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Allgemeiner Anzeiger : 04.07.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-04
- Sprache
- Deutsch
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- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190007043
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- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-04
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Monat
1900-07
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.07.1900
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Kolitifche Unndschau. Vom afrikanische« Kriegsschauplatz. * Es herrscht jetzt Stille ms dem südafrika nischen Kriegsschauplatz. Langsam sucht die fünf- fache Uebermacht der Engländer imFreiftaat DeWetundSteiju zu umzingeln. Aus Transvaal verlautet gar nichts von eng lischen Bewegungen. Dagegen veröffentlichen die .Times' eine Depesche «ms Laurenzo Marques, daß die Boeren sich in beträchtlicher Stärke in deo Hügeln jenseits Middelburg ver schanzen. * In der englischen Presse wird es mit ganz besonderer Zuverficht als ei» untrüglicher Be weis baldigen Friedensschlusses bezeichnet, daß die fremden Militär» Attaches, die bisher im Gefolge des Feld marschall Robens den kriegerischen Operationen beigewohnt haben, im Begriff find, nach Kap stadt und von da nach ihrenHeimat - ländern zurückzukehren. Dies kann aber auch ebenso gut meinen, daß die fremden Offiziere bezw. ihre Regierungen es für nutzlos hallen, den langwierigen Guerilla-Krieg, der kaum noch Operationen auf größerer Basis erfordern wird, noch weiterhin an Ort und Stelle zu verfolgen. Damit ist aber der Feldzug selbst doch noch lange nicht zu Ende. * V Der Aufstand in Chin«. *Mü Seymour ist nun von Tientsin aus die Verbindung hergestellt worden; Seymour hatte mit seiner Truppe Peking nicht er reicht. Er mußte vor der chinesischen Ueber macht zurückweichen Die fremden Ge sandtschaften find nicht bei ihnen; von ihnen fehlt jede Nachricht. Die Deutschen haben bei Tientsin 1 Leutnant und 10 Mann durch Tod verloren, 20 Mann find verwundet. * Die Sachlage ist jetzt so, daß die Ge sandten und Fremden in Peking noch immer bedroht erscheinen und daß die Ver suche Seymours, ihnen Hilfe zu bringen, einstweilen gescheitert find. Er hat sein Korps mit starken Verlusten nach dem von den Mächten besetzten Tientfin zurückführen können. Aber selbst die Verbindung zwischen Tientsin und Taku ist nicht völlig frei. Von Norden her soll der russische General Stoessel mit 10000 Mann nach Peking unterwegs sein. "Aeußerst bedenklich erscheint, daß die Un ruhen well über den Hauptherd hinaus und in die Interessensphären einzelner Mächte hinein Sch zu dehnen beginnen. Nach einer Depesche der .Daily News' Ms Schanghai haben Boxer die Militärschule in Mukden (Mand schurei) zerstört. Die Chinesen stoßen in diesem Gebiet Ms starke russische Streit kräfte. Um so überraschender ist der Vorstoß. *Auch für unsere eigene Einflußsphäre in China ist die Gefahr ernsterer Kämpfe als näher gerückt zu betrachten. An hiesiger amt licher Stelle eingegangene Meldungen bestätigen, daß in Nord- und auch in Süd- schantung Unruhen ausgebrochen find, die Wachsamkeit und vielleicht Einschreiten erheischen. Außer de« Ausschreitungen in Wei- Hsin (Nord-Schantung), wo die protestantische (amerikanisch - methodistische) Mission nieder- gebrannt ist, erscheint auch Tsinnig, der Sitz des Bischofs Anzer, bedroht. *Die Meldungen über die Zerstörung des Fremdenviertels stellen sich als stark übertrieben heraus. Sämtliche Deutschen find unversehrt. *Jn wenigen Wochen werden fremde Truppen in Stärke von mindestens 60 000 Mann in China Verwendung finden können. Die japanische Regierung hat beschlossen, 20 000 Mann nach China zu senden. Beeinflußt dürste dieser Beschluß sein durch die Erklärung des Unlerstaatssekretärs Brodrick im englischen Unterhaus, die englische Regie rung werde die Entsendung von Truppen seitens jeder Macht begrüßen, die infolge des nahen Standorts der Truppen in der Lage sein könne, sofort zur Unterdrückung von Unruhen in Nord- China einzuschreiten. Der Kaiser von Iapan ! hat die Verausgabung von 50 Millionen Jen (nicht 15 Millionen, wie zuerst gemeldet^ zu militärischen Zwecken sanktioniert. Nicht w^Mer als 35 Transportschiffe find nach den .Times' von Japan gemietet worden. Ebenso große Anstrengungen wie Japan macht als Konkurrenz macht Rußland. Wie bereits gemeldet, hat Rußland sein Amur-Korps mobilifiert und ist daher im stände, mindestens 20—30000 Mann Mfzubieten. Deutschland. *Der Kaiser hielt am Donnerstag in Kiel in der Matrosenkaserne einen Appell über 2000 ehemalige Gardisten ab. Der Monarch hielt eine Ansprache, in der er die Hoffnung ausdrückte, daß sie die Treue und die vaterländische Gesinnung bewahren und auf ihre Umgebung übertragen und in dieser Weise weiterarbeiten würden bis an das Ende ihrer Tage. Er freue sich außerordentlich, die Gar disten in so großer Zahl versammelt zu sehen und danke denselben. * Das Allgemeinbefinden des KönigsAlbertist wieder befriedigend. Es handell sich übrigens nicht um Krebs leiden, sondern um eine gutartige Neubildung in der Blase. * In den nächsten Tagen dürsten die meisten Preuß. Staatsminister und wohl auch die meisten Mitglieder des Bundes rats Berlin auf Sommerurlaub ver lassen. Der Reichskanzler ist bereits nach Ragaz gereist und gedachte in drei Wochen etwa wieder auf kurze Zeit hierher zu kommen, um sich dann auf seine Güter nach Rußland zu begeben. Der Finanzminister v. Miquel, der Eisenbahnminister v. Thielen, der Staatssekretär Graf v. Posa- dowsky, der Minister des Innern Frhr. v. Rhein baben wollen in den ersten Tagen des Juli ihre Erholungsreisen antreten. — Allerdings er scheint es nicht ganz ausgeschlossen, daß in den Reisedispofitioneu der Preuß. Staatsminister und auch der Mitglieder des Bundesrates noch wesentliche Aenderungen eintreten könnten, falls die Ereignisse in Ostasien eine weitere Machtentfaltung Deutschland bedingen sollten. *Daß der preußische Eisenbahn-Minister v. Thielen sein Abschiedsgesuch ein gereicht habe, will die,Voss. Ztg.' Ms gut unterrichteter Quelle erfahren haben. Sie weiß auch die Beweggründe, die den Minister zu dem Schrill veranlaßt haben, mitzuteilen und thut es unter dem Vorbehalt, daß sie im Augenblick diese Angaben nicht auf ihre Richtigkeit habe ausreichend prüfen können. Herr v. Thielen habe daS Mißfallen des Kaisers er regt sowohl wegen seiner Haltung bei einzelnen Straßenbahnausftänden als wegen seiner Rede bei der Eröffnung des Elbe- Trave-Kanals. Der Minister habe einst weilen einen längeren Urlaub erhallen, von dem er nicht mehr in sein Amt zurückkehren werde. Oesterreich-Ungarn. *Jn der Hofburg der österreichischen Kaiser stadt ging am Donnerstag die Eidesab- legung des Erzherzogs Franz Ferdi nand Ms Anlaß dessen morganatischer Vermählung mit der Gräfin Sophie Chotek vor fich. Frankreich. *Aus der scheinbaren Diszipliuar- widrigkeit des Generalstabschefs Delanne gegen den Kriegsminister Andrä wollten die Nationalisten dem letzteren einen Strick drehen, was ihnen jedoch mißlungen ist. Die Deputiertenkammer nahm mit 306 gegen 220 Stimmen eine Tagesordnung an, in der die Erklärungen des Kriegsministers gebilligt werden. Der Sozialist Sembat beantragte, daß der Tagesordnung die Worte zugefügt würden: „Die Kammer ist entschlossen, nicht zu ge statten, daß die Disziplin streng auf die einfachen Soldaten, aber nicht auf die Offiziere angewendet werde." Dieser Zusatz ward vom Ministerpräsidenten Waldeck-Rousseau genehmigt und vom Hause mit 326 gegen 179 Stimmen ange nommen. Schließlich ward die ganze Tages ordnung mit 301 gegen 226 Stimmen ange nommen. England. *Das Kolonialamt erhielt ein Telegramm aus Prahsu vom 25. Juni, in dem Oberst Wilcocks, der Befehlshaber der Entsatz- truppe für Kumassi, mitteill, ihm sei ein Schreiben des Gouverneurs der Goldküste zuge gangen, in dem es heißt, Kumassi könne sich nur noch bis zum 20. Juni halten. Der Kommandant von Bckwai empfing brieflich die Mitteilung, daß man am 21. Juni und während der folgenden Nacht 10 Kanonenschüsse, gefolgt von anhaltendem Gewehrfeuer, vernommen habe. Die Truppen hätten versucht, unter andauernd strömendem Regen vorzurücken, es sei aber un möglich, täglich mehr als einige Meilen vor- wärts zu kommen. Kumasfi ist also vielleicht schon gefallen! Belgien. *Der Prozeß gegen den Attentäter Sipido wegen des Schusses auf den Prinzen von Wales wird am 2. Juli in Brüssel verhandelt. Holland. *Die niederländische zweite Kammer ge nehmigte die Konventionen der Frie dens-Konferenz bezüglich der Anwen dung der Genfer Konvention auf den See- krieg und der Gesetze und Gebräuche bet Landkriegen. Weder die chi«efische Gesandtschaft i« Kerli« schreibt die ,Nat.-Ztg.': In den „Zelten" liegt unter Nr. 14 ein sehr sauberes, weiß gestrichenes Haus mit Erker und Balkon hinter reich mit Rosenstöcken besetztem Vorgarten. Laternen flankieren das von Säulen getragene Portal, rot-weiß gestreifte Markisen wehren die Sonnen strahlen von den Fenstern und vom Balkon ab, und oben auf dem Dache ragt eine Flaggen stange empor. Das wäre nun nichts Merk würdiges, denn solcher eleganten Häuser gibt es in der Umgebung des Tiergartens eine stattliche Menge, aber da eben ein bezopfter Kopf mit Schlitzaugen über die Balkonbrüstung herab schaut, merkt man doch, daß es mit dem Hause feine eigene Bewandtnis hat: in den „Zelten" Nr. 14 wohnt Lie chinesische Gesandtschaft. In eine eigenartigere Lage 'st wohl selten die Ver tretung eines fremden Staates versetzt worden, als je die chinesische: offiziell ist der Krieg zwi schen Deutschland und China nicht erklärt, aber inoffiziell wird bombardiert und füsiliert, daß es nur so kracht. In den „Zelten" Nr. 14 sieht es so friedlich und harmlos Ms, als ob Krieg und Kriegsgeschrei nie die Welt beunruhigt hätten. Sehr würdevoll schreitet morgens der Koch, angethan mit dunkler Gewandung, auf weichen dicken Filzschuhen nach wie vor nach der Markthalle am ReichStagsufer, um dort Ein käufe an Gemüse, Geflügel, Obst und sonstigen Dingen zu machen. Hat er kundigen Blickes die Rohmaterialien erhandelt, so wandert er ebenso würdevoll nach der Gesandtschaft zurück, aber begleitet von einer rundlichen Marktfrau, die auf dem Rücken die wohlgefüllte Kiepe trägt. Ab und zu find beide in einer etwas lapidaren Unterhaltung begriffen, die wahrscheinlich nur dazu bestimmt ist, den deutschen Wortschatz des kochkundigen Sohnes des Himmels um einige Brocken zu bereichern. In den kühlen Abend stunden nimmt man auch in den Gängen deS Tiergartens zuweilen Sekretäre und Attaches der Gesandschaft wahr. Einige von ihnen find recht wohl genährt, als schwört«« ste nicht auf Confucius, sondern auf Epikur und Lucullus; andere hingegen sehen sehr mager aus, als litte« sie an den Nachwehen der fürchterlichen Exa mina, die sie zur Erlangung ihrer Würden be stehen mußten. Diejenigen Herren, die goldene Brillen tragen, nehmen sich aus, wie wenn fie zur echten Gelehrtenzunft gehörten. I« ge messener Unterhaltung promenieren ste zwischen den Bäumen, von den Berlinern, die fich an ihren Anblick schon längst gewöhnt haben, unbe helligt. Die Mitteilungen der deutschen Presse werden mit Eifer verfolgt, und Li Tsschun, der Dolmetscher der deutschen Sprache und Ange höriger der vierten Rangklasse, die zum Tragen des weißen Knopfes und eines Pu-tza mit Silberfahne berechtigt, hat infolgedessen vielt Arbeit. Mit den Knöpfen ist es eine eigentüm liche Sache; ste geben die Rangklasse an und stehen daher in einer gewissen Verwandtschaft mit de« Gestellen- und Sergeantenknöpfea unserer Vaterlandsverteidiger. Der höchste Knops ist der rote, dann folgen der Reihe nach der blaue, der kristallene, der weißt und der goldene. Mit einigen Unterabteilungen gibt es im ganzen neun Rangklassen und dementsprechend auch neu» verschiedene Knöpfe. Diese Abzeichen, von runder Form und von der Größe einer kleinen Wall nuß, werden inmitten eines Büschels roter Seideufransen auf der Mütze oder auf dem konisch gestalteten Hut getragen. Das Pu-tz» ist gleichfalls ein Rangabzeichen, und zwar M Form eines bestickten großen Brust- und Rücken schildes aus Seidenstoff und von viereckiger Form. Die Zivil-Mandarinen tragen alS Stickerei rm Pu-tzL einen ornamentierten Vogel, die Militär-Mandarinen ein Raubtier. Dem Range nach folgen für diese das Einhorn Kilin, der Löwe, der Leopard, der Tiger, der Bär und zuletzt der Panther, für jene der Goldfasan, der Pfau, die wilde Gans, der Silberfasan, der Pelikan, die Mandarinen-Ente und die Wachtel. Den Frauen der Mandarinen steht gleichfalls das Recht zu, das Pu°tzü zu tragen, nur muß bei den ihrigen das Tier den Kopf nach der rechten Seite wenden, bei dem des Mannes hin gegen nach der linken. Der außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister Chinas am Berliner Hofe, Exzellenz Lu-Hai-Huan, Direktor des Transpotthofes, Träger der Pfauen feder und des RangknöpfeS zweiter Klasse, dars sich also mit einem Knopf von blauer Farbe und einem Pu-tzL mit Pfau schmücken. Die Pfaufeder, zu deren Tragen er außerdem noch berechtigt ist, hat mit dem Rang nichts zu thu«, sondern ist einfach ein Ehrenzeichen, das wie unsere Orden verliehen wird. —... - NI Uon Uah «ad Fern. Helgoland. Am 1. Juli find zehn Iah« vergangen, seit die Insel Helgoland von eng lischem in deutschen Besitz übergegangen ist. Die Helgoländer wollen diesen Tag festlich begehen, ebenso den 15. Dezember d., an welchem vor zehn Jahren die Insel durch Gesetz dem Deutsche» Reiche einverleibt wurde. Memel. Das Vorsteheramt der hiesigen Kaufmannschaft hat gemeinsam mit den Kreis- und städtischen Behörden unter Hinweis auf die stete Vermehrung der deutschen Kriegsflotte beim Reichsmarineamt beantragt, eine Flotten station der deutschen Kriegsmarine in Memel errichten zu wollen. Der Stadt würde dadurch ein Ersatz geboten werden für so manche staat liche Einrichtungen, die früher dort gewesen, aber im Laufe der Zeit infolge von Verände rungen der Verhältnisse derselben genomme» worden find. Diese Bitte ist abschlägig be schicken worden, da ein Bedürfnis zur dauernde» Stationierung von Schiffen und Marineteile» in Memel zur Zeit nicht vorliege Jena. Die große Firma Karl Zeiß hat ihre männlichen Geschäftsangehörigen über die Einführung des Achtstundentages abstimme» lassen. Die Abstimmung ergab 614 Stimme» für und 105 Stimmen Mgen den Achtstunden tag, der daun angenommen wurde. Die Frage stellung lautete: „Wer traut sich zu und ist zu gleich gewillt, in der auf 8 Stunde« verkürzte» Arbeitszell bei Lohn und Akkord dasselbe z» leisten wie bei der bisherigen neunstündigen Ar beitszeit?" Bei der neuen Arbeitszeit falle» die bisherigen Frühstücks- und Sjesperpause» weg, die Mittagszeit beträgt im Sommer zwei Stunden, im Winter 1V- Stunde», Rudolstadt. Eine überaus roh« That ift von einem 13 jährigen Schulknabeu in Katzhütte verübt worden. Er lockte einen anderen gleich altrigen Knaben, der sich durch kleine Arbeite» etwas Geld verdient hatte, in den Wald, u« ihn seines Verdienstes zu berauben. Da er ih« nicht gleich gefügig machen konnte zur Heraus gabe der kleinen Barschaft, brachte er ihm mit einem Messer so schwere Wunden bei, daß der Verletzte nach der Landesheilanstalt gebracht werden mußte. Der Thäter wurde verhaftet. Me Werstoßene. ! 1t) Novelle von Wilibert Sahl»««». ' Grabesruhe herrscht« dl dem baulichem Ge mach. Mit weicher, seltsam bewegter Stimme fuhr der Squire in seiner Erzähümg fort: „Es war etwas Heiliges um diHe Liebe. — Der junge Mann wurde m ihr, durch fie ver edelt, er lernte zum ersten Mal an Frauenadel glauben. Er Halle anfangs gehofft, bei der schönen Schwester des Kapitäns so leicht zu Kegen, wie er stets gesiegt hatte, er vergaß, welchen Frcweu er fich bisher genähert hatte, — eine Scheu überkam ihn in der Begegnung mit diesem jungen, reinen Mädchen. Es ist wahr — nicht alle Schuld träfst den Squire, niO alle Schuld, daß alles kam, wie es kam. Kapittkr Witt schloß in Buenos Ayres eine Kracht nach Hamburg ab, der Squire hatte also Gelegenheit, an Bord der „Henriette" seine end liche Rückreise nach England zu mache«; der Kapitän wollte Dover Mausen. Die „Henriette" ging wieder unter Segel, «ff dieser Reffe sollte fich in den kleinen Schiffs raum, der — außer der Mannschaft — nur vier Menschen barg, das Vorspiel zu einer düsteren Tragödie entwickeln. Der Squire von Avonshire trat mit seiner Liebe zu der schönen Schwester des Kapitäns offen hervor, er that es gegen den Willen der Geliebten, die ihm riet, ihre gegenseitige Liebe noch geheim zu halten, da sie den Charakter ihres Bruders kenne. Sie meinte nämlich, so > würde er nie einwilligen. Der Squire solle fich von seiner Heimat aus schriftlich an Kapitän Witt wenden und hierbei ihr das Weller« über- laffe«. Sie würde ihm, dem Squire, antworte«, und im Fall der Bruder nicht gleich in ihre Ver- bmdung willigen sollte, ihn stets wissen lassen, wo fie fich befände. Auf die Länge der Zeit, so sagte das Mädchen, könne der Bruder ihren Bitten doch nicht widerstehen, fie seien ja beide «och jung und könnten warten. Der Squire wollte von diesem Vorschlag nichts wißen, in seiner leidenschaftlichen Liebe wollte er die Geliebte sofort besitzen, und blind gegen Henriettens Ratschläge, sprach er um ihre Hand dem Kapitän an. Er that es in ehrenhafter Weise, ohne jeden Nebengedanken, die Liebe zu dem lieblichen Mädchen beherrschte ihn ganz, er überdachte nicht die Folgen, er sah nicht die Hindemisse, er vergaß alle Rücksichten, die er seinem Stand«, seiner Geburt, seiner Familie denn doch schließ lich schuldig war. Kchiüän Witt Hötte den jungen, vornehmen Herrn ruhig au, die Anwort, die dem Squire wurde, war eine ebenso kalte, wie vollständig abweisende. „Herr," antwortete der Kapitän — „hätte ich nur eine Ahnung davon gehabt, daß meine Schwester, die ich bisher das Herzblatt meines Lebens nannte, soweit vergessen konnte, auf Eure Verführungskünste, Eure glatten Reden zu horchen, Ihr wäret sicher nicht an Bord der „Henriette". Laßt mich ganz ausreden," fuhr er fort, dem Squire das Wort abschneidend, das dieser ergreifen wollte, — „entweder Herr, seid Ihr ein Schurke oder ein ehrlicher Mann. In beiden Fällen werde ich meine Schwester von heute an zu schützen wißen. Für einen leichtsinnigen Lord ist meine Schwester zu gut, mü meinem Blut würde ich ihre Schande abzu waschen suchen, u«d Herr, für einen edlen Lord, der es noch so ehrlich meint, ist Henriette Witt, meine Schwester, kein Weib, sie würde nur tief unglücklich werden. Und nun kein Wort weiter darüber verloren. Ich setze Euch bei Dover aus — und Ihr vergeßt Johann Witts Schwester, das ist mein letztes Wort, — ich spreche mit Euch keine Silbe Weller Wer diese Sache." Von diesem Augenblick an bestand eine Scheidewand zwischen der Kapitäns-Familie und dem Squire. Der Steuermann mußte dem Squire seine Kajütte einräumen, der Squire die Kajütte des Steuermanns beziehen. Der Kapitän war Herr auf seinem Schiffe, — und der junge Engländer fügte sich um so mehr in den Willen Witts, well diese ersten, sich auf türmenden Hindernisse nur seiner Liebe einen Sporn verliehen. Flüchtig, auf einige Augenblicke, Iras er mit der Geliebten am Abend zusammen. Das junge Pfädchen war bleich und ernst, in ihren schönen Augen blinkten jetzt noch Thränen. „Ich habe es ja gesagt," flüsterte sie dem Squire zu, — „alles würde verloren sein, ich kannte den eisemen Willen meines Bmders; wir müßen uns trennen." „Wehen wir," raunte der Squire ihr ins Ohr, — „fliehe mit mir und werde meiu Weib." Das junge Mädchen sah ihn starr in die Augen, dann eilte fie die Kajüttentreppc hin», fie Hötte ihren Bruder nahen. Tagelang sahen sich die beiden Mensche» nicht; der Kapitän mußte fie wie eine Gefangene bewachen, — der Squire war von der Geliebte« geschieden. Seine Mahlzeiten wurden ihn: i» seiner Kajütte serviert, der Zutritt zu dm Familienräumen des Kapitäns ihm kurz ver weigert. Etwa vierzehn Tage mochten vergangm sein, als der Squire spät am Abend noch auf dem Deck weilte; er unterhielt fich mit de« Matrosen, der die Wache hatte, und dieser er zählte ihm, daß der Kapüän, welcher den Tag über gar nicht zu Gesicht gekommen war, sich unwohl ühlte und sogar im Bett geblieben sei. Der Matrose war der einzig nicht deutsche Seemann am Bord, er war ein Engländer. — Als der Mann nach dem bei dem völlig schönm Wetter das Steuer führenden Schiffsjungen ge« gangen war, lehnte sich der Squire hinter d« Kambüse auf eine Bank und blickte auf das Meer hinaus. „ Er hatte kaum einige Minuten gesessen, al» wie ein Gespenst austauchend eine weibliche Ge stalt vor ihm stand — es war die Schwester des Kapitäns. Der Squire erschrak — erschrak nicht über das Erscheinen der Geliebten, nein, er erschrak über die Veränderung, welche mu rhr vorgegangen war, während der Zeit, daß beide getrennt von einander gewesen. Aus dem liev- lichen, sanften, lächelnden Mädchen war em ernstes Weib geworden; kein Lächeln umschweb e mehr den kleinen Mund, auS ihrem Auge strayue
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