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und Kasimir war ihr bereits so nahe, daß er ihre liefen Atem züge hörte. < Mit einem kurzen Satze stand er hinter dem klüftigen, von weißblühender Waldrebe üppig umsponnenen Manerrest. „Herr Roth? Sie?* fragte sie endlich. „Ja — und Du, Lisette. Wir beide ganz allein und der liebe Gott über uns," antwortete Kasimir, dem es Plötzlich so feierlich durch die Brust zog wie noch nie im Leben. „Ich wollte mich nur noch ein bischen verschnaufen, Herr Roth, ich gehe sonst nie so weit allein — und nun gar jetzt — so spat es wird schon dämmerig sehen Sie nur da unten auf den Wiesen brennt schon der Fuchs — guten Abend —" „Jetzt willst Du gehen, Lisette? Aber warum denn?" „Wie Sie fragen!" Sie zuckte mit den schön geformten, runden Schultern. „Jetzt, wo ich komme?" „Nun ja, weil ich nicht mit Ihnen im Gerede sein will." „Gerede? Was ist das für ein Geschwätz. Geht nicht hier zu Lande jedes anständige Mädchen, mit seinem Schatz?" „Schatz? — Herr Roth — oh — oh — Sie — Sie und wenn Sie zehn- und tausendmal der Sohn des reichsten Mannes der Stadt sind gesallen lasse ich mir von Ihnen nichts, verspotten dürfen Sie mich nicht, wenn wir auch die armen und Sie die reichen Roths sind." „Lisette, Mädchen, Cousine Lisette, ein ehrlicher Thüringer Bursche beiratet seinen Schatz und ich bin ein ehrlicher Bursche aus Thüringen" — er errötete tief „und Du — Lisette, sei doch mein Schatz. Ja? Willst Du? Lisette? In?" „Sie — — — Sie — — sind " sie vergrub das Gesicht in die Schürze und weinte leise. Plötzlich ries sie mit zornigen Augen. „Aber Sie haben ja einen Schatz!" „Ich? Nein — nein." „Toch! Hellmanns Rosine — — „Nein — nein!" „Aber alle Welt sagt es doch." „Was die Leute schwatzen!" „Aber dann — das Fräulein, mit dem Sie neulich " „Auch die nicht — Lisette, ich liebe nur Dich. Wir beide wollen ein Paar werden — sreilich, es können Verhältnisse ein treten — reich werde ich nicht sein — wir werden tüchtig arbeiten müssen." „Ah deshalb, arbeiten kann und will ich," versicherte Lisette. „Aber Ihr Ihr Vater —" „Der wird freilich — — aber ich heirate Dich ja, und nicht mein Vater." Er hatte sich ihr genähert, seinen Arm uni ihre kräftige Gestalt gelegt und war bemüht, ihr die Schürze vom Gesicht zu nehmen. „Ja, das ist wahr, aber — Sic halten mich zum Narren, ich sollte ihre Frau werden? Ach nein ha ha ha nein ha ha — — ha o Herr- Roth o Herr Kasimir das ha ha ha das geht ja doch gar nicht." Lisette weinte und lachte, lachte und weinte, bald vergrub sie das Gesicht schämig in die Leinwandschürze, bald sah sie Kasimir durch Thränen strahlenden Blickes au. „Das geht, sobald Du nur — Ja — sagst, und das wirst Du thun, wenn Du mich lieb hast. Hast Du mich lieb? Wie?" «Ach, gehen Sie doch." -Ja?" „Ein bischen," kam es leise unter der Schürze hervor. „Das heißt in die Liebessprache übersetzt: Sehr, sehr — und nun Lisette —" Kasimir setzte den Satz nicht in Worten, sondern in Thaten fort, denn er kügte sie so herzlich, so lange nnd mit einer solchen zärtlichen Inbrunst, daß weder er noch sie bemerkten, daß der Täuslingsmacher schon eine Weile dicht an der Ruine stand und wutbrennenden Auges auf die beiden starrte. Erst seine Faust, mit der er Kasimir packte, brachte das Paar zur Be sinnung. „Mensch! — Ha ha das ist wohl der Zweck, - weswegen Sie sich in mein Haus schleichen!?" brüllte Meister Anton. „Soo, ich hätte es mir denken können, weshalb hätte sonst auch der reiche Vetter Noth den armen Vetter Täuflings macher beehren sollen ha ha nun warte aber, Du — Du > schlechter Kerl Du! Ich werfe Dir deine Erfindungen vor die Füße — Geld — Geld, ja ich wünsche es — aber um den Preis!" — Er deutete aus Lisette, die wie versteinert dastand. — „Merken Sie sich das, Herr Vetter Roth — meine Tochter und ihr Ruf ist mir lieber wie Ihr Sündengeld!" Er packte Lisette bei der einen Hand, aber Kasimir nahm die andere. „Recht so, Vetter Roth! Recht so! Just so denke ich auch, das Mädchen ist mir auch lieber wie alles Geld, darum wähle ich sie mir zu meiner Frau. Kasimir umfaßte Lisette und wollte sie an sich ziehen, Meister Anton riß sie aber in größter Erregung zurück. „Zum Narren lasse ich mich nicht machen! Komm Lisette! Du gehst nach Hause und ich werde dem Herrn Kommerzienrat sagen, ivas sein Sohn für Streiche macht." „Thun Sie das, Vetter Noth, denn mein Vater muß es ja doch erfahren. Gute Nacht, Lisette. — Ich werde ihm sofort alles mitteilen," setzte Kasimir hinzu, dabei seine Sicherheit ein wenig verlierend, denn er wußte, daß es ein furchtbarer Kampf werden würde, ehe er die Einwilligung desselben zu dieser Ver bindung erhielt. Lisette fühlte, was jetzt in Kasimir vorging. „Wenn aber Dein Vater —" „Komm, Lisette!" ries Herr Roth und zog sie mit sich den steilen Pfad hinunter, während Kasimir denselben Weg zurückging, den er vorher gekommen war. Der Kommerzienrat saß am Tisch und hatte versucht, die Zeitungen zu leien, als Kasimir bei ihm eintrat. „Nun?" fragte er von seinem Sitze aufschnellend. „Nun?" fragte er noch ein mal, als er keine Antwort erhielt. Schon jetzt lag etwas Drohendes in seiner Stimme. „Ich muß weit ausholen, Vater," entgegnete Kasimir. „Ausholen? Du brauchtest doch nur zuzugreisen, dann fiel Dir ja alles in den Schoß?" „Ich wollie aber nicht zugreisen!" ries Kasimir, empört über die Art seines Vaters, der ihn zur reinen Maschine herab würdigen wollte. „Du wolltest nicht!?" „Und Gott sei's gelobt, Rosine Hellmann ist ja auch, wie ich Dir schon sagte, zu stolz, um sich als Ware verschachern zu lassen. Wir haben uns beide doch offen erklärt, daß wir uns nicht lieben, und daß wir uns nicht heiraten würden. Daß sich inzwischen die Geldverhältnisse geändert haben, kann natürlich auf wahrhaft edel denkende nnd fühlende Menschen wie aus Rosine und mich keinen Einfluß haben. Ich will Dir aber einen anderen Vor schlag machen, der Hellmann retten kann und vielleicht Deine Billigung hat." „Da wäre ich neugierig," zischte Herr Christian Roth. „Das Kapital, welches wir besitzen, reicht über und über aus, um unser Geschäft zu betreiben; ich werde mich einschränken, meine Pferde abschasfen, allen meinen teueren Passionen entsagen und wie ein schlichter Mensch leben und wir geben, vielleicht freilich auf Nimmerwiedersehen, Herrn Hellmann so viel, daß er seine Schulden bezahlen und ebenfalls ganz einfach leben kann. Ich hoffe außerdem, diese Summe doch wieder zu verdienen." „Du?! Du?!" höhnte Christian. . „Ja, ich! Vater!" rief Kasimir mit männlicher Entschlossenheit. „Nun und Rosine?" fuhr der Kommerzienrat auf. „Sie wird eher damit zufrieden sein, als daß sie einen Mann heiratet, den sie nicht und der sie nicht liebt." „Du willst also wirklich nicht heiraten?" fragte der Kommerzien rat mit weit aufgerissenen Augen. „Wenigstens nicht Rosine Hellmann," antwortete Kasimir ebenso fest wie vorher. „Wen denn? Vielleicht Fräulein ?" „Nein, Vater, kein Fräulein, sondern ein einfaches, schlichtes, gottesfürchtiges, liebes Bürgermädchcn." „Was willst Du?" „In dessen Adern noch dazu dasselbe Blut fließt wie in den unserigen — —" „Und wer ist das Mädchen?" Die Stimme des Kommerzien- . ratS hatte den Ton verloren. „Die Tochter unseres Vetters, des Täuflingsmachers, des Meisters Anton Roth — Lisette heißt sie." „So!?" Der Alte Harrte ihn an. ^ra. Nater " „Und das ist Dein Ernst?" „Auf meine Ehre! Bei Gott im Himmel, mein heiliacr Ernst." Dem Kommerzienrat schwindelte es. Plötzlich ergriff er ein Messer, welches auf dem Tische lag, und fuhr damit schnell über die Platte, so daß man die Riefe sah, welche die Klinge auf dem polierten Holze hinterließ. „Weißt Du, was das bedeutet?" „Ja, Vater, Du zerschneidest das Tischtuch zwischen uns, Du > willst keine Gemeinschaft mehr mit mir haben." „Das ist meine Antwort, nun handle." „Ich werde handeln!" Er wandte sich zum Gehen, blieb aber in der Thür, von einer weichen Wallung ersaßt, noch einmal stehen. „Vater lieber Vater." Der Kommerzienrat hob abwehrend die Hand und deutele nach der Thür, durch welche Kasimir hinaustaumelte. Im Garten begegnete ihm der Täuflingsmacher. „Bemühen Sie sich nicht mehr, mein Vater weiß alles," sagte Kasimir mit weicher Stimme.