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Allgemeiner Anzeiger : 14.03.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190003143
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19000314
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-14
-
Monat
1900-03
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 14.03.1900
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Politische Rundschau. Vom Kriegsschauplatz. * Durch einen Umgehungsritt des General French ist das Boerenkorps, das das Robertsche Heer aushalten soll, wieder arg in Nachteil gekommen und hat sich in der Rich tung auf Bloemfontein zurückziehen müssen. Die Engländer haben den eilig abziehenden Boeren bei Osfontein auch ein Geschütz sowie mehrere Zelte und zahlreiche Fourage- wagen abgenommen. Tie Hauptmacht der Boeren befindet sich auf dem Nordufer des Modderflusses, wo die Frenchsche Kavallerie trotz der großen Ermüdung der Pferde hektig nach drängt. Eine Anzahl kleinerer Plänkeleien und Rückzugsgefechte ist im Gange. Die Engländer haben bisher nicht bloß 50 Mann, wie Lord Roberts meldet, sondern nach weiteren S hätzungen ein paar Hundert an Toten, Verwundeten und Versprengten verloren. Alle Boerenstreitkräste ziehen sich auf Bloemfontein zusammen. "Im Boerenlager scheinen die letzten Mißerfolge doch manchen Zwist heroorgeruien zu haben. Es wird von einem umfangreichen Wechsel in den Kommandostellen berichtet, wobei es auffällt, daß der Name des Generals Joubert nicht erwähnt wird. Die betreffenden Meldungen zeigen allerdings anderseits, daß der nördliche, gebirgige Teil von Natal chat- sächlich von den Boeren noch gehalten wird. Am Oranjefluß haben die zurückgehenden Boeken die wichtige Eisenbahnbrücke bei Norval Pont gesprengt. "Zur Frage der Verwahrung der ge- fangenenBoeren berichtet der Parlaments- Berichterstatter der ,Daily News', eS sei be schlossen worden, General Cronjt und seine Truppen sogleich nach St. Helena zu bringen, wo sie bis zum Ende des Krieges bleiben sollen. * An derBefestigung vonPretoria wird eifrig gearbeitet, 5000 Kaffern find nach einer Mitteilung der ,Daily News' aus Lourenzo Marques damit beschäftigt, Schanzgräben rund um Pretoria anzulegen. Der Korrespondent der .Daily News', der als Kriegsgefangener in Bloemfontein war, hat dort ein Gespräch mit dem Präsidenten Steijn gehabt. Dieser habe ihm gesagt, daß die Boeren entschlossen seien, bis zum l etzten Mann zu kämpfen und prophezeit, daß der Uebergabe von Pretoria Ereignisse vorhergehen würden, die Europa in Staunen versetzen. "Bei Mafeking wird gefochten. Alle Außenforts bis auf eins find von den Boeren genommen. * Die von den britischen Behörden in Natal zunächst auf Ehrenwort nach Durban entlassenen reichsangehörigen Missionare HarmS und Struck find nunmehr bedingungslos frei gelaffen worden. — Die Genannten waren be kanntlich beschuldigt, in der Misfions anstatt zu Hermannsburg (Natal) bewaffnete Boeren be herbergt zu haben. Das deutsche Auswärtige Amt hatte sich zu ihren Gunsten verwandt. Deutschland. * Der Kaiser und dieKaiserrn statteten am Freitag, dem 12. Todestage deS alten Kaisers Wilhelm, dem Mausoleum in Charlotten burg einen Besuch ab und legten am Sarge Kränze nieder. Abends reiste der Monarch nach Wilhelmshaven zur Vereidigung der Marinerekruten. "Die Waterloofahnen der vor maligen deutsch-englischen Legion hat derKaiser nunmehr dem Magistratzu Hannover zurückgeben lassen. * Die .Westminster - Gazette' erklärt, eS sei sehr wahrscheinlich, daß ein Abkommen zwischen Kaiser Wilhelm und dem H erz o g von Cumberland arrangiert worden sei. Prinz Heinrich habe unmittelbar nach fernem Besuch beim Kaiser von Oesterreich dem Herzogspaar einen Besuch abgestattet, was ohne Genehmi gung Kaiser WUHelmS unmöglich gewesen wäre. Man glaube, das Arrangement gehe dahin, daß der älteste Sohn des Herzogs von Cumberland, Prinz Georg, den Besitz des Herzogtums Braunschweig innerhalb weniger Monate antreten werde, und zwar nach dem Rücktritt des Prinzen Albrecht von der Regentschaft, der seit mehr als Jahresfrist bevormund und nur auf Wunsch Kaiser Wilhelms wiederholt hinaus geschoben wurde. (Allerdings hat Prinz Heinrich dem Cumberlandschen Paar einen Besuch ge macht. Alle andern Angaben find jedoch un kontrollierbar.) * Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braunschweig, welcher in den ver gangenen Jahren während des Frühjahrs an der englischen Seeküste längeren Aufenthalt zu nehmen pflegte, wird sich in diesem Jahre zur Erholung nach der Insel Korfu begeben und bereits am 15. d. dorthin abreisen. "Eine Besteuerung der Waren häuser durch den Staat will auch die sächsische Regierung ins Auge fassen. Bis jetzt war die Besteuerung den Gemeinden überlassen. Nachdem aber Preußen mit einer Vor lage über diese Angelegenheit an den Landtag herangetreten ist, sollen in D esden zunächst vertrauliche Vorbesprechungen stattfinden. Je nach deren Ergebnis wird sich dann die Regierung über eine staatliche Regelung dieser Steuer auch in Sachen schlüssig machen. * Tie Ausgabe der Briefmarken und Postkarten zu 2 Pfennig wird Ende dieses Monats erfolgen, da diese Wertzeichen zum 1. April notwendig werden. Zunächst ge langen Stempel der älteren Art zur Ausgabe. Sie entsprechen genau dem Bilde der bisherigen Drei- und Fünfpsennigmarken. In ovalem Felde in der Mitte der Marke befindet sich Wertangabe „2 Pfennig". "Der Kohlengrubenausstand in Sachsen ist beendet worden, ohne daß eine Forderung der Arbeiter bewilligt worden wäre. Nach Wiederaufnahme der Arbeit aber haben am Donnerstag sämtliche Kohlenwerke im Zwickauer Revier eine allgemeine Lohn erhöhung aller Bergarbeiterklassen im Zwickauer Revier beschlossen. Oesterreich-Ungar«. »Dem ,N. W. T.' zufolge bestätigt sich die Meldung, daß der Hauptmann des Generalstabs Graf Herberstein zum Nachfolger des ver storbenen Obersten Schneider auf den Posten des Militär-Bevollmächtig ten bei der österreich-unaarischen Botschaft in Paris ausersehen sei; hierdurch ist die Meldung von der Aufhebung des Postens widerlegt. * In einer geheimen Sitzung des ungarischen Abgeordnetenhauses bekannte sich Ugron als Urheber der Mitteilung im Wiener.Vaterland' über die Nichtablieferung des Wahl- fondS durch den früheren Ministerpräsidenten Baron Banffy. Die Minister Szell und Fejervary entlasten Banffy. Frankreich. »In Paris hat wieder einmal ein Bombenättentat stattgefunden, indem zwei Anarchisten ein Sprenggeschoß gegen das Wohnhaus des Meltaus st ellungs- Präsidenten Picard warfen. Durch die Explosion wurden indessen nur einige Fenster scheiben zertrümmert. Eine vorbeigehende Frau, welche die Bombenwerfer sah, wurde von diesen derart mißhandelt, daß sie ohnmächtig liegen blieb. Die Attentäter entflohen unbehelligt. Die ganze Polizei ist auf den Beinen. England. "Irland wird gegenwärtig mit Rücksicht auf den Krieg von England eifrig umschmeichelt. Die Königin Viktoria wird im nächsten Monat Irland besuchen und in Dublin im Palast des Vizekönigs wohnen. Ferner ordnet ein Armeebefehl an, daß auf Befehl der Königin die Mannschaften aller Grade der irländischen Regimenter in Zukunft am St. Patricks- Tage ein Kleeblatt an der Kopfbedeckung tragen sollen zur Erinnemng an die ausgezeich nete Haltung der Irländer im südafrikanischen Krieg. — Das Kleeblatt ist dem heiligen Patrick, dem irischen Nationalhelden, geweiht. Aus dem Reichstage. Im Reichstag stand am Donnerstag die zweite Beratung des Fleischbeschau-GesetzeS auf der Tages ordnung. In Verbindung mit 8 1, der eine etwas abweichende Fassung erhalten hat, standen die 88 2, (Hausschlachtüng), 14a (Einführnngsverbot), 14b (Untersuchung eingehenden Fleisches), 14o und 14ä (weitgehende Ermächtigung des Bundesrats). Alle Parteien hatten zur Debatte Redner gestellt und nahmen zu der bedeutenden Vorlage entscheidende Stellung. Abg. Gerstenberg (Zentr.) stellte sich auf den Boden der Kommissionsbeschlüsse und erklärte es für eine Gefahr, wenn ausländisches Fleisch anders behandelt würde, als inländisches. Scharf polemisierte gegen diesen Standpunkt Abg. Frese (frs. Vgg.), der vor allem ins Treffen führte, Amerika werde mit Represfiv-Maßregeln antworten und damit unserm Handel und der Schiffahrt einen schweren Schlag versetzen. Alsdann nahm Graf Klinckow- ström (kann) das Wort, der die Kommissionsbeschlüsse als politische That bezeichnete, die jedes Partei interesses, das die Gegner darin zu erblicken glaubten, entbehre. Ihm schloß sich der Abg. Sieg (nat.-lib.) an, während die Abgg. Wurm (soz.) und Beckh (frs. Vp.) sich für die gegnerischen Ausführungen Freses erklärten. Die zweite Beratung des Fleischbeschau - Gesetzes wurde am Freitag fortgesetzt. Abg. Pachnicke (frs Vgg.) erklärt, seine Partei genossen seien gern bereit, zum Schutze der Land wirtschaft alles zu gewähren, was mit den Interessen der Gesannbevölkerung vereinbar sei. Sie würden deshalb für den 8 2 stimmen, wenn die vom Abg. Beckh beantragte Einschränkung angenommen werde. Kein Mensch könne aber bestreiten, daß die Fleisch erzeugung zur Zeit nicht unbeträchtlich hinter dem Bedarf zurückbleibe, wir können aber die Zufuhr aus dem Auslande gar nicht entbehren. Das Ein fuhrverbot für ausländisches Fleisch müsse preis steigernd wirken; damit aber werde der Arbeiter zu einer Einschränkung des Fleischverbrauchs genötigt werden. Abg. Graf K a n i tz (kons.): Die Befürchtung müsse er für grundlos erklären, daß Amerika sich durch das Einfuhrverbot besonders getroffen fühlen könnte. Die Einfuhr von frischem Fleisch aus Amerika sei nur gering. Bei der Einfuhr konser vierten Fleisches sei allerdings Amerika stärker be teiligt, aber auch hier beziffere sich sein Anteil nur aus ein Sechstel der gesamten Einfuhr. Die Ameri kaner seien viel zu schlaue Geschäftsleute, um wegen einer solchen Bagatelle das für sic so wichtige deutsche Absatzgebiet aufs Spiel zu setzen. Staatssekretär Graf Posadowsky: DaS Gesetz, das wir vorgelegt haben, verfolgt rein gesund heitliche Ziele, und jede wirtschaftspolitische Neben absicht liegt uns dabei fern. Zu meinem Bedauern hat man aber hier Begründungen beliebt, als handele es sich uni eine Position eines neuen Zoll tarifs. Von verschiedenen Rednern ist gestern die Sache so dargestellt worden, als brauchten wir daS ausländische Fleisch nicht. So weit ist die Kom mission selbst nicht gegangen, denn sic hat Speck und Schmalz von dem Einfuhrverbot freigelassen. Welcher Unterschied ist aber zwischen Speck und Pökelfleisch? Ich gebe zu, daß bei letzterem die Trichinengefahr größer ist, aber diese läßt sich abwenden durch Untersuchung des ausländischen Pökelfleisches auf Trichinen. Auch daS Pökelfleisch sollte also mit dieser Maßgabe eingelaffen werden. Es wäre ferner richtig gewesen, dem Bundesrat die Befugnis zum Erlaß von Einfuhrverboten zu erteilen. Haben Sie noch ein paar Jahre Geduld, bis zur Neuregelung unseres handelspolitischen Verhältnisses zum Aus lande, ehe Sie zu so einschneidenden Maßnahmen greifen, wie Ihre Kommission Vorschläge Abg. Fischbeck (frs. Vp.) Abg. Vielhaben be urteilt die Folgen des Einfuhrverbots ganz falsch. Solche Verbote wirken fast stets preissteigernd. Der Arbeiter werde also den Fleischkonsum einschränken müssen. Damit aber werbe die Ernährung der Be völkerung in Frage gestellt. Mit den Kreisen des Handels und der Industrie müßten sich seine Freunde entschieden gegen dieses Beginnen wenden. Abg. Frhr. v. Wangenheim (kons.) be hauptet, in dem Einfuhrverbot liege keine Gegner schaft gegen den Handel, aber dem Handel könne der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß er zu wenig Rücksicht auf die deutsche Landwirtschaft und deren Interessen genommen habe. Die Verhängung und Suspendierung des Einfuhrverbots dem Bundesrat zu überlassen, dazu könnten seine Freunde ihre Stimme nicht geben. Sie hätten mit solchen Voll machten zu schlechte Erfahrungen gemacht. Hamburg. Bevollmächtigter Senator Burchard erklärt, seine Regierung habe seiner Zeit ihre Zu stimmung zu der Vorlage der verbündeten Regie rungen erteilt, und sie habe auch während der Kom missionsberatungen gehofft, daß es zu einer Ver ständigung kommen werde, der sie beitreten könne. Er könne aber nicht umhin, da die schwerwiegendsten Bedenken gegen das von den Kommissionen einge führte Einfuhrverbot geltend zu machen. Er bitte somit um Ablehnung der Kommissionsbeschlüsse. Reichskanzler Fürst Hohenlohe: Abg. v. Wangenheim hat mich an ein Versprechen er ¬ innert. Dieses Versprechen ist aber mit der Ein bringung der Vorlage vollkommen erfüllt worden, daß ausländische und inländische Fleischwaren nicht durchaus gleich behandelt werden können, das hat die Kommission selbst anerkannt, indem sie Schmalz und Speck von dem Einfuhrverbot ausgenommen hat. Ich kann mich daher Meinerseits auch nur gegen die Kommissionsbeschlüsse erklären. Abg. Steinhauer (fr. Vgg.) wendet sich unter großer Unruhe der die Rednertribüne um stehenden Mitglieder gegen die Rechte. Abg. Paasche (nat.-lib.) erkennt an, daß daS Gesetz eine vorwiegend gesundheitliche Bedeutung habe. Seine Freunde wünschen das Zustande kommen. Graf Hompesch (Zentr.) beantragt mit Unter stützung von Mitgliedern des Zentrums der Konser vativen und Nationalliberalen nunmehr den Schluß der Diskussion. Abg. Singer (soz.) beantragt namentliche Ab stimmung über diesen Schlußantrag. Da letzterer Antrag von Freisinnigen und Sozial demokraten unterstützt wird, also von mehr al» 51 Mitgliedern, wird die namentliche Ab stimmung vorgenommen. — Sie ergiebt dm Schluß der Diskussion mit 195 gegen 89 Stimmen. — Präs. Graf Ballestrem enthält sich der Ab stimmung. 8 1 (Untersuchung vor und nach der Schlachtung) wird sodann einstimmig angenommen. 8 2 (Hausschlachtungen) gelangt in namentlicher Abstimmung unverändert mit 209 gegen 75 Stimme» zur Annahme. 8 14a (Einfuhrverbot) wird, ebenfalls in nament licher Abstimmung mit 168 gegen 99 Stimmen a n - genommen. Die 88 14 b, e und ä werden ebenfalls ange nommen. — Die Anträge Albrecht und Gen. find damit erledigt. Darauf wird die Wciterberalung vertagt. Vrcnstischer Landtag. Im Abgeordnetenhause wurde am Donnerstag die zweite Beratung des Kultusetats fortgesetzt. Die Debatte bildete eine neue und vermehrte Auflage der Diskussion der letzten Tage. Es waren wiederum die Schulfrage im Zusammenhang mit konfessioncle» Erörterungen und der Fall AronS, die den ganzen Raum der Verhandlungen cinnahmen. Am Freitag wurde im Abgeordnetenhaus« di« Beratung des Kultusetats fortgesetzt. Wäre nicht vom ?lbg. Virchow der Fall des gemaßregelten Pastors Weingart zu Osnabrück zu Sprache gebracht worden, so hätte es überhaupt an einem Gegenstand allgemeinen Interesses gefehlt. AuS den weiteren Verhandlungen war nur noch die Anregung de» Abg. Beumer (nat.-lib.) erwähnenswert, das Examen bei der Versetzung von Unter- nach Obersckunda wieder abzuschaffen. In anderen Kulturländern ist dieses Examen unbekannt. Aus der Erwiderung de» Ministerialdirektors Althoff ging hervor, daß die Beseitigung des Examens zu erwarten ist. Man Uah «»d Fern. Paris. Das „Französische Theater" in Paris, der Stolz Frankreichs, die Ruhme»- Mieder ersten französischen Dichter und Schau spieler, ist am Donnerstag von einer gewaltigen Feuersbrunst heimgesucht und zum Teil eingeäschert worden. Die unersetzlichen Kunstschätze, die die Wandelgänge schmückten, konnten allerdings zum größten Teil gerettet werden; dagegen ist eine junge talentierte Schau spielerin, Frl. Henriot, die dem Institut erst fest drei Monaten angehört, ein Opfer der Flamme« geworden. Elberfeld. Die MilitärbefreiungSgeschichte greift bereits ins westfälische Gebiet über. In Steele wurden zwei Söhne eines begüterte« Oekonomen festgenommen und ins Elberfelder Gefängnis kbergeführt. Andere, gegen hohe Kautionssummen auf freien Fuß gesetzte Per sonen wurden letzter Tage wieder verhaftet. Der Prozeß beginnt am 15. d. vor dem Elber felder Landgericht, er wurde wegen seines ge waltigen Umfanges in mehrere Gruppen ein geteilt. Dresden. In einer der letzten Nachte ist die hiesige englische Kirche mit roter Farbe be sudelt worden. An verschiedenen Stellen waren mit großen Buchstaben auf das Mauerwerk die Worte „Räuberbande",,Mordbrenner" geschrieben worden. So groß hier die Begeisterung der Bevölkerung für die Boeren ist, so findet ei« solches von schlimmster Roheit zeugendes Buben stück allgemeine Verurteilung. b' »M-- - ' Die Tochter des Grubenbesitzer». S) Roman von Zoö von Reuß. lForttttzunza „Darf ich dir helfen, Tante?" klang eS hinter ihr, und einen Moment später stand der Frager schon an ihrer Seite, vielleicht weil er wußte, daß er schon erwartet worden war. Es war ein junger, schlanker Herr, Mitte der Zwanzig, dem man trotz des Hellen Sommerzivils sofort den Militür ansah. Er küßte der Kommerzienratin sehr ehr furchtsvoll die Hand und sagte: „Die ganze Nacht hat mir von dem heutigen Festtage geträumt, und nun bist du doch früher als ich für unser liebes Geburtstagskind beschäftigt. Straf' mich nicht zu hart — laß mich helfen." Die Kommerzienrätin reichte ihm die aus Eichenlaub und bunten Gartenblumen gewundene Guirlande, und wies ihn kurz an, wie er ihr helfen solle. „Nicht drücken, lieber Wolf, ich bitte!" schloß sie freundlich, „da ist wahrhaftig schon eine Blüte abgebrochen!" Leutnant Wolfgang von Steinhausen, oder „Vetter Wolf," wie der junge Herr allgemein m der Familie hieß, faßte das Gewinde mit spitzen Fingern und turnte auf die Ballustrade hinauf, um es oben zu befestigen. Just als er dem Eingang die Keh feite znwandte, trat die Gefeierte bereits auf die Veranda, frisch wie der Morgen. Gleich hinter ihr erschien der Kommer zienrat. „Herrlich — daß ich euch überrasche — noch ehe ihr fertig geworden seid!" lachte fie lustig, .toll ich nicht mithelsen an der Dekoration S Während das junge Mädchen die Glück wünsche und Küsse des Elternpaares empfing, befand sich Vetter Wolf durch einen kühnen Salto mortale auch wieder zu ebner Erde, und wäre in Verwirrung und Uebereifer der Koufine bald zu Füßen gestürzt, anstatt ihr die Hand zu küssen. Der Bmder erschien gleichfalls jetzt auf der Veranda, und die Art und Weise, wie er die Schwester zu ihrem Festtage begrüßte, war brüderlich liebenswürdig. Aber er sah ab gespannt und welk aus, waS die Eltern beide bemerkten, wenn auch mit sehr verschiedenen Gefühlen. Der Kommerzienrat empfand Miß mut, well er vermutete, daß der Sohn die Nacht außer dem Hause verbracht hatte, vermutlich :m Offizierkassno der benachbarten Garnison, und die Kommerzienrätin fühlte sich um seine Gesund heit besorgt. Augenscheinlich zeigte sich auch in der Familie Ullenhagen die ost beobachtete Er scheinung, daß sich die spezille Zuneigung der Eitern gern dem Kinde des andern Geschlechts zuwendet. Der Kommerzienrat hatte seine spezielle Neigung der Tochter geschenkt, während die Gattin den einzigen Sohn zum Liebling erkoren hatte, fast vom ersten Tage seines Lebens. Auch äußerlich war er ihr ähnlich. Die Züge seines Gesichts hatten etwas von der Feinheit und der Vornehmheit der ih-igen, und die Bil dung der Füße und Hände war aristokratisch. Auch Frölen Möller, die ihr Fräulein an betete, erschien jetzt zur Begrüßung des Geburts tagskindes. Der heute früh bei Aufgang der Sonne in der Milch stube kingeübte Knix gelang auch über Erwarten, leider blieb fie aber in der studierten Rede dreimal stecken, und ward dabei rot wie ein Truthahn. In Verlegenheit zupfte fie an der riesigen, blütenweißen Haushaltungs schürze, in welcher ihre ergrauende, korpulente Person wie ein Schneemann aussah, und stotterte: „Und dieweil nun Hochmut vor dem Fall kommt, bitte ich das gädige Fräulein, alle zeit recht niederträchtig zu bleiben! Das Rezept zu dem Geburtstagskuchen habe ich für das Kochbuch des gnädigen Fräuleins ausgeschrieben. Aber ich will nicht weiter stören!" „Hiergeblieben! Erst Kaffee Winken mit unS!" schnitten der Kommerzienrat und Irene wie aus einem Munde den Rückzug ab. Dazu machte der Vater den Stuhl neben sich bereit, während die Tochter den selbst tingeschenkten Kaffe präsentierte. So mußte Frölen Möller trotz aller „Schenierlichkeit" die Kaffeestunde der Herrschaft heute teilen, trotzdem es ihrer feinen Nase, aus dem Souterrain empor steigend, wie übergelaufene Sahne roch und fie deutlich be merkt hatte, daß die Frau Kommerzienrätin fie wenig freundlich ansah, und der Leutnant ihrer ansehnlichen Person noch mehr Spielraum ge stattete, als fie bedurfte, indem er naserümpfend von ihr hinwegrückte. Der Vormittag verging im Bewundern der reichen Geburtstagsbescherung, welche im Gartensalon aufgespeichert lag, und im Toilette machen. Um zwölf Uhr, als die weißgekleidete Irene abermals entzückt vor ihren Schätzen stand und dem nicht von ihrer Seite weichenden Vetter von den Vorzügen der Pariser Hand schuhe sp ach, an das Mahermapanüm roch, aber auch die neue Küchenschürze um die schlanke Taille probierte, kamen die ersten Gäste: ei» junger, adliger Gutsbesitzer mit seiner jungen Frau, einer Hamburger Patriziertochter. Kni Mengersen war eine vielumworbene Erbin ge wesen, die lange gezögert hatte, ihre Wahl zu treffen, bis eine zufällige Helgoländer Bade- bekanntschast ihr Schicksal entschieden hatte . . . Nach dem gewöhnlichen Urteil mußten fie auch das glücklichste Paar von der Welt sein, denn Baron Hans von Lüttringhausen war nicht nur ein schöner Mann, sondern das Gut seiner Väter hatte in Ler Gegend auch immer als einträg licher Besitz gegolten, dazu war er in seinen Formen durchaus Kavalier und sehr gastfrei. Um so auffallender war es, daß die junge Frau immer stiller und blasser ward. Einer entgegen kommenden Freundlichkeit konnten sich überhaupt nur wenige Personen rühmen, unter dieseu wenige» befand sich aber auch Irene Ullen- hagtu — «wo» nach der ersten Bekanntschast schien die kühle Baronin der jungen Dame herz lich zugethan. Auch Dietrich von dem Fließe und Fräulein Emma waren erschienen, Mark war schon wieder nach der Garnison abgereist. So bekannt die Familie auch in diesem Teil Westfalens wah so pflegten doch die gegenwärtigen Träger deS Namens dem Publikum nicht nahe zu treten. Den alten Freiherrn hielt die „Familiengicht" an den Fließenhof gebannt, und Dietrich ward durch seine Thätigkeit und durch die faktische Unmöglichkeit einer standesgemäßen äußeren Repräsentation zu Hause festgehalten. Es war ohnehin nicht leicht geworden, Mark bei einen« Kavallerie-Regiment eintreten zu lassen. D«
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