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Allgemeiner Anzeiger : 28.03.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190003287
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- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-28
-
Monat
1900-03
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.03.1900
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Politische Rundschau. Vom Kriegsschauplatz. * Als ein für die Boeren vielversprechender Anfang des Guerillakrieges muß die Niederlage bezeichnet werden, die der „ver schwundene" Boerenkommandat Olivier dem bekannten Gatacre beibrachte. Die Eng länder erlitten dabei schwere Verluste, wenngleich das Gerücht, Gatacre mit seinem oanzen Stabe sei gefangen genommen worden, sich nicht bestätigt. *Auch den zum Entsatz von Mafe- king heranrückenden englischen Korps unter Plumer haben die Boeren eine Niederlage beigebracht, jedoch behaupten englische Quellen, daß dec Kampf schließlich noch zum Nachteil der Boeren ausgeschlagen sei; nähere bestimmte Nachrichten fehlen noch. * Auf die Gefangennahme von 4000 Transvaalboeren rechnen die Engländer. Der .Standard' meldet aus Bloemfontein vom 20. d-, 4000 Transvaalboeren von Colesberg suchen nach der Grenze des Basutolandes zu entkommen; voraussichtlich werden sie gefangen werden. * Der Zustand der Kavallerie Lord Roberts erscheint noch west schlechter als bisher angenommen. Der Korrespondent der ,Daily Mail' erklärt jetzt rund heraus, sämt liche Kavallerie-Regimenter, wie die Artillerie müßten mitneuenPferden versehen werden. Dasselbe gilt von General Buller, welcher allein 18 000 Tiere für seine Kavallerie, Artillerie und Train braucht. Ebenso müssen die Maul tiere und Ochsen erneuert werden. General Bullers Heer soll nicht vor der zweiten Hälfte des April feldtüchtig sein, dann aber aus vier Infanterie-Divisionen, einer Kavallerie-Division und zwei berittenen Kolonial-Jnfanterie-Bngaden bestehen und einige 40 000 Mann mit 120 Ge schützen zählen. Lord Roberts soll indessen die Generale Clemens, Gatacre und Brabant an sich ziehen und sein Heer damit auf 60 000 Mann und 200 Geschütze bringen, während die Verbindungslinien durch Miliz gehalten werden sollen, nachdem jede Gefahr einer Erhebung der Kapbevölkerung befestigt erscheint. * Dem Vernehmen der ,Times' zufolge soll ein Plan zur Verschmelzung Trans vaals und des Oranjefreistaats ver einbart worden sein. Krüger soll Präsident, Joubert Vizepräsident undSteijn General- Kommandant werden. Deutschland. * DaS Kaiserpaar hatte zum 24. d. Mr Fürstlichkeiten zur Frühstückstafel ge laden: Herzog und Herzogin von Ratibor, Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst mit seiner Tochter Prinzessin Elisabeth, Fürst zu Carolath-Beuthen, Fürst und Fürstin Anton Radziwill, Fürst und Fürstin Ferdinand Radzi will, Fürst und Fürstin zu Stolberg-Wernigerode, Fürst und Fürstin von Bismarck, Prinz und Prinzessin Pleß, Fürst und Fürstin zu Inn- und Knyphausen und Fürst und Fürstin zu Dohna-Schlobitten. * Der Kaiser hat genehmigt, daß Zahl- meister, die den obersten drei Gehaltsstufen angehören und sich nach jeder Richtung in ihrer Stellung bewährt haben, vom Kriegsministerium zu Oberzahlmeistern befördert werden. Die Oberzahlmeister haben auf den Epaulettes und Achselstücken zwei goldene Rosetten zu tragen. Weiter hat der Kaiser bestimmt, daß fortan die Zahlmeister bei nachgewiesener Be fähigung zum Uebertritt in die Stellen für die mittleren Beamten der Militärverwaltung zuge- lafsen werden. * Prinz Max von Baden hat sich in Wien mit Prinzessin Marie Luise von Cumberland verlobt. *Vo» BuudeSrat wurde am Donners tag das Gesetz wegen Feststellung desLandes- hauShaltS-EtatS von Elsaß- Lothringen für 1900 und das Gesetz über die Konsular-GerichtSbarkeit an genommen. Den AuSschußberichten über das Uebereinkommen zwischen dem Reiche und Oester reich-Ungarn zum Schutze der Urheberrew e an Werken der Litteratur, Kunst und Photographie und über die Vorlage betr. dcn Entwurf eines neuen Statuts der Schlesischen Bodenkredit- Aktienbank in Breslau wurde die Zustimmung erteilt. * lieber die Flottenvorlage wird die Generaldiskussion in der Budgetkom mission des Reichstags nun doch am nächsten Dienstag beginnen. Der Abg. Müller- Fulda, wegen d'ssen Erkrankung die Verband lungen ausgesetzt werden sollten, ist inzwischen genesen. Seitens des Zent ums wi d dabei die Frage der Vergebung der Lieferungen von Schiffsbaumaterial scharf ins Auge gefaßt werden. Die .Köln. Volksztg.' fordert den Reichstag, insbesondere die Budget- kommisfion auf, allen Ernstes an die Prüfung der in dcn letzten Tagen so lebhaft besprochenen Angaben einzutreten, wonach die Firma Krupp allein bei dem Flottenprojekt an Nickelstahlplatten 176 Millionen verdienen soll. Ehe die Sache nicht völlig klargestellt sei, könne nicht ein neues Schiff bewilligt werden. *Jm Reichstag teilte kürzlich der Reichs- schatzamtssekretär mit, daß in den Gewölben der russischen Reichsbank in Petersburg zur Zeit über hundert Millionen Mark in deutschen Goldmünzen lagern. Ueber die Bestimmung dieses Goldschatzes kann kaum ein Zweifel obwalten. Er soll vermutlich dazu dienen, im Kriegsfall die Verproviantierung eines russischen HeereS auf deutschem Boden zu erleichtern. Bereits im deutsch- französischen Kriege führte das sächsische Armee korps an Stelle der Requisitionen das System der Barzahlungen in Gold ein und war dadurch immer auf das beste versorgt, ja die übrigen Armeekorps begannen zu klagen, daß alle Lebensmittel zu den Sachsen abströmten. In einem Zukunftskrtege wird daher dieses System vermutlich zur allgemeinen Anwendung gelangen. *Zur brüten Lesung des Etats des Neichs- amt des Innern hat der Abg. Fürst zu Inn- Hausen und Knyphausen mit Unterstützung der Rechten beantragt, den Reichskanzler zu er suchen, im Interesse der Hochseefischerei in der Nordsee Verhandlungen mit den Staaten Holland, England, Däne mark und Schweden-Norwegen anzu knüpfen, und zwar in der Richtung, daß 1) die Einführung einer Schonzeit für Fische vom 1. Februar bis 1. Mai, 2) die Festlegung von Schonrevieren für Fischdampfer, 3) die Beseitigung der Trawl-Fischerei, oder wenigstens doch die Einschränkung derselben auf bestimmte Fischgründe unter den bei der Hochseefischerei interessierten Staaten vereinbart würde. * Die Verhandlungen über das Fleisch- beschaugesetz zwischen der Regierung und der Mehrheit der zweiten Lesung ruhen der ,Nat.-Ztg.' zufolge vollständig; es scheine über haupt, als ob für die gespannte innere Politk die Parole: Vertagung bis nach Ostern, aus gegeben wäre. * Unter dem Vorsitze des HandelSministers Breftld tagt gegenwärtig in Berlin eine Kon ferenz der preußischenRegierungs- imd Gewerberäte. Diese für drei Tage berechnete Konferenz hat seit dem Jahre 1894 alljährlich stattgefunden und wurde am Donners tag durch den Minister eröffnet. * Vielfach ist die Frage aufgeworfen worden, ob ein pensionierter Offizier bei der Ueberfiedelung in eins der deutschen Schutz gebiete seine Pension forterhält. Die »Deutsche Kolonialzeitung' stellt demgegenüber fest, daß es nach den Bestimmungen des Militär- Penfionsgesetzes für den Anspruch eines Offiziers auf Weüerbezug einer ihm zuerkannten Pension ohne Einfluß ist, ob er im Jnlande oder im Auslande wohnt. Bedingung ist nur, daß der Offizier die deutsche Reichsangehörigkeit besitzt, was ja bei den in den Schutzgebieten lebenden Offizieren der Fall ist. *Jm Befinden des Abg. Lieber hat die Besserung andauernd so große Fort schritte gemacht, daß nun ernstlich an seine baldige Ueberfiedelung in seine Heimat Camberg gedacht wird. * Die Strafexpedition in Kame run unter Führung des Hauptmann v. Besser ift von einem schweren Schlag betreffen worden. Der Führer und sämtliche Offiziere wurden verwundet. Nähere Meldungen stehen noch aus. Lefterreich-Ungarn. * Die Trauung der Kronprinzessin Stephanie mit dem Grafen Lonyay hat am Donnerstag in Schloß Miramare stattge funden. Die Brautmutter, die Königin von Belgien, war anwesend. Kaiser Fran; Joseph gratulierte mündlich durch das Telephon. Vom König von Belgien war kein Glückwunsch ein getroffen. Dänemark. * Im Landsthing erklärte der Ministerpräsident Höning, die Regierung habe infolge der vom Folkething gegenüber den Steuervorlagen eingenommenen Haltung gegenüber den Wunsch ausgesprochen, nach Schluß der Reichstagssession zurückzutreten. Rustland. *Die Lentenot in Preußen gedenkt Rußland nach offiziösen Mitteilu"gen des ,Hamb. Kon.' unter gewissen Umständen zu einer Waffe für seine eigenen Zwecke zu machen. In einflußreichen Kreisen Rußlands werde der Gedanke erwogen, „bei den Vorbereitungen für die handelspolitischen Verhandlungen zwischen Deutschland und Rußland die Zulassung land wirtschaftlicher Arbeiter nach Preußen als Pressionsmittel zu bewerten, um gün stigere Vertragsbedingungen zu erlangen." Aus dem Reichstage. Im Reichstag stand am Donnerstag die zweite Beratung des Patentanwaltsgesetzes auf der Tages ordnung. Ein Antrag Heine, der die Eintragung der Patentanwälte von ihren religiösen und politischen Ueberzeugungen unabhängig machen will, wurde an genommen. Auf der Tagesordnung der Freitagssitzung stand die dritte Beratung des Gesetzes betreffend die Patentanwälte. In der Generaldisknssion gibt Abg. Schmidt- Frankfurt (so;.) die Erklärung ab, daß seine Partei sich nicht mit dem Gesetz ein verstanden erklären könne, da dasselbe nur darauf abziele, eine neue privilegierte Kaste zu schaffen. Abg. Kirsch (Zentr.) erklärt, seine Freunde würden für das Gesetz stimmen. Abg. Moeller- Duisburg (nat.-lib.) will eben falls für das Gesetz stimmen, obwohl es nicht ge lungen sei, in zweiter Lesung Uebergangsbestimmun- gen für die Vorsteher von PatcntbureauS hinein zu bringen. Abg. Hoffmeister (fr. Vgg.) ist ebenfalls be» reit, trotz einiger Bedenken wegen verschiedener Be stimmungen, für das Gesetz zu stimmen. Abg. Oertel-Sachsen (kons.) erklärt, seine Freunde würden gleichfalls für das Gesetz stimmen, obwohl auch sie Bedenlen gegen Einzelheiten hätten und keineswegs überzeugt sein könnten, daß die Be schlüne zweiter Lesung ein gesetzgeberisches Meister stück darstellten. Abg. Liebermann von Sonnenberg (Antis.) verzichtet auf die Wiederholung deS Antrages der zweitenLesung, daß die deutsche Staatsangehörigkeit Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der Patentanwälte sei. Damit schließt die Generaldiskussion. — In der Spezialdiskussion wird das Gesetz ohne wesentliche Erörterung mit unerheblichen redaktionellen Aende- rungen angenommen. Ohne Diskussion wird sodann in dritter Be ratung angenommen das Gesetz über die Be strafung der Entziehung elektrischer Kraft. ES folgen Kommissionsberichte über Petitionen und zwar wird hier zunächst die neulich nicht be endete Diskussion über den Kommissionsantrag auf Uebcrgang zur Tagesordnung über eine Petition auf Wiedereinführung der Prügel strafe fortgesetzt; ein dazu gestellter Antrag des Abg. Oertel-Sachsen (kons.) fordert die Ueberweisung dieser Petition an den Reichskanzler als Material für die Gesetzgebung. Abg. Beckh-Koburg (frs. Vp.) tritt für den Kommissionsantrag ein Md bittet um Ablehnung des Antrags Oertel und Annahme des KommissionS- antrageS. Abg. Himburg (kons.) hat aus der Diskussion den Eindruck genommen, daß die Gegner der Prügel strafe die Sache zu sehr vom theoretischen Stand punkt aus behandeln. Es sei vor allem unzwoffel- haft, daß es Subjekte gibt, die innerlich so Mvcr- besscrlich sind, daß sie nur durch die bleiche Furcht im Zaum zu halten sind. Man könne ohne Be denken behaupten, daß die Mehrheit der Bevölkerung heute für Wiedereinführung der Prügelstrafe ist. Unserer hochentwickelten Technik dürfte es doch,nicht schwer fallen, eine Prügelmaschine zu konstruieren. Tann würde auch der Einwand der ungleichen Wirkung fortfallen, denn es würde dann nicht schwer sein, jedem die angemessene Portion Schmerzen zu- zumcsseu. Abg. Bebel (soz.) findet es nicht verwunderlich, daß die Konservativen, wenn soziale Schäden öffent lich zu Tage träten, möglichst brutal und gewaltthätig vorgehen wollten. Jeder Richter müßte eigentlich, bevor er als Strafrichter fungieren dürfte, ein paar Monate Strafhaft absitzen. Sie würden dann sicher nicht mehr von dem sogenannten Wohl leben in unseren Gefängnissen sprechen. Wo Noheitsverbrechen vorkämen, da geschähen sie oft aus Uebermut. Man habe auf die Verstümmelungen in der Siegesallee hingewiesen. Da wisse ganz Berlin, wo die Thäter zu suchen sind, nur die Staatsan waltschaft wisse es nicht. Abg. Oertel-Sachsen (kons.) würde cs be dauern, wenn das Rezept des Abg. Bebel zur allge meinen Anwendung kommen sollte, wonach nur Sach kundige über die verschiedenen Themata sprechen dürften; denn dann müßte man manche schöne Rede des Abg. Bebel über Soldatenmißhandlungeu rc. entbehren' Tie Prügelstrafe soll für gewisse Arten von bestialischen Roheitsverbrechen Platz greifen und Arbeitgeber ebenso treffen wie Arbeiter, falls die Voraussetzungen dafür zutreffen. Daß man in Berlin allgemein wisse, wer die Uebelthäter in der Siegesallee seien, davon sei er sehr überrascht. In vielen Fällen sei die Entziehung der Freiheit keine ausreichende Sühne, sondern nur die Zufügung kör- perlichen Schmerzes. Abg. Pachnicke (frs. Vgg.) legt dar, daß die Voraussetzung, von der die Petenten und die Befür worter der Prügelstrafe hier im Hause ausgegangen seien, durchaus unzutreffend sei. Die geltenden Strafmittel reichten aber auch für Roheitsverbrechen aus, wenn sie nur richtig angewendet würden. Abg. Werner (Antis.) hält es, wenn die be stehenden Strafen nicht aus reichen, für notwendig, daß sie verschärft werden. Das allein bezwecke der Antrag Oertel, und zwar nur für bestimmte Kate gorien von Verbrechen. Abg. v. Kardor f s (freikons.) stellt sich durchaus auf den Standpunkt des Abg. Oertel. Die Prügel strafe sei ihm ja auch persönlich nicht sympathisch, aber für manche Strafthaten, wie z. B. die Tier quälerei, gebe es nach seiner Ansicht überhaupt keine - andere als die Prügelstrafe. Abg. Graf Stolberg (kons.) konstatiert, daß Abg. Bebel gesagt habe, ganz Berlin wisse, wer die Verstümmelungen an den Denkmälern in der SicgeS- Allee vorgenommen habe, und daß die Thäter den höheren Ständen angehörten; auch der Polizei- Präsident wisse das. Wenn Abg. Bebel etwas Positives wisse, jo habe er die Pflicht, die Thäter zu nennen. Abg. Bebel erwidert, es sei ihm nicht ein gefallen, von bestimmten Personen zu sprechen. Er habe nur gesagt, daß ganz Berlin wisse, wo die Thäter zu suchen seien. Abg. v. Kardorsf hält es für einfache Pflicht des Abg. Bebel, die Namen zu nennen. Damit schließt die Diskussion. — Der Antrag Oertel wird gegen die Stimmen der Konservativen, Freikonservativen und Antisemiten abgelehnt und der Kommissionsantrag mit großer Mehrheit an genommen. Eine größere Zahl von Petitionen, welche einen wirksameren Vogelschutz beanspruchen, be antragt die Kommission dem Reichskanzler zur Be rücksichtigung zu überweisen. Dieser Antrag wird angenommen. prcnpUchrr Landtag. Im Abgeordnetenhaus« wurde am Donnerstag über Petitionen beraten, die lediglich lokale Wünsche zum Ausdruck brachten. Am FreUag fand im Abgeordnetenhause die erste Beratung der Vorlage betr. Verhütung vo« Hoch wassergefahren in Schlesien statt. Die Redner aller Parteien erklärten sich im großen und ganzen sym pathisch zur Vorlage. Dr. v. Miquel bemerkte, die Arbeiten, für welche die Wünsche deS Provinzial- LandtageS maßgebend gewesen seien, würden etwa zehn Jahre in Anspruch nehmen. — Die Vorlag« wurde alsdann einer Kommission von 28 Mitglieder« überwiesen. Kon Nah ««d Fer». Konitz. In Sachen der Ermordung de» Gymnasiasten Winter ist die Belohnung von der Polizei auf 2000 Mk. erhöht worden. Die Tochter des Grndendsfttzer«. 7f Romcm von Zos von Reuß. t8ort!k»uno-) 7. .Und siehst du, Greten — so war'S!" schloß Gerd Pieper seinen Bericht über daS Schicksal, das ihn urplötzlich aus dem Dienst gebracht hatte. Denn noch an demselben Abend, an welchem die Begegnung Baion Lüttringhausens und seines Inspektors mit Gerd stattgefunden, fand sich der Kleinknecht vor die Wahl gestellt, entweder Polly von sich zu thun, oder — den Dienst zu verlassen! Und weil er sich zu einer Trennung von Polly nicht entschließen konnte, hatte er Campen den Rücken gekehrt. „Schilt doch, Greten! Willst denn nicht schelten, Greten?" Aber die junge Frau schüttelte nur traurig den Kopf und sagte: „Ich meine, Lüttger, sie haben's lange arg mit dir getrieben! Wenn du nicht Bäume ausreißt beim Schaffen, thusi'S doch auch nicht beim Fressen. Und gerührt hast du dich auch. Aber ein toller Kopf bist auch, und der hat dich ins Unglück gebracht!" Gerd stand greinend vor der Schwester, gleich einem abgekanzelten Schulknaben. Der weiche Ton ihrer Stimme that ihm weher als böse Worte. Nur sehr schüchtern fragte er: „Darf ich hier bleiben im Hirtenhause?" „Freilich bleibst hier, bis du einen ordent lichen Platz gefunden hast, wo sie dir für deine saure Arbeit auch dein Stückchen Brot gönnen! Auf dem Edelhofe in Campen war's groß wie eine Nuß und hart wie ein Stein: ich meine, so ist's noch allerwegen!" „Ich hätte nimmer geglaubt, daß der Baron von Lüttringhausen ein Filz werden würde," meinte Hansen Maier, der mü nachbarlicher Neugierde zu der Beratung herübergekommen war, „viel eher war er ein Protz! Aber das Kohlengraben kostet ein Heidengeld!" „Ich weiß — was ich weiß!" sagte Gerd mtt sonderbarer Betonung. „Es kann dich auch niemand hinwegtreiben von hier," fuhr Greten fort, „denn ich zahle ihnen meine Miete und will nichts geschenkt haben. Viel Miete ist's ja nicht, aber genug für den Winkel! Schlafen kannst auf dem Taubenboden, der leer ist!" „Und Polly? Darf ich ihn behalten, Greten? Er frißt nur aus meinem Pott!" „Meinetwegen, wenn's nicht lange dauert! Ich gehe morgen auf Arbeit nach Süntel, und werde bei der alten Frau Doktor Nachfragen, ob Herr Friedrich nicht Arbeit für dich hat, auf der „Irene". Sie sagen, er ist die rechte Hand beim Herrn dort. Er ist immer freundlich zu mir, und kennt dich schon lange. Er wird's schon machen, daß sich ein Stückchen Brot für dich findet. . ." Gerd heulte jetzt wie ein Schloßhuud, als einzige Antwort. „Und jetzt ruf' mir die beiden Lüttgens auS dem Garten herein, derweil ich Speck und Tüften vom Feuer hebe!" — Wirklich sprach Greten Denken am andern Tage zur Feielabendzeit in Süntel bei der Frau Doktor vor, um einen neuen Dienst für den Bruder auszukundschaften. Es glückte ihr auch, insofern als sie den Schn zufälligerweise selbst bei der Mutter anwesend traf. Auch versprach der junge Mann sein Bestes zur Unterbringung des armen, ihm wohlbekannten Burschen zu thun. Aber er lehnte es entschieden ab, ihn auf der „Irene" selbst zu beschäftigen, zuerst weü sich ein eigentliches, seinen beeinträchtigten Körper kräften entsprechendes Arbeitsfeld nur schwer für ihn finden würde, und dann, weil er die Necke reien und Roheiten der andern für den „Gar disten" fürchtete. Denn der Geist, der auf der „Irene" herrschte, ließ augenblicklich viel zu wünschen übrig. Es war vielfach eine schlimme Verwahrlosung der Gemüter zu erblicken, an der der herausfordernde Luxus der Kommerzienrätin und besonders der Leichtsinn und die Sitten losigkeit des Sohnes nicht ohne Schuld waren. So hatte Friedrich Melzer größere Schwierig keiten gefunden, als er bei Uebernahme seiner Stellung erwarten konnte. Gerade das offen kundige Vertrauen, das ihm der Chef entgegen brachte, konnte nicht umhin, Neid und Mißgunst herauszufordern — allenthalben! Instinktiv fühlte Max Ullenhagen, wie die Zuverlässigkeit und die gediegenen Kenntnisse Friedrich Melzers ihn in Schatten stellen mußten. Verschiedene Male hatte er bereits im Familienkreise Andeu tungen fallen lassen, die darauf abzieüen, den Prinzipal gegen den jungen Mann einzunehmen. „Siehst du wirklich nicht, Papa, daß sich der Engländer ins Nest setzen will, als dein Schwiegersohn?" fragte er. Er geht darauf aus, Irene zu umgarnen! Der Kommerzienrat hatte mit dem Kopfe geschüttelt, war aber doch nach denklich geworden. Auch hatte die Kommerzien- rätin, zu deren Lieblingen Friedrich Melzer nie mals gehört hatte, es durchgesetzt, daß er nicht mehr in die Familie eingeladen ward. * 4- Auch auf roter Erde war eS endlich wirklich Frühling geworden. Die Bäche rauschten in die neuergrünenden Thäler hinunter, die ersten Bienen umsummten die Blumen, und die Drossel sang ihrer Lehrmeisterin Frau Nachtigall nach! Im Hinterzimmer des „Gnom" saß seit einer Viertelstunde Friedrich Melzer bei einem Glase Dortmunder Löwenbräu. Er sah ernster drein als gewöhnlich. Seit Wochen schon gingen allerlei Streikgerüchte auf der „Irene" umher, und hatte der scharf betrachtende junge Mann die Ueberzeugung gewonnen, daß wirklich eine Arbeitseinstellung im Anzuge war. Aber er wollte Gewißheit haben, bevor er dem Kom merzienrat Mitteilung machte. Es galt Beweise in der Hand zu haben, um darauf die Gegen maßregeln zu treffen. Darum war er, wie im Vombergehen, in das hauptsächlich besuchte Wirtshaus emgetreten, und hatte im Hinter» zimmer Platz genommen, in der Ueberzeugung, daß der heutige Samstag, der Löhnungstag, mit den vollen Taschen, vermutlich die Ange legenheit klar stellen werde. Neben dem erkalteten, in die Wand einge schobenen Kachelofen niederfitzend, übersah er die große Vorderstube vollständig. Sie war in der That bereits von harrenden Bergleuten an- gefüllt. Dazu strömten auf dem Hofe von allen Setten Arbeiter herzu, einzeln und in lachenden,
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