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Allgemeiner Anzeiger : 18.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189911187
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-11
- Tag 1899-11-18
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Monat
1899-11
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.11.1899
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KoMischr Krmdschaiu Vom Kriegsschauplatz. * Zum Teil find schon Nachschub- trup Pen der Engländer in Südafrika gelandet, die zum Entsatz von Ladysmith, Kimberley und Mafeking heranrücken, und daraus erklärt sich der besondere Eiser der Boern, dieser befestigten Orte vor dem Eintreffen der Entsatztruppen Herr zu werden. Auf Ladysmith haben die Boern ein mörderisches Bombardement er öffnet, wodurch viele Feuersbrünste ent zündet wurden. Wenn die Boern nicht noch große strategische Fehler begehen, können die englischen Truppen von der Küste her nicht heran. Kimberley und Mafeking aber liegen durch Zer störung der Bahnbrücke bei Colesberg so ab geschlossen, daß erst nach Wochen neue englische Truppen daselbst anlangen können. * Ein in Pretoria eingetroffener Boern- Offizier erzählte, seit Beginn voriger Woche hätten mindestens dreimal Verhand lungen zwischen General Joubert und General White, betreffend eine etwaige Kapitulation, stattgefunden. General White verlangte freien Abzug für alle seine Truppen unter Mitnahme der Fahnen, Geschütze, Waffen und der ge samten Munition; General Joubert erklärte diese Forderung mit Recht für unverschämt und verlangte bedingungslose Kapitulation. Bei der zweiten Verhandlung war General Joubert allerdings bereit, ein Zugeständnis zu machen, indem er vorschlug, die Geschütze und die Munition sollten nicht ausgeliefert, sondern un brauchbar gemacht werden. Eine Einigung ist auch bei der dritten Verhandlung, die am letzten Mittwoch abgebrochen wurde, nicht zu stände, gekommen. *Ein Reisender, welcher aus Pretoria in Teneriffa eingetroffen ist, berichtet, Pretoria sei stark befestigt. Die Zahl der dort in Ge» fangenschaft befindlichen Engländer sei viel größer, als in den englischen De peschen angegeben worden. * * * Deutsckland. * Für den Aufenthalt des Kaisers in England ist nunmehr folgendes Pro gramm aufgestellt worden. Ministerpräsident Lord Salisbury wird beim Empfang des Kaisers am Montag, den 20. November, in Windsor zugegen sein. An eine Jagd am Dienstag im Windsorpark wird sich abends ein Prunkmahl anschließen. Am Donnerstag findet wiederum eine Jagd statt. Darauf begibt sich das Kaiser paar zum Besuch des Prinzen von Wales nach Sandringham. — Nach der Most' wird der Kaiser auf seiner Englandfahrt von seiner G e - mahlin sowie seinen beiden jüngsten Kindern, Oskar und Viktoria Luise, be gleitet sein. *Die Reise des Kaisers nach Eng land jeden politischen Charakters zu entkleiden, ist man von amtlicher Seite aus nach wie vor bestrebt. So hat der deutsche Botschafter zu London am Montag nach Ply mouth die Nachricht gelangen lassen, der Kaiser müsse die ihm von der Stadt zugedachte Willkommensadresse ablehnen, da sein Besuch in England streng privater Natur sei. *Die Nachricht, als ob die Reise des deutschen Botschafters in Wien, Grafen zu Eulenburg, an die süddeutschentzöfe mit derFlottenfrage zusammenhänge oder irgendwelchen sonstigen politischen Hintergrund hätte, wird offiziös als völlig unbe gründet bezeichnet. *Für eine besondere Reichszentral prüfungsanstalt für Materialien Wird der neue Reichshaushaltsetat eine Forde rung enthalten. Diese neue Neichsanstalt soll die Materialien verschiedenster Art auf ihre .Brauchbarkeit in ökonomischer und konstruktiver Beziehung Prüfen. Die Anstalt soll frei von Rücksichten auf Lehrzwecke nur den Bedürfnissen der Technik folgen. * Im Reichstag find, nachdem am Sonn tag in Schlettstadt derZentrums-Abg.Vonderscheer gewühlt worden ist, zur Zeit die während der Vertagung frei gewordenen Mandate für Kalbe-Aschersleben an Stelle des wegen Majestätsbeleidigung verurteilten Sozialdemo kraten, für Pforzheim an Stelle des erkrankten Sozialdemokraten Agster und für Germersheim an Stelle des verstorbenen nationalliberalen Abg. Gander noch unbesetzt. * Die Kommission für Arbeiterstatistik wird voraussichtlich in der ersten Woche des Dezember zusammentreten, um vor allem den Bericht über die Regelung der Arbeitszeit im Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe festzustellen. Als Berichterstatter fungieren der sozialdemo kratische Reichstags-Abg. Molkenbuhr und der bayrische Ministerialdirektor v. Herrmann. *Die Steigerung der Fleisch- waren-Einfuhr nach Deutschland hat sich auch in diesem Jahre fortgesetzt. Sie betrug in den früheren Jahren: Doppelzentner: Geldwert: 1893 gleich 166 000 14 Millionen Mark 1894 „ 276 000 25 1895 „ 332 000 27 „ 1896 „ 267 000 21 „ 1897 „ 480 000 43 „ 1898 „ 836 000 70 Im laufenden Jahre hat insbesondere die Einfuhr frischen Rindfleisches aus Dänemark gewaltig zugenommen. Sie allein ist in den ersten neun Monaten 1899 auf 272 000 Zentner gestiegen, gegenüber 180 000 Zentnern im gleichen Zeitraum des Vorjahres. — Billiger ist das Fleisch für den Verbrauch trotzdem nicht geworden. * Zur Unterstützung der deutschen Seehäfen und zur weiteren Förderung der Ausfuhr der deutschen Eisenwerke werden vom 15. d. ab auf den preußisch-hessischen Staats bahnen die Frachtsätze des E i s e n - A u s fu h r- tarifs bei der Ausfuhr nach Ostafien weiter ermäßigt. *Die oldenburgische Regierung be antragt beim Landtag die Bewilligung von 45 000 Mk. zu Vorarbeiten für den Ausbau des H u n t e - E m s k a u a l s auf die Abmessungen des Dortmund-Emskanals. Frankreich. *Ein Zwischenfall, der sich in der Bucht von Laurenzo Marques zwischen dem französischen Dampfer „Cordoba" und dem englischen Kreuzer „Magicienne" ereignete, nist in Paris außerordentliche Entrüstung hervor. Wenn das fanzö- sifche Schiff „Cordoba" in portugie sischem Gewässer dem Haltsignale der eng lischen „Magicienne" keine Folge leistete, so habe dies den englischen Kreuzer nicht im ent ferntesten berechtigt, einen, wenn auch nur blinden Schutz abzugeben, und die That- sache, daß dem französischen Schiffe erst nach Vorweisung der Papiere die Weiterfahrt nach Laurenzo gestattet wurde, bedeute eine Ver letzung des internationalen Seerechts seitens des englischen Kapitäns. Selbst die gemäßigten Blätter fordern, daß England Abbitte leiste, und von allen Seiten wird energisch eine angemessene Entschädigung des ' französischen Reeders verlangt. Gleichzeitig dringt man darauf, daß England endlich Auf klärungen gebe über seine Abmachungen bezüglich der portugiesischen Besitzungen in Afrika. * Der Komplottprozeß vor dem Staatsgerichtshofe ist noch immer nicht über die einleitenden Formalitäten hinausgediehen. Italien. * In Italien sollen die Mittel für eine b e - schleunigteVermehrungderFlotte nach den Vorschlägen des Marineministers durch Ersparungen in der Verwaltung und im Beamten etat gewonnen werden. Nukland. * Im russischen Finanzministerium werden gutem Vernehmen nach bereits Maßnahmen vorbereitet, die eine Milderung der Steuer vorschriften für ausländische Geschäfts reisende bezwecken. Der , Post' wird darüber aus Petersburg gemeldet, daß fortan nur 150 Rubel jährliche Abgabe erhoben werden sollen, was für jeden Fall eine Er sparnis von 400 Rubel bedeuten würde. Balkanstaaten. *E8 werden neuerdings Versuche gemacht, eine Aussöhnung zwischen KönigMilan und der Königin Natalie herbeizuführen. Letztere vet-Mt sich sehr ablehnend. Asten. * Man verfolgt mit Besorgnis die Gestaltung der Beziehungen zwischen Rußland und Japan. Die letztere Macht ist ohne Frage thatsächlich verbündet mit China; die von der Kaiserin-Witwe von China angeordnete Degradierung der kürzlich aus Japan zurück gekehrten chinesischen Spezialgesandten war nur ein taktischer Zug, durch den Rußland beruhigt werden sollte. Eine starke russische Flotte will im Hafen von Nagasaki überwintern, und es ist wahrscheinlich, daß Japan dagegen Einspruch erheben wird. Deutscher Reichstag. Am 14. d. ist aus Anlaß der 100. Plenarsitzung der Platz des Präsidenten mit zwei Blumensträußen geschmückt. Präsident Graf Ballcstrem: Die Sitzung ist eröffnet. — Nach der längeren Unterbrechung unserer Sitzungen erlaube ich mir, die Herren Kollegen hier wieder auf das herzlichste zu begrüßen. Auf der Tagesordnung stehen zunächst Berichte der Petitionskommission über Petitionen. Petitionen betr. Abänderung der Gewerbeordung und des Krankenversicherungsgesetzes werden dem Reichskanzler als Material überwiesen. — Eine Petition um Reform des Jrrenwesens und des Ent mündigungsverfahrens wird durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt. Eine Petition des Pfarrers v. Bodelschwingh- Bielefeld und des Pfarrers Ille. Weber-München- Gladbach betr. Erlaß eines Reichs-Wohnungsgesetzes empfiehlt die Kommission ebenfalls, durch Uebergang zur Tagesordnung zu erledigen. Referent Abg. Stockmann (Antis.): Die Kom mission habe die Wichtigkeit der Frage nicht verkannt, die Einzelregierungen seien auch bestrebt, die Wohnungsfrage zu regeln. Die von den Petenten vorgcschlagene reichsgesetzliche Regelung sei aber nicht angängig; das Reich dürfe sich nur darauf be schränken, eine Art Kontrolle zu üben. Abg. Hasse (nat.-lib.) empfiehlt dem Hause, heute die Beschlußfassung auszusetzen und die Beibringung weiteren Materials, das in weiteren Petitionen in Aussicht stehe, abzuwarten. Dieses Material werde zeigen, daß das Reich doch eine weitergehende Kompe tenz auf dem Gebiete der Wohnungsfrage bean spruchen könne, als die Mehrheit der Kommission an genommen habe. Abg. Schrader (fr. Vgg.) bezweifelt, daß das zu erwartende Material diese Wirkung üben könne. Er beantrage daher, in einer Resolution an den Reichskanzler das Ersuchen zu richten, eine Kom mission zum Zwecke solcher Erhebungen einzusetzen, an welcher auch Mitglieder des Reichstages betetligt sein sollen. Abg. Hitze (Zentr.) hält es für das richtigste, dem Kommissionsbeschlusse beizutreten. Das Reich könne nur die sanitäre Seite der Frage einheitlich regeln. Im übrigen gingen die Einzelstaaten, be sonders Preußen, in der Regelung der Wohnungs frage immer entschiedener vor. Äbg. Franken (nat.-lib.) tritt für den Antrag Hasse ein. Abg. Stöcker (wildkons.) meint, es würde im Lande nicht verstanden werden, wenn diese Petition hier schnell abgethan würde. In den großen Städten müsse der Arbeiter oft ein Viertel, ja sogar bis zu einem Drittel seines Lohnes für Wohnungsmiete aufwenden, oder er müsse Aftermieter aufnehmen. In vielen kleinen Städten sei es schon ganz ähnlich. Deshalb dürfe der Reichstag über eine so wichtige Frage nicht zur Tagesordnung übergehen, er müsse die Sache selbst in die Hand nehmen. Er bitte des halb um Annahme des Antrages Hasse oder des Antrages Schrader. Abg. Wurm (soz.) hält es für dringend not wendig, die ganze Frage in einer Kommission ein gehend zu beraten. Geheimrat Gruner verweist darauf, daß in der Novelle zum Jnvaliden-Versicherungsgesetz dar auf Bedacht genommen worden ist, oie Möglichkeit für die Versicherungsanstalten, Kapitalien zu Woh nungszwecken herzugeben, zu erweitern und zu er leichtern. Zu direcktem Eingreifen fehle es dem Reiche an Zuständigkeit. Abg. Fischbeck (freis. Vp.) wünscht, daß die Frage eingehend in einer Kommission geprüft werde. Damit schließt die Diskussion. — Zur Annahme gelangt der Antrag Schrader auf Einsetzung einer besonderen Enquete-Kommission. — Der Kommisfions- antrag und der Antrag Hasse sind damit erledigt. Eine Petition des Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke' zu Hildesheim um Wiedervorlegung des Gesetzes zur Bekämpfung der Trunksucht beantragt die Kommission dem Reichs kanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. Abg. Beckh - Koburg (fr. Vp.) hält zwar eine Bekämpfung des Alkoholismus für nötig, aber ein Gesetz, das diesen Zweck verfolge, oürfe kein Klaffcn- gesetz sein. Abg. Stephan- Beuthen (Zentr.) hält es für sehr Wohl möglich, die Exzesse auf diesem Gebiete zu verhüten und durch gesetzliche Vorschriften den Mißbrauch geistiger Getränke einzuschränken. Abg. Wurm (soz.): Das geforderte Gesetz würde lediglich ein Klassengesetz sein. Die beste Maßnahme gegen das Schnapstrinkcn würde die Aufhebung der Biersteuer sein. Abg. Q u e n t i n (nat.-lib.): Durch die Kriminal statistik sei nachgewiesen, daß die Mehrzahl aller Ver brechen auf übermäßigen Alkoholgenuß zurückzuführen sind. Es nütze nichts, allein auf eine Besserung der Lebenshaltung hinzuarbeiten, man müsse auch auf anderen Gebieten vorgehen. Vor allem fehle es an einem einheitlichen Ausbau des Schankstättenwescns. Gegen solche Mißstände müsse der Staat alle Mittel anwcndcn, deshalb stimme er für den Kommissions antrag. Abg. Beck h - Koburg: Ein Trunksuchtsgesetz treffe gar nicht den Kern, denn cs heile keinen Trinker. Die Trunkenbolde, die sich öffentlich zeigen, würden von den Gendarmen gefaßt und eingesteckt. Vielfach aber trete die Trunksucht doch gar nicht an die Oeffentlichkeit. Jedes Trunksuchtsgesetz sei ein Klassen gesetz. Ein solches müsse bekämpft werden. Der Kommissionsantrag wird darauf gegen die Stimmen der Freisinnigen und Sozialdemokraten angenommen. Eine Petition um Einführung eines Zolles auf Feld- und Gartenfrüchte, Heu rc. wird nach dem Anträge der Kommission dem Reichskanzler als Material üverwiesen. Eine Petition wegen Abänderung eines Vertrages über den Bau einer Offizierspeise-Anstalt in Straß burg wird aus Antrag des Abg. Bebel an die Budget- Kommission verwiesen. Es folgen sodann Berichte der Wahlprüfungs- Kommission. Ko« Uah mrd Fer«. Berlin. Die Schnurrbartfrage der Kellner ist wieder aktuell geworden und wird sogar den Reichstag beschäftigen. Der neue Pächter des Reichstagsrestaurants, Hoflieferant Schaurtö, hat bei der Einstellung der Kellner seinem Personal zur Pflicht gemacht, sich den Schnurrbart abzu- rafieren. Das Schnurrbartverbot, das in Restau rants ersten Ranges seit langem besteht, hatte bisher im Reichslagsrestaurant keine Geltung. Die Kellnerorganisationen protestieren gegen das Gebot des Herrn Schaurts und wollen sich an Reichstagsabgeordnete mit dem Ersuchen wenden, die Angelegenheit im Parlament zur Sprache zu bringen, mit der Motivierung, daß eine Ein schränkung der persönlichen Freiheit, wie sie in dem Schnurrbartverbot unzweifelhaft zu erblicken wäre, bei den im Neichstagsgebäude arbeitenden Personen durchaus nicht am Platze sei. Potsdam. Das russische Kaiserpaar hatte bei seinem Aufenthalt in Deutschland bekannt lich die drei kleinen Prinzessinnen bei sich, die auch die Reise nach Potsdam mitmachten. Damit die Prinzessinnen unterwegs stets frische Milch bekommen konnten, wurden in einem der elf Waggons des russischen Hofzuges zwei statt liche Holländer Kühe mitgeführt. Der betreffende Waggon ist vollständig als Kuhstall eingerichtet, Fußboden und Wände find mit weißblauen Mettlacher Fliesen belegt, und es herrs.it eine blitzende Sauberkeit darin. Frisches Grünfutter wurde nach Bedarf an den einzelnen Stationen eingenommen, bei denen es im voraus tele graphisch bestellt wurde, und die Kühe befanden sich anscheinend ganz wohl dabei. Bei der An kunft des Zarenpaares hierselbst erregte es unter den am Bahnhofe anwesenden Personen keine geringe Verwunderung, als gerade im Augen blick der feierlichen Begrüßung aus dem hintersten Waggon des russischen Hofzuges ein kräftiges „Muh!" ertönte. Krossen. Flüchtig ist der Lehrer Fix aus Pommerzig nach Unterschlagung von etwa 3000 Mar! aus Kassen des Darlehnsvereins und andrer Vereine. Fix hat fich mittels Fahrrad entfernt. Görlitz. Die Ehefrau des verstorbenen Rentiers Willing zu Wittichenau wurde unter dem Verdacht des Gattenmordes verhaftet. Zer Achwedenhof. 11 j Erzählung von Fritz Brentano. Gortsctzung.) In der Hand des Jndianes ruhte das furcht bare Schlachtbeil, dessen gefährlichen Wurf der Gefangene am meisten fürchtete und das er auf alle Fälle in seinen Besitz bringen mußte, wenn er ungefährdet eines der Pferde erreichen und sich auf dessen Rücken schwingen wollte, ehe die übrigen Sioux von dem unvermeidlichen Lärm erwachten und fich zu seiner Verfolgung auf machten. Lange spähte Ulrich unter den halbge schlossenen Augenlidern nach dem jungen Krieger hinüber und jetzt dünkte ihm, als erlahme sicht lich dessen anfängliche Wachsamkeit. Nur noch in langen Zwischenpausen schaute er sich nach dem Gefangenen um, und dann geschah dies so gleichgültig und oberflächlich, daß Ulrich deutlich ersah, daß der Sioux vollständig arglos seines Amtes waltete. Eben hatte dieser wieder einen Blick herübergesandt und der Gefangene benutzte diesen Moment, um sich vor den Augen des Wilden der Länge nach auf den Boden auszu strecken, als ob dies im Schlaf geschähe, wobei er ein so lautes Schnarchen hören ließ, daß der Wächter sich wieder gleichmütig abwandte, die Decke, welche er lose um die Schulter hängen hatte, fester zu zog und ebenfalls im Halbschlaf die Augen schloß. Jetzt oder nie! Langsam rollte der Ge fangene, welcher bereits seine Hände frei gemacht hatte, Zoll für Zoll auf dem weichen Boden vorwärts, auf den Wächter zu. Freilich schlug ihm das Herz zum Zerspringen, aber er fühlte auch, daß dies der letzte günstige Moment zum Entkommen war. Schon war er dem Indianer auf wenige Schritte nahe, als ein dürres Neis unter der Wucht seines Körpers krachte. Der junge Krieger drehte bei diesem verdächtigen Geräusch blitzschnell den Kopf nach Ulrich, allein ehe er noch Zeit hatte, die Situation zu über schauen, war jener aufgesprungen und warf sich so rasch auf seinen Feind, daß dieser kaum sein erstauntes „Hugh!" ausstoßen konnte, als schon sein eigener Tomahawk, den Ulrich ihm entrissen hatte, auf seinen Schädel niedersauste und er mit einem Todesröcheln auf den Rasen niedersank. Ohne einen Blick auf den niedergestreckten Gegner zn werfen, stieß der Schwedenhofbauer den leisen Pfiff aus, mittels dessen er so oft seine Pferde von der Weide zrückgerusen hatte. Die Tiere spitzten die Ohren und trabten sofort herbei. Im Nu saß Ulrich auf dem Rücken des einen und sprengte in dem Augenblick davon, als die schlafenden Indianer erwachten und beim Anblick ihres erschlagenen Gefährten ein klagen des Geheul ausstießen, welches sich alsbald in ein Geschrei der Wut und Rache verkehrte, als sie den Flüchtling hoch zu Roß dahinjagen sahen. Während vier der feindlichen Krieger fich zu einem jener energischen Dauerläufe rüsteten, der sie in der Verfolgung eines Gegners so furcht bar machte, hatte sich der fünfte, Tahitta, auf das zweite noch ledige Pferd geschwungen und jagte dem Flüchtling nach, der einen raschen, prüfenden Blick auf seine Verfolger hinter sich geworfen hatte und nun sein Tier auf das äußerste anspornte, um die Entfernung zwischen sich und den Indianern zu vergrößern. Wohl eine Viertelstunde schon hatte die wilde Jagd gedauert — kein Laut kam über die Lippen von Freund und Feind, nur der keuchende Atem von Menschen und Tier, das Knacken der nieder brechenden Aeste und das Rauschen der dürren Blätter, welche unter den Schritten der Dahin- eilenden aufwirbelten, war weithin vernehmbar. Wieder warf Ulrich einen Blick zurück. Tahitta, welcher in seiner Kriegsbemalung und hoch zu Roß von dem falben Mondlicht beschie nen, gleich einem Dämon der Nacht erstzien, war etwa hundert Schritte hinter ihm, während seine Gegner weiter zurück, aber immer noch nahe genug, einherstürmten, um dem Flüchtling die größte Besorgnis einzuflößen. Hätte die Ver folgung auf freiem Felde stattgefunden, so wären die unberittenen Gegner nicht zu fürchten gewesen, aber im Walde, wo die Bäume und das Unterholz das Pferd in der vollen Ent faltung seiner Geschwindigkeit hemmte, war der Unterschied lange kein so bedeutender — der Vorteil, den der Reiter hatte, nur halb so groß. Trotzdem blieben die Indianer nach und nach zurück und Tahitta näherte fich dem Flücht ling immer mehr und mehr. Mit einer wunder baren Geschicklichkeit klammerte sich der Häupt ling mit den nackten Beinen an dem sattellosen Tier fest und griff zu dem Bogen, der über seiner Schulter hing. Ulrich hatte von dieser gefahrdrohenden Bewegung nichts bemerkt, bis ihm ein dicht an seinem Kopf vorübersausender Pfeil Kunde davon gab und ihn zu neuen ver zweifelten Anstrengungen anspornte. DerJndianer war durch den Schuß etwas in Nachteil ge ¬ kommen, und wieder keuchten die beiden Pferde etwa zehn Minuten hintereinander her, ohne daß fich die Entfernung zwischen ihnen ver" ringerte, indessen die Gefährten des Häuptlings abermals weiter zurückblieben und diesem das Terrain allein lassen mußten. Es war ein äußerst aufregendes Schauspiel, welches fich in der Hellen Mondnacht in dem raustzenden Walde da abspielte. Das gewaltig« Ringen des Flüchtlings um sein Leben, der Kampf gegen den hinter ihm lauernden schreck lichen Martertod — der gleich einem Gespenst der Rache wild dahinjagende Indianer, dessen Ehre als Krieger verloren war, wenn der Ge fangene vor ihm entkam, das Schnauben und Stampfen der schaumbedeckten Pferde, vor deren Tritt die schlafenden Vögel erschreckt aufflatterten und über allem das kalte, schweigende Mond licht, dessen Strahlen — die Situation fast taghell erleuchtend — über den Zweige« schwebten. Ulrich sah nicht rückwärts, aber er fühlte instinktiv, wie sein Gegner an Terrain gewann und ihm näher und näher rückte. Deutlicher vernahm er das Keuchen seines Pferdes und ihm war, als spüre er schon den heißen Atem desselben in seinem Nacken. Es galt einen letzten, furchtbaren Entschluß- So oder so — dieser Zustand mußte ein Ende nehmen; der Reiter hinter ihm mußte unschädlA gemacht werden, oder er wollte dieses entsetzum» Ringen aufgeben und als Mana in dem unv»' meidlichen Handgemenge mit dem Gegner sauen. Lebendig sollten sie ihn unter keiner Bedingung haben, dies schwur er feierlich und wappnete l
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