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Allgemeiner Anzeiger : 16.06.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190006169
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19000616
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-06
- Tag 1900-06-16
-
Monat
1900-06
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.06.1900
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Politische Rundschau. Bom Kriegsschauplatz. *Vom südafrikanischen Kriege liegen keine nennenswerten Meldungen vor, außer daß ein Teil von Lord Methuens Truppen am 7. d. von den Boeren geschlagen und ein ganzes Bataillon teils getötet, teils gefangen ge nommen wurde. Der Guerillakrieg nimmt seinen Fortgang. An verschißenen Orten werden die englischen Truppen wn Boerenabteilungen belästig mrd geschädigt. Don einem weiteren Borstoß Lord Roberts' veüautet noch nichts. Krüger soll noch 12 000 Mann um sich haben, die alle schweren Geschütze in Sicher heit gebracht haben. Botha hält sich immer noch gegen Bnller, strebt aber seine Ver einigung mü Krüger und Steijv an. * Der Premierminister der Kap - kolonie, Schreiner, will sein Amt nieder legen. Schreiner wünschte nämlich im Kchr- parlament Borlagen einzubringen, wonach eine Kommission zm Aburteilung der Aufständischen aus der Kapkolonie eingesetzt und den für schuldig Befundenen das Wahlrecht entzogen werden soll. Die anderen Mitglieder des Kabinetts find gegen den Schreinerschen Plan und werden bei ihrer Haltung von den dem boerevfreundlichen Afri kanderbond angehörigen Parlamentsmitgliedern gestM , * Der TrauSvaalgesandte Dr. Leyds äußerte sich in Brüssel einem Zeitungsberichterstatter gegenüber betreffs der gegenwärtigen Kriegslage: „Für den Boer ist Pretoria nicht das, was für den Franzosen Paris ist. Die Stadt ist ihm gleichgültig; sie gehört dem Kaufmann. Ihm gehört das weite Feld. Der Krieg ist noch lange nicht beendet, allein der Charakter desselben ist verändert. Um das Heer Roberts herum schwärmen nunmehr kleine be wegliche Boerenhaufen, die überall und nirgends zu finden find. Was diese zu leisten im stände find, davon melden ja die jüngsten Kabel- berichte." * V * Deutschland. * Das Kaiserpaar wohnte am 12. d. der 700jährigen Jubelfeier desMansfelder Bergbaues in Eisleben bei und fuhr am Abend nach Homburg v. d. H. weiter. * Am 15. d., dem Todestage Kaiser Friedrichs III., findet auf Schloß Fried- richshof bei Cronberg eine Trauer- und Gedächtnisfeier statt, an welcher außer dem Kaiserpaare und der Kaiserin Friedrich auch die übrigen Familienmitglieder des Hohenzollern- hauses teilnehmen werden. *Zur Königsberger KrönungS- feier, die am 18. Januar 1901 stattfinden soll, ist der,Köln. Bolksztg.' zufolge in Aussicht genommen, daß der ganze Landtag, Ab geordneten- und Herrenhaus Zu der Feier nach Königsberg entboten werden soll. * Außer dem Chef des deutschen Kreuzergeschwaders ist auch der kaiser liche Gouverneur in Tsingtau (Kiau- tschou) telegraphisch angewiesen worden, zur Bekämpfung der Aufruhrbewegung in Nordchina in geeigneter Weise mitzu wirken. * In parlamentarischen Kreisen wird ange nommen, daß mit dem Schluß der Woche die parlamentarische Saison überhaupt ihr Ende erreicht. Im preußischen Landtag hofft man, daß das Gesetz zur Abwehr der Hoch wassergefahr in Schlesien vom Herrenhause in der vom Abgeordnetenhaus angenommenen Fassung tz' rigt wird. Die übrigen Vorlagen dürsten keii. rzögerungen veranlassen. 'Auf deutschen Eisenbahnen — ausschließlich der bayrischen — find im April 10 Entgleisungen auf freier Bahn und 15 Entgleisungen in Stationen (je 4 bei Per sonenzügen), 1 Zusammenstoß auf freier Bahn, (bei einem Personenzuge) und 15 Zusammen stöße in Stationen, (davon 3 bei Personenzügen) vorgekommen. Dabei wurden 1 Bahnbediensteter getötet und 4 Reisende und 7 Bahnbedienstrte verletzt. Oefterreich-Uagar«. 'Die Lage in Oesterreich ist nach Schließung der Reichsrats-Sesfion, der aller Voraussicht nach demnächst auch die Auf lösung folgen dürste, jetzt verworrener denn je. Alle Parteiverbände hallen Beratungen ab, bei denen aber nichts herauskommt. Sie zeic-ln Mr die Zerklüftung des gesamten StaatsleSens. Das Ministerium v. Körber steht streng auf dem Boden der Verfassung und würde seinen Platz verlassen, wenn ihm ein Diktatur- verfahren zugemutet werden sollt«. Frankreich. 'Der Chef des Generalstabs, Ge neral Delanne, hat seinen Abschied ein gereicht, well der Kriegsminister General Andrä Veränderungen im Personal des Generalstabes vorgenommen habe, die angeblich nicht von dienst lichen Gründen diktiert waren. Delanne hat in sofern recht, als der Kriegsminister die poli tisierenden Offizirre aus dvnGeneral stab entfernt hat. Italien. 'Bei den Stichwahlen in Italien siegten 20 Ministerielle, 8 von der verfassungs- mäßigen Opposition, 2 Wilde, 8 Obstruktioniften, worunter 4 Sozialisten, 3 Demokraten und 1 Republikaner. Die sozialistische Fraktion steigt somit auf 32 Mann, genau auf das Doppelle ihrer früheren Stärke. Belgien, * Einer der Hauptzeugen der Congo- Greuel, der nach Brüssel berufene Agent Moray, ist kurz vor seiner Abreise in Boma gestorben. (Der Major Lothaire wird darüber nicht gerade untröstlich sein, dieser Moray „starb ihm sehr gelegen.") Balkanstaate«. * Jetzt erst erfährt man den Grund der Ein ladung des Sultans an den Fürsten Ferdinand zu einem Besuch. Der Fürst will den russischen Manövern beiwohnen und soll vor seiner Auslandsxise seinem Souverän eine Anstandsvifite machen, ebenso wie es der ägyptische Bizekönig vor seiner Europareffe ge- than hat. Man hält in Konstantinopel Ms Formen. Aste«. 'Der Boxeraufstand in China ge winnt immer mehr an Ausdehnung; zwar hat der allgemeine Christenmord, der zum Freitag angekündigt war, nicht statt- gefunden, aber die Meldungen über Grau samkeiten, die von den Boxern an christliche Chinesen vorgenommen wuüien, ist außer ordentlich groß. Das ganze Gebiet von der Küste bis Peking, vor allem aber die letzt genannte Stadt selbst ist in gefahrdrohender Erregung. Die Kaiserin-Regentin hat in unzweideutiger Messe für die Boxer Partei genommen und diejenigen Truppen ge tadelt, die auf Boxer geschossen haben. — Wären die Großmächte einmütig, so würde die Bewegung in wenigen Tagen unterdrückt sein; aber keine traut der andern über den Weg; jede fürchtet, die andere könne bei dem Handel Sondervorteile für sich herausschlagen. Die Nachricht, daß Rußland 4000 Mann Truppen gelandet habe, — — verursachte nicht etwa bei den Boxern, sondern in London panischen Schrecken. 'Eine sensationelle Wendung aus dem Boxeraufstande wird in London kolportiert. Die englischen Abendblätter vom Montag bringen ein Telegramm Ms Tientsin, wonach die Kaiserin in der russischen Gesandtschaft zu Peking Schutzgesucht habe. Das wäre eine „ehrenvolle Gefangen schaft" der intriganten Dame Md Rußland hätte nun den höchsten Trumpf des Spieles in der Hand. Man kann sich die Gefühle der in Südafrika festgefahresen englischen Regierung vorstellen. Natürlich wird man die Bestätigung dieser Meldung abzuwarteu haben. A«s dem Reichstage. Der Reichstag beschäftigte sich am Montag mü der Interpellation Albrecht u. Gen. (soz.) betr. die in Anhall und Reuß j. L. gegen den Kontraktbruch der LmrdarbeÜer erlassenen Gesetze, sowie betr. die in Lübeck gegen das Streikpostenstehen erlassene Verordnung. Staatssekretär Riederding beantwortete Re Interpellation dahin, daß formal-juristisch nichts gegen das von den Interpellanten gerügte Verfahren einzuwcndm sei. Darauf wurde das Reichsseuchen gesetz in Angriff genommen und in zweiter Lesung im wesentlichen nach den Kommisfionsbeschlüssen an genommen. Am 12. d. gelangt das Gesetz über Aenderungen des Gesetzes bett, die Rechtsverhältnisse in den deutschen Schutzgebieten zur ersten Be ratung. Nach kurzer Debatte wird sofort in die zweite Beratung ««getreten. Abg. Gröber (Zentr.) beantragt die Ein fügung der neuen Bestimmung, daß den in Deutsch land anerkannten Religionsgemeinschaften auch in den Schutzgebieten Gewissensfreiheit und religiöse Duldung gewährleistet wird. Der Anttag Groeber wird mit großer Mehrheit angenommen. — Ebenso das Gesetz im übrigen ohne weitere Diskussion und Aenderungen. — Zunächst wird das Handelsprovisorium mU England in dritter Lesung unverändert nach den Beschlüssen der zweiten Beratung ange nommen. ES folgt die dritte Beratung des Seuchcn- gesetzeS. Nach kurzer Debatte wird das Gesetz unverändert nach den Beschlüssen der zweiten Lesung und sodann im ganzen mü großer Mehrheit ange nommen. Es folgt die dritte Beratung der von dem Abg. Müller - Fulda (Zentr.) beantragten Novelle zum Stempelgesetz, welche mü den Er höhungen im Zolltarif die Mittel zur Deckung der Flottenvorlage ergeben soll. Abg. Hilbck (nat.-lib.) beantragt, von dem neuen Stempel für Kuxe rc. auch diejenigen Ein zahlungen auszunehmen, die zur Erhaltung des Be triebes im bisherigen Umfange bestürmst find und verwendet werden; der Stcmpelbetrag für Kuxe soll weiter vou 2 Prozent auf 1 Prozent herabgesetzt werden. Der Anttag Hilbck wird mit großer Mehrheit angenommen. — Ebenso debattclos die übrigen Teile der Novelle und sodann diese im ganzen in namentlicher Abstimmung mit 208 gegen 87 Stimmen. Darauf wird das Gesetz über die Aenderungen in den Rechtsverhältnissen in den Schutz gebieten in dritter Lesung so bloo ange nommen. Die vom Abg. Bassermann (nat -lib.) be antragte Novelle zum Zolltarif wird gleich falls debattelos in dritter Beratung ange nommen. Sodann tritt das Haus in die dritte Beratung der Flottenoorlage ein. — In der General diskussion erklärt Abg. Frhr. v. Stumm (freikons.), daß er Ge wicht darauf leg«, hier festzustellen, daß keine Marine billigere Platten beziehe als die deutsche, und ferner, daß die Fabrikation von Panzerplatten eine so kost spielige sei, daß von großen Gewinnen gar nicht die Rede sein könne. Abg. Müller-Fulda (Zentr.) verteidigt daS Zentrum gegen den Vorwurf, daß cs für diese Vorlage Hunderte von Millionen neuer Steuern be willigt habe. Abg. Sattler (nat.-lib.): Seine Freunde seien erfreut, daß eine geschlossene Majorität für die Flottenvorlage außer Frage stehe. Diese Vorlage liege keineswegs im Interesse einzelner Bevölkcrungs- klassen, sondern des ganzen deutschen Volkes. Abg. Oertel-Sachsen (kons.) erklärt, wenn seine näheren Freunde für die Vorlage stimmten, so thäten sie es nicht aus Gründen, die außerhalb der Sache liegen, sondern aus inneren, aus nationalen Gründen. Neben der Weltpolitik müsse aber eine kräftige Heimatspolitik getrieben werden. Nur dann könne die Weltpolitik Erfolge haben, wenn man sich bewußt sei, daß die Wurzeln der deutschen Kraft in der Heimat liegen. Abg. Liebknecht (soz.) weist darauf hin, wie diese große Staatsaktion vom Reichstage ohne jede Begeisterung, so nüchtern erledigt werde, wie er es doch niemals sonst gesehen habe. Das zeige, daß die Flottenbegeisterung nur von oben her ins Volk getragen worden sei. — In seinen weiter« Aus- firhrungen wird Redner vom Präsidenten Grafen Ballestrem darauf aufmerksam gemacht, daß er nicht das Recht habe, sich mit der Person des Kaisers zu beschäftigen und zieht sich weiter dreimal eiuen Ordnungsruf zu. Abg. Bebel (soz.): Was über die Panzer plattengewinne in den Zeitungen gestände» habe, stamme nicht aus dem .Vorwärts', sondern aus der ,Germania' oder der ,Kölnischen Volkszeitung'. Eins dieser beiden Blätter habe den Verdienst der er wähnten Fabriken auf mindestens 50 Prozent be rechnet, und die militärischen Autoritäten in der Kommission hätten das nicht in Abrede gestellt. Deshalb habe er seine Angaben hier iu voller Oeffentlichkeit gemacht. Abg.Freiherr v. Stumm erwidert, erhöbe erst nach seiner Rückkehr aus Italien die Möglichkeit ! gehabt, den falschen Zeitungsangaben entgcgen- ! zutteten. Reichskanzler Fürst Hohenlohe: Seit den fünfziger Jahren ist das Drängen nach einer deutschen Flotte immer mächtiger geworden, am mäch tigsten in dm Zeiten, wo man sich nach einer deutschen Einheit sehnte. Die Geschichte hat unS gelehrt, daß wir heute eine'starke Flotte nötig haben. Ich kann Ihnen mm empfehlen, nehmen Sie die Vorlage an. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Antif.): Seine Freundt bewilligen die Vorlage ein stimmig, er wünsche nun aber, daß nicht fortdauernd da« deutsche Blut dadurch in Wallung gebracht werde, daß man von Glückwunsch-Telegrammen über englische Siege zu hören bekomme; er schließe mit dem Wunsche, daß sich nicht fortdauernd englischer Nebel zwifchen Thron und Volk lagern möge. Staatssekretär Graf von Bülow: Die Politik deS deutschen Kaisers wird lediglich durch nationale Gründe bestimmt, nicht durch Antipathie oder Spm- pathie. Alle abenteuerlichen und agressiven Pläne liegen uns fern, aber wir wollen weder beiseite geschoben werden, noch unter die Räder kommen; deshalb bin ich überzeugt, der Reichstag wird durch sein Votum zeigen, daß, wo es sich um große natio nale Interessen handelt, immer eine Mehrheit dafür zu haben ist. Damit schließt die GmeraldiSkusfion. — In der Spezialkommission wird § 1 in namentlicher Abstimmung mtt 199 gegen 107 Stimmen ange nommen. Die Gesauttabstimmung für die Flottenvorlage ist auf Arttrag des Abg. Bassermann (nat.-kib.) eine namentliche und ergibt dir Annahme des Gesetzes mit 20l gegen 103 Stimmen. — Die Verkündigung des Resultats wird von der Rechten mit lebhafte« Bravorufen ausgenommen. ES folgen Berichte der WaLlprüfungs - Kom- Mission. Präsident Graf Ballestrem gibt daraus, da- er in der Annahme nicht fehl zu gehen glaubt, daß die Session, eine der schwersten und längsten, dem Ende entgegen gehe, die übliche Uebersicht über die Geschäfte. Reichskanzler Fürst Hohenlohe: Ich habe dem hohen Hause eine kaiserliche Botschaft mitzu- . teilen (Die Mitglieder erheben sich von den Plätzen): „Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen, thun kund und fügen bierunt zu wissen, daß Wir Unseren Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst ermächtigt haben, gemäß Artikel 12 der Verfassung die gegenwärtigen Sitzun gen des Reichstages in Unserem und der Verbündete« Namen am 12. Juni zu schließen. Urkundlich u. s. w. Gegeben Neues Palais, den 6. Juni 1900. Wilhelm. Gegengezeichnet Fürst zu Hohenlohe." Auf Grund der mtt von Seiner Majestät erteilten Ermächtigung erkläre ich im Namen der Verbündeten Regierung« den Reichstag für geschlossen. Präsident Graf Ballestrem: Wir aber trenne» uns, .wie immer, so auch heute mit dem Ruf der Treue gegen das ReichSoberhaupt: Seine Majestät der Kaiser, König Wilhelm 17. von Preußen lebe hoch — hoch — hoch! (Die Mitglieder stimm« dreimal begeistert in den Ruf ein.) — Ich schieße die Sitzung. NrrnßiHtzer Landtag. Das Herrmhaus trat am Montag zu einer Sitzung zusammen und nahm die Gesetzentwürfe bett, die Fürsorge-Erziehimg Minderjähriger und die Novelle zum Kommnnaiwahlgesctz nach den Be schlüssen des Abgeordnetenhauses an. Am Dienstag begann im Herrenhaus die Be ratung der Warcnhaussteuervorlage. Zu einer Ent scheidung kam es noch nicht, da die Beratung bei der Spezialdiskussion über den grundlegenden § 1 vertagt wurde. DaS Abgeordnetenhaus nahm am Montag in dritter Lesung den Gesetzentwurf bett. Maßnahm« gegen die Hochwassergefahren in der Provinz Schlesien mit einigen unwesentlichen Aenderungen an. Daraus wurde der Staatsvertrag zwischen Preußen, Olden burg und Brem« bett. Ausbau der Fahrbahn in der Außenweser in zwei Lesimgm angenommen. ES folgt« Petitionen. Das Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am Diens tag mit der Interpellation betr. den Trajektverkehr zwischen Rüdesheim und Bing«. Minister v. Thiel« lehnte das Verlangen nach Verstaatlichung deS Trajektverkehrs ab. Die seiner Zeit an die Kom- Mission zurückverwiesene Vorlage betr. Eingemeindung von Vororten in Frankfurt a. M. wird unverändert nach der Regierungsvorlage angenommen. Hierauf wurden noch Petüionen erledigt. Uon Nah und Fern. Hannover. Der Ausstand der Straßen» bahner ist beendet. Die aus ständigen Schaffner haben sich zum Wiedereintritt in den Dienst gt- meldet und find angenommen worden. Me Aerstoßene. S) Novelle von Wilibert Sahlmann. l Gortfer«»«.) An demselben Tage war Gesellschaft st« Schlosse Avonshire, eine nm kstine, gewählte Gesellschaft; — näher befreundete Sutsnach- tarn, der Konsul auS der Hafenstadt bildeten dieselbe. — Zum ersten Mal sah Hemtz eine größere An zahl fremder Gesichter. — Es bleibt unbestritten, wie es i« Königsschloß aeborne Menschen gibt, welchen trotz ihrer hohen Geburt die Häßlichkeit emgeprügt, Eckigkeit und Uubeholfenhest angeboren scheint, so gibt es wieder glücklich bevorzugte Nature«, welche das der Some zuerst « der Hütte, in dem ckteften Winkel der Armut erblickten, und denen eine gütige F« «Erliche Anmut und Schönheit verlieh. Zu diesen glückliche«, schöne« Lrdenkindern WhSrte Heuny Gilbert.— Die Scheu selber, welche das junge Mädchen selbstverständlich, als ste sich plötzlich in einen Kreis vornehm sein sollender Personen mit hohen Namen und Titeln versetzt sah, befallen mußte, »ahm gewiß jeder und jede für eine anmutige Bescheiden Heft, welche diesem lieblichen Kinde einen fast wunderbaren Reiz verlieh. „Miß Gilbert," — lautete die einfache Vor stellung; es ahnte wohl keiner der Gesellschaft, woher diese liebliche Erscheinung stammte. Und als nun Miß Gilbert später sich auS dem Saal entsernte und der Squire mitteilte, daß ste daS Kind seines Lebensretters, eines früheren Schiffskapitäns, wäre, daß er eS für seine Pflicht gehalten habe, sich ihrer anzu nehme«, da war des Lobes über des Squires edle Handlungsweise, aber auch der Verwunderung nicht genug, mtt welch feinem Takt stch das schöne junge Mädchen sofort iu die Gesellschaft gefunden habe. Die Gesellschaft, welche der Squire gelade«, blieb auch zum Souper; nach demselben wurde gespielt, mustziert. Miß Edith var eine Klavier-Mrtuostn, schon als Kind hatte ste mtt Vorliebe diese Kunst gepflegt und ste geübt, die stolze Erbin hätte als bewundene Künstlerin durch die WM ziehen können. Die schöne Riß spielte, und fie konnte alles um sich her vergessen, venu ste « de« In strument saß. Auf Henny Gilbert übte« die Töne einen eigentümlichen Eindruck aus, leise trat fi« aus dem Saal, in ein Nebeugemach, dessen Eingang um von einer Portiere bedeckt war, fie Kat in ein zweites und drittes Zimmer, dl welchem fie dann überrascht stehen blieb. ES war derselbe Raum, dl welchem fie von dem Squire am TodeSabend ihres Vater» em pfangen worden war. Die einzige Astrallampe verbrettete ein sanftes Dämmerlicht; — dort auf dem Diwan hatte ste in den Armen des Bruders des Todes, — einem schweren Schlaf gelegen, während in der kleinen Fischerhütte ihr Vater mü dem Tode rang. — In gedämpften, weichen Tönen erklang die Mufik aus dem Saale, — draußen war es Abend, aber kein Sturmabend, an welchem schwarze Wolken vorüberjagten und kalte Regen schauer hinabwarfen auf Meer und Land. Ein milder, letzter Sommerabend umhüllte die Erde, und das volle Mondenlicht beleuchtete mtt seinem Zauberglanz daS alte Schloß und ringsum Park und Fluren. DaS junge Mädchen trat vor eines der Fenster, — mechanisch öffnete fie einen Flügel, — mit vollen Zügen atmete fie, das Kind des Meerstrrndes, die frisch hereinstrsmende, ihr vshlthuende Äbendluft. Sie blickst hinauf zum Himmel. We viel tausendmal HÄte fie nicht in schönen Abend stunden als Kind am Meer gesessen, und ebenso hinauf geschaut in die ewige Sterneuwelt. Rie fie dan flimmerst», all die tausend Himmelsfunkn, und wie zu ihren Füßen die dunklen, mächügen Wogen majestätisch wälzend vor ihr vorüberzogen, gleich einem nie endende« Heer finsterer Gewalten. Henny versank in Sinnen, — von dem Sternenmeer dort oben lenkte ste den Blick gegen Westen; dort am Skande lag das armselige Fischerdörfchen, iu welchem fie geboren, wo ihre Mutstr, die fie nie gekannt, welche mit dem eigenen Leben, das ihrer Tochter in demselben Augenblick eüauste, als fie dem Kinde das Leben gab, — wo jetzt auch ihr Vater Ms dem kleinen Friedhof gebettet lag. So stand fie da, die Waise, die Tochter des armen Fischers John Gilbert, deren Geschick, in demselben Augenblick, als fie das einzige Menschenherz verlor, an das fie zu flüchten ver mochte, so plötzlich ein ganz anderes ge worden war. Niemand von der Gesellschaft mochte ihc Fortgehen bemerkt haben, — eine Person doch, und diese Person war Lord Clifford. James, der seitwärts im Hintergründe ge sessen, erhob sich vorsichtig und Kat in dass«» Zimmer, wohin er Henny gehen sah. Suchst er das Mädchen? Er blickte ringsum, er sah niemand, ab« die Thür des nächsten Zimmmers war nm ange lehnt und leise Kat er in dasselbe. Aber auch hier dmchschweifte sein Auge nur den menschen leeren Raum, wo nur war Miß Gilbert g»- blieben? Vor ihm lag «och der gewöhnliche Empfang- und Wohnsalsn, voran sich die Vorzimmer reihten, vielleicht, daß das Mädchen hierher flohen war.—Geflohen—vorwem, und weshalb r Ja, da stand das schöne Kind, die zur vor« nehmen Dame gewordene Miß Gilbert; wa hätte in dieser hohen, vollen Lamengestalt da» reizende Fischermädchen, d« Tochter des alt« Griesgram mit den verwitterten, wie Ms Meer fels gehauenen Zügen wieder erkannt? James trat einige Schritt näher, dann nmmst er leise ihren Namen. Henny erschrak nicht, wie e» eine vornehme Mß, wie es Mß Edith gethan haben würde, fie erkannte wohl die Stimme dessen, der ihre» Namen aussprach. „So ganz allein träume« Sie hier, MH Gilbert?" sagte James und fuhr dann, oh» eine Antwort abzuwarten, fort, „und ich glaut« zu wissen, wo soeben Ihre Gedanken wertt«: Sie waren im Geiste in dem Fischerdörfchen de» unten am Meeresskande 8
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