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Allgemeiner Anzeiger : 29.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189911290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18991129
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18991129
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-11
- Tag 1899-11-29
-
Monat
1899-11
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 29.11.1899
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Stadtverordneten - Vorsteher Dr. Langerhans (Dank für Geburtstagsglückwünfche und daran k vnknüpsend Klagen, daß den Bestrebungen der Kaiserin zur Abhilfe der Berliner Kirchennot Widerstand entgegengesetzt werde) wurde bei der Verlesung nicht allein mit „lebhafter Unruhe" ausgenommen, sondern es sind auch, wie aus dem soeben erschienenen amtlichen stenographischen Bericht erhellt, in der Stadtverordnetenversamm- 'lung „Oho"-Rufe laut geworden. Die Er widerung des Stadtverordneten - Vorstehers wurde wiederholt durch die Rufe „Sehr wahr! Bravo!" und Sehr richtig! Bravo!" unter brochen. Die Schlußworte des Vorstehers, die nach dem amtlichen Bericht lauteten: „Damit gehen wir zur Tagesordnung über", wurden mit „lebhaftem Beifall" begleitet. — Das von Brasilien ausgelieferte Raub mörderpaar Gönczy ist in das Moabiter Unter suchungsgefängnis abgcliefert worden. Diese Ueberführung, bei der wie auch während der Bahnfahrt Gönczy von dem Kommissar und zwei Schutzmännern, seine Frau von dem andern Schutzmann bewacht wurde, geschah in der späten Abendstunde ohne besonderes Aufsehen. Frau Gönczy ist sehr niedergeschlagen und weint sehr viel. Gönczy ist ganz weiß geworden. Auch er blickt meist stumpf vor sich hin und wird nur ab und zu etwas lebhafter und gesprächig. Der Mann versichert immer von neuem, daß er der Mörder nicht sei. Daß er aber die Thatum- stände genau kenne, hat er unterwegs ein geräumt. Schließlich hatte er sogar den Ein fall, zu behaupten, daß er nicht der gesuchte Gönczy sei. Er schreibe seinen Namen mit ö, der Gesuchte dagegen mit oe. Ein anderes Mal wieder deutete er an, daß er den Mörder kenne und versicherte, daß er sich die ausgesetzte Be lohnung selbst verdienen werde. Die Märchen, die er dabei erzählte, machten auf die Kriminal beamten natürlich leinen Eindruck. Der Kom missar und seine Begleiter wurden über ihre Wahrnehmungen und Unterhaltungen mit dem Ehepaar von dem Untersuchungsrichter Land gerichtsrat Herr vernommen. Die beiden bra silianischen Beamten, die das Paar nach Ham burg brachten, zwei stattliche, gewandte Leute, haben von ihrer Behörde einen achtwöchigen Europa-Urlaub erhalten, den sie besonders zum Studium europäischer Polizeieinrichtungen be nutzen wollen. Sie bleiben zunächst noch rn Hamburg und kommen dann nach Berlin. Beide sprechen nicht deutsch, konnten sich aber in fran zösischer Sprache mit unseren Beamten gut ver ständigen. Rudolstadt. Der Bau des von dem Kyff häuserverband der Vereine deutscher Studenten geplanten Denkmals für den Fürsten Bismarck auf dem Kyffhäuser ist nunmehr gesichert, und mit den Arbeiten wird vorrauSsichtlich im kom menden Frühjahr rechtzeitig begonnen werden. Als Standort der zu errichtenden 20 Meter hohen mächtigen Stemsäule ist der westlich ge legene hohe Klippenberg gewählt worden, von welchem sich ein reizvoller Anblick auf das am Ostende des Bergzuges sich erhebende gewaltige Kaiser Wilhem-Denkmal bietet. Die fürstlich schwarzburgische Regierung, welcher die Zeich nung und der Lageplan vorgelegen haben, hat die Errichtung des Bauwerks gestattet und das Unternehmen noch dadurch wirkungsvoll unter stützt, daß sie die Erlaubnis erteilt hat, die nötigen Steine auf fiskalischem Grund und Boden gegen einen sehr geringen Bruchzins zu brechen. Hierdurch werden die Baukosten er heblich ermäßigt und die Bauzeit wird wesentlich abgekürzt. Es ist m Aussicht genommen, die feierliche Enthüllung des Bauwerks zum zwanzig jährigen Verbands-Stiftungsfest im August 1901 vorzunehmen. Heidelberg. Eine Verhaftung des Herrn v. Podbielski war, wie erst jetzt bekannt wird auf der Rückreise des Staatssekretärs des Reichs- pofiamts von Stuttgart von einem hiesigen, be sonders eifrigen Polizeibeamten in Aussicht ge nommen worden; nur wenig fehlte, und der „Generaloberst der Marken" hätte den Weg zur Polizeiwache zwecks Feststellung feiner Persön lichkeit alftreten müssen. kam nach dem ,Berl. Lok.-Anz/ so: Als der Staats sekretär in einem O-Zug an dem L>itz der Ruperto-Carolina ankam und sich mit dem ihn begleitenden Beamten an einer Flasche Cham pagner gütlich that, erregte diese „Ueppigkeit" bei einem am Bahnhof stationierten Schutzmann schlimmen Verdacht. In Frankfurt war ein Defraudant nach Unterschlagung von 32 000 Mk. flüchtig geworden. Der Gute entdeckte wohl in seinem Uebereifer eine Aehnlichkeit zwischen dem sremden Herrn, der sich den Champagner so gut schmecken ließ, und dem Defraudanten, eilte auf den Wagen zu und fragte nach dem Namen des Fremden. Als der hierüber höchlichst erstaunte Herr Staatssekretär sich weigerte, seinen Namen zu nennen, wuchs dec Verdacht des schlauen Dieners der heiligen Hermandad, dec nun seiner Sache sicher zu sein glaubte. Der peinlichen Szene wurde erst dadurch ein Ende gemacht, daß Herr v. Podbielski auf den Rat seines Begleiters seinen Namen angab. Mit welchem überraschten Gesicht sich der Schutzmann, so schnell er konnte, zurückzog, kann man sich denken. Herr v. Podbielski aber wird an dies heitere Er lebnis auf seiner Reise in Süddeutschland wohl nicht ohne Vergnügen zurückdenken. Zabrze. Wie man dem ,B. T/ meldet, habe sich die Borfigsche Grubenverwaltung entschließen müssen, die Grube „Ludwigsglück" zu ersäufen. Der Grubenbrand, über dessen Ausbruch berichtet wurde, hatte so gewaltige Dimensionen angenommen, daß an eine Löschung desselben durch Ersticken nicht zu denken war. Es blieb daher nur der letzte Ausweg übrig, die ganze Grube durch Sistieren der Wasser- haltungsmaschienen zu ersäufen. Aber es dürften neun Monate vergehen, ehe es möglich fein wird, die Grube wieder zu befahren. Die Borfigsche Verwaltung erleidet durch die Katastrophe einen ungeheuren Schaden. Die Leichen der in der Grube umgekommenen elf Bergleute werden auf diese Weise wohl nie mehr gefunden werden. Die tägliche Förderung der Ludwigsglückgrube betrug etwa 20 000 Zentner. Bremen. Zwei bis an die Zähne be waffnete jugendliche Ausreißer, 15jährige Schüler aus Berlin, wurden hier in einem Hotel er mittelt und vorläufig in Haft genommen. Der eine hatte auf ein Sparkassenbuch seiner An gehörigen 510 Mk. erhoben und dann seinen Begleiter überredet, mit ihm zu fahren und auszuwandern. Leide führten lange Dolch messer, Revolver und eine Menge Patronen bei sich. Sie hatten sich hier noch mit neuen Matrosen-Anzügen versehen und das Geld bis auf 183 Mk. verausgabt. Altona. Am Dienstag nachmittag wurde in der Nähe von Elmshorn das Notsignal des von Norden kommenden Zuges gegeben, und der Zug infolgedessen kurz vor Elmshorn zum Halten gebracht. Ein Polizeibeamter stürzte aus einem Abteil hervor und erklärte, ihm sei ein schwerer Verbrecher, den er nach Hamburg transportieren sollte, entwischt. Bahnbeamte und Reisende machten sich sofort zur Verfolgung des Flüchtlings auf, den man an der Stelle bewußt los liegend fand, wo er aus dem Zuge ge sprungen war. Man brachte den Verbrecher wieder in den Abteil, worauf der Zug seine Fahrt fortsetzte und mit nur 10 Minuten Ver spätung in Altona eintraf. Allmählich kehrte auch bei dem Flüchtling das Bewußtsein zurück. Marburg. Eine recht originelle und große Heiterkeit erregende Auffahrt veranstalteten eine Anzahl hiesiger Studenten. Vom Bahnhof her bewegte sich eine ganze Reihe Chaisen mit In sassen langsam durch die Stadt. In der vorder sten Chaise saß ein Musikkorps, welches lustige Weisen spielte. Dann folgten Chaisen mit lustigen Emblemen, die auf verschiedene Phasen des bisherigen Kampfes der Boem Bezug hatten. So sah man die Einschließung von Ladysmith, Rhodes in Kimberley, man führte sogar eins der ausgerissenen Maultiere den Marburgern vor. In einem Gefährt saß außerdem ein kriegsmäßig ausgerüsteter „Boer", in einem andern erblickte man Ohm Paul, der gemütlich seine Tasse Kaffee trank. Der wohlgelungene Scherz erregte allenthalben Heiterkeit. Memel. Auf der Strecke zwischen Heyde krug und Janaten waren die Schienen mit 120 faustgroßen Steinen und einem Kilometerstein belegt und unweit des Stationsgebäudes Memel lag ein zwei Zentner schwerer Prellstein auf den Schienen. Die Attentate waren nachts verübt worden. Dank der Wachsamkeit des Zug personals wurden die beabsichtigten Zugent gleisungen verhütet. Budapest. Der hiesige Kaufmann Moritz Klein, ein 60 Jahre alter Witwer, heiratete vor kurzem die 17 jährige Julie Popovitsch. Die junge Frau ging unmittelbar nach der Hochzeit ein Liebesverhältnis mit dem Apotheker Joseph Petras ein. Klein bemerkte das Verhältnis und fiedelte nach einer Billa bei Budapest über. Abends kochte die Frau Thee, einige Stunden darauf fand man Klein, Hände und Füße an ein Bett gebunden, einen Knebel im Munde, ohnmächtig vor. Zu sich gebracht, teilte er mit, seine Frau habe ihm einen Schlaftrunk im Thee gegeben und ihn dann gebunden. Die Frau und ihr Geliebter find seither verschwunden, mit ihnen 31000 Gulden, das ganze Vermögen Kleins. Paris. Der Maler Chartran hat soeben ein von Amerikanern als Geschenk für die Präsidentin Mac Kinley bestimmtes Bild voll endet, das 80000 M. kostet und die Unter zeichnung des amerikanisch-spanischen Friedens vertrages veranschaulicht. Gerichtslsalle. Koblenz. Bürgermeister Schaefer aus Zell wurde von der hiesigen Strafkammer wegen Unter schlagung von 10 000 M. Amtsgeldern zu 1^2 Jahr Gefängnis verurteilt. Leipzig. Kann in einem Straßenbahnwagen ein Hausfriedensbruch begangen werden? Mit dieser Frage hatte sich der 3. Strafsenat des Reichsgerichts zu beschäftigen. Das Landgericht Hannover hat die Arbeiter Zieseniß und Ruppert nur wegen Polizei-Uebcrtretung verurteilt, von der Anklage des Hausfriedensbruches dagegen freigesprochen. Die beiden Angeklagten hatten sich in einem Wagen der elektrischen Straßenbahn ungebührlich benommen und waren deshalb vom Schaffner mehr mals vergeblich aufgefordert worden, auszusteigen. Es entstand nun die Frage, ob ein Straßenbahn wagen ein umfriedigtes Besitztum sei. Diese Frage verneinte das Landgericht im Anschluß an ein früheres Reichsgerichtsurleil, wonach ein umfriedigtes Besitz tum unbeweglich sein muß; auch als Ge schäftsraum sah das Landgericht den frag lichen Wagen nicht an. Der Staatsanwalt hatte gegen den freisprechenden Teil des Urteils Revision eingelegt und führte aus, daß ein Straßen bahnwagen sehr wohl als Geschäftsraum eines anderen angesehen werden könne, wenn er auch zu nächst nur Transportmittel sei. Das Reichsgericht erkannte auf Verwerfung der staatsanwaltschaftlichen Revision, da kein Anlaß Vorgelegen habe, von der Anschauung des 2. Strafsenats abzugehen. Bürgerliches Gesetzbuch. Pacht. Leihe. Darlehn. Pacht (besonders landwirtschaftlicher Grund stücke) unterscheidet sich von Miete dadurch, daß der Pächter die gewöhnlichen Ausbefferun- gen, insbesondere die der Gebäude, Wege und Umzäunungen auf eigene Kosten zu bewirken hat. Ein fernerer wesentlicher Unterschied zwi schen Pacht und Miete besteht darin, daß der Pächter berechtigt ist, sich die Erträgnisse des verpachteten Gegenstandes anzueignen. Der Pächter erwirbt diese Erträgnisse als Eigentum. Sonst steht die Pacht unter den gleichen Vor schriften wie die Miete. Jedoch hat der Ver pächter auch ein Pfandrecht an den Erträgnissen, sogar in weiterem Umfange als der Vermieter. Anderseits und im Gegensatz. zum Mieter hat aber auch dec Pächter Pfandrecht an dem ihm verpachteten Inventar, aber nur wegen Forde rungen, die sich auf das Inventar beziehen. Wird ein Grundstück samt Inventar ver pachtet, so liegt dem Pächter die Erhaltung der einzelnen Jnventarftücke ob; der Pächter ist ver pflichtet, Jnventarstücke, die infolge eines Um standes, an dem er schuldlos ist, in Abgang kommen, zu ergänzen. Er hat jedoch den ge wöhnlichen Abgang der zu dem Inventar ge hörenden Tiere aus den Jungen insoweit zu er setzen, als dies einer ordnungsmäßigen Wirt schaft entspricht. Außerordentliche Verluste am Inventar, z. B. infolge von Tierkrankheiten, trägt aber der Verpächter, es müßte denn sein, daß der Pächter wegen Fahrlässigkeit haftbar gemacht werden kann. Uebernimmt der Pächter eines Grundstücks das Inventar zum Schätzungswerte mit der Verpflichtung, es bei der Beendigung der Pacht zum Schätzungswerte zurückzugewähren, so trägt er die Gefahr des zufälligen Unterganges und einer zufälligen Verschlechterung des Inventars; er kann über die einzelnen Stücke innerhalb der Grenzen ordnungsmäßiger Wirtschaft verfügen. Der Pächter muß das Inventar gut instand- halten. Die von ihm angeschafften Stücke werden mit der Einverleibung in das Inventar Eigentum des Verpächters. Beim Aufhören der Pacht muß in jedem Falle der Pächter so diel Futter, Korn, Früchte zurücklassen, als nötig find, um die Wirtschaft bis zur nächsten Ernte der bett. Fruchtart durch führen zu können. Natürlich kann sich ein Pachtvertrag auch auf andere Dinge als Landgüter beziehen, z. B. aus Rechte. Häufig genug wird ja von Provinzen und Gemeinden das Recht verpachtet, Wegegeld zu erheben. Auch dann gelten die Vorschriften über Miete, natürlich mit den durch die Natur der Sache bedingten Einschränkungen. Der Begriff „Leihe" erfährt durch das Bürger!. Gesctzb. eine völlige Aenderung. Eine „Pfandleihe", eine „Leihbibliothek" wird es eigentlich in Zukunft nicht mehr geben können, denn der 8 598 sagt ausdrücklich: „Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache ver pflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten." Hole ich mir aus der Leihbibliothek gegen Entgelt ein Buch, so schließe ich einen regelrechten Mietsver - trag ab. Leihe ich mir aber von einem Freunde oder Bekannten ohne Entgelt ein Buch, so ge schieht dies auf dem Wege des stillschweigenden L e i h Vertrages. Man glaube aber gar nicht etwa, daß der V e r lei h er, der doch in der Regel eine Gefälligkeit erweist, dem Leihenden gegenüber keine gesetzlichen Pflichten habe: Ver schweigt der Verleiher arglistig einen Mangel im Rechte oder einen Fehler der verliehenen Sache, so ist er verpflichtet, dem Entleiher den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Beispiel: Ich ersuche einen Grundbesitzer um die Erlaubnis, im Bache fischen zu dürfen und bitte ihn zugleich, mir seinen Kahn dazu zu leihen. Er entgegnet: „Meinetwegen!" Er hat aber gar kein Fischereirecht, kann mir also das Fischen gar nicht erlauben. Auch hat, wie er weiß, der Kahn, der aufs Land gezogen ist, ein Loch. Er muß mir für die verdorbenen Kleider hasten, die mir die Benutzung des Kahnes einbringt; er muß auch die Straie zahlen, die mich etwa wegen unbefugten Fischens trifft. Der E n t leiher hat die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung der geliehenen Sache, bei der Leihe eines Tieres insbesondere die Fütterungs kosten zu tragen. Veränderungen oder Verschlechterungen der geliehenen Sache, die durch den vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Entleiher nicht zu vertreten. Der Entleiher darf von der entliehenen Sache keinen anderen als den ver tragsmäßigen Gebrauch machen und ist ohne die Erlaubnis des Verleihers nicht berechtigt, den Gebrauch der Sache einem Dritten zu über lassen, — was sich besonders die „Bücherleiher" merken mögen! Kuntes Allerlei. Eine scherzhafte Anekdote auS Anlaß des Kaiserbesuchs wird in englischen Blättern erzählt. Bei der Ankunft Kaiser Wilhelms m Windsor spielte die Militärkapelle die alte eng lische Volksweise: „O, Willy, du hast uns sehr gefehlt." Der Kaiser, der die Anspielung ver stand, lachte und schüttelte dem Kapellmeister die Hand. Die größte Gefahr. Lehrer: „Damokles hatte fortwährend, auch während des Essens, ein Schwert au einem Haar über seinem Haupte hängen; was mußte also der arme Damokles immer befürchten?" — Der kleine Fritz: »Daß ihm das Haar in die Suppe Mt. auftwreaw. --.cm gcuvles Ohr vernahm den Schritt eines Menschen — er erhob sich, strich sich mit der Hand das schon leicht ergraute Haar von der sorgenschweren Stirne, warf die Büchse über die Schulter und rüstete sich, ohne zurückznschauen, zum Heimweg, als der Ruf an sein Ohr tönte: „He Schwedenhofbauer, auf ein Won! Wie vom Blitz getroffen schreckte er zusammen. O, er kannte diese schreckliche, heisere Stimme, trotzdem er sie nur einmal im Leben gehört hatte, vor langen Jahren — einen Tag nach dem Mord. Aber sie hatte ihn verfolgt durch alle Jrr- gänge seines Lebens, hatte in seinen Träumen wiedergeklungen und immer war ihm gewesen, als müsse er ihr nochmals begegnen, dieser Stimme — der Stimme des Vagabunden Heinz, des einzigen noch lebenden Zeugen seiner That. In den letzten Jahren freilich war diese Furcht mehr und mehr von ihm gewichen, und jetzt stand die Erfüllung vor ihm, groß und leibhaftig und stierte ihm frech in das Antlitz, welches mehr denn je von Todesbläffe übergossen war. Der Vagabund, dessen zerlumpte Kleidung em sprechendes Zeugnis für die schreckliche Ver kommenheit ihres Trägers ablegte, zögerte einen Augenblick, als er die Schußwaffe in der Hand des Schwkdenhofbaucrn sah, dann aber trat er einen Schritt näher und sprach mit widerlicher Vertraulichkeit: ^sig wieder in der Heimat! Hab's vor Monaten drunten im Unterland schon ver- Ummen von einem vazierenden Knecht, der Euch davongelaufen war, weil ihm Euer harter Dienst nicht gefiel. Hab' es auch jenseits des großen Wassers versucht, aber es wollte mir nicht glücken, namentlich seit mich der Dieter eines Tages schnöde verließ und den größten Teil des Geldes mit sich nahm, das Ihr uns damals mit auf die Reise gabt." Dem Ulrich stieg das Blut zu Kopf, als er die erbärmliche Verleumdung des armen Toten vernahm — am liebsten hätte er dem Strolch mit dem Gewehrkolben den Hirnschädel einge schlagen, aber er bezwang sich und hörte schweigend weiter. „Das hat schwere Sorgen und Mühe gekostet, bis ich wieder deutschen Boden unter den Füßen hatte," fuhr Heinz fort, und ließ sich am Ende des Baumstammes nieder, auf dem auch der Bauer wieder Platz genommen hatte, „und als ich hüben war, ging auch das alte Elend wieder los. Nirgends ein sicherer Unterschlupf — Hunger und Not und leidige Bettelfahrt ohn' Ende! Na, nun ich Euch getroffen, wird's wohl bessere Zeiten setzen — habt ja wohl für einen alten Freund ein Plätzchen auf dem stolzen Schwedenhof übrig, wo er sein Haupt ruhig' niederlegen kann. Oder meint Ihr nicht?" fragte er lauernd, als Ulrich bei diesen Worten eine unwillkürliche Bewegung des Abschaus machte, „wollt mich wohl sonst abfinden? Mir auch recht, wie Ihr denkt. Kann's Euch im Grunde nicht verübeln, wenn Ihr keinen um Euch haben wollt, der mit dabei war, als Ihr da drüben dem Grünrock die bleierne Bohne zu kosten gabt — haha! Schläft noch ruhig in seinem engen Behälter und hat ihn keiner auf gestöbert. O, ich bin vorsichtig und habe erst heute nach ihm geschaut. Wollte Euch doch die frohe Botschaft bringen, daß Ihr seinetwegen außer aller Sorge sein könnt." Ulrich saß wie in einem wirren, schweren Traum, und doch hörte er jedes Wort seines Gefährten, fiel es ihm wie Zentnerlast auf die Seele. Ja, da saß er verkörpert neben ihm — sein Gewissen — die blutige That redete aus dem Munde des Vagabunden mit ehemer Zunge zu ihm — die schwere Kette, an die er sich mit dem verhängnisvollen Schuß geschmiedet, klirrte hörbar an sein Ohr, der Kampf der letzten sechzehn Jahre war vergebens gewesen. Krampfhaft bewegten sich seine Lippen, aber kein Wort trat über seine Zunge und ein banges, schweres Stöhnen kam aus seiner tiefsten Brust. Er warf einen scheuen Seitenblick auf den Strolch, einen Augenblick faßte er schußgerecht daß Gewehr, dann aber erhob er sich und schleuderte es mit starkem Arm weit von sich, daß es krachend an einem der nächsten Baum stämme zersplitterte und der Schuß sich in die Erde entlud. Auch Heinz war bei der drohenden Bewegung des Schwedenhosbauern aufgesprungen und atmete erleichtert auf, als die gefährliche Waffe unschädlich gemacht war. „Tollheit!" brummte er leise und suhr laut fort: „Nun, habt Ihr kein Wort für einen alten Bekannten? Ich mein's ja gut, und ich will ewig in der Hölle braten, wenn eine Silbe von der Geschichte über meine Lippen kommt. Meint Ihr, ich hätte sechzehn Jahre lang das Maul gehalten, wenn ich Euch verraten wollte? Aber aus der traurigen Lage müßt Ihr mich reißen, Geld müßt Ihr Herausrücken, Mann, wenn mir nicht die Not das Geheimnis herauspressen soll." Ulrich langte seine schwere Börse aus der Tasche und warf sie dem Strolch zu. „Da nehmt," sprach er mit vor Auflegung fast heiserer Stimme. „Kleidet Euch menschlich und dann kommt ohne Aufsehen auf den Hof, wo wir weiter reden wollen. Morgen abend will ich Euch erwarten." Heinz hatte mit gieriger Hand die Börse aufgerafft und wog sie grinsend in der Hand. „So laß ich mir's gefallen," sprach er, „das nenn' ich doch ein vernünftiges Wort reden. Ich komme und seid versichert, daß ich Euch keine Schande mache. Gute Nacht für heute." Er reichte dem Ulrich die Hand dar, was dieser nicht zu beachten schien. „Na, wie Ihr wollt," sprach Heinz giftig, „'s ist noch lange nicht die schlimmste! Umae- bracht hab' ich noch keinen damit!" Er schlug eine rohe Lache aus und verschwand auf dem nahen Fußpfad. Einige Augenblicke schaute ihm Schweden hofbauer wie geistesabwesend nach, dann schüttelte er fich wie im Fieber und schritt heimwärts. Den ganzen Tag über hatte ein iurcktbares Wetter gewütet, der Spätherbst war --"ter Sturm und Regen eingezogen und prasselnd schlug der Abend ein Hagelschauer- an die Fenster des Schwedenhofes. Finstere Wolken hingen schwer und drohend über dem Gehöft, als eine dunkle Gestalt, mühsam gegen das Unwetter ankämpfend, sich demselben näherte. DSw (Foryepung folgt.)
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