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Allgemeiner Anzeiger : 28.04.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190004284
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
-
Monat
1900-04
- Tag 1900-04-28
-
Monat
1900-04
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.04.1900
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Politische Rundschau. Vom Kriegsschauplatz. "Ueberaus langsam und schleppend gehen die Dinge auf dem südafrikanische» Kriegsschau plätze auch bei den gegenwärtigen Operationen im südlichen Oranjefreistaat vor wärts. Jetzt schweigt der Telegraph von eng lischer Seite wieder gänzlich, so daß ernstliche Erfolge durch die britischen Truppen sicherlich noch nicht erzielt sein können. * Der Kampf um Wepener dauert fort; die Boeren haben den Ort immer noch nicht zu nehmen vermocht, obwohl sie ihn seit dem 9. d., also über vierzehn Tage, belagert haben. Sie beschießen ihn fortwährend und man ist im englischen Lager offenbar besorgt, daß die Uebergabe erfolgt, ehe das im Anmarsch begriffene Ersatzheer Rettung bringen kann. * In London ist man sehr verstimmt und bedenklich. Die Aussicht auf einen lang wierigen und trostlosen Guerillakrieg wirkt sehr niederdrückend, zumal schon jetzt die Nachrichten sich häufen, daß die Soldaten das Klima auf die Dauer nicht aushalten. Man ist auch immer mehr geneigt, den Führern die Schuld an den einzelnen Schlappen zuzuschieben und fordert, daß mit den Unfähigen aufgeräumt wird. So verlangen die.Times' sehr deutlich nach der Abberufung Gatacres, auch jene des armeebekannten Schuldigen an der Katastrophe vom Kornspruit, des Herzogs von Teck. *Die unerwartete Rückreise Cecil Rhodes' nach Südafrika ist mit der Thatsache in Zusammenhang zu bringen, daß Rhodes in Regierungskreisen in London eine auffallend kühle Aufnahme fand. Indirekt wurde ihm angedeutet, daß seine Einmischung in die Lösung der südafrikanischen Frage der Regie rung nur Verlegenheiten bereiten könnte. Ein .freundschaftlicher, aber starker Druck von oben", heißt es weiter, hätte Rhodes zu seiner Plötz lichen Rückreise nach Südafrika veranlaßt. * * * LeuttÄland. * Der Kaiser ist am Montag abend nach herzlicher Verabschiedung von der Familie des Königs Albert von der Haltestelle Strehlen »ach Schlitz abgereist. * Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe hat sich aus Schillingsfürst über Nizza nach Paris zur Ausstellung begeben. Am 3. Mai gedenkt er wieder nach Berlin zurück- zureisen. *Am Dienstag nahmen der Reichstag und der preuß. Landtag ihre Sitzungen wieder auf. "Im Reichstage sollten am 25. d. die Kommissionen ihre Lhätigkeit be ginnen, und zwar die Budgetkommission mit der Fortsetzung der Beratung der Flotten« Vorlage, die 21. Kommission mit der Novelle zur Bau- und Seeunfall- Vers i ch e r u n g, die 22. Kommission mit der Seemannsordnung. *Die von agrarischer Seite stammende Mit teilung, die Regierung werde das Fleisch - beschaugesetz zurkckziehen, wird offiziös für unrichtig erklärt. * Der Lotteriestempelsoll bekanntlich verdoppelt werden. Die Direktion der thü ringisch - anhaltischen Staats lot t e r i e hat eine Untersuchung drüber ein geleitet, wie viele von ihren Losen außerhalb Deutschlands gespielt werden. Lon der sächsischen Staatslorterie ist in Thüringen bekannt, daß eine sehr beträchtliche Anzahl von Losen in Ruß land und Amerika gespielt werde, und daß manche Kollekteure lediglich außerdeutschen Absatz hatten. *MU Rückücht auf den Arbeiter, mangel in Kamerun ist nunmehr seitens der Regierung die Anwerbung von Arbeitern in Togo gestattet worden. Den Kameruner Pflanzer-Gesellschaften wurde indes unter Be zugnahme auf die jüngsten Vorkommnisse da selbst zur Pflicht gemacht, für gute Behandlung und Ernährung der Leute zu sorgen. Oesterreich-Ungar«. * Ueber den Sprachengesetzentwurf Lörbers, der gleich nach Wiederzusammentritt dem Reichsrat vorgelegt werden soll, erfahren die Tschechenblätter: Böhmen wird in drei Teile geteilt. In dem rein tschechischen wie dem rein deutschen Gebiet gelten die betreffenden Sprachen im inneren wie im äußeren Verkehr. Eingaben in einer anderen Sprache werden nur angenommen, wenn der Einsender der be treffenden Sprache nicht mächtig ist und keinen Anwalt hat. Für den mündlichen Verkehr werden Dolmetscher bestellt. Mähren wird voll ständig als gemischtsprachig erklärt. Die innere Amtssprache für tschechische Eingaben ist das Tschechische; doch bleibt das Deutsche die „eigentliche Amtssprache". Die Tschechenblätter thun sehr aufgeregt und drohen mit äußerstem Widerstande. Frankreich. * Im Ministerrat machte der Marineminister Mitteilung von den in der Angelegenheit des Beamten im Marineministerium Philipp er gangenen Verfügungen. Philip, welcher ver dächtiger Treibereien schuldig be funden werde, ist seines Amtes entsetzt worden, zwei Beamte wurden degradiert, mehrere andere erhielten scharfe Verweise. (Die Angelegenheit spielt schon lange und droht in eine neue Treysustade auszuarten.) Italien. * Der italienische Kronprinz wird nach Berlin reisen, um der Großjährigkeits- Erklärung des deutschen Kronprinzen beizu wohnen. * Papst Leo empfing am Montag die Gräfin Lonyap, frühere österreichische Kronprinzessin. Der Papst will zwischen dem jungen Ehepaare und dem König von Belgien vermitteln. Belgien. * Bezeichnend für die Disziplin der belgischen Miliz ist folgende Nachricht aus Antwerpen: 300 Mann der Börgerwehr, welche unzufrieden über die ihnen auferlegten Uebungen waren, durchzogen am Sonntag abend mit umgekehrtem Gewehr die Straßen, indem sie die Marseillaise sangen und Rufe „Nieder mit dem König" ausstietzen. Obgleich die Angelegenheit von der Militärbehörde scherzhaft (!!!) aufgefaßt wird, soll eine An zahl der Kundgeber mit acht Tagen Arrest (l!) bestraft werden. Ruhland. "Die Osternummer des ,Negierungsboten' veröffentlicht nachstehenden, an den Großfürsten Sergius, den Generalgouverneur von Moskau, gerichteten Erlaß des Kaisers: „Mein und der Kaiserin Alexandra heißer Wunsch, mit unseren Kindern die Karwoche zum Empfang des Abendmahles und das Fest der Feste im Schatten des Kremls, umgeben von den größten Heiligtümern des Volkes zu Moskau zu ver bringen, ist durch Gottes Gnade erfüllt worden, i Hier, wo unverwest die Heiligen ruhen, inmitten ! der Ruhestätten gekrönter Mehrer und Erbauer des russischen Reiches, in der Wiege der Selbst herrschaft, steigen verstärkte Gebete zum Herrscher der Herrschenden auf, und in der Gemeinschaft mit den in den Tempeln zusammenströmenden treuen Gliedern unserer geliebten Kirche erfüllt stille Freude die Seele im Gebet. Mit meinem Volke vereint schöpfe ich neue Kräfte, Rußland zum Wohle und Ruhme zu dienen, und es ge reicht mir zur besonderen Freude, Eurer kaiser-! lichen Hoheit und durch Sie dem teuren! Moskau die Gefühle auszudrücken, welche mich erfüllen." , Balkanftasten. *Wie die ,P ß Korresp/ erfährt, wird Fürst Ferdinand von Bulgarien seinen Aufenthalt in SanRemo länger aus- dehnen, als ursprünglich in Aussicht genommen war. Der Fürst dürfte die Rückreise nachi Bulgarien erst in ungefähr zehn Tagen an treten. Aegypten. *Der Vizekönig von Aegypten wird sich, begleitet von seinem Bruder Nehemed! Ali, am 18, Juni nach England begeben. Es ' wird angenommen, daß der Vizekönig und dessen Bruder rm Zusammenhang mit dieser Reise die Pariser Welt-Ausstellung besuchen werden. i Amerika. *Zu den amerikanisch-türkischen Differenzen wird aus Washington gemeldet, der dortige türkische Gesandte habe wieder eine lange Besprechung mit dem Staatssekretär Hay ge habt. Wie verlautet, wurde eine Verständi gung erzielt; die Türkei werde einwilligen, die amerikanischen Forderungen zu begleichen, ohne weitere Schwierigkeiten zu bereiten. Der türkische Gesandte suchte Hays Zustimmung zu der ratenweise» Zahlung der geforderten 100 000 Dollar nach. Hay hat hierauf noch keine be stimme Antwort erteilt. — Außer der armeni schen Entschädigungsfrage schwebt noch eine weitere Differenz. Die Gesandtschaft der Ver. Staaten in Konstantinopel überreichte nämlich in den letzten Tagen der Pforte einen sehr energischen Protest gegen das Verbot der Einfuhr amerikanischen Schweine fleisches. Aste». * Amtliche Berichte aus Indien bestätigen die Meldungen von dem furchtbaren Charakter derHungersnot, besonders in der Präsident schaft Bombay und in den Radschputana-Staaten. In einem Distrikt find von 1 300 000 Stück Vieh eine Million verloren gegangen. Mehrere Distrikte zeigen ungewöhnlich hohe Zahlen der Todesfälle. Der indische mildthätige Hilfsfonds und die Regierung thun, was in ihren Kräften steht, um die Not zu lindern, aber der Hilfsfonds bedarf dringend weiterer Unter stützung. (In Berlin haben sich Finanzgrößen zusammengethan und sofort 400 000 Mk. für die notleidenden Indier gezeichnet!) Deutscher Reichstag. Arn Dienstag eröffnete Prüf. Graf Ballestrem die Sitzung mit einer herzlichen Begrüßung der Mitglieder. Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Be ratung des Uebereinkommens zwischen dem Reiche und Oesterreich-Ungarn zum Schutze der Urheberrechte an Werken der Litteratur, Kunst und Photographie. Direktor im Auswärtigen Amt v. Körner ver weist zur Begründung des UebereinkommenS auf die den Mitgliedern vorliegende Denkschrift. Das Ueber- einkommen entspreche einem dringenden, seit langen Jahren zum Ausdruck gekommenen Wunsche, er bringe im wesentlichen den Grundsatz der Reci- prozität zur Geltung und dehne den Urheberschutz auch auf die Photographien aus. Er bitte um An nahme der Vorlage. Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.) fragt an, weshalb man mit dem Abschluß dieses Ueberein- kommens nicht so lange gewartet habe, bis der Text des neuen Urheberrechts, das ja dem Reichstag nach Mitteilungen in der Presse in der nächsten Session vorgelegi werden solle, feststehe. Durch die Vorweg nahme dieser Regelung könnten leicht. Wiedsrsprüche zwischen der Behandlung des Urheberrechts im Jn- lande und in dem Nachbarreich hervortreten. Ein Regierungskommissar erwiderst, der Abschluß schon jetzt habe einem dringenden Wunsche Österreich- Ungarn- entsprochen. Damit schließt die erste Beratung. Das Ueber einkommen wird sofort in zweiter Lesung ohne weitere Diskussion unverändert angenommen. ES folgt di« erste Beratung deS Gesetzes betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten (Reichs-Seuchengesetz). Abg. Gamp (freikons.): Meine Freunde sind auf diesem Gebiet mit dem Vorgehen der verbündeten Regierungen einverstanden. Ein Reichs-Seuchen- gesctz ist ein unbezweifeltes Bedürfnis. Die Einzel- staaien für sich könnten nicht so übereinstimmend verfahren, wie es für wirksame Bekämpfung von Seuchen notwendig ist, wenn nicht die Einheit lichkeit durch ein Reichsgesetz verbürgt wird. Ich glaube ?war nicht, dak der Entwurf noch in dieser Session zur Verabschiedung kommen wird, aber ich beantrage doch, ihn einer Kommission von 21 Mit gliedern zu überweisen. Die Beratungen dieser Kommission werden wenigstens das Ergebnis haben, daß uns dann im nächsten Jahre eine verbesserte Vorlage gemacht wird. Abg. Endemann (nat.-lib.): Meine Freunde stehen der Vorlage im ganzen sympathisch gegenüber, nnd sie halten eine Kommission von 14 Mitgliedern zu ihrer Vorberatung für ausreichend. Wir hätten vor allem gewünscht, daß die Vorlage sich nicht auf sechs sogenannte gemeingefährliche ansteckende Krank heiten hinsichtlich der Anzeigepflicht beschränkt hätte. Staatssekretär Graf Posadowskh: .Ich Würde es auf das äußerste beklagen, wenn der Ent wurf nun zum dritten Mal nicht zur Verabschiedung gelangen sollte. Man darf nicht zu zag zugreisen, denn es gilt den Schutz und die Erhaltung von Menschenleben. Deshalb müssen vor allem dm beamteten Aerzten besondere Verpflichtungen und Be fugnisse zugesprochen werden. Solche Anordnung«« zur richtigen Zeit und am richtigen Ort von den beamteten Aerzten getroffen, können unter Umständen das ganze Deutsche Reich vor Verseuchung schützen. Ermöglichen Sie es nun, dieses wichtige Gesetz zum Segen des deutschen Volkes noch in dieser Session zu stände zu bringen. s Abg. Wurm (soz.): Gerade weil das Gesetz s» außerordentlich wichtig ist, hat der Reichstag allen Grund, ebenso gründlich zu verfahren, wie eS der Bundesrat gethan. So weitgehende Eingriffe in die persönliche Freiheit dürfen nur dann vorge nommen werden, wenn sie einerseits notwendig m Interesse der Allgemeinheit, wenn sie anderseits auch wirksam sind. Das kann mm aber bei diesem Gesetz nicht in allen Punkten sagen. Darms wird die Weiterberatung vertagt. zirrukilwer Lairdtaa. Am Dienstag stand im Abgeordnetenhaus« zu nächst der Antrag Hirsch (fr. Vp.) zur Tages ordnung, Landwirten, Handwerkern und kunstgewerb lichen Arbeitern den Besuch der Weltausstellung durch Gewährleistung von Reisekosten zu ermöglichen. Der Antrag wurde angenommen. Sodann foljpe ein Antrag des Grafen Kanitz zum Rentengiiter- gesetz und ein Antrag Glebocki bezüglich der Renten banken; über ersteren wird im Plenum weiter ver handelt werden, letzterer wurde angenommen. Don Nah «nd Fern. Sondershausen. Der Fürst von Schwarz burg-Sondershausen glitt am Montag früh am der Buerhahnjagd in Gehren ans und erlitt einen Bruch des linken Schenkels. Das All gemeinbefinden ist gut. Lübeck. Eine neue Dampferlinie Lübeck« Christiania, die in Christiani« domiziliert und 12 bis 14 Stunden kürzer ist, als die Lime Hamburg-Christiania, wird Anfang August mit vorläufig zwei 800 Tons großen Dampfern einmal wöchentlich den Betrieb aufnehmen. Senat und Bürgerschaft von Lübeck haben am Montag beschlossen, der neuen Gesellschaft durch mehrjährigen Erlaß der Hafenabgaben Förderung zuznwenden. Elbing. Ein seltenes Jubiläum feierte am Montag die Schichausche Werft. Das hun dertste für die deutsche Marine bei Schicha« in Elbing erbaute Torpedoboot „8. 100" ist nach mittags 2 Uhr vom Stapel gelaufen. Es ist dieses hundertste deutsche Boot zugleich das 265. von Schichau gebaute Torpedofahrzeug und das 674. von derselben Werft überhäufst gebaute Schiff. Breslau. An 55 nicht in den Reichsdienst übernommene Beamte der Privatpost „Hansa" werden aus der Staatskasse 51000 Mt. Ent schädigungen gezahlt. Den Minimalbetrag von 124 Mk. erhält ein Briefträger für 7 Monat kürzeste Dienstzeit, den Höchstbetrag von 3 300 Mk. ein Beamter für die längste Dienstzeit mm sieben Jahren. Bingen. Der Schiffer Walter von Nieder« spai landete den Unglücksnachen von Binge», der am Dienstag nach Osteru bei der Ueb«- fahrt nach Rüdesheim kenterte, am User in Oberspai. Der Nachen zeigt im vorde ren Teil, im sogenannten Kovf, ein hand großes Loch, auch sonst ist der Nachen, der aus 14 Personen geaicht ist, in sehr schlechtem Zn« stände. Eine Gerichtskommisfion aus Bingen hat daS Fahrzeug besichtigt. Sachverständige sind der Ansicht, daß, wenn 20 Personen den Nachen zur Ueberfahrt benutzten, die Personen nur eng zusammengedrängt hätten sitzen könne«. Rheydt. In Morr warf ein elfjähriger Knabe eine Petroleumkanne ins Feuer. Die furchtbare Explosion verletzte vier Kinder schwer. Ein Knabe ist bereits tot, ein anderer liegt hoffnungslos danieder. Krotoschin. Bei drei aus Berlin zugereisten Personen, welche in Krotoschin falsches Geld verausgabten, wurden bei ihrer Verhaftung eine größere Anzahl falscher Thalerstücke, sowie nach gemachte Eintausendmarkscheine vorgefunden. Dtt Thaler tragen das Bild des Königs Johann von Sachsen. Die Randschrift „Gott segne Sachsen" fehlt ganz oder ist schief. Dir Tochter Les Grubrnüefttzers. 161 Rowan von Zoö von Neuß. K-rlscr-ngp Bon den Abendsonnenstrahlen wie von einem Glorienscheine umflossen, bot Irene, im knappen, dunklen Reitkleide, den Hut mit weißer, wallen der Feder geschmückt, ein überraschend reizendes Bild. Ten,roch war Friedrich Melzer kaum von von ihrem Anblick betroffen. Sie stand in voller Lebendigkeit immer vor seiner Seele; darum überraschte es ihn kaum, sie nun auch persönlich uahe zu sehen. „Ist meine Heide nicht herrlich?" fragte sie hinab. „Wer darf sie verachten? Sie wenig stens — ich weiß — stimme» mit mir über ein !" „O, freilich!' „Warum sieht man Sie so selten?" fragte sie, den Gaul dicht an Friedrichs Seite lenkend, und sich tief niederbeugcnd, leise, als ob sie selbst auf der grabesstillen Heide noch den Lauscher fürchte. „Meiden Sie unser Haus aus sich selbst, oder — haben Sie äußere Umstände Vertrieben? Sprechen Sie!" Tie Frage, so natürlich sie war, setzte den jungen Mann in Verlegenheit. Es blieb ihm als Antwort nur eine Ausflucht. Aber Irene Illenhagen schnitt ihm das Wort ab. Sie hatte ich besonnen und schien nicht zu wünschen, daß ich eine Lüge in ihr gegenseitiges Verhältnis »ränge, indem sie hinzusetzte: „Ich ahne, daß Sie in bezug auf meinen Bruder recht gehandelt haben, wei n ich auch die Veranlassung Ih cs Zwistes mir Max nicht kenne. Ich muß sülch ten, daß man Sie gekränkt hat: darum be sonders schmerzt mich Ihr Wegbleiben! Am Ende — verlassen Sie uns ganz und gehen wieder nach England?" „Nicht unmöglich!" lächelte Friedrich Melzer. „Ich kann es noch nicht glauben, schon um Ihre Mutter! — Aber „Pandora" ist heut un ruhig!" setze Irene hinzu, indem sie den Schimmel durch Liebkosungen zu beruhigen suchte. „Ich war in Fließenhof bei Cmmeken — ein Ritt über die Heide allein dünkte mich herrlich I Aber ich bin noch immer Anfängerin in der Reitkunst, trotz aller Mühe, die sich Vetter Wolf mü mir gab!" Friedrich Melzer hatte das stallmutige Tier am Zügel gefaßt und ging neben der Retterin her. Er redete allerlei, leise wie sie selbst; von seiner Freude, sie endlich einmal wiederzusetzen, ohne Zeugen, von den Schwierigketten, denen er auf der „Irene" begegnete, und von der Not wendigkeit, seinen Platz zu verlassen. Er sagte mehr, als er vielleicht gewollt hatte, aber Irenes Verständnis und ihre Teil nahme erschlossen ihm Herz und Lippen. Nur von seiner Liebe sprach er noch immer nicht. 19. Im Hinterzimmer des „Gnom" saß Häuer Hiller, den schweren Kops auf beide Arme ge stützt. Ihm gegenüber hatte der Belgier Charles Noir nnd Louis Bernhard ans Saargemünd Platz genommen, die sich neuerdings wieder in der Gegend umherttieben. Seit sie nicht mehr auf der „Irene" in Arbeit standen, machten sie kein Geheimnis daraus, daß sie der Inter nationale angehörten, und mit ihren Hin- und Herreisen agitatorische Zwecke verfolgten. Sie verstanden es meisterhaft, die unzufriedenen Elemente herauszufinden, und durch sie auf die andern zu wirken. „Also, sie wollen Euch wirklich die Streik kasse abnehmen, Kollege? DaS Geld, was wir gesammelt haben? Hahaha! . . . Und Ihr laßt Euch den Spaß ruhig gefallen?" lachte Charles Noir. „Wer steckt denn eigentlich da hinter ? Ich möchte wissen, wer Euch die Suppe eingerührt hat? Vermutlich der Weinert von Nummer Sieben? Jst's nicht so? Seid doch nicht so maulfaul." „Ja 's ist richtig, der Weinert!" „Dacht ich's doch! Nun, Ihr habt viel Geduld, mehr als unserem« m „Geduld? Ich möchte dem Weinert alle Knochen entzwei schlagen!" sagte Häuer Hiller, indem er auf den Tisch schlug, daß die Gläser klärten. Der Ausbruch der Heftigkeit schien dem Belgier zu passen. Er trank seinen Schoppen Löwenbräu aus, und fragte Wüter: „Das Geld — ist es noch auf der Sparkasse? Und wo ist das Buch? Sprecht doch! Ich möchte wissen, ob Ihr das Outttungsbuch bei Euch im Hause habt?" „J>!" „Jst's viel, was drin steht?" „Warum denn?" „Nun, man möchte es doch wissen! Haben wir vielleicht nickt sammeln helfen? Mit der Post habe ich das Geld geschickt bekommen, von auswärts. Wißt Jhr's noch?" Häuer Hiller nickte nur. „Und ich bin einsammeln gegangen auf den Schwesterzechen in der Nachbarschaft," fügte Louis Bernhard hinzu. „Ein ganzer Sack voll Nickel und Silber ist zusammengekommen!" „Es bleibt eine Weltschande, daß Ihr kleik beigegeben habt! Es war alles vortrefflich ein- gefädelt: nur das Ausharren fehlte wieder!" erklärte der Belgier. „Unsereinem wär's schon recht gewesen, wenn das Ding noch ein Weilchen weitergegangen wäre," bemerkte Häuer Hiller. „Aber die Weiber bekamen die Angst . . . Meine gute Alte lttgt im Grabe und zetert nicht mehr!" „Natürlich gibt Euch der Blutsauger in dec Villa den Abschied — nun, wo Euch die Kollegen die Kaffe abnehmen, habt Ihr auch bei ihm allen Kredit verloren I Wenn sie Euch nicht trauen, traut er Euch längst nicht mehr t" „Meint Ihr wirklich?" fragte Häuer Hiller erschrocken. Zweifelt Ihr noch? Wie lange wollt Ihr Euch die Wirtschaft eigentlich noch gefallen lassen?" „Gefallen lassen? WaS soll ich machend „Zuerst muß allemal dem Blutsauger der Garaus gemacht werden l DaS weitere wird sich finden!" „Ihr weint den Kommerzienrat? — Wer sollte ihm etwas am Zeuge flicken körnen?" „Kinderspiel! Ihr selbst sollt es thun!" „Ich? Ich selbst?" Wir wollen seine „Irene" ersaufen lassen! Häuer Hiller stand stumm vor Erstaunen. „Ihr wißt am besten, wie leicht die vielfach
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