Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 14.04.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190004147
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19000414
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19000414
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-04
- Tag 1900-04-14
-
Monat
1900-04
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 14.04.1900
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Rundschau. Vom Kriegsschauplatz. *Das gänzliche Ausbleiben der Nachrichten vom Kriegsschauplatz scheint das Gerücht zu bestätigen, daß es den Beeren gelungen ist, die Telegraphen zwischen .Bloemfontein und Kapstadt zu zer stören. Die Wiedereröffnung und dauernde Sicherung der rückwärtigen Verbindungen wird Lord Roberts noch sehr lange beschäftigen, so fern er diese Aufgabe jetzt bei Beginn der regenlosen Jahreszeit überhaupt lösen kann. * Lord Roberts soll allein in der letzten Woche antausendPferdedurch Krank- heit verloren haben. Die Boerenpferde find besser im stände, da sie das Klima vertragen, und ihre Beweglichkeit kommt den Boeren zu statten bei den Operationen, deren Anfang die englischen Schlappen bei Thabanchu und Redders- burg gebildet haben, deren Endziel wahrschein lich die EinkreisungdesLordRoberts in Bloemfontein bedeutet. Jedenfalls ist es dem von Lord Roberts ausgesandten General Gatacre nicht gelungen, die Boeren von der Eisenbahn südlich der Hauptstadt des Oranje freistaats zu vertreiben. In England hegt man denn auch bereits ernste Besorgnis um das Schicksal der Robertsschen Armee. * Aus Natal, wo Buller schon seit vier Wochen unthätig verharrt, kommt endlich wieder eine Nachricht. Aber es steht nichts drin I Die .Times' melden aus Ladysmith: Eine Pa trouille der 13. Husaren kam bei Waschbank mit den Boeren in Fühlung. Nach einer an dern sehr unsicheren Meldung sollen die Boeren von den Biggarsbergen vorrücken. * Nach einer Meldung der .Daily Mail' aus St. Helena ist dort alles für die Auf nahme dergesangenenBoeren fertig. Es find etwa fünf Morgen mit Stacheldraht umzäunt worden. Cronje wird unweit des vom High Knoll-Fort beherrschten Regierungs- Palais untergebracht. Der Gouverneur Lord Bathurst wird das neu errichtete NapoleonhauS Longwood bewohnen. Oberst Schiel wird auch wahrscheinlich ein besonderes Domizil er halten. * Der bisherige Gesamtverlust der Engländer in Südafrika stellt fich auf 1304 Offiziere und 20 437 Mann. * * « Deutschland. * Wiener Mitteilungen stellen einen Besuch des Kaisers Franz Joseph in Berlin zum Tage der Mündigkeitserklärung des deutschen Kronprinzen (6. Mai) in Ausficht; Graf Goluchowsky werde seinen Monarchen begleiten. *Der jugendliche Thronfolger in Koburg-Gotha, Herzog v. Albany, hat am Freitag in Potsdam die Reifeprüfung für die Obersekunda bestanden. Nachdem der Kaiser der Herzogin von Albany in Potsdam eine Villa zum weiteren Aufenthalt zur Verfü gung gestellt hat, wird der Unterricht des Herzogs Karl Eduard vom 19. April ab daselbst in einer Spezialklasse erfolgen. Seine Mitschüler werden sechs Obersekundaner der Haupt-Kadcttenanstalt Lichterfelde sein, die zu diesem Zweck nach Pots dam versetzt worden find. *Für neue Handelsverträge ver schlechtern fich die Aussichten immer mehr. Wie der offiziösen ,Münch. Allg. Ztg.' geschrieben wird, würde Oesterreich-Ungarn und vielleicht auch Italien infolge der dort hervor tretenden stärkeren schutzzöllnerischen Strömung die bestehenden Handele Verträge 1903 kün digen, falls dies von Deutschland aus nicht geschehen sollte. „Oesterreich-Ungarn kann an neue Handelsvertragsverhandlungen überhaupt erst denken, wenn das Zollbündnis zwischen Oesterreich und Ungarn gesichert ist. Vorläufig läßt fich noch nicht absehen, wie man über diese große Schwierigkeit hinwegkommen wird." *Für die Reichstagsersatzwahl in Nürnberg au Stelle des verstorbenen sozial demokratischen Abg. Oertel haben die Sozial demokraten den in Berlin im Disziplinarwege seiner Stellung als Privatdozenten enthobenen Dr. Leo Arons in Ausficht genommen. * Nach zuverlässigen Schätzungen werden ' gegenwärtig jährlich in Deutschland ge schlachtet etwa 4 Millionen Rinder, vier Millionen Kälber, 14 Millionen Schweine und 7 Millionen Schafe, die insgesamt rund 50 Millionen Doppel-Zentner Schlachtgewicht darstellen. Außerdem find in den letzten beiden Jahren eingeführt worden: 1898 1899 frisches Fleisch (Rind-, Kalb-, Doppelzentner Schweinefleisch) 297108 301 889 einfach zubereiteles Fleisch und zwar Rind- ».Kalbfleisch 23 037 24 957 Schweinefleisch 98 540 98 995 Schweineschinken 53 484 43197 sodann Büchscnfleisch 40 022 39 774 Würste 43 497 48 655 Das find insgesamt 555 688 Doppelzentner im Jahre 1898 und 557167 Doppelzentner im Jahre 1899, also gerade 1 Prozent der ge samten inländischen Schlachtung. Von der inländischen Schlachtung fällt außerdem die ganze Hausschlachtung, damit fast die ganze landwirt schaftliche Schlachtung. * Das Fürstentum Reuß ä. L. hat ein Zusammengehen mit den übrigen thüringischen Staaten abgelehnt und für fich ganz allein eine eigene Handwerkskammer errichtet. Diese Kammer dürfte wohl den kleinsten Bezirk von sämtlichen Handwerkskammern umfassen, von denen jetzt bereits eine große Anzahl gebildet worden find. Frankreich. *Die Kammer bewilligte 300 000 Frank Repräsentations-Gelder für den Senats - Präsidenten Fallisres und deu Kammer-Präsidenten Deschanel anläßlich der Eröffnung der Weltausstellung. * Den Franzosen ist es gelungen, sich im Hinterlande von Marokko festzu setzen. Gallifet erhielt ein Telegramm des Obersten Bertrand, in welchem bestätigt wird, daß die O as e Igli am 5. d. abends besetzt wurde. Die Expeditionskolonnen begegneten keinem wirklichen Widerstand; jedoch mußte am 1. April die Artillerie Aufstellung nehmen, da die Taghit-Leute feindselig gesinnt schienen. Es erwies fich jedoch nicht als notwendig, Feuer zu geben. England. * Ein Londoner Blatt, der ,Sun', will wissen, daß, falls „keine weiteren die Einnahme von Pretoria verzögernden Unfälle" eintreten, die Neuwahlen zum englischen Parlament im Juli unter dem Wahlruf Annexion oder Unabhängigkeit der Boeren-Republiken stattfinden dürften. — Das dürfte eine etwas verfrühte Meldung sein; denn den Engländern scheint es ja nach den Ereignissen der letzten Wochen kaum möglich zu sein, einen bestimmten Termin für das Ende des Krieges und für den Einzug in Pretoria festzustellen. Möglich, daß man in London die bestimmte Hoffnung hegt, daß dies bis zum Anfang Juli erreicht sein wird ; aber eine Garantie dafür liegt nicht einmal in dem Umstande, daß Lord Roberts die Operationen gegen die Boeren leitet. Belgien. * Die Untersuchung gegen Sipido ist nahezu abgeschlossen. Es wurde eine Anzahl junger Leute vernommen, die der sozia listischen „Jungen Garde" angehören. Weitere Verhaftungen dürften nicht mehr erfolgen. Der Haftbefehl gegen Meert wurde von der Anklage kammer bestätigt. Dänemark. * Auf der dänischen Antillen - Insel St. Thomas hat der festlich begangene Geburtstag des Königs von Dänemark den Einwohnern Anlaß geboten, in einem an die dänische Kolonialverwaltung gerichteten Tele gramm die Hoffnung auszusprechen, daß die Insel dänisch bleiben werde. Balkanftaaten. *Die Zustände in Albanien werden jetzt als fast anarchistische geschildert. Die mohammedanischen Albanesen üben gegen die christliche Bevölkerung alle mög lichen Gewaltthaten aus. Als die Hauptruhe störer werden genannt Adem Zaim, Hadji Mehmed Redjidji, Sulia Kurtulitsch. Der Bazar von Ipek ist'noch geschlossen, ebenso ist der Verkehr zwischen Ipek und Mitrowitza noch ab- gesperrt. Die türkischen Behörden wagen nicht, gegen die Ruhestörer energisch vorzugehen. * Auf Anordnung der serbischen Re gierung wurden in den Banken von Semlin und Neusatz Nachforschungen angefiellt und da bei jene serbischen Bankpapiere thatsächlich aufgefunden, die Tauschanowitsch dort eigenmächtig verpfändet hat. Amerika. * Die Ver. Staaten haben nun endlich den Unglöcksmann General Otis aus Manila abberufen. General Mac Arthur ist zu seinem Nachfolger ernannt worden. Asien. *Die Gesandten Englands, Am.erikas, Deutschlands und Frankreichs haben dem Tsungli Aamen eine g.emeinsameNote überreicht, die in drohenden Ausdrücken die gänzlicheUnterdrückungder „Boxers" binnen zwei Monaten fordert, widrigenfalls die beteiligten Mächte Truppen landen und fie nach dem Innern von Schantung und Tschili senden würden zum Schutz der dortigen Fremden. Aus Parks. Man ist augenblicklich im Generalkommissariat der Ausstellung mit den die Ernennung der Auszeichnungs-Jury betreffenden Fragen be schäftigt. Dabei geht man von dem Bestreben aus, die Veröffentlichung der Belohnungen möglichst zu beschleunigen, damit die Aussteller noch in ihren Auslagen derselben Erwähnung thun können. Daher sollen die Jurymitglieder sogleich nach Eröffnung der Ausstellung in Funktion treten; anderseits sollen sie aber erst im letzten Augenblick ernannt werden, um vor zubeugen, daß fie von allen Seiten von den Interessierten bestürmt werden. Wie im Jahre 1889 wird es Klassen- und Gruppenjurys und ferner eine Oberjury geben. Die Gesamtzahl der Jurymitglieder wird nach dem allgemeinen Reglement den sechzigsten Teil der Zahl der Aussteller betragen; indessen ist es keineswegs ausgeschlossen, daß angesichts der Zahl der Be werbungen dieses Verhältnis weit überschritten wird. Die französischen Jurymitglieder werden aus den großen Staatskörperschaften, den Akademien, den großen Verwaltungen und zum größten Teil aus- den Personen gewählt wer den, die als Aussteller oder Jurymitglieder hohe Belohnungen bei den Ausstellungen von Paris, London, Wien, Chicago rc. erhalten haben. Die auswärtigen Jurymitglieder werden von den einzelnen Kommissaren ihrer be treffenden Länder ernannt werden. Anfangs hatte man daran gedacht, das allgemeine Ab stimmungsrecht für die französische Sektion in Anwendung zu bringen. Man hat aber darauf wegen der Unzuträglichkeiten, die hierbei unver meidlich wären, verzichtet. Man wird fich darauf beschränken, von den Ausstellern eine Liste von Kandidaten aufstellen zu lassen, aus der die Administration dann die Jurymitglieder ernennen wird; natürlich bleibt die letzte Ent- scheidung dem Handelsminister Vorbehalten. Die Jurys wählen selbst ihre Vorstände, die aus je einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, einem Berichterstatter und einem Sekretär be stehen werden. Präsident und Vizepräsident müssen verschiedener Nationalität sein, einer Französe und einer Ausländer. Uon Uah und Fern. Berlin. Ein Sohn Osman Paschas, des verstorbenen türkischen Marschalls, ist als Leut nant dem zweiten Garde-Regiment zu Fuß in Berlin zur Dienstleistung attachicrt. Der junge Offizier war selbst erkrankt und lag im Ber liner Garnisonlazarett. Vor wenigen Tagen aber hat er das Krankenlager verlassen können und ist nach Konstantinopel abgereist, um seinem Vater das letzte Geleit zu geben. Leipzig. Bei einem Brande in einer Celluloid- fabrik, der rasend schnell um fich griff, kamen acht Personen ums Leben, darunter der Buch druckereibesitzer Barth mit seinen beiden Söhnen. Die Annahme, daß noch drei vermißte Personen den Tod in den Flammen gefunden, hat fich glücklicherweise nicht bestätigt. Die Ent stehung des Brandes ist, wie nunmehr feststeht, auf die Explosion einer Petroleumlampe im Keller der Fabrik zurkckzuführen; Brandstiftung ist ausgeschlossen. München. Die hiesige Staatsanwaltschaft erließ auf Veranlassung des Fürsten von Bulgarien einen Steckbrief hinter dem bayrischen Staatsangehörigen Eugen v. Pfannenstiel, wela.er früher Attache des Geheimkabinetts des Fürsten war. Pfannenstiel hatte voriges Jahr, als er auf Urlaub in Wien war, eine Liebschaft mit der Chansonnette Liane angeknüpft, von der bulgarischen Gesandtschaft in Wien 6000 Frank herausgeschwindelt und war dann mit Liane geflüchtet. Posen. Infolge einer Uebereinkunst der deutschen Parteien siegten bei den hiesigen Stadtverordneten-Ergäuzungswahlendiedeutschen Kandidaten. Die Versammlung enthält jetzt 49 deutsche und 11 polnische Stadtverordnete. Dresden. Seit vergangenem Dienstag ist der Restaurateur Johannes Boden von hier spurlos verschwunden. Boden hat erst vor unge fähr drei Wochen das auf das komfortabelste ausgestattete „Restaurant zum Reichsbanner", ehemalige Akademische Bierhallen, auf der Ge wandhausstraße eröffnet, nachdem er vor einiger Zeit sein Grundstück „Stadt Pilsen" auf der Weißegasse 3 zu einem ziemlich hohen Preise verkauft hatte. Boden ist vielfacher Hausbesitzer und galt allgemein als vermögender Mann. Allem Anschein nach dürften aber doch pekuniäre Verlegenheiten den Betreffenden zur Flucht be wogen haben. Leider sollen hierdurch viele Handwerker arg betroffen werden, da die meisten von ihnen noch wenig oder gar nichts von den gelieferten Arbeiten und Materialien bezahlt be kommen haben. Ebenso ergeht es verschiedenen Lieferanten. Eine Brauerei soll mit einer ziem lich hohen Summe, man spricht von 90 000 Mk. bei diesem Reinfall beteiligt sein. Es wird, wie die ,Dresd. Nachr.' mitteilen, angenommen, daß fich Boden, der in Begleitung seiner Fran verschwunden ist, nach der Schweiz gewendet hat. Vor seiner Abreise soll er noch die sämt lichen Mieten in seinen Häusern kasfiert, dagegen aber vergessen haben, seine Hypothekenzinsen zu begleichen. Das Mobiliar in dem neuen Restaurant ist von den Gläubigem gepfändet worden. Bon». Am Sonntag abend wurde zwischen Roisdorf und Bonn eine junge Dame aus Alster von einem Personenzug überfahren und getötet. Elberfeld. Auf dem Bahnhof Vohwinkel wurden am Sonntag abend dem Asphaltarbeiter Gerner aus Köln beide Beine und ein Arm ab gefahren. Der Verunglückte ist im Elberfelder Krankenhaus an Verblutung gestorben. Sagan. Der Strafgefangene Förster Wajand schlug auf dem Transport nach dem Bahnhof seinen Transporteur nieder; dem Ver brecher gelang, trotzdem er durch Schließen an den Händen stark gefesselt war, doch die Flucht. Mehlsack. Der gräßliche Selbstmord eines Kindes wird aus Lilienthal gemeldet. Die älteste Tochter des Eigenkätners D., eine Schülerin von zwölf Jahren, wurde von ihrer Mutter mit durchschnittenem Hinterhalse, in der Scheune liegend, aber noch lebend aufgefunden. Nach dem eigenen Geständnis wollte das Mädchen freiwillig in den Tod gehen, weshalb es sich die große klaffende Wunde mit einem Häcksel« messer selbst beigebracht hatte. Furcht vor Strafe und verletztes Ehrgefühl sollen die Veranlassung zu der traurigen That gewesen sein. Das Kind hatte fich nämlich von dem Handschuh einer Mitschülerin etwas Wolle angeeignet und wurde hierfür vom Vater mit Strafe bedroht, eS sollte aber erst den betreffenden Sandschnh wieder in den früheren Zustand versetzen. Hierüber von den Mitschülerinnen gehänselt, kam das Mädchen mittags traurig zum Essen und wurde bald darauf in dem vorerwähnten Zustande ausge funden und sofort nach der Wohnung gebracht. Hier verschied die Unglückliche, nachdem fie kurz zuvor ihre Eltern um Verzeihung gebeten hatte. Dir Tochter des Grubenbesitzer». 12) Ronian von Zos von Reuß. (N'Nketznng.) »Bist schon angenommen?' „Gestern schon, auf Johannis k" „Glaube ge n, daß fie dich nicht fortgeschickt haben," sagte der Vater mit Stolz. „Sonder bar, wie der Hase läuft! . . . Und dein Erb teil, ich meine dein mütterliches, das auf dem Klaushof eingetragen ist?" „Es mag ruhig stehen bleiben, gegen kleine Zinsen, damit mein Stiefbruder hier alles ordentlich in Schick halten kann. Weiß Gott, wie gem ich selbst auf dem Klaushof gewirtschaftet hätte, wenn ... Die Mitgift de: Rothaarigen macht den Hof schuldenfrei, vielleicht bleibt sogar noch etwas übrig. Du brauchst dann gar nichts 'raus zu rücken, Vater!" Der alte Jochen war der Auseinandersetzung des Sohnes gefolgt, nicht ohne Mühe, aber mit Erfolg. Wenn er auch nicht den Verstand und die Kenntnisse deS Lieblingssohnes besaß, ver halfen ihm doch Geiz und Habsucht zu schnellem Verständnis. Er nickte, maulfaul, aber befriedigt. Der Sohn aber blickte über den wohlauf geräumten, mit Eichen und Roßkastanien be pflanzten Hofplatz hinweg, bis hinüber zur Heide, die als stumpfwinkliges Dreieck zwischen Süntel, Warfinghausen und der „Irene" hingeschoben war. Rings um den ziemlich inmitten der Heide gelegenen Klaushof lagen die im guten Kultur- zuftande befindlichen Ländereien desselben. Diese Bequemlichkeit der Wirtschaft war nur einer der vielen Vorzüge der großen einstelligen Bauernhöfe; jetzt, wo Steffen Klaus entschlossen war, das Erbe seiner Väter zu verlassen, er schien ihm selbst die Einsamkeit als Vorzug. Dennoch drängte es ihn weg von hier . . . . Wie Blutadern schlang fich die Liebe zu Gesina Weinert durch sein ganzes Sein. Er war ent schlossen, fie Herauszureißen, aber er mußte fürchten, an der Wunde zu verbluten. An die Stelle der Liebeshoffnung war die Unmhe, ja die Verzweiflung getreten! „Meiner Six, was ist's nur?" dachte Hansen Maier, der lahme Schneider, als er andern Tags auf dem Klaushof zum Hosenflickrn droben auf stier großen Tischplatte am epheuumrankten Schiebfenster saß. „Der Junge flötet keinen Ton mehr und macht keinen Spaß nicht, wie sonst immer, wenn der Alte nicht fluchte und wetterte. Die Knechte in den Ställen halten fich auch mucksmäuschenstill! — Keine Verliebtheft mehr! Was ist's nur? Wer hat unsereinem das Geschäft verdorben?" Die Haushälterin, eine reputierliche Wüwe, die der Schneider und Heiratsvermittler aus- fragte, wußte nicht viel zu sagen, so gern sie sonst ihren Schnack machte, und fich aufs Lügen verstand. Sie wußte anscheinend auch nicht, was fie aus den Dingen, ringsum fich, machen sollte. Ebenso die Stallmagd. Gerd Pieper aber war als Schäfer draußen auf der Heide. Der alte Klaus Jochen hatte ihm natür lich die Wahl gelassen, entweder die Heids -mucken draußen zu hüten, mit Polly, oder ein leichtes Gespann als Kleinknecht zu Wren, ohne. Polly. Denn unglücklicherweise war schon ein Hofhund, Nero, auf dem Klaushof vorhanden. Die Zärtlichkeit für Polly hatte auch jetzt wieder den Sieg davon getragen, wie fast immer, wenn Liebe und Ehrgeiz in der Brust streiten. Ob gleich Gerd stets danach gestrebt hatte, ein Fuhr mann zu werden, war er mü den Schnucken nach der Heide hinausgezogen, wenigstens bis zu einer Hundevakanz .... Daß es ihm aber sonst gut auf dem Klaushof erging, und ihm die hageldicke Buchweizengrütze und der handhohe Speck gefielen, zeigte das rote Pfann- kuchengeficht, das ordentlich fettglänzend und strahlend aussah Just, als ob's niemals anders gewesen wäre in der Welt, nahm der Lüttge nach seiner Heimkehr seinen Platz in Ge sellschaft des allen und jungen Bauern, und in mitten des Gesindes ein, draußen auf der großen Diele, wo ein nie erlöschendes Torffeuer brannte. Auch Hansen Meier turnte trotz seines lahmen Beines sehr geschickt von seinem Throne herab, um an dem „Abendschnack" teilzunehmen. Not wendigerweise mußte er die Wahrheit erfahren. Darum begann er sehr fein von Hochzeiten und Kindtaufen zu erzählen, wie es besser sei, im Souimer zu heiraten, und wie er fich schon einen neuen Hut zur nächsten großen Hochzeit gekauft habe, und dazu blinzelte er immer nach dem jungen Bauer hinüber. Aber er hatte kein Glück mehr. Jochen Klaus machte ein Abendschläfchen, und Steffen las das Kreisblatt. Die Knechte aber begannen das „Verteilen" und das „Lägen", wie es zu zu einem ordentlichen Abendschnack mit kreuz lahmen Gliedern gehörte. Selbst der Lüttge blieb nicht zurück. „Was ist das: oben spitz und unten breit, durch und durch voll Süßigkeit?" gab der Ober knecht als Rätselnuß zum besten. Er war erst Ostern auf dem Klaushof in Dienst getreten, nachdem er direkt aus einer neumodischen Wirt schaft mü „studiertem Dünger und Zuckerrüben" gekommen war. Aber auch auf dem Klaushof gab es kluge Leute, so war die Lösung bald gefunden. Nur Gerd zerbrach fich noch den Dickkopf — so sehr, daß es ihm sogar entging, daß der Ochsenknecht die Nuß bereits geknackt hatte. „Ein Haufen Meß!" (Dünger) platzte er los, als ihm ein Geisteslicht aufgegangen war. „Schafskopf, der Zuckerhut ist's," klang es ihm höhnend entgegen und schien Gefahr vor handen, daß der Lüttge seinen Kredit verlor. „Was wollt ihr? Hat der Gardist nicht auch recht?" schlug fich Hansen Maier als Ehrenretter ins Mittel. „Kann man nicht mit einem Deckel zwei Töpfe zudecken? Ihr seid die Dummköpfe . . .!" Dann stand er aus, um fich auf den Rückweg zu begeben, zu dem er mit seinem lahmen Bein mehr Zeit als andere Leute gebrauchte. Der schönste Kuppel pelz schien wirklich in den Brunnen gefallen zu sein, und damit die eigene Freierei dazu. Trotz dem sollte Grete Denkens Bruder auf de« Klaushof nicht sein Ansehen verlieren. 14. An sämtlichen Grubengebäuden der Zeche be fand fich folgender Anschlag: „An die Arbeiter der Kohlengrube „Irene"!, Es wird hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß sämtliche Arbeiter, welche auf
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)