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Allgemeiner Anzeiger : 17.03.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190003175
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19000317
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-17
-
Monat
1900-03
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.03.1900
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Politische Kundscha«. Vom Kriegsschauplatz. * Lord Salisbury hat denFried « ns- Vorschlag des bereiten Boerenpräfidenten schroff ablehnend beantwortet. Er for dert unbedingte Unterwerfung. Es taucht die Vermutung auf, Krüger habe diese schroffe Antwort erwartet und gewünscht, um seine Boeren zu neuem Kampfesmut zu ent flammen. * Die Ver. Staaten haben auf Ersuchen der Prüfidenten Krüger und Steijn der briti schen Regierung ihre Dienste als Vermittler zur Wiederherstellung des Friedens ange bot e n; das Ar erbieten wurde jedoch in ebenso herzlichen und höflichen Ausdrücken abgelehnt. *Die deutsche Regierung soll auf die Bitte der Boerenregierung um Inter vention geantwortet haben, daß sie gern bereit sein würde, bei einer Vermittelung mitzuwirken, sobald die Grundbedingung einer solchen vorhanden wäre, d. h. wenn feftgestellt sei, daß beide Gegner die Vermittelung wünschten. * Das frühere Kriegsglück der Boeren ist in das schnöde Gegenteil umgeschlagen. General French ist auf den Hügeln westlich von Bloem- fontein eingetroffen, welche die Stadt be herrschen; vermutlich ist jetzt bereits der Ort in englischen Händen, denn Roberts wird nicht ge zaudert haben, seinen Urtersührer ausgiebig zu stützen und die erreichte Stellung zu sichern. Da mit ist denn ein Ziel der englischen Politik er reicht: Neber der Hauptstadt des Oranjestaates flattert die britische Flagge, und die Rotröcke residieren im Präfidentenhause Steijns. * Roberts meldet, daß er an Krüger ein Telegramm gerichtet habe, in welchem er gegen den Mißbrauch der weißen Flagge protestiert. „Ich habe im Lager von Cronje eine große Anzahl Sprenggeschosse gefunden. Derartige Verletzungen der Kriegsgebräuche und der Genfer Konvention sind eine Schande für jede zivilisierte Macht. Ich habe meiner Regie rung eine Abschrift dieses Telegramms geschickt und sie ersucht, dasselbe allen neutralen Mächten mitzuteilen." *Daß die Räumung von Natal durch die Boeren durchaus keine vollständige war, ergibt sich aus der Lhatsache, daß neuer dings bei Pomeroy, nordöstlich von Ladysmith, gekämpft worden ist, und zwar mit einem für die Engländer ungünstigen Resultat. Eine Ab teilung berittener Kolonialtruppen hatte am S. d. bei Pomeroy einen Zusammenstoß mit den Boeren. Auf beiden Seiten wurde heftig ge feuert, aber, da die englischen Truppen ohne Artillerie den Feind nicht aus seiner Stellung zu vertreiben vermochten, zogen sie sich südlich vom Tugela zurück. *Vier deutsche Offiziere, welche sich nach Prätoria begeben wollten, find nach einem von den Londoner Blättern veröffent lichten Telegramm aus Durban vorige Woche in Lourenzo Marques von den portugiesischen Behörden angehalten und festgenommen worden, nachdem Gewehre und Munition in ihrem Gepäck entdeckt worden waren. * * * Deutscklamd. *Der Kaiser, welcher an Bord des Panzerschiffes „Kurfürst Friedrich Wilhelm" über nachtet hatte, traf am Dienstag früh in Bremer haven ein und begab sich alsdann mittels Hof zug nach Bremen. Nachdem der Monarch im Ratskeller das Frühstück eingenommen und die für die Pariser Weltausstellung bestimmten Schiffsmodelle besichtigt hatte, erfolgte die Weiterfahrt nach Kiel zur Teilnahme an den Tauffeierlichkeiteu für den jüngsten Sohn des Prinzen Heinrich. * Kaiser Wilhelm hat, wie von gut unterrichteter Seite mitgeteilt wird, dem Finanz minister v. Miquel nach seiner Genesung ein äußerst freundliches Handschreiben zugehen lassen, in dem der Monarch der Hoffnung Aus druck gab, „daß die Kräfte des hochverdienten Staatsmannes noch lange dem Staat und dem Reich erhalten bleiben mögen." Jedenfalls sei der Kaiser gewillt, allen Wünschen des Ministers die dessen völlige Wiederherstellung und Kräfti gung betreffen könnten, im vollsten Maße Rech nung zu tragen. *Der Prinz-Regent Luitpold von Bayern feierte am Montag seinen 79. Ge burtstag. * Staatssekretär Graf Bülow ist nach den Münch. N. N.' von neuem an der In fluenza erkrankt. * Der Gesetz - Entwurf über die Privatversicherungs - Unterneh mungen ist nach der.Nordd. Allg. Ztg/ nebst Begründung dem Bundesrat zugegangen. * Dem Reichstage ist durch den Reichskanzler der Wortlaut des zwischen Deutschland, Amerika und England abgeschlossenen Abkommens über die schiedsgerichtliche Regelung gewisser Scha densersatzansprüche auf Samoa zu gegangen. *Der ehemalige Reichstags- und Preuß. Landtagsabgeordnete Ludolf Parisius ist einem Herzleiden erlegen. Parisius, am 15. Oktober 1827 in Gardelegen geboren, war 1858 zum Kreisrichter in seiner Vaterstadt er nannt worden, mußte aber dieses Amt aus politischen Gründen niederlegen. Er war 1861 bis 1866 Mitglied des Preuß. Abgeordneten hauses und gehörte in den Jahren 1867—76 und 1881—87 dem deutschen Reichstage an. Oesterreich-NRMru. * Aus Wiener Kreisen wird mit Bestimmtheit gemeldet, daß die V e rl o bun g des Prinzen Maximilian von Baden mit der Prin zessin Maria Luise von Cumberland bereits erfolgt sei. "Die Lieferung von Kriegsma terial an die englische Armee, die im Ab geordnetenhause den Gegenstand einer Inter pellation bildete, gab am Montag der Minister präsident v. Körber zu, wobei er sich auf den Standpunkt stellte, daß nur der Staat in dieser Hinsicht völlige Neutralität zu wahren, auf die Geschästsgebahrung seiner Angehörigen aber keinen Einfluß zu nehmen habe. *Jn Prag kam es am Sonntag, nachdem elf Arbeiterve r sa mm l u n gen zu Gunsten der Ko^lenarbeiter demonstriert hatten, auf dem Wenzelsplatz zu einem Zusammenstoß mit der Polizei, die mit Steinen beworfen und mit Stöcken und Fäusten geschlagen wurde. Sechs Personen wurden verhaftet. Uraukreich. "Der Einkommensteuerplan des Finanzministers Caillaux sieht eine Besteuerung von Einkommen, welche aus Erwerb jeglicher Art fließen, mit 4 Prozent vor, doch sollen die untersten Sätze, beispielsweise in Paris die ersten 2500 Francs des Einkommens, steuerfrei bleiben. Als Maßstab der Abschätzung wird der Mietszins angelegt, auf dessen fünf- bis sechsfachen Betrag das Einkommen berechnet werden soll. England. "Im englischen Unterhause wurde am Montag Balfour bezüglich der Inter vention der Mächte in der Transvaal- Angelegenheit ausgesragt, er hielt aber mit seiner Antwort zurück und beschränkte sich darauf, zu erklären, dem Hause würden sehr bald Schrift stücke über diesen Gegenstand vorgelegt werden. Ueber die etwaigen Friedensbedingungeu enthielt er sich jeder Andeutung. * Die Subskription auf die englische Kriegsanleihe ist geschlossen worden, wie es heißt, ist die Anleihe zwanzigmal ge zeichnet. "Ueberdie englischenArmeeforde- rungen für das nächste Jahr gab am Montag der Parlamentssekretär Wyndham dem Unter hause Auskunft. Danach sollen die Kolonien für die Zukunft zu stärkerer militärischer Hilfe herangezogen werden. Er habe einen Voran schlag der Geldmittel zurFortführung des Krieges auf weitere sechs Monate mit voller, sowie auf ein ferneres halbes Jahr mit halber Kraft ausgestellt. Amerika. * Offizielle Washingtoner Kreise haben, wie von dort berichtet wird, die Maßregeln erörtert, i welche zu ergreifen seien, um die amerika nischen Jntressen zu wahren für den Fall, daß das dem deutschen Reichstage vorlie gende Fleis chbeschaugesetzin der gegen wärtigen Form zur Annahme gelangt. Diese Kreise beabsichtigen, gesetzgeberische Maßnahmen vorzuschlagen, durch welche erhebliche Differential abgaben auf die Schiffahrt derjenigen Länder gelegt werden sollen, welche der Einfuhr ameri kanischer Erzeugnisse unbillige Erschwerungen bereiten. Ans dem Reichstage. Der Reichstag erledigte am Montag bei sehr schwacher Besetzung zuerst einige Rechnungssachen und trat dann in die zweite Beratung des Gesetzes betr. Aenderungen im Münzwesen. Artikel 1 be stimmt, daß die goldenen Fünfmarkstücke mit einer Einlösungsfrist von einem Jahr außer Kurs gesetzt werden. Nach Artikel 4 der Regierungsvorlage soll der Gesamtbetrag an Reichssilbermünzen bis auf 14 Mk. für den Kopf der Bevölkerung unter gleich zeitiger Einziehung von Landessilbermünzen erhöht werden. Die Kommission beantragt Erhöhung bis zu 15 Mk. sür den Kopf der Bevölkerung. Abg. v. Karvorff (freikons.) kündigt an, daß er bei der Abstimmung hierüber die Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifeln werde. Die Diskussion erstreckt sich gleich zeitig über eine von der Kommission beantragte Resolution betr. vermehrte Ausprägung von Zehn markstücken. Am Dienstag beschäftigte die dritte Beratung der sog. lsx Heinze den Reichstag. Ein Kompromißantrag der Abgg. Graf Bern storff- Lauenburg u. Gen. verlangt die Streichung der in zweiter Lesung angenommenen W 182 und 182a, welche die Heraussetzung der Schutzgrcnze für Mädchen von 16 auf 18 Jahre und verschärfte Be strafung von Arbeitgebern für unsittliches Verhalten ihren weiblichen Angestellten gegenüber, ferner für die 88 184a und d folgende neue Fassung fordern: 184a: „Mit Gefängnis bis zu sechs Monat oder mit Geldstrafe bis zu 600 Mk. wird bestraft, wer Schriften, Abbildungen, Darstellungen, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen 1) zu geschäftlichen Zwecken an öffentlichen Straßen, Plätzen oder an anderen Orten, die dem öffentlichen Verkehr dienen, in Aergeris erregender Weise ausstellt oder anschlägt: 2) "einer Person unter 16 Jahren gegen Entgelt überläßt oder anbietet — 184 d: „Wer innerhalb öffentlicher Schaustellungen, Aufführungen oder Vorträgen von Gesangs- und sonstigen Unter haltungsstücken öffentlich ein Aergernis gibt durch eine Handlung, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzt, wird mit Gefängnis strafe bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark bestraft." — Nachträglich wird von den Antragstellern der Eingang § 184 b dahin ge ändert: „Wer in öffentlichen Vorträgen von Ge sangs- oder sonstigen Unterhaltungsstückcn oder innerhalb öffentlicher Schaustellungen oder Auf führungen öffentlich ein Aergernis gibt rc." Abg. Roeren (Zentr.). Man habe gegen die Beschlüsse zweiter Lesung eine heftige Protest bewegung eingeleitet, und in der Versammlung habe sich gezeigt, daß die Redner wohl viel von Knebe lung der Kunst u. s. w. zu erzählen wußten, von dem Text der vom Reichstag angenommenen Para graphen aber überhaupt gar keine Ahnung hatten. Keiner der Redner habe auch nur den geringsten Beweis dafür erbracht, daß die Kunst durch die beiden Paragraphen gefährdet sei. Von der wirk lichen Kunst sei aber bei der lox Heinze gar nicht die Rede, sondern von sogenannten Kunstprodukten der allgemeinsten und niedrigsten Sorte. Von allen den Teilnehmern würden wenige die Resolutionen mit- bcschlossen haben, wenn sie über die wahre Tendenz der Bestimmungen aufgeklärt worden wären. Abb-Bassermann (nat.-lib.) bemerkt, daß über dre Heraufsetzung der Schutzgrenze für Mädchen die Ansichten in seiner Partei geteilt seien. Er per sönlich hätte kein Bedenken getragen, der Erhöhung zuzustimmen, da er sich überzeugt habe, daß diese dm Anschauungen in den Kreisen der Frauen ent spreche und daß die Bedenken gegen die Heraufsetzung nicht allzu schwer ins Gewicht fallen konnten. Viel schwerer aber seien seine Bedenken gegen die W 184 s und b auch in der neuen Fassung. Seine Freunde stimmten gegen diese Paragraphen, denn sie wollten der Kunst das möglichste Maß an Frei heit gewähren. Abg. Stockmann (freikons.) will nicht dem Beispiel des Vorredners folgen. Solle das Gesetz zustande kommen, so müsse es nicht nur auf eine Mehrheit im Reichstag, sondern auch auf die Zu stimmung der verbündeten Regierungen rechnen können. Die Protestbewegung gegen das Gesetz sei ihm unverständlich, denn es richte sich lediglich gegen das Gemeine, und mit dem Gemeinen habe die Kunst nichts zu thun. «>»»' > » Die Tochter de» Grnirrnbeschers. 4) Roman von Zos von Reuß. (1 vrMtzun«) r Eist beinahe am Schluffe des Festes hatte Friedrich Melzer Zeit und Gelegenheit gefunden, Fräulein Irene anzureden, die Begrüßung am Morgen war nur konventioneller Art gewesen. Daß sie aus einer Knospe zur Rose erblüht war, halte er freilich sofort wahrgenommen. Glücklicherweise fand er sie aber sonst unver ändert. Das war noch dasselbe unbefan gene herzige Wesen gegen jedermann, das sie immer gehabt hatte. Ob es gegen den Vetter Leutnant nicht noch herzlicher war als gegen andre? EL schien wirklich so ... . Auch sprach man schon in der Umgegend von der bevorstehenden Verlobung zwischen Koufin und Koufine. > Während Friedrich Melzer mit Fräulein Irene den Garten auf und nieder schritt, hatten sich drinnen im Hause die Gäste zum Aufbruch gerüstet. Erst der erste, den breiten Parkweg entlang rollende Wagen erinnerte das junge Mädchen an ihre wirtschaftlichen Pflichten. Um- kehrend traf sie auf die abschiednehmende Emma, die die Freundin allenthalben gesucht hatte, während Frau von Lüttringhausen das Abschied nehmen vergessen hatte, weil der Gatte sehr übellaunig vom Spieltisch gekommen und auf sofortigen Aufbruch gedrungen Halle. 4. Wie eine riesige aneinandergereihte Perlen schnur lagen die kleinen Arbeiterhäuser des Steinkohlenbergwerks „Irene" dicht nebenein ander, die Komerzienrat Ullenhagen für den Stamm seiner Arbeiter hatte erbauen lassen. Sie besaßen sämtlich neben dem hinter dem Hause belegenen Obst- und Gemüsegarten und dem Grasplatz, auch einen kleinen, bluMen- bepflanzten Vorgarten, der die Front des Hauses schmückte. Einige dieser Vorgärten waren so zierlich angelegt und hübsch gehalten, daß der idyllische Reiz der ganzen Wohnstätte sogar zu weilen die in die Samtpolster des Landauers gebetteten Vorüberfahrenden anlockte, die der Villa des Kommerzienrats zurollte. Zu den hübschesten gehörte unstreitig Nummer Sieben, das neben den gewöhnlichen Räumlich keiten als Haus des ersten Häuers, auch noch ein Boden-tÄkerzimmer besaß. Drinnen war die Hausflur sehr geschickt durch einen Bretterver schlag zu einem Kaufmannsladen ausgenutzt, in dem die Gattin des Häuers mit Raffinement alles feilhielt, was ein kleinbürgerlicher Haus halt bedurfte. Als Luxusartikel fungierten Zigarren, etwas Kinderspielzeug und mit schmalen Goldleisten umrahmte, grellbunte Oeldruckbilder des Kaiserpaares, mit sämtlichen Sprößlingen. Die stilvolle Dekoration des „Schaufensters" bestand aus handfesten Lederschurzen für das stattliche Gesäß der Bergleute, welche zierlich wie Gardinen rings um das Hausfenster auf- gehängt waren. Darunter prangte ein vom Sohn des Hauses geschriebenes Plakat mit den Worten: Meine geschätzten Kunden erhalten am Samstag ein Stück Seife „gratis" . . . Solch' liebevolle Fürsorge konnte nicht unbelohnt bleiben und wirklich hob sich das „Geschäft" überraschend schnell und half zum Gedeihen des Hausstandes. Frau Weinert klapperte mit den Holzpantoffeln nach Gewohnheit rührig hin und her, zwischen Küche, Wohnzimmer und Kaufladen. Draußen gab's alle Hände voll zu thun, denn Samstags mehrten sich natürlich die Kunden, und drinnen in der Wohnstube saß Hansen Maier, der lahme Dorfschneider, um für den Häuer einen neuen Gottestischrock zu machen. „Gesche, wo steckst du?" rief die Mutter endlich nach der Tochter, um Hilfe zu bekommen. „Um Himmelswillen, wo steckt die Dirn?" Gefina streckte den Kopf aus der Hinter stubenthür und schien sich erst etwas zu be sinnen, ehe sie ganz zum Vorschein kam. Sie war neunzehn Jahr alt mH von seltener Schön- hell. Ihr Wuchs war hoch und schlank wie die beiden Tannen, die vom Häuer gepflanzt, den Hauseingang wie zwei grüne Schildwachen hüteten, und ihr Profil trug reine und edle, deutsche Linien. Dazu zeigte ihr Gesicht jenen Ausdruck schmelzender Weichheit, der die Schön heit des Weibes unwiderstehlich machen soll. Ihr Anzug war trotz des frühen Morgens rein und sauber, zeigte aber etwas Nachlässigkeit, welche die Trägerin zwar nicht übel kleidete, aber dennoch leisen Tadel herausfordern konnte. Und mit Nachlässigkeit hörte sie auch die etwas polternd herausgestoßenen Aufträge der Mutter an — es waren ihrer just ebenso viele als diese Finger an ihren rührigen Händen besaß, oder als Gebote in dem Katechismus stehen. „Und vergiß auch die Ziegenlämmer nicht," setzte sie noch als elftes hinzu. Gesche schnitt etwas Grimasse, ehe sie an die Arbeit ging, schien aber endlich in den Abg. Beckh-rroburg (fr. Vp.) hält tüe Be denken gegen die Kompromißanträge keineswegs für übertrieben. Es sei unwürdig, in ein Gesetz, das sich gegen das Dirnentum, das Louistum und Zu hälterwesen richte, auch Bestimmungen gegen Kunst und Litteratur hineinzubringen. Da dürfe man sich über die Protestbewegung nicht wundern. Abg. Himburg (kons.) erklärt, daß seine Freunde zwar in verschiedenen Punkten verschiedener Ansicht seien, aber doch daS Gesetz für geeignet hielten, in sittlicher Beziehung zu wirken. Sie würden also für die Kompromißanträge stimmen. Abg. Schrader (frs. Vgg.) nimmt die Künstler, welche in den Protestversammlungen gesprochen haben, in Schutz gegen den Vorwurf, daß sie nicht gewußt hätten, um was es sich handle. Es seien die ersten Künstler, die man noch nennen werde, wenn die Namm der Mitglieder dieses Hauses längst vergessen seien. Abg. Groeber (Zentr.) meint, der Vorredner habe doch auch wohl etwas stark übertrieben. Die Kunst, die darauf angewiesen sei, der Unzucht zu dienen, verdiene doch keine Schonung. Unzüchtige Bilder seien doch keine Kunstprodukte, und nur un züchtige Bilder sollten getroffen werden. Die ganze Isx Heinze sei in Bausch und Bogen verurteilt worden. Da sei es doch milde ausgedrückt, wenn Abg. Roeren sagte, die Herrm hätten das Gesetz nicht gmügend gekannt. Abg. Bebel (soz.) erklärt, seine Freunde müßten gegen das Kompromiß stimmen. Staatssekretär Niebering behält sich seine Erklärung über die Haltung der verbündete« Regie rungen vor bis zur Svezialdiskussion. Abg. Stöcker (wildkons.) spricht sein Bedauern darüber aus, daß der Arbeitgeber-Paragraph und die Bestimmung über die Heraufsetzung der Schutz grenze für Mädchen zum Opfer gebracht werden müssen. Mit ihnen wäre das Gesetz nicht nur jetzt gefallen, eS wäre auch in absehbarer Zeit von der Regierung nicht wieder eingebracht worden. Des halb hätten sich die Freunde des Gesetzes zu diesem Opfer entschlossen. Er könne dem Abg. Roeren nur seinen herzlichsten Dank ausfprechen. Damit schließt die Generaldiskussion. Es werden die ausgesetzten Abstimmungen über die einzelnen Artikel der Münzgesetznovelle jetzt noch vorgenommen, — und zwar gelangen die drei erste» Artikel (betr. die Einziehung der goldenen Fünf mark-, sowie der silbernen und nickelncn Zwanzig pfennigstücke) mit großer Mehrheit zur Annahme. Bei Art. 4, nach welchem Ncuausprägungen von Reichssilbermünzen bis zum Betrage von 15 Mk. (statt bisher 10 — und nach der Vorlage 14) für den Kopf der Bevölkerung vorgcnommen werden sollen, unter Verwendung von Landessilbermünzen (Thaler) — wird zunächst eine namentliche Ab stimmung über den Antrag Arendt, nach welchem Silberbarren zur Ausführung der Ncuausprägungen verwendet werden sollen, so daß die Thaler als Münze beibehalten bleiben, vorgenommen: dieselbe ergibt die Ablehnung dieses Antrages mit 161 gegen 61 Stimmen. Dagegen wird der Antrag Herold - Schwarze- Lippstadt (Zentr.), durch welchen nur die Verwendung von Thalern zur Neuausprägung, nicht aber die Veräußerung zugelassen wird, mit großer Mehrhell angenommen.— Ebenso der damit abgeändcrte Artikel 4 — und sodann ohne wesentliche Aeuderung der Kommissionsbeschlüsse — die Artikel 5 und 6. Schließlich wird auch die Resolution auf ver mehrte Ausprägung von Kronen — mit großer Mehrheit angenommen. Preußischer Landtag. Das Abgeordnetenhaus setzte am Montag die Beratung des Kultusetats bei dem Kapitel Höher« Lehranstalten fort. Bei dieser Gelegenheit wurden von verschiedenen Seiten des Hauses Wünsch« und Vorschläge, betr. die Reform des höheren Schul wesens, laut. Ein Antrag Kropatschcck betr. Gleich- . stellung der Oberlehrer der vom Staat unterstützten Lehranstaltm mit den Oberlehrern der staatlichen Lehranstalten hinsichtlich der festen Zulagen und betr. Besserstellung der Zeichenlehrer wurde schließlich der Budgetkommission überwiesen. : Im Abgeordnetenhause wurde am Dienstag die Beratung des Kultusetats fortgesetzt. Die debattierten Fragen hatten im allgemeinen nur lokale Bedeutung und lediglich die Angelegenheit der Kreisschulinfpek- toren, die von den Konservativen abgelehnt, vom Minister Studt dagegen verteidigt wurde, konnte allgemeines Interesse beanspruchen. Uo« Nah und Fern. Bonn, Eine hier abgehaltene Versamm lung der Besitzer von Mineralwasser hat be schlossen, vom 1. April ab eine allgemeine Erhöhung der Preise sür Mineralwasser eintreten zu lassen. Zug zu kommen. Frau Weinert kehrte in den Laden zurück, um die Kunden zu be dienen, und fand dazwischen auch noch Zell zur Unterhaltung mit dem lahmen Schneider, dem Hansen Maier. Denn da er aus einem Hause in das andere ging, war er niemals um Gesprächsstoff verlegen. Mit dem Alten besprach er die „schlechten Zeiten", und hechelte über die Nachbarschaft, und mit den Jungen „beschäftigte" er sich mit Herzensangelegenheiten. Merkwürdigerweise dehnte er solche „Beschäfti gung" heute auch auf die „Alte" aus. „Und ich sage Euch, Mutter, es muß etwas werden! Und es ist der größte einstellige Hof! Und verliebt ist er sehr l" ließ sich Hansen Maier vernehmen. „Wenn Ihr wirklich meint — jch eS wäre freilich ein Glück!" „Der Alte gibt nach und geht am Ende ruhig in sein Altenteil, wenn er sich genug ge sperrt hat. Und der Junge hat sich die Gefina einmal in den Kopf gesetzt — kann ihm auch niemand verübeln! Dazu ist eine Fran dort nötig, wie's liebe Brot! .... Ich werde hin horchen in nächster Woche, wenn ich dem alten Bauer den neuen Kirchrock machen werde, und Euch Bescheid geben. Meiner Six — das wird eine schöne Hochzeit geben!" Jedenfalls hatte sich Hansen Maier nicht über Mangel an leiblicher Pflege heute zu be klagen. Die Aussicht, den jungen Bauer vom Klaushof zum Schwiegersohn zu bekommen, ließ alle Buttertöpfe offen stehen. Noch niemals vor her hatte es ihm so gut wie heute in Nummer Sieben auf der „Irene" gefallen.
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