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Allgemeiner Anzeiger : 22.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
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- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189911227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18991122
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18991122
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-11
- Tag 1899-11-22
-
Monat
1899-11
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.11.1899
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Hamburg. Der Dampfer „Patria" der Hamburg-Amerika-Linie ist am Mittwoch in der Nordsee in Brand geraten. Durch den russischen Dampfer „Ceres" wurden sämtliche Passagiere — etwa 150 — gerettet; sie befinden sich gegen wärtig in Dover. Die Mannschaft, die trotz der großen Gefahr so lange als möglich aus dem brennenden Schiffe verblieb, wurde von dem Dampfer „Athefia" der Hamburg-Amerika-Linie an Bord genommen. Derselbe Dampfer ver sucht, die „Patria" nach der Elbe zu schleppen. Lübeck. Der hiesige Volksschullehrer Strunck ist mit der von Neapel abgehenden Hilfsexpedition des Zentralkomitees der deutschen Vereine vom Noten Kreuz nach dem Kriegsschauplatz in Süd afrika abgereist. Lehrer Strunck ist vorläufig auf ein halbes Jahr mit vollem Gehalt beurlaubt worden. Er ist Mitglied der Genossenschaft frei williger Krankenpfleger im Kriege. Oschersleben. Von seinen eigenen Jagd hunden angegriffen wurde hier ein Jagdaufseher, der mit der Dressur seines irischen Setters be schäftigt war. Nach einem dabei verabfolgten Hieb wurde er von dem Hund plötzlich in die Beine gebissen. Bei dem unvermuteten Stoß glitt er aus, und nun stürzten sich, wie auf Kommando, auch die beiden andern anwesenden Jagdhunde aus den Liegenden. Trotz vieler Bißwunden, besonders an den Händen, raffte dieser sich auf und vertrieb die wie wild ge wordenen Hunde. Seine vielen Wunden sind allerdings nicht tief, aber er mußte doch ärzt liche Hilfe suchen. Düsseldorf. In die neungliedrige Kom mission, welche die jüngst von der hiesigen Stadt verordnetenversammlung beschlossenen städtischen Maßnahmen zur Abhilfe der Wohnungsnot überwachen und letten soll, wurden auch zwei Vertreter der Arbeiterschaft gewählt. Kaiserslautern. Am Donnerstag vor mittag gelang es der hiesigen Kriminalpolizei, ein Falschmünzernest auszuheben und eine große Anzahl von Falsifikaten sowie von Werkzeugen und Material zu beschlagnahmen. Zwei Personen find bereits verhaftet worden. Bretten. Ein heiteres Nachspiel aus dem Manöver gab es in Gochsheim, wo das 6. badische Infanterieregiment aus Konstanz längere Zeit im Quartier lag und im besten Verhältnis mit der Einwohnerschaft lebte. Daß die strammen Krieger nicht teilnahmlos an den schmucken Mädchen vorübergingen, hatte jedoch die Eifer sucht der Burschen erweckt, um so mehr, als bis jetzt noch viele Briefe und Postkarten einlaufen. Im Brettener ,Sonntagsblatt' erschien nun zur Kirchweihe eine Einladung an auswärtige Mädchen, indem man die einheimischen an die Konstanzer Soldaten verwies und dabei bemerkte, der Briefbote von Gochsheim habe stch die Stiefel durchgelaufen, nur um die Konstanzer Korrespondenz zu bewältigen. Die Kunde drang auch nach Konstanz, und die Folge war, daß der Briefbote am Dienstag von dort ein Paar schöne neue Stiefel erhielt, „gewidmet von den dankbaren Konstanzer Soldaten". Badenweiler. Hauptlehrer Reimold stürzte, als er im dritten Stock eine Fahne hereinholen wollte, zum Fenster hinaus aufs Pflaster und war sofort tot. Königsberg. Daß zwei achtjährige Jungen einen Einbruchsdiebstahl geplant, vorbereitet und ausgesührt haben, dürfte in den Annalen dec Verbrecherwelt noch mcht vorgekommen sein. Die Losfrau Haupt aus Julienbruch schickte in voriger Woche zwei Schuljungen nach dem Gasthause, um einen Liter Branntwein zu holen. Bei dieser Gelegenheit sahen die Jungen, daß die Frau ihr Geld in einem Schranke liegen hatte und den Schlussel davon oben auf dem Schranke aufbewahrte. Unterwegs beschlossen fie, bei günstiger Gelegenheit ihr das Geld zu stehlen. Die Gelegenheit fand sich bald. Der Losmann Haupt verreiste nach Königsberg, und die Frau ging aufs Feld. Die Jungen fanden die Thür verschlossen, das hielt fie aber von ihrem Vorhaben nicht ab. Sie drückten eine Fensterscheibe ein, stiegen in das Zimmer, suchten und fanden den Schlüssel und ent wendeten der armen Frau ihr Alles, zwei Gold stücke. Damit begab sich nun der eine zum Krämer in Julienbruch, der andere nach Petricken, um das Geld zu wechseln. Jeder verlangte für 10 Pfennig Bonbon und legte ein Goldstück hin. Beiden Kaufleuten kam dir Sache ver dächtig vor und fie bedeuteten die Jungen, das Geld den Eltern zurückzugeben. Das fiel diesen aber garnicht ein. Sie waren jetzt klüger ge worden, begaben sich nach Heidlankm und ver langten dort zwei Pfund Schmalz. Hier wurden fie aber von der Frau, die ihr verschwundenes Geld suchte, abgefaßt und mußten ihre Beute herausgeben. Neben der durch Frau Haupt erstatteten Strafanzeige hat der zuständige Lehrer in Petricken den Antrag auf Zwangs erziehung gestellt. Wien. Der am Donnerstag verstorbene Scharfrichter von Wien, Sellinger, hat während seiner Amtswirksamkeit 140 Hinrichtungen voll zogen. Paris. Die Verwendung sogen. Trauer- kouverts (Briefumschläge mit schwarzen Rändern) bei der Absendung eingeschriebener Briefe ist von dem Staatssekretär des Post- und Telegraphen wesens in Frankreich jetzt auch für den Inland- Verkehr verboten woiden, nachdem fie für den Verkehr mit dem Auslande schrn seit längerer Zeit untersagt war. Die Briefumschläge mit farbigen Rändern lassen sich nämlich viel leichter als einfache weiße Briefumschläge an den Seiten in betrügerischer Weise, mit Hilfe eines feinen Messers öffnen. Auf glatten Kouverts läßt diese Operation mehr oder minder deutliche Spuren zurück, während die schwarzen Ränder eines heimlich geöffneten Kouverts auf fast unmerk liche Weise wieder geschloffen werden können, indem man nötigenfalls die Schnittflächen mit Farbe schwärzt. Luzern. Dieser Tage schloß im hiefigen Zuchthause ein Verbrecher die Augen, der sogar über die Landesgrenzen hinaus eine größere „Berühmtheit" erlangt hatte, als viele hochver diente Männer. Thali, so hieß der Unglückliche, war nämlich ein Virtuos in der Selbstbesreiung durch Erbrechen seiner „ausbruchsficheren" Zelle. Mit raffiniertem Geschick und ausdauernder Ge duld pflegte er jeweils seinen Ausbruch vorzu bereiten, und, kaum in Freiheit, vergriff er sich wieder an fremdem Eigentum in mehreren Kantonen, die ihn, wenn man seiner habhaft geworden, natürlich kraft eigener Gerichtsbarkeit nach ihrem besonderen Strafgesetz wieder ver urteilten. So war es möglich, daß Thali, der nahe daran war, gleich den italienischen Banditen häuptlingen, eine legendenhafte Persönlichkeit zu werden, für seine Diebstähle im Gesamtbeträge von bloß 1700 Frank bereits 23 Jahre Zucht haus abgeseffen hatte und noch manches Jahr zu gute hatte. Das „Vaterland" durste ihn daher mtt Recht einen „unbewußten und unge wollten Bahnbrecher der Nechtseinheit" nennen. London. George Barker James Cooper- Cooper, der im Jahre 1892 wegen der Ermor dung seiner Frau in Douglas auf der Insel Man zu zehnjährigem Gefängnis verurteilt wurde — der Prozeß erregte damals großes Aufsehen — ist eben mit Nachsicht der drei Gefängnisjahre freigelassen worden. Er befindet sich nun im Besitz eines Vermögens, das auf 1000000 Pfund (20 Mill. Mark) geschätzt wird. Cooper, dessen Vater schon sehr reich war, heiratete im September 1891 in Chester die Tochter eines andern reichen Mannes, Miß Edith Cooper. Ein Jahr später fand man die Frau eines Tages in dem Hotel in Douglas, das von dem Ehepaar bewohnt wurde, erstochen auf. James Cooper wurde verhaftet. Er gab bei seiner Verantwortung vor Gericht an, daß er sich eben mit seinem Federmesser die Nägel geschnitten hätte, als plötzlich seine Frau ohn mächtig wurde und auf die Klinge fiel, wodurch der Tod verursacht wurde. Nach siebentägigem Prozesse wurde der Angeklagte des Mordes chuldig befunden. Und nun kommt das merk- vürdigste. Nicht bloß der Vater, sondern auch >er Schwiegervater des angeblichen Mörders waren vollständig von seiner Unschuld überzeugt, und beide vermachten ihm vor ihrem Tode ihr ganzes Vermögen. GerillxtshMe. Bautzen. Die Gutsauszüglerin Martschink, die ihren Schwiegersohn durch Kaffee vergiften wollte, durch dessen Genuß zehn Personen erkrankten, ist vom Schwurgericht zu 4>/z Jahr Zuchthaus ver urteilt worden. Rudolstadt. Das hiesige Schwurgericht ver- fk ndelte, wie schon kurz gemeldet wurde, am 13. d. ^gen den Dienstknecht Paul Hoffmann aus Etz leben. Es wurden dem Angeklagten folgende Ver brechen zur Last gelegt: 1) die vorsätzliche und über legte Ermordung des Landwirts Müller in Oldis leben, 2) ein Mordversuch gegen Frau Müller, 3) und 4) die vorsätzliche Tötung des vierjährigen Töchter chens und des achtjährigen Söhnchens des Landwirts Müller, 5) das Aufbrechen und Ausrauben des Schrankes des Müller, wobei dem Angeklagten 500 Mark in die Hände fielen. Der Thatbestand ist nach der Anklageschrift folgender: Hoffmann, der bei Müller im Dienst stand, ist in der Mordnacht von der Hinterseite aus in das Wohnhaus einge drungen und hat, um das Vermögen seines Dienst herrn rauben zu können, zunächst diesen selbst mit vier Axtschlägen getötet. Die Frau Müller, welche bei dem ersten Schlage erwachte, fuhr in die Höhe und versuchte, sich mit den Händen gegen die Axtschläge Hoffmanns, der sich nach der Ermordung ihres Gatten gegen sie wandte, zu schützen. Der Mörder hat ihr dabei einen Finger der rechten Hand abgeschlagen. Die Sachverständi gen stellten fest, daß auch Frau Müller mindestens sieben Schläge erhalten hat. Auch gegen die Stirn war sie geschlagen worden. Die Kinder zu töten, will der Angeklagte ursprünglich nicht beabsicht haben, er sei nur durch das Schreien derselben zu den weiteren Schritten veranlaßt worden. Nach der Ermordung der beiden Kinder hat Hoffmann dann den Schrank geplündert. Um einen etwaigen Ver dacht abzulenken, drückte er in der Milchstube, die nach der Straße zu liegt, eine Fensterscheibe ein. Dann ist er über den Hof in die Stallkammer gegangen und hat sich zu Bett gelegt. Er vermochte jedoch vor Ge wissensbissen nicht zu schlafen. Am Morgen fütterte er die Pferde wie gewöhnlich. Als das Dienstmädchen ihm dann zuerst von dem Morde erzählte, hat er still geschwiegen, nachher aber einem Nachbar erzählt, daß bei Müller eingebrochen worden sei. Das Geld hatte er auf dem Heuboden versteckt und später in seinen Koffer gethan. Bei dem Leichenbegängnis der Ermordeten hat er selbst einen Kranz nachgetragen und heftig geweint. Bei der schwer danieder liegenden Frau Müller hat er öfter mit Nacht wache gehalten. — Der Angeklagte trug bei der Verhandlung ein ruhiges, gleichgültiges Wesen zur Schau. Der Staatsanwalt beantragte wegen dreifachen Mordes (begangen an Müller und dessen beiden Kindern) die Todesstrafe, für den Mordversuch an Frau Müller 15 Jahr Zuchthaus und für den Diebstahl ein Jahr Gcfängns. Das Urteil lautete auf Todesstrafe und 15 Jahr 6 Monat Zuchthaus. Der Angeklagte hielt während der ganzen Verhandlung den Blick zu Boden gerichtet. Das Urteil hörte er gleichgültig an. Komorn (Ungarn). Am Donnerstag wurde in der Mocsaer Folterungsaffäre nach sechstägiger Ver handlung das Urteil gesprochen. Der Stuhlrichter Koloman Szabo wurde zu einer Kerkcrstrafe von drei Jahren, der Rechnungsbeamte Gedeon Molnar zu einer Kerkerstrafe von 3V, Jahr, Notar Ludwig Goebel zu einem Jahr Gefängnis und der Orts richter Ozumyi zu vier Monat Gefängnis verurteil!. Sämtliche Verurteilten haben Berufung eingelegt. Bürgerliches Gesetzbuch. Verwandtschaftsrechte. Unter- haltungspflicht. Mit dem Inkrafttreten der Bestimmungen des Bürgerl. Gesetzb. finden gerade bezüglich der Verwandtschaftsrechte mannigfache Aende- rungen gegenüber den jetzt geltenden Rechtszu ständen statt. So find in Zukunft nur Ver wandte in gerader Linie (Kinder, Eltern, Groß eltern) einander Unterhalt zu gewähren ver pflichtet, und zwar an den, der außer stände ist, sich selbst zu erhalten. Geschwister find nicht mehr unterhaltungspflichtig. Ein minderjähriges unverheiratetes Kind kann von seinen Ellern, auch wenn es (z. B. durch Erbschaft von feiten Dritter) Vermögen hat, die Gewährung des Unterhaus insoweit ver langen, als die Einkünfte aus seinem Vermögen und der Ertrag seiner Arbeit zu seinem Unter- Halle nicht ausreichen. Verpflichtet zum Unterhalt ist nicht, wer bei der Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer stände ist, ohne Gefährdung seiner eigenen standesgemäßen Existenz den Unterhaü zu gewähren. Erne Aussteuer steht nur der Tochter, nicht auch einem Sohne zu; fie kann verweigert werden, wenn die Tochter ohne elterliche Ein willigung heiratet. Eine Ausstattung kann nicht, wie eine gewöhnliche Schenkung widerrufen werden, außer soweit fie die Vermögensver hältnisse des Geschenkgebers übersteigt. Das Kind ist, so lange es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unttrlalten wird, verpflichtet, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung ent sprechenden Weise den Eltern in ihrem Haus wesen und ihrem Geschäfte Dienste zu leisten. Macht ein dem elterlichen Hausstand ang höriges (wenn auch volljähriges) Kind zur Bestreuung der Haushaltungskosten aus seinem eigenen Ver mögen eine Aufwendung oder überläßt den Eltern zu diesem Zweck etwas aus seinem Ver mögen, so ist es (wenn nicht andere bestimmte Verabredungen vorliegen) nicht berechtigt, Ersatz zu verlangen. Die elterliche Gewalt erlischt mit der Volljährigkeit, nicht erst mit getrennter Wirt schaft, aber auch nicht mit der Verheiratung einer noch minderjährigen Tochter. Mit der Ver heiratung der Tochter endet aber gleichwohl die elterliche Nutznießung aus ihrem Vermögen. Die volle elterliche Gewalt, nämlich die Sorgt für die Person und das Vermögen, steht dem Vater so lange zu, bis fie entweder ruht, (z. B. bei vorübergehender Geisteskrankheit des Vaters) oder endigt (wenn der Vater für tot erklärt wird) oder verwirkt wird. Das letztere ist dann der Fall, wenn der Vater wegen eines an dem Kinde begangenen Verbrechens oder vorsätzlich verübten Vergehens zur Zuchthaus strafe oder zu einer Gefängnisstrafe vonmindestens sechs Monaten verurteilt wird. Neben dem Vater hat während der Dauer der Ehe — ebenso wie nach einer Scheidung — auch die Mutter das Recht und die Pflicht, für die Perso n (nicht aber auch für das Vermögen) des Kindes zu sorgen. Bei einer Meinungsverschiedenheit geht die Meinung des Vaters vor. Der Vater darf aus dem Vermögen des Kindes keine Schenkungen machen, muß das Vermögen vielmehr mündelficher anlegen und bedarf der Genehmigung des Vormundschafts- gerichts, wenn er für das Kind beabsichtigt: ein Grundstück zu erwerben oder über ein dem Kinde gehöriges Grundstück anderweitig zu verfügen. ein Geschäft zu erwerben oder zu veräußern; einen Miets- oder andern Vertrag, der länger als bis zum 22. Lebensjahr des Kindes gelten soll, abzuschließcn; Hypotheken- oder sonstigen Kredit auf das Grundstück oder anderes Vermögen des Kindes in Anspruch zu nehmen; Wechsel für das Kind auszustellen; eine Bürgschaft zu nehmen; eine Vollmacht zu erteilen — und endlich eine Erbschaft, ein Vermächtnis oder ein Pflichtteil auszuschlagen. Kuntes Allerlei. Der erwartete Sternschnuppenkegen in der Nacht zum Donnerstag hat zwar den ge hegten Erwartungen nicht voll entsprochen, aber die Astronomen auch nicht vollständig enttäuscht. Wie Direktor Archenhold von der Treptower Sternwarte mitteilt, waren bis V-3 Uhr früh trotz des klaren Himmels noch keinerlei Stern schnuppen zu beobachten. Erst nach dieser Zeit traten diese anfangs einzeln und dann m größerer Zahl auf, so daß gegen Uhr das Haupttelegraphenamt angerufen werden konnte behufs Inszenierung des großen Weckens. Wer nun dem Rufe nachkam, wurde für den ge opferten Schlaf noch reichlich entschädigt, denn erst gegen 5 Uhr erreichte der Sternschnuppen regen seinen Höhepunkt. Die Schnuppen zeich neten sich diesmal durch besondere Helligkeit aus. Geschickte Auslegung. Der 8 1566 des Bürgerlichen Gesetzbuches lautet: „Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, wenn der andere Ehegatte ihm nach dem Leben trachtet." Dazu findet sich in der Handausgabe von Fischer-Henle uuter den Erläuterungen folgende Juristenweis heit: „Schwere Mißhandlungen, selbst mit töd lichem Ausgange, genügen nicht." — Em wahr haft guter Mensch! Die Frau war bei der Erwähnung des ver schollenen Sohnes in ein stilles Weinen aus gebrochen und der Mann hatte sich erhoben und war zu ihr hinübergetreten. „Weine nicht, Lene," sprach er mit rauher Zärtlichkeit und faßte ihre am Sessel herab- hängende Hand, „noch kann ja alles wieder besser werden, wenn ich nur erst die schwere Sorge um das Gut von mir geworfen habe, die mir wie Bergeslast auf dem Herzen liegt. Sieh, manchesmal ist es mir, als läge ein Fluch auf dem Schwedenhof — als sei ml dem Tode der alten Bäuerin und dem Wegzug Ulrichs der Segen, der so lange auf ihm ruhte, davon gewichen, als habe der junge Bauer einen Fluch hinterlassen, der jetzt auf uns gefallen ist und unser bestes Wollen lähmt. Es ist vielleicht sündlich so zu denken, aber ich kann mich der Gedanken nicht erwehren und seit Jahren schon haben fie mein Schaffen gelähmt!" Die Bäuerin hatte ihre Thränen getrocknet und ernst und schweigend ihrem Manne zugehört. Sie wollte es ihm nicht gestehen, aber oft hatte dasselbe Gefühl fie beschlichen- War ihnen doch früher alles geglückt und erst fett sie den Hof erstanden, waren alle ihre Anstrengungen, vor wärts zu kommen, umsonst gewesen. „Und ist keine Hilfe, Walter, keine?" fragte fie tonlos nach längerem Schweigen. »Wenn sich ein Käufer für den Hof fände," antwortete der Bauer, „der es redlich mit uns meinte und nicht unsere schwere Notlage benutzte, um uns den Hals vollends zuzuschnürcn — ein «auser, der bares Geld genug in Händen hat, um die drängenden Schulden zu tilgen und uns noch eine Summe herauszuzahlen, die uns gestattet, ein neues, kleines Anwesen zu er stehen, dann wäre alles gut und wir könnten wieder frischen Lebensmut fassen. Aber wenn unsere Gläubiger den Hof in die Hände kriegen, dann geht er um einen Spottpreis fort, kaum «roß genug, um die Hauptschuld zu zahlen. Wir müssen als Bettler — nackt und bloß ab- ziehen, und auch die Försterin kommt um das bissel Kapital, das fie uns so gutherzig ge liehen und das wir ihr bis jetzt noch nicht ein mal verzinst haben!" „Die Gertrud," sprach seufzend die Frau, „ja, die thut mir am meisten leid. Sie hat uns das Geld so freudig angeboten, alZ fie sich — ich weiß heute noch nicht warum — so fest an uns anschloß. Und sie ist ein so stilles, gutes Weib, hat noch kein einziges Mal an die Schuld gemahnt und fast will mir scheinen, als ob ihr der Verfall des Schwedenhofes gerade so zu Herzen ginge wie uns." „Gott weiß, daß es so ist!" erwiderte der Bauer, „hat fie doch erst vorgestern wieder, als ich im Vorbeigehen in der Stadt bei ihr vor sprach, mir ihr Leid über den Rückgang unserer Wirtschaft in einer Art und Weise geklagt, daß ich fie schließlich noch trösten mußte, statt mir Trost bei ihr zu holen." „'s ist die alte Liebe zu dem Ulrich," sprach die Frau, „mit dem sie versprochen war, ehe sie den Jäger nahm." „Und warum that fie das wohl, warum ließ sie von Ulrich?" sragte der Bauer. „Ich habe öfters 'mal d'ran regen wollen, aber immer hielt mich eine gewisse Scheu davor zurück, 's muß eine dunkle Geschichte sein, weil sie gar nichts davon verlauten läßt, trotzdem sic an dem Hof hängt, als ob er ihr eigen wäre." „Ja, ja," sprach sinnend die Frau, „hab's auch schon oft gedacht. Warum wäre auch sonst wohl der Schwedenhofbauer fortgezogen, als der Förster tot und die Gertrud wieder frei war?" „Tot? Wer sagt, daß er tot ist?" ant wortete der Bauer. „Wer will's behaupten? Seine Leiche ist nie gefunden worden, trotzdem fie damals monatelang den Wald absuchten und dann noch jahrelang unter der Hand überall forschten. Er soll mit seinem Weibe nicht gut gelebt haben, und fie meinen, er wäre auf und davongegangen." „Er ist tot!" sprach in diesem Augenblick eine tiefe, ernste Stimme, und ein Fremder, der schon vor längerer Zeit unter die Thüre getreten war und im Schutz der hereingebrochenen Dunkel heit dort unbemerkt das Gespräch der beiden mit angehört hatte, trat in die Stube. „Holla, Mann, wer seid Ihr und was schleicht Ihr Euch am Abend spät in fremder Leute Stube?" fragte heftig der Bauer und wandte sich dem Ankömmling zu. „Weder Euch fremd, noch in der Stube!" antwortete dieser und trat mitten in das Ge mach. „Schaut mir nur erst ins Gesicht, wenn Eure Hausfrau das Licht angezündet hat, viel leicht hat die lange Zeit doch nicht so ganz! meine Züge verwischt." Die Bäuerin hatte sich erhoben. In wenigen Augenblicken stand die Oeklampe! auf dem Tisch und verbreitete ihr spärliches Licht. (Forljegung folgt.) DSw -2 Der Bauer nahm fie und leuchtete in das Ant litz des Fremden, über welchem ein Zug tiefer Trauer lag, als er einen scheuen Blick in der Stube umherwarf, der zuletzt auf der Thür des Seitengemachs haften blieb, in welchem vor fünfzehn Jahren die Schwedenhofbäuerin ihren letzten Atemzug ausgehaucht hatte. „Gott im Himmel," sprach der Bauer und schaute seinen Gast mit großen Augen an, „das ist ja — nein, ich irre mich nicht — das ist ja der Ulrich!" „Ja, der Ulrich," antwortete dieser, „der heimgekehrt ist nach langer, bewegter Wander fahrt, weil's ihn draußen nicht mehr litt in der Fremde l Und nun, Mann, gebt mir Unterstand bis morgen, denn ich bin müde, und dann wollen wir weiter zusammen reden. Ich gehört, daß es Euch schlecht ergeht und daß der Hof in Gefahr ist, Blutsaugern und Wucherern in die Hände zu fallen. Gottlob, daß ich ru zu rechter Zeit wiederkehrte und es in meiner Macht steht, diesen Schimpf von dem Besitz meiner Väter abzuweuden. Also, tröstet Euck Mann, es soll Euch geholfen werden " , Dem Bauer fiel es bei diese» Worten wie eine Zentnerlast vom Herzen, während über das Gesicht des blassen Weibes die Hellen Thränen liefen, als sie sprach: „Liehst Walter, wenn die Not am größten, ist die Hflst am nächsten! O, ich wußte, daß es nicht zum Aergsten mit uns kommen würde! Aber setzt Euch, Ulrich, und teilt unser einfaches Abendessen mit uns. 's ist freilich nicht viel, aber immerhin genug, einen müden Wanderer zu starken."
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