Handelskammer ein Gutachten über Maß nahmen gegen bestehende Mißstände im Aus« stellungswesen abgegeben. Dieses Gutachten richtet sich namentlich gegen gewerbsmäßig ver« anstaltete Ausstellungen und gegen das „Zuviel der Ausstellungen" überhaupt. Als Folge dieses Zuviel hat zwar, wie das Gutachten feststellt, eine große Ausftellungsmkdigkeit bereits weste Kreise ersaßt, und hierin ist auch dasjenige natürliche Mittel zu erblicken, daS gegen das Zuviel den meisten Erfolg haben wird, daneben aber find als Beschränkungsmittel zu empfehlen: die Versagung der Uebernahme von Protektoraten, Ehrenvorfitzen und der Erlaubnis zur Teilnahme an AusfteUungsausschüssen; die Versagung von Staatspreisen und Nichtgewährung frachtfreier Rückbeförderung von Ausstellungsgütern; die Einwirkung auf die Amtsblätter, dam» sie von Ausstellungs»Empfehlungen ab sehen; die Beschränkung der mit den Ausstellungen verbundenen Vergnügungen, Schankgelegenheften und Schaustellungen, die zwar zum finanziellen Gelingen des Ausstellungs unternehmens beitragen, doch aber dadurch, daß sie die Aufmerksamkeit der Ausstellungsbesucher ablenken, die Ausstellung selbst schädigen; die Verweigerung von Lotterien, die nicht nur der Spielsucht Vorschub leisten, sondern auch den Gewerbestand benachteiligen, und endlich eine entsprechende Erweiterung der Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Kropp (Schleswig). Bei dem am Sonntag abend hier niedergegangenen Gewitter schlug del Blitz zweimal in die hiesigen bekannten Anstalten ein. Zum Glück zündete er nicht. Ein Pensionär der Anstalt weilte als Gast auf dem zur Anstalt gehörenden Gute beim Inspektor. Hier wurde er vom Blitz erschlagen, als er die Thür öffnete. Zwei andere Herren wurden betäubt. Ein zweiter Blitz schlug, ebenfalls ohne zu zünden, in daS mit etwa 70 Kindern belegte „Kinder heim". Auch hier wurde eine Frau betäuvu Die Kinder mußten bei strömendem Regen aus den mit Schweseldampf erfüllten Räumen ge« holt werden. Mußte es sein? 81 Roman von C. v. Berlepsch. lF Netz»»«.) Diese leicht hingesprochenen Worte ohne jede tiefere Bedeutung erfüllten Gabriele von Roden mit neuer Hoffnung. Als Walter von Hohenstedt die Hausthür hinter sich geschlossen hatte, stand er einen Augenblick still und atmete tief auf. Es war ihm, als ob er in der heißen Atmosphäre eines Treibhauses gewesen sei, wo die Wärme und die überreich von Düsten erfüllte Luft betäubend wirken. Wie schön Gabriele war! Kein Wunder, daß halb Wien zu ihren Füßen lag. Nicht Liebe war es, die ihn zu ihr hinzog, aber er bewunderte sie, er mußte an sie denken; ihr Bild verfolgte ihn bis in seine Träume. „Man möchte an einen Zauber glauben," sagte er zu sich. „Wehe dem Mann, der stch hoffnungslos in Gabriele Roden verliebt. Wenn ihr Herz aber sich der Liebe erschließt, wie leicht muß es ihr werden, Gegenliebe zu finden. So bald wird ihr keiner widerstehen." Wie wenig ahnte er, daß ihm selbst die Liebe dieses leidenschaftlichen Herzens gehörte, daß sie alles darum hingegeben hätte, das seine zu gewinnen! Am anderen Morgen erhielt er ein Billet folgenden Inhalts: „Lieber Walter! Würdest du mich heute vormittag auf ei--«", Rfte begleiten? Ich möchte ein neues - neunten, welches etwas mutig ist. In Deiner Begleitung werde ich mich sicher fühlen. Gabriele." Er hätte diese Bitte nicht abschlagen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Aber warum? Das schöne Mädchen war seine Kindergespielin und Verwandte, weshalb sollte er ihre Gesell schaft nicht aussuchen? Er traf rechtzeitig ein und traf Gabriele schon im Reftkoftüm. „Ich wußte ja, daß du kommen würdest," rief sie ihm entgegen. „Mummi meinte, du hättest gewiß schon etwas anderes vor." „Das müßten doch sehr dringende Geschäfte sein, die mich abhalten könnten, dir zu Diensten zu stehen," entgegnete er. Hatte er sie am Abend vorher schon in ihrem Gesellschaftskostüm bewundert, so fand er heute, daß das Reitkostüm, welches ihre tadellose Figur eng umschloß, ihr noch besser stand. Sie saß auch vorzüglich zu Pferde, und Walter hatte vollauf Gelegenheit zu sehen, wie fie der all gemeine Gegenstand der Beobachtung und Be wunderung war. Er hörte, wie Fremde fragten, wer das schöne Mädchen sei, er sah, wie alle Bekannten sich herandrängten, um ein paar Worte mit ihr zu reden oder ein paar Worte auszufangen. Und trotz aller Huldigungen be merkte er, wie fie ihn nie vergaß, wie fie sich immer wieder zu ihm wandte. „Wie treu fie an ihren alten Freunden hängt," dachte er. So ritten fie zusammen durch die Alleen des Praters, er völlig unbefangen, während ihre Liebe mit jeder Stunde des Zusammenseins wuchs. - „Ich würde dir so dankbar sein, wenn du mir einige Reitstunden geben wolltest, Walter," bemerkte Gabriele; ich fühle, daß ich fie nötig habe." Er sah erstaunt auf ihren vollendeten Sitz und die Sicherheit, mit der ihre Hände die Zügel führten. „Ich wüßte nicht, was ich dich noch lehren könnte," erwiderte er. „Ich sah selten eine Dame so gut reiten." „Und doch möchte ich noch gerne etwas Unterricht haben. Es reitet stch so gut mit dir, Walter." „Ich bin gern bereit, alle Tage mit dir spazieren zu reiten," war seine höfliche Antwort, die, wenn auch freundlich, doch keine Wärme emfinden ließ. Es war ein heißer Tag, und als fie wieder vor dem Hause hielten, bat Gabriele ihren Be gleiter, mit herauf zu kommen und sich etwa- zu erfrischen. Er erwiderte ausweichend, daß er nicht müde sei, aber sein Widerstand war bald gebrochen. „Du wirst niemand treffen," sagte sie; „ich führe dich in mein Privatzimmer, dort kannst du ungestört ausruhen." Wenige Momente später fand sich Walter in einem kühlen Boudoir; die Sonne schien ge dämpft durch rosa Vorhänge, die Luft war mit feinem Wohlgeruch erfüllt, und Frau von Palm trat ein mit einem Tablett voll kühlender Ge tränke. Es war alles so behaglich, daß er sich wie zu Hause fühlen mußte. Nach kurzer Zeit erschien auch Gabriele. Sie hatte ihr Reitkostüm mit einem Hauskleid von leichter Seide vertauscht, und ihr volles dunkles Haar hing, nur von einem Band gehalten, um ihre Schultern. Sie wählte einen Sessel in seiner Nähe und sagte mit einem Lächeln:'„Du siehst, daß ich dich ganz wie einen Hausgenossen behandele, Walter." Er sah sie voll Entzücken an, ihre amuttge Stellung, den milden, träumerischen Ausdruck ihres Antlitzes, während sie sich langsam mn einem eleganten Fächer Kühlung zuwehte. , „Du siehst aus, wie einem Bild entstiegen, bemerkte er. „Welchem Bilde?" „Ich erinnere mich nicht, wo ich eS gesehen habe, aber es ist mir dennoch gegenwärtig. Ihre Augen glänzten. „Ich möchte wohl dem Bilde gleichen, unter welches du: „Meine Königin!" schreiben würdest. „Jeder, der ein Auge für Schönheit hat, würde dich wohl Königin nennen," entgegnete er leichthin. Die Bedeutung ihrer Worte schien er gar nicht zu fassen. . Frau von Palm gesellte stch zu ihnen, und die Unterhaltung wurde eine allgemeine. „Wir gehen heute abend in die französische Oper," sagte Gabriele, als Walter ausbrach, „begleitest du uns?" < „Deine Loge wird wohl ohnehin voll von Verehrern sein," gab er lachend zurück. „Die sollen dir alle Platz machen, wenn du kommen willst. Die Großherzogin von Gerol stein wird gegeben mit der Schneider in der Rolle als Großherzogin." . - „Ich kenne die Oper nicht genau, muß ledoch gestehen, daß diese Art Musik nicht gerade mein
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