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Allgemeiner Anzeiger : 27.06.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190006278
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- Saxonica
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- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
-
Monat
1900-06
- Tag 1900-06-27
-
Monat
1900-06
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 27.06.1900
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Heidelberg. Zu einem Studentenkrawall größeren Umfangs kam es in der Nacht zum Mittwoch. Ein Student war wegen Unfugs And Widerstandes festgenommen und in da? Amtsgefängnis gebracht worden. Seine Korps- hrüder versuchten ihn zu befreien, indem sie erst dem Amtsgefängnis zuliefen und dann zum Wachtlokal im Raihause stürmten und die Thür mit Fäusten und Stockhieben bearbeiteten. Etwa 40 Studenten waren an dieser Ausschreitung beteiligt, während mehrere Hundert Zuschauer diese durch Pfeifen und Johlen animierten. Erst nachdem mehrere Studenten verhaftet und einem Verhör unterzogen worden waren, gelang es der Polizei, die Menge zu zerstreuen und die Ruhe wieder herzustellen. Schivelbein. Der Förster Fritz in Forst haus Gromzow bei Labenz wurde mit durch schossener Brust tot aufgefunden. Die Kugel war unterhalb des rechten Schulterblattes ein gedrungen, hatte Lunge und Herz durchrissen und war dann unterhalb der linken Brustwarze aus dem Körper gedrungen. Flinte und Stock wurden neben der Leiche ungefähr zwei Schritte entfernt gefunden. Die Lage der Leiche, sowie des Gewehrs und des Stockes, läßt darauf schließen, daß der Förster an einem anderen Orte erschossen und dann an den Fundort ge tragen worden ist. Es liegt die Vermutung vor, daß der Forstbeamte dem Schuß eines Wild diebes m der Richtung gefolgt ist, und hierbei seinen Tod gefunden hat. Der Erschossene war äußerst beliebt, das Trauergefolge betrug weit über tausend Seelen. Aus drei Feldzügen, die er mitgemacht, war der Verstorbene unver sehrt heimgekehrt. Von den Thätern fehlt bis her jede Spur. Wien. Der Mener Stadtrat hat beschlossen, Protest gegen die Kranzspende des Wiener Männergesangvereins am Grabe Heines einzu- legen. In dieser Huldigung dürfe man im Aus lande keinesfalls den Ausdruck für die Ge sinnungen der Wiener Bevölkerung gegenüber Heine erblicken. Innsbruck. In die Kirche des Vorortes Pradl wurde Dienstag nacht eingebrochen und die Monstranz sowie der Speisekelch aus dem Tabernakel gestohlen. Die Monstranzhostie wurde auf der Wiese neben dem Friedhof zerrissen auf gefunden. Die Hostien des Speisekelches lagen aus dem Altar umher. Vom Dieb ist keine Spur. Salzburg. Die seit dem 5. Juni vermißten Münchener Studenten der Medizin Klette und Scheer, letzterer ein gebürtiger Dresdener, welche am Pfingstmontag ihre Namen in das Fremden buch des Schutzhauses auf dem Watzmann (Mittelspitze) eintrugen, find dieser Tage als Leichen im Wimbachthal, oberhalb des Jagd schlosses Wimbach, gefunden worden. Die starken Verletzungen lassen erkennen, daß sie bei dem Abstieg vom Watzmann aus einer beträchtlichen Höhe abgestürzt find. Budapest. Ein allgemein verhaßter und gefürchteter Wucherer namens Joseph Stolz, der schon zahlreiche kleine Leute au den Bettelstab gebracht hat, wmde am jüngsten Sonntag von den erbitterten Dorfbewohnern in Letenye ge lyncht. Stolz ließ vorige Woche das Häuschen eurer Witwe um einen Spottpreis verkaufen und Uahm am Sonntag nachmittag die Delogierung der WUwe, die sechs kleine Kinder besitzt, vor. Jammernd lief die Frau in das Wirtshaus, wo ein großer Teil der Dorfbevölkerung versammelt war, und ihre Erzählung brachte die Leute in furchtbare Aufregung. Unter dem Rufe: „Man wuß ihn totschlagen l" zog die Menge vor das Haus der Witwe, wo Stolz die Delogierung leitete, und erschlug den Wucherer. Die Kunde verbreitete sich rasch in der Ortschaft und scharen weise kamen die Bauern, um sich zu überzeugen, vb Stolz wirklich tot sei. Loudon. Der Fürstin Radziwill, die gegen wärtig in London wellt, find Juwelen im Wert von 200000 Mk. auf ganz geheimnisvolle Art abhanden gekommen. Der Verlust ist erst jetzt Mbar geworden. Die geschicktesten Leute der Londoner Kriminalpolizei haben während der Aflosfenen Tage Nachforschungen nach den Mmucksachen angestellt, aber diese find bis Atzt erfolglos geblieben. Unter den Juwelen befindet sich eine wunderbare Perlenschnur im Werte von 100 000 Mk. und eine Anzahl Diamant- und Perlen-Armbänder, Ketten rc. Zum Glück waren die Diamanten der Fürstin, als der Raub stattfand, in sicherem Gewahrsams bei Coutts. Die Juwelen waren in ihren Kästen in dem Kleiderschrank in ihrem Zimmer; die Thür und der Kleiderschrank waren verschlossen, aber der Schlüssel steckte in der Zimmerthür. Als das Frühstück eben serviert worden war, stürzte das Mädchen der Fürstin in das Eß zimmer und berichtete, daß alles fort wäre. Erst vor wenigen Tagen hatte sich die Fürstin mit all ihrem Schmuck photographieren lassen. Brüssel. Der Jahrestag der Schlacht bei Waterloo wurde von Engländern und Englän derinnen auf dem Schlachtfelde von Waterloo in üblicher Weise gefeiert. Außerdem legte aber diesmal auch die französische Gesellschaft der napoleonischen Studien den Grundstein zu einem Denkmal, das den heldenmütigen Widerstand der alten Garde verherrlichen soll. Hervorragende Persönlichkeiten der bonapartistischen und litte- rarischen Gesellschaft und der Militärattache der französischen Gesandtschaft wohnten der Feier bei. Belgrad. Der serbische Eisenbahnbeamte Chrisphör Simisch tötete sich auf der Station Rotes Kreuz bei Nisch durch einen Revolver schuß in dem Moment, als der Zug, der seine Braut und Hochzeitsgäste zur Trauung brachte, einfuhr. Kairo. Eine Massenentweichung französischer Fremden-Legionäre von einem nach Madagaskar bestimmten Transportdampfer hat unlängst im Suezkanal stattgefunden. Ein früherer Legionär erzählt darüber, daß mit ihm Anfang April eines Abends bald nach der Einfahrt des Dampfers in den Suezkanal eine große Anzahl Soldaten, darunter allein etwa 40 Deutsche, im Schutze der Dunkelheit über Bord gesprungen find und schwimmend das ägyptische Ufer erreicht haben. -Von Polizisten aufgegrifsen, ist er mit seinen deutschen Kameraden dem deutschen Konsul in Port Said zugeführt worden, der die Leute nach Aufnahme einer Verhandlung alsbald in Freiheit setzte. Die Zustände bei der Fremden legion und die schlechte Behandlung der Legionäre, die eine unzulängliche Löhnung, schlechte Kost in einem ungesunden Klima und fortwährend harte Strafen für die geringsten Versehen er halten, schildert der Gewährsmann in düsteren Farben, und es ist anzunehmen, daß diese Schilderung der Wahrheit entspricht, da sonst wohl nicht so viele Legionäre bei der Entweichung ihr Leben aufs Spiel gesetzt hätten. Wenn unter den Entwichenen allein sich etwa 40 Deutsche befunden haben, so beweist das wieder, daß noch immer Deutsche aus Abenteuerlust oder in der Not oder aus Leichtsinn den trügerischen Verlockungen französischer Werber nachgehend in die Fremdenlegion eintreten, wo sie nur allzu bald die herbsten Enttäuschungen erfahren. Gerichts!) alle. Alzey. Interessante Einblicke in die Geheimnisse der Weinpantscherei gewährte ein Prozeß, der dieser Tage da« Schöffengericht in Sprendlingen beschäftigte, und in welchen sechs Angeklagte verwickelt waren. Der erste hatte aus 7 Stück Naturwem und 15 Zentner Rosinen nicht weniger als 32 Stück analysenfesten Wein gemacht und zu 176 Mk. das Stück verkauft. Ein zweiter Angeklagter hatte aus 5 Stück Naturwein und Trestern etwa 60 Stück fabriziert und nach Landau und Kreuznach zu 160 bis 170 Mk. das Stück verkauft. Ein dritter, dessen Proben bei der Voruntersuchung sämtlich beanstandet worden waren, verweigerte jede Auskunft. Er hat die Weine mit 300 bis 350 Mk. verkauft. Eine Witwe Simon hat aus 7 Stück und 50 Zentner Rosinen 60 Stück fabriziert. Die Hauptleistung er reichte ein Backsteinfabrikant, der aus 3 Stück Natur wein, Rosinen, Trestern und Drusen 114 Stück ge macht hat. Die erkannten Strafen lauten auf 400 bis 600 Mk. Geldbuße. — Es ist nur bedauerlich, daß die Angeklagten nicht auch noch verurteilt worden sind, den Wein selbst zu trinken, den sie so schön bereitet haben. Pose«. Die hiesige Strafkammer verurteilte den Redakteur Siemiatkowski der Wochenschrift ,Praca' zu zwei Monat Gefängnitz wegen Verächt lichmachung der Ansiedelungskommission und des An- siedelungsgesetzes. Siemiatkowski hatte behauptet, die Kommission verdränge die Polen von ihrer heimi schen Scholle. Die Gesanktschafisstraße irr Peking. - Wie die übrigen Straßen von Peking, besitzt autz die Gesandtschaftsstraße ein seit Jahr hunderten nicht mehr ausgebefsertes Pflaster, in dem sich stellenweise tiefe Löcher gebildet haben, und das bei trockenem Wetter mit einer dicken Schicht kohlschwarzen Staubes, bei Regen wetter mit einer ebenso dicken Schicht zähen schwarzen Kotes bedeckt ist. Viele Tierreichen vervollständigen die Physiognomie der Straßen oberfläche. Die Gesandten haben es bei der chinesischen Regierung bisher nicht durchsetzen können, daß ihnen die Asphaltierung der Ge- sandtschaftSstraße erlaubt wird. Ebenso haben sie stets vergebens darum gebeten, daß die Straße dem Verkehr gesperrt und den Europäern als besondere Niederlassung gleich den Settlements in anderen chinesischen Städtchen eingeräumt wird. So treiben sich auch in der Gesandt- schaftsstraße die chinesischen Bettler herum, meistens alle Weiber, die den Vorübergehenden mit ausgestreckten Händen jammernd verfolgen und nicht abzuschktteln find. Ebenso ist die Gesandtschaftsstraße ein beliebter Spazierweg für die chinefischen Hunde und anderes räudige Viehzeug. In der Nähe der deutschen Gesandt schaft ist im Straßenboden ein tiefes Brunnen loch gegraben, ms welchem die benachbarten chinesischen Haushaüe ihren Wasserbedarf be ziehen. — Wenn man die Gesandtschaftsstraße in der Richtung nach der Brücke zu durchschreitet, so kommt man oben zunächst an dem großen chinesischen Grundstück vorbei, in welchem die Filiale der Hongkong- und Shanghai-Bank ihren Sitz aufgeschlagen hat. Die erste Gesandtschaft mf der rechten Seite ist die französische. Schräg gegenüber der französischen Gesandtschaft liegt die deutsche, dieser schräg gegenüber das fran- zöfische Hotel. Gegenüber dem Hotel ist der einzige europäische Laden zu finden, in welchem man alles kaufen kann: Bier, Petroleum-Lampen und Stiefelwichse. Gegenüber der deutschen Gesandtschaft beginnt eine Querstraße, in welcher die chinesische Post und der Wohnort des Direktors der chinesischen Seezollverwaltung, des Sir Robert Hart, gelegen find, der dort wie ein Fürst in seiner von Mauern umschlossenen Residenz haust und sich eine eigene Musikkapelle hält. Auf der Gesandtschastsstraße folgen weiter zur Rechten und zur Linken die stattliche japanische Gesandtschaft, die italienische, spanische und österreich-ungarische, teils diesseits, teils jenseits der Brücke, welche über eine tiefe Boden senkung führt, in der ein im Sommer meist ein getrockneter Wasserlauf sein kümmerliches Dasein fristet. Wenn man die Brücke überschritten hat, so kommt man zum deutschen Hotel, welches kleiner ist als das französische, sonst aber ganz in demselben Stile geführt wdL. In diesem Teil der Straße liegen abseits von den übrigen Legattonen, in großen Parks verborgen, die englische und die russische Gesandtschaft. Die englische Gesandtschaft ist in einem früher einem chinesischen Prinzen gehörigen Palast unter gebracht, der als ein Prachtstück chinesischer Architektur gilt, soweü mit dieser Architektur überhaupt irgend welche Pracht verbunden sein kann. Dieser Palast hat nur den einen Fehler, daß er im Winter sich nicht erheizen läßt, so daß der englische Gesandte und seine Gemahlin nach der deutschen Gesandtschaft kommen müssen, wenn sie sich wärmen wollen. Girr MUKerrr-VroM. Am 11. Februar d. kam es im Morathal bei Waidring im nordöstlichen Teile Tirols zu einem heftigen Kampfe zwischen zwei Wilderern und einer Gendarmerie-Patrouille, wobei der Gendarmerie-Postenführer von Waidring, Joseph Haas, und ein Wilderer, der Bauernsohn Wolf gang Fuchs ans Kössen, getötet, der andere Wilderer aber, namens Joseph Anker, ein Tage löhner aus Köffen, überwältigt und gefangen genommen wmde. Dieser, ein mittelgroßer, 43 Jahre aller Mann von gewaltthättgem Aeußern, stand jetzt vor dem Innsbrucker Land gericht unter der Anklage des Diebstahls, der öffentlichen Gewaltthätigkeit und der schweren körperlichen Schädigung. Am 11. Februar nach mittags stieß der Jäger des Barons Kometer aus München, A. Unterrainer, bei einem Revier gang im Morathal auf die beiden ihm wohl bekannten Wilderer, welche eben ihre Beute (einen Hirsch und zwei Gemsen) auf einem Schlitten zu Thal bringen wollten. Auf seine Aufforderung, sie sollen die Waffen niederlegen oder er schieße, erwiderte Anker: „Schein! Du kannst mit einem Schüsse beide nicht treffen und die zweite Kugel gehört dir!" Der Jäger zog sich nun, nachdem er das Zeichen gegeben, daß er von der Waffe keinen Gebrauch mache, zurück und ging thalauswärts. Unterwegs traf er auf eine aus zwei Gendarmerie-Postensührern und einem Gendarmen bestehende Patrouille, bei der sich der Jäger Prosser befand, der die Gen darmerie von dem Jagdzug der Wilderer ver ständigt hatte, welche nun abgefangen werden sollten. Unterrainer hatte der Patrouille sein Erlebnis kaum erzählt, so waren auch die Wilderer schon da. Von der Patrouille ange rufen, stille zu hallen und die Waffen niederzu legen, zogen sich die beiden schußbereit sofort hinter die nächsten Bäume zurück, von wo Fuchs den ersten Schuß auf die Verfolger abgab. Und nun begann das Feuern. Es wurden siebzehn Schüsse abgegeben und es ist nur zu verwun dern, daß bei der großen Nähe der gegnerischen Gruppen (7—8 Schritte) nicht noch mehr Unheil angerichtet wurde. Wie schon erwähnt, wurde der Postenführer Haas von einer Kugel auS einem Werndlgewehr (also aus dem des Fuchs, der ein solches hatte, während Anker ein Werder gewehr trug) tödlich in die Brust getroffen und auch Fuchs erhielt einen todbringenden Schuß. Anker, dem ein Streifschuß die Stirn leicht ver letzte, stürzte, als er sich zurückziehen wollte, in ein Schneeloch und wurde, ehe er sich erheben konnte, von den Gendarmen, nachdem sie ihm das Bajonett auf die Brust gesetzt, überwältigt. Der Postenführer Haas wurde in ein Jagdhaus gebracht, wo er am nächsten Tage starb. Daß Fuchs zum Tode getroffen niedergesunken war, hatte niemand bemerkt. Erst mehrere Burschen, die sich bald darauf zum Schauplatz des Ge fechtes begaben, fanden den dort mit dem Tode ringenden Wilderer, der, als er ihrer ansichtig wurde, noch mit der letzten Kraft, da er sie für seine Verfolger hielt, nach dem Gewehr griff. Auf dem Transport starb auch er. Für Anker war es ein Glück, daß sich herausstellte, daß die Kugel, welche Haas den Tod brachte, aus dem Gewehr des Fuchs und nicht aus dem seinen stammte. Dieses hatte er übrigens gestohlen und der Einbruchsdiebstahl bildete ein weiteres Anklagefaktum. Ende Januar oder Anfangs Februar war nämlich in die Eggenalmhütte des A. Pletzer aus Waidring, die eher einem Unter kunftshause gleicht, eingebrochen worden. Ohne Zweifel war es Anker mit sdinem Genossen Fuchs, die fich's hier gut sein ließen und von da aus ihre Jagdzüge veranstalteten. Anker stahl dort ein Gewehr mit 70 Patronen und einen Bergstock, die ihm bei der Gefangennahme abgenommen wurden; außerdem wurden zehn Liter Enzianbranntwein, 58 Liter Wein, 6 Liter Schnaps, 2 Flaschen Kognak, 55 Konserven büchsen, 3 Töpfe Preißelbeeren, Spiritus, Thee, Zucker, 300 Zigarren u. a. — zusammen 350 Kronen im Werte gestohlen. Anker leugnete zwar den Diebstahl, wurde oder desselben über wiesen und schließlich dem ganzen Umfang der Anklage entsprechend zu 4 Jahr 6 Monat schweren verschärften Kerkers verurteilt. Kmttes Allerlei. Ein Denkmal für Sallust. Das ita lienische Unterrichtsministerium hat Mittel ge währt, um dem großen römischen Historiker Sallust zu Aquila (nächst Amiternum im Sabinerland, wo er geboren war) ein Denkmal zu errichten. Als Historiker verdient er zweifel los diese Huldigung; seine Moral dagegen war, wie man weiß, nicht wett her. (Sallust war umS Jahr 52 n. Ehr. römischer Volkstribun.) Eine Schlaue. A.: „Nun, hatte sich denn Fräulein Meta zu dem verabredeten Rendezvous eingefunden?" — Herr: ^ia, gleich mit ihrer Mutter!" Einige Stunden später standen zwei Personen L "vonshtre einander gegenüber, es waren der Mme und seine Tochter Miß Edith. Wer die beiden betrachtete, dem mußte die moße Aehnlichkeit der bleichen, ernsten Gesichter "Wallen. Der Squire hatte feine Tochter aufgesucht, Awm eingetteten, nachdem dieselbe kaum ihre Morgentoilette beendet hatte. Das Kommen des Vaters in ihr Zimmer, das so ganz gegen seine Gewohnheit verstieß, mußte Edith schon auffallen. — Erstaunt zwar, aber dennoch ruhig erwiderte sie seinen Morgen gruß und erwartete Aufschluß über den Besuch des Vaters. „Meine liebe Edith" — begann er, und die aufmerksame Tochter bemerke das leise Zittern, mit dem er, trotz seiner Ruhe, doch sprach; „mein liebes Kind, ich komme als Bringer einer Nachricht, welche dich ebenso überraschen, wie gewiß tief betrüben wird. Du weißt, es ist von jeher meine Art gewesen, Gutes oder Böses, wie es eben kam, offen mitzuteilen. Was man erfahren muß, — nun es ist besser, man weiß es ungeschminkt und ohne weiteren Rückhalt. Was ich dir mitzuteilen habe, betrifft Lord James Clifford." „James," hauchte Edith, sie sprach leise, ohne jede Betonung, ohne jede sichtbare Er- regung. Der Squire bettachtete prüfend die Gefichts- züge Ediths. Dann antwortete er: „Ja, der Lord hat einen Brief an mich ge richtet, dieser Brief zerstört eine Hoffnung, die ich hegte, und deren Verwirklichung ich mich bereits für überzeugt hielt." Der alte Herr schwieg. „Siehst du, Papa", nahm Edith das Wort, „so find wir Menschen, du wagst deiner Tochter die Nachricht doch nicht so rundweg mitzuteilen. Ich werde dich der dir schwer fallenden Mit teilungen entheben — Lord James Clifford zeigt dir wohl seine Verlobung mit irgend einer jungen Dame an." Der Squire von Avonshire schritt langsam Ws dem Zimmer. 4. Nach einer langen Regennacht dämmerte wdlich der Morgen herauf. Die ersten Licht- ^ahlen, welche das Dunkel verscheuchten, finden w Schlöffe Avonshire zwei Personen wach; — As waren der Squire und die Tochter John «Uderts. Wohl mochten beide den erquickenden Schlaf Wucht haben, aber er war ihnen geflohen. . Der Herr von Ävonshire schien in dieser Aigen Nacht um Jahre älter geworden zu A, — sein Gesicht trug, als er noch in den Mlafrock gehüllt, gedankenvoll in seinem Zimmer wf und ab ging, den Stempel des tiefsten Mstes, — aber der Blick seiner sonst so kalten, Men Augen hatte etwas unbeschreiblich Mstes angenommen, es dämmerte aus dem- Ktben etwas wie Hoffen, Friede, Freude empor, Traber man hätte mit diesem Manne fühlen Amen, daß sein Inneres noch einem Chaos «uch, m welchem es erst „Licht" werden mußte. Der Squire mußte seine Tochter groß an sehen — wie war ihm denn, und doch, plötzlich begriff er den Jdeengang seines Kindes, es war seine ihm an Charakter so ähnliche, stolze Tochter. „Daß James nicht echt und recht zu lieben vermöge," sagte jetzt Edith mit eisiger Kälte, „das habe ich gewußt, seit er —" und ihr Wort wurde hier schneidend hart, ihre Stimme vibrierte im tiefsten Gefühl — „seit er mit dem Fischer mädchen liebäugelte, das durch deine Güte Auf nahme in Avonshire fand." An Edith war es jetzt zu schweigen, von ihrem Vater eine Antwort zu erwarten. „Armes Kind", seufzte er, „jetzt erst sehe ich, daß du selber James liebst. Aber du irrst dich in seinem Charakter, wenn du von liebäugeln sprichst, er hält bei mir um die Hand von Henny Gilbert an, er will das Mädchen zu seiner Frau machen." — Da mußte Edith doch laut auflachen, und in diesem Lachen lag der sich anfbäumende Stolz ihrer gekränkten, ihrer vernichteten Liebe. — „Will denn der elegante Lord mit seiner Dorfschönen auf den Fischfang ausziehen?" — — rief sie, — „Ich hätte Lord Clifford nie für so plebejisch gehalten!" Dann aber brach bei der schönen, stolzen Tochter des Herrn von Avonshire der ganze Zorn des verletzten Ge fühls, der geheimen Eifersucht hervor und heftig fuhr sie fort: „Aber lieber Papa, weshalb kommst du denn eigentlich, mich von diesen Dummheiten des jedenfalls etwas zum Spleen neigenden Lords zu unterhalten? — Ich habe doch mit solchen Narrheiten rein garnichtS zu thun. Mag er sie heiraten, lieber heut als morgen, liegt dem Mädchen speziell an deinem Segen, Papa, gib ihn ihr und gib ihr eine gute Aussteuer dazu, damit sie nicht als eine Art nackte Meerfrau dem glücklichen Bräutigam ins Haus kommt. Aber ich bitte dich, Papa, inkom modiere mich mit dieser Angelegenheit nicht weiter." — Der Squire hatte sich auf einen Sessel niedergesetzt, er hieü das gedankenschwere Haupt gesenkt, während seine grauen Augen voll Teil nahme auf seiner Tochter ruhten. „Ich mußte dir dies doch mitteilen," sagte er tonlos — „mußte dir dies zuerst mütetten. Was ich dir ferner zu sagen habe, mein liebes Kind, betrifft nicht James; — das betrifft Avonshire." Edith erwiderte kein Wort mehr, sie trat an das Fenster. — Da stand die schlanke Ge stalt, — unbeweglich — den schönen Kopf, von welchem die goldblonden Ringellocken herab fielen, etwas nach vorn gebeugt; so stand sie da, hinausblickend in die trübe, fruchte Herbst- landschaft. „Ich werde dir eine Geschichte erzählen, eine kurze Geschichte von einem Erben von Ävou- shire," begann der Squire nach einer Pause wieder, „willst du mir für kurze Zett deine Aus- merksamkeit schenken?" „Erzähle nur, ich höre," entgegnete die Tochter des Squire. B ir (Fortsetzung folgt.)
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