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Allgemeiner Anzeiger : 21.03.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190003211
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19000321
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-21
-
Monat
1900-03
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.03.1900
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Politische Rundschau. Vom Kriegsschauplatz. * In Südafrika holen nach den letzten großen Ereignissen Freund und Feind Atem. Die Boeren bereiten sich inzwischen vor, die Zugänge zu Transvaal, die von Natur schon schwierig find, noch zu befestigen. Die Anzeichen dafür mehren sich, daß die Boeren in ihrem Ver zweiflungskampfe entschlossen find, die G o l d- stadtJohannesburg lieber vom Erdboden zu vertilgen, als sie dem Feinde preiszu- geben. Die Ingenieure der Bergbau-Abteilung der Transvaal-Regierung arbeiteten an einem Plane der Zerstörung der Goldberg werke mittels Dynamits. *Die Friedensverhandlungen müssen vorläufig als gescheitert gelten. Die .Times' schreiben protzig und man darf an nehmen, daß sie die Anschauungen englischer Regierungskreise vertreten. „Unbedingte Unterwerfung verkörpert die einzigen Be dingungen, die vernünftigen Ausblick auf die künftige Ruhe Südafrikas gewähren. Falls die Herren Krüger und Steijn gewillt find, sich in diese Bedingungen zu schicken, haben sie das einfach mitzuteilen und die Waffen nieder- zulegen." * General Roberts hat eine wichtige Aende- mng in den Plänen des Generals Buller herbeigeführt. General Warren, dessen Division sich bereits eingeschifft hatte, um nach Kapstadt abzugehen, ist Mittwoch zur Front zurückgekehrt. Seine Truppen wurden zurück beordert, schifften sich infolgedessen wieder aus und sind nun im Begriff, sich mit Bullers Truppen wieder zu vereinigen zugleich mit 1000 Mann Verstärkung, die von Kapstadt gekommen waren. * Einen zweiten Vorstoß gegen den Oranje. Freistaat hat Lord Methuen von Kimberley auS unternommen. Von dort entsandte Truppen haben den etwa 40 Kilo meter nordöstlich im Oranje-Freistaat gelegenen Ort Boshof besetzt und dort eine bedeutende Menge Waffen und Munition erbeutet. * In der Kapkolonie haben die Auf ständischen Josbnrg besetzt und sich von VanwykSvlei zurückgezogen, nachdem fie alle brauchbaren Maultiere und Pferde requiriert hatten. * * * Deutschland. * Der Kaiser besichtigte am Freitag vor mittag in Begleitung des Prinzen Heinrich den Kreuzer „Deutschland", woselbst ein photo graphisches Gruppenbild ausgenommen wurde. Am Nachmittag trat der Monarch die Rückreise nach Berlin an; die Ankunft erfolgte abends 8 Uhr. *Der jüngste Sohn des Prinzen Heinrich hat in der Taufe am Donnerstag die Namen Heinrich Viktor Ludwig Friedrich erhalten. * Der Oberpräfident von Pommern, der frühere Staatsminister v. Puttkamer, ist am 15. d. in Karzin gestorben. Er ist nahezu 72 Jahre alt geworden und vertrat stets die Grundsätze des altpreußischen Konservativismus, 1879 wurde er als Nachfolger Falks preußischer Kultusminister (1880 Einführung der Putt- kamerschen Rechtschreibung) und übernahm 1881 das Ministerium des Innern. Kurz nach dem Regierungsantritt Kaiser Friedrichs wurde er seines Amtes enthoben. Der jetzige Kaiser er nannte ihn drei Jahre später zum Oberpräsi- denten von Pommern. *Jn Apia, der Hauptstadt der Samoa- Inseln, ist am 1. März feierlich und in Gegenwart der beiden Häuptlinge Mataaffa nutz Tamasese die deutsche Flagge gehißt worden. Damit hat das Reich den Besitz der Inseln auch derForm nach angetreten. Dr. Solf ist de GouVerneur von Samoa. DaS Obe: ericht, der Gemeinderat, die Gemeindeämter und die Konsulargerichte haben zu bestehen aufgehört. Dir Eingeborenen verhalten sich sämtlich ruhig. *Ob und wann eine Reichsanleihe begeben werden soll, war in der Budgetkom- Mission am Donnerstag Gegenstand einer An frage seitens des Abg. Richter. Derselbe er- ack teie eine Klärung darüber um so notwendiger, als anscheinend die Erwartung einer neuen Reichsanleihe zu dem Kursrückgang der Konsols beitrage. Der Reichsschatzsekretär erklärte, daß jedenfalls vor dem Sommer eine Neichs- anleihe nicht zur Begebung gelangen werde. Ob alsdann die Begebung einer Reichsanleihe erforderlich sein werde, lasse sich gegenwärtig noch nicht übersehen. * Eine Reichstagskommisfion hat soeben einen liberalen Antrag auf Errichtung eines Reichs- arbeitsamts angenommen, ferner den Be schluß gefaßt, die Negierungen zu ersuchen, für eine Vertretung der Arbeiterschaft, sei es im Anschluß an die Gewerbegerichte oder sonstwie zu sorgen, damit die Arbeiter in den Stand gesetzt werden, mit den Unternehmem und der Regierung durch Standesgenossen, die ihr Vertrauen besitzen, zu verhandeln und ihre eigenen Angelegenheiten zu wahren. Die Kanalvorlage, die in den letzten Wochen ins Hintertreffen gekommen ist, wird demnächst wieder das allgemeine Interesse auf sich lenken. Wie nach einer Korrespondenz ver lautet, wird die neue Vorlage, deren Gesamt kostenvoranschlag sich auf 420 Mill. Mk. be ziffert, schon in den nächsten Tagen dem Preuß. Abgeordnetenhause zugehen. Da die baldige Fertigstellung des Großschiffahrts weges Berlin-Stettin eine Lebens frage der ersten Hafenstadt Preußens bildet, sei die F age erwogen worden, ob es sich empfehle, den Bau dieses Wasserweges getrennt von der Gesamtvorlage zu behandeln. Oesterreich-klttgarn. * Der sozialpolitische Ausschuß des Wiener Abgeordnetenhauses nahm nach längerer Debatte den Gesetzentwurf eines Unterausschusses an, welcher als normale Arbeitszeit für die Arbeiter unter Tage höchstens neun Stunden, einschließlich der Ein- und Aus fahrt, festsetzt. Der Normal-Arbeitstag soll am 1. Januar 1901 in Kraft treten, in besonders zu berücksichtigenden Fällen erst am 1. Januar 1902. In dringenden Ausnahmefällen sollen Ueberstunden zulässig sein. Die Ent scheidung hierüber steht einer zuständigen Kom mission zu, welche aus Vertretern der Staats behörde, der Bergbau-Unternehmer und der Arbeiter besteht. Krankreich. * Präsident Loubet weihte am Donnerstag ein Greisen-Hospiz in Jssy ein. In der Eröffnungsrede hob der Präsident lobend das Gefühl der Zusammengehörigkeit hervor, welches in Frankreich so viele Werke erstehen ließ, auf die man mit Recht stolz sein könne. Seit mehr als 25 Jahren bemühe sich die Republik, die soziale Verbrüderung durch eine Reihe von Gesetzen zu verwirklichen, die fortschreitend vervollständigt werden müsse. Der soziale Friede werde endgiltig erreicht werden, wenn alle Bürger in aufrichtiger Einigkeit für das Wohl und den Fortschritt der Menschheit bestrebt seien. (Schöne Redensarten!) England. * Das Unterhaus hat die dritte Lesung der Kriegsanleihe-Bill mit 172 gegen 23 Stimmen angenommen. Amerika. * AlS Gegenmaßregel gegen das Fleisch- einfuhrverbot hat nach der „Köln. Ztg." das Staatsdepartement in Washington beschlossen, dem Kongreß eine Vorlage zu machen, durch die die Regierung ermächtigt wird, die Schiffe derjenigen Staaten, die gegen Amerika eine wirtschaftlich unfreundliche Stel lung einnehmen, mit einer Zusatztaxe zu belegen. Dieser Beschluß ist auf der Annahme begründet, daß die Bestimmungen der deutschen Fleischschau-Kommisfion ganz oder teilweise Ge setz werden könnten. *Die monarchistische Verschwö rung in Brasilien scheint ernster und ge fährlicher zu sein, als die offiziellen Mitteilungen der Republik fie hinstellen. Die Verschwörung hat sich des wichtigsten Faktors, /es Heeres, bemächtigt. Die Regierung teilt den Gouver neuren durch Zirkular mit, daß eine monarchistische Verschwörung unter den Offizieren des Heeres entdeckt worden sei. Die Verschwörer hätten be absichtigt, die Regierung zu stürmen und dann eine Volksabstimmung herbeizuführcn. (Die Miß wirtschaft der republikanischen Cliquen hat im Volke und besonders im Heere den monarchischen Gedanken zu neuem Aufleben entfacht.) Men. * Die Reformpartei inChina ist in der letzten Zeit so stark angewachsen, daß darob in Peking große Bestürzung herrscht. Wie aus Hongkong berichtet wird, haben die sremden- feindlichen Maßnahmen der Kaiserin-Witwe, die zuletzt in dem Verbot, Handel mit den Aus ländern zu treiben, gipfelten, jetzt auch die chine sischen Handelskreise in das Lager der Opposition getrieben. Der Leiter der Reformoewegung, Kang-Au-Wei, ist unermüdlich an der Arbeit und soll sich erboten haben, 40 000 Mann ins Feld zu stellen, wenn der günstige Moment ge kommen ist, um die Kaiserin-Witwe zu stürzen. Die Kaiserin-Witwe hat einen Appell an die Soldaten und Offiziere erlassen, in dem sie die selben auffordert, ihrer Pflicht gegen den Thron treu zu bleiben. Dir Zahl der Verhaftungen nimmt täglich zu. Ans dem Reichstage. Der Kampf um die Isr Heinze wurde am Donnerstag noch nicht beendet; er führte an diesem Tage zu Tumultszenen, wie sie das deutsche Parla ment bisher noch nicht erlebt hat und schloß mit der durch Obstruktion der Linken herbeigeführten Beschluß- unfähigkeit. Die Sozialdemokratie führte v. Vollmar ins Feld, um die sog. Theaterparagraphcn zu be kämpfen Ihm sekundierten Dr. Müller-Meiningen (fr. Vp.) und Dr. Deinhardt (na t.-lib.), während Gröber (Zentr.), Stockmann (frcikons.) und Lieber mann v. Sonnenberg (Antis.) den Standpunkt der durch Kompromiß ergänzten Vorlage vertraten. Nach dem die Rechtsparteien einen Schlußantrag einge- bracht, wurde von der linken Seite zum dritten Mal ein Vertagungsantrag gestellt. Bei der Abstimmung darüber zeigte sich die Beschlußunfähigkcit des Hauses, so daß die Beratung vertagt werden mutzte. Die dritte Beratung der sogenannten lsx Heinze wird am Freitag fortgesetzt. ES liegt sogleich wieder ein Schlußantrag von feiten der Abgg. Graf Hompesch (Zentr.) und Genossen vor. Abg. Singer (soz.) beantragt namentliche Ab- stlmmu'ng über diesen Schlutzantrag. Dieser Antrag Singer stufet ausreichende Unter stützung, da außer den Sozialdemokraten auch die sämtlichen Freisinnigen für denselben stimmen. Der Schlußantrag wird mit 196 gegen 92 Stimmen angenommen. — Gegen denselben stimmen außer den Freisinnigen und Sozialdemokraten auch die Polen, der Antisemit Bindewald und der Däne Johannsen. — Zur Geschäftsordnung erklären die Abgg. Schönlank und Thiele- Halle (soz.) Träger und Bargmann (srs. Vp.), daß ihnen durch den Schluß der Debatte das Wort abgeschnitten worden sei. Abg. Bindewald (Antis.) schließt sich dieser Konstatierung an und bedauert besonders, daß es ihm, als dem einzigen in den Reichstag gewählten Künstler, unmöglich gemacht worden sei, seinen von der Mehr heit auf der Rechten durchaus abweichenden Stand punkt darzulegen. Abg. Dr. Oertel-Sachsen (kons.) bemerkt, auch ihm sei das Wort abgeschnitten worden, er schließe sich aber dem Vorredner nicht an, habe auch den Abg. Schönlank nicht beauftragt, in seinem Namen mitzusprechen. Es folgen persönliche Bemerkungen, in denen die Redner verschiedentlich ans die sachliche Diskussion znrückgreifen, sodaß sie vom Präsidenten wiederholt daran erinnert werden müssen, daß das in persönlichen Bemerkungen unzulässig ist. In der Abstimmung wird zunächst 8 18 mit großer Mehrheit in der Fassung der Kompromitz- antröge Graf Bernstorff u. Gen. angenommen. Ebenso 8 184 a in einfacher Abstimmung. Es lag zwar ein Antrag Fischbeck u. Gen. (frs. Bp.) auf namentliche Abstimmung zu dem 8 184» vor; dieser Antrag wird aber vom Präsidenten dadurch hinfällig gemacht, daß er zunächst den Kompromiß- antrag zur Abstimmung bringt und nach besten An nahme erklärt, damit sei der 8 184 s der Beschlüsse der zweiten Lesung erledigt, mithin auch der Antrag Fischbeck hinfällig. Um bei 8 184 b das gleiche Schicksal zu vermeiden, beantragt hier Abg. Singer (soz.) die namentliche Abstim mung nicht nur über den 8 184b selbst, sondern auch über alle dazu vorliegenden Anträge. In der namentlichen Abstimmung wird darauf der Kompromißantrag Gras Bernstorff und Genoß« mit 166 gegen 124 Stimmen angenommen. Es folgt die Beratung des 8184o, welcher lautet: Mit Geldstrafe bis zu 300 Mk. oder Gefängnis bis zu sechs Monaten wird bestraft, wer auS Ge.lchts- verhandlungen, für welche wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Oeffentlichkeit ausgeschlossen «ar, oder aus den diesen Verhandlungen zu Grunde Le genden amtlichen Schriftstücken öffentlich Mittei lungen macht, welche geeignet sind, Aergernis zu er regen. Abg. Stadthaagen (soz.) wird von dem Hause mit lauten Rufen des Unwillens begrüßt. Während er mit einem dicken Paket Material, die Rednertribüne besteigt, verlassen die Mitglieder fast sämtlich den Saal. Der Anfang der Ausführung des Redners geht in dem Lärm vollkommen verloren, dann führt derselbe Beispiele an um zu zeigen, wie gefährlich eine solche Bestimmung werden könne. Er bitte deshalb uni Ablehnung dieses Paragraphen, wie auch des ganzen Gesetzes. Abg. Heine (soz.) bittet vor allem aus dem Grunde um Ablehnung des Paragraphen, weil eS ganz in das Ermessen des Richters oder Gerichts hofes gelegt sei, wenn die Oeffentlichkeit ausge schlossen werden solle. Geheimrat v. Lenthe verweist daraus, daß e- fich bei dieser Bestimmung gar nicht um eine Neue rung handle, sondern daß eine inhaltlich gleiche Vor schrift bereits seit 1880 bestehe. Darauf wir die Diskussion gegen die Stimmen der Freisinnigen, einer Anzahl Nationalliberalcn und der Sozialdemokraten geschlossen. In namentlicher Abstimmung wird darauf 8 184 o mit 196 gegen 73 Stimmen angenommen. Zur Beratung steht nunmehr ein Antrag de» Abg. Heine (soz.), hinter 184 o einen neue« 8 184 6 einzufügen, der ausspricht, daß die Bestim mungen der 88 184, 184 a und 184 d keine An wendung auf künstlerische Produktionen und Dar stellungen finden sollen. Abg. Gröber (Zentr.) hält diesen Antrag nicht für zulässig, da er eine bereits behandelte und somit feststehende Materie betreffe. Abg. Singer (soz.) bestreitet das. Sollte jedoch das Haus den Anschauungen des Abg. Gröber beitreten, so bringe er, damit dies rechtzeitig erfolge, hiermit den weiteren Antrag ein: in einem neuen Anträge 184s auszusprcchen, daß die 88 184, 184» und 184b erst am 1. Januar 1920 in Kraft tret« sollen. Abg. Richter hält beide Anträge sür gcschäslS- ordnungsmäßig zulässig. Auch beim Zolltarif sei bezüglich des Flachszolles eine besondere Frist bestimmung erst in dritter Lesung eingesügt worden. Abg. Singer beantragt namentliche Abstimmung über die Frage, ob der Antrag zulässig ist «der nicht. Abg. Richter findet cS sonderbar, daß die Mehrheit von der Minderheit verlange, daß fie ihr behilflich sei zur beschleunigten Verabschiedung de» Gesetzes in einer Zeit, in der keineswegs der Sessionsschluß zu befürchten sei. Das Zentrum selbst habe ja oft genug von den Mitteln Gebrauch gemacht. Abg. Graf Limburg- Stirum (kons.) tritt d« , Ausführungen des Abg. Gröber bei. , Abg. Singer bestreitet nochmals, daß der An trag gegen die Geschäftsordnung verstoße. Hier handle eS sich in jedem Falle um einen rechtzeitig eingebrachten Antrag. Präs. Graf Ballestrem stellt fest, daß gestern neun Redner gesprochen haben, davon sei« fünf Gegner und nur vier Freunde des Gesetzes. Von einer Beschränkung der Redefreiheit könne als« keine Rede sein. Abg. Richter findet es sonderbar, daß ««p« einer Anzahl von Herr«, die nur selten anwesend sei n, und die heute abend abreisen wollen, dies« wichtige Vorlage überstürzt werden solle. Abg. Gröber stellt fest, daß er keine Be schränkung der Redefreiheit beabsichtige. Es soll« nur verhütet werden, daß eine geschloffene Diskusflon wieder ausgenommen werde. In namentlicher Abstimmung entscheidet d«S Haus darauf mit 155 gegen 105 Stimmen, daß der Antrag Heine (8 1846) geschäftSordnungSmäßig un zulässig sei. Auf Vorschlag des Präsidenten Grafen Ballestra» wird hierauf die Weiterberatung vertagt. r>r»«ytlch«r Aandtaa Am Donnerstag wurden im Abgeordnetenhaus« bei Weiterberatung de» KuvuSetatS die Kapitel „Medizinal." und „Bauwesen" erörtert. In einer Abmdfltzung stand da» Kapitel „Technische Hoch schul«" zur Verhandlung, Im Abgeordnetenhaus stand am Freitag in Weiterberatung des KultuSrtats das Kapitel „Wasserbauverwaltung' aus der Tagesordnung. Dabei wurde auch die „Kanalfrage' gestreift ui» Minister Thielen erklärte, „die Lage der Kanald«r- lage' sei eine durchaus günstige; fie werde jedoch erst in einiger Zeit dem Hause zugehen. Die Tochter des Grubendrfthrr». Lj Roman von Z « « von Reuß. (F-Etzunal „Bleibt mein guter Nachbar/ bat Greten, .getreue Nachbam und desgleichen gehören zu den guten Dingen, die in der Bibel stehen." „Nein! Nun, ja doch — meinetwegen," §ab Hansen letzten Bescheid. „'S bleibt aber doch so wie's ist, ein steifes Wesen." Die junge Frau stand gegen ihre Gewohn heit noch eine Weile nachdenklich still, dann löschte fie die Lampe auS und begab sich zur Ruhe. Zu jeder Sette lag eins der Kleinen. 5. Fräulein Irene war einer Einladung der jungen Baronin gefolgt und auf einige Tage nach Lüttringhausen gegangen. Der Kommer zienrat hatte diesmal dem kleinen Reiseplan schnell zugestimmt. Augenscheinlich war ihm die Leutnantskourmacherei nicht nach Sinne. „Leugne nur nicht, daß du den Vetter Leutnant gem als Schwiegersohn sehen würdest l" hatte er eines TageS lächelnd zu der Gattin gesagt, als er Koufin und Koufine bei einander sehr vergnüglich in der Laube fitzen sah. „Nun, Lebe Elisabeth?" „Allerdings!" „Wahrhaftig, der Sohn des Mars läßt sich schon als Ga nwinde gebrauchen!" setzte er fast erschrocken hinzu, als Irene eine Strähne buntes Wollgarn zwischeu den auSgespannten Armen von Vetter Wolf abwickelte. Herkules am Spinnrocken." „Wäre eS dir so unerwünscht, wenn die beiden ein Paar würden?" forschte die Kommerzien- rätin. „Unerwünscht jedenfalls. Schon die nahe Verwandtschaft —" „Ist das der Gmnd? Allein?" „Wenigstens ein Hauptgrund. Wenn es auch noch keineswegs feststeht, daß die Nach kommenschaft aus Verwandtenehen degenerieren muß, so bleibt doch immerhin solche Besorgnis! Und dann braucht Irene einen andem, festem, ganzen Mann. Sie würde nicht zu voller Ent wickelung kommen an seiner Seite, es sei denn durch Schicksalsschläge, vor denen man fie doch bewahrt sehen möchte. Ich ahne, daß es ein Lieblingswunsch von dir ist, daß deine Tochter deinen einstigen Namen trägt," schloß der Gatte mit eigentümlichem Lächeln. „Schlag es dir aus dem Sinn, Elisabeth, um deines Kindts willen..." „Du irrst! Ich bin überzeugt, daß Irene an Wolfs Seite sehr glücklich sein würde," meinte die Gattin verletzt. „Seine Stellung, sein Adel, seine Liebenswürdigkeit würden ihr den Weg ebnen!" „In die Welt, in die Gesellschaft — aller dings. Ob aber damit zum Glück! .... Da wir indessen unser liebes Kind niemals zur Wahl eines Gatten bestimmen werden, müssen wir die Sache der Zukunft anheimgeben," schloß der Kommerzienrat klug die Unterredung. „Irene mag ihre Wahl selbst treffen!".... Und bald darauf war J ene nach Lüttringhausen gegangen. Der Aufenthalt daselbst bot mancherlei An nehmlichkeit. Baron Lüttringhausen verstand es vortrefflich, der liebenswürdige Wirt seines komfortablen Hauses zu sein, und in seiner Gattin hatte Irene von Anfang an einen an genehmen Umgang gefunden. Aber daS junge Mädchen war klarblickend genug, um bald mancherlei zu bemerken, was ihr mißfiel. Die Ehe der beiden schien mehr aus Leidenschaft als auS inniger Zuneigung der Herzen ge schlossen zu sein. Der Baron entsprach bei näherer Bekanntschaft nicht dem Bilde, welches die junge Erbin im Herzen getragen hatte, und das Gefühl, sich getäuscht zu haben, nach langer Wahl, machte die junge Frau bitter, schroff und herb. Dazu waren die Neigungen des Barons sehr kostspieliger Natur, und drohten in wirkliche Verschwendung auszuarten. Um sich die Mittel zu einem opulenten Leben zu verschaffen, hatte er sich bei verschiedenen industriellen Unter nehmungen der Umgegend beteiligt — leider ohne ausreichende Urteilsfähigkeit über deren Rentabilität zu besitzen. Sein hauptsächlichstes Sweben ging aber dahin, aus dem väterlichen Erbe gleichfalls die schwarzen Diamanten zu finden, wie mancher seiner Nachbam. Leider hatten aber die kostspieligsten und umständlichsten Nachforschungen bis jetzt nur ein negatives Resultat ergeben. Unter solchen Umständen war es nur natürlich, daß Irene die Rückkehr ins Elternhaus nicht über die anfangs bestimmte Zeit hinau?schob. Das Lieblingskind des Herbstes, der Oktober war gekommen. Der Tag war von wunder barer, klarer Schönheit, so daß er der Baronin Lust machte, ihren nach Hause zurückkehrenden Gast eine Strecke Weges zu begleiten. Von der jungen Frau selbst gelenkt, rollte das leichte, elegante Fuhrwerk rasch auf der Chaussee dahin. Die Entfernung von Lüttring hausen bis Villa Irene betrug kaum zwei kurze Meilen und ward fast im Fluge zurückgelegt. Dennoch war Sonnenuntergang herbeigekommen, als man die Höhe erreicht hatte, von welcher eine vom Kommerzienrat Ullenhagen selbst an gelegte Chaussee nach seinem Etablissement hinabführte. „Ich möchte hier aussteigen und durch daS Gehölz gehen," sagte Irene, „nur ein kurzer Wiesenweg trennt es von dem Park. Auf diese Weise bin ich schon in zwanzig Minuten -u Hause. Darf ich Sie bitten anzuhalten?" Frau von Lüttringhausen wollte Einspruch erheben, da das Gepäck aber bereits am Morgen vorausgesandt war, und der Rückweg noch ziem lich weit, ließ fie den Diener absteigen und den Wagenschlag öffnen. Der Abschied war kurz» aber herzlich, Irene wählte nun einen Richtweg durch daS Gehölz, der in eine Seitenpforte des ParkeS mündete. Die Brust hob sich wie befreit, sie war glücklich, wieder zu Hause zu sein. Der Wald selbst hatte inzwischen bunteste Toilette gemacht, neben dem ewig grünen Kleid der Tanne hob sich das rötliche Laub der Buche energisch hervor, und daneben stand mit gelb gefärbtem Blätterwerk die Heidebirke. Dazu sandte die Sonne lang gezogene, feurige Strah len durch daS Dickicht uud überschttttete des Moosboden mit grüngoldigen Lichtern. Unwill kürlich blieb das junge Mädchen wie verzückt stehen, dann löste sich d^s überströmend«
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