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Allgemeiner Anzeiger : 29.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189911290
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18991129
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-11
- Tag 1899-11-29
-
Monat
1899-11
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 29.11.1899
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Politische Armdscha«. Bom Kriegsschauplatz. * Auf dem westlichen Kriegsschau platz haben die Engländer einen Erfolg er rungen. Bei Belmont überraschte General Methuen eine Bocrnschaar, trieb sie zurück, nahm ihnen mehrere Geschütze ab und machte mehr als 50 Mann zu Gefangenen. * Drei britische Heere find gegenwärtig gegen die Boern im Marsch oder doch fast marschfertig. In Natal befindet sich General Clery mit etwa 12 000 Mann, der Ladysmith entsetzen möchte. Eine zweite Armee befindet sich in der Kapkolonie unter General Gatacre und ist — in einer Stärke von 5000 Mann — von East Landon aus im Vormarsch begriffen. Die Armee soll noch dem Plan ihres Führers die Boem innerhalb weniger Tage aus der Kolonie vertreiben. Der Mangel an geeigneter Artillerie und Kavallerie dürfte die Sache jedenfalls stark verzögern. — Die dritte Armee befindet sich auf dem westlichen Kriegsschauplatz unter General M ethu en und ist 14 000 Mann stark Sie ist im Vormarsch nach Kimberley begriffen. Das Band zwischen diesen drei in Bewegung befindlichen Armeen bildet General Buller. *Am Mooi-Flusse, wo General Barton den Oberbefehl führt, stehen gegen 2000 Mann mit wenig Geschützen. Ein Gefecht am Mooi-Fluß hat bewiesen, daß die Boern H au b i tz e n mit sich führen, welche der britischen Artillerie überlegen sind. Bei Eftcourt steht General Hildyard mit etwa 2000 Mann, diese beiden Heerkörper find somit von der Basis, auf welcher General Clery die angelommenen Streitkräfte sammelt, abgeschnitten. *Der Louooner Korrespondent der ,Köln. Ztg.' drahtet seinem Blatte, die Kriegslage in Natal mache der englischen Regierung ernste Sorge. In Aldershot werde bereits eine weitere sechste Division mobil gemacht, die zunächst zur Verfügung Bullers stehen solle, dessen Erscheinen demnächst in Durban erwartet werde, lieber die Einschließung der bei Mooi River stehenden britischen Abteilung be stehe kein Zweifel mehr. *Die ,Pall Mall Gazette' meldet aus Mafeking vom 20. d.: Da es den Ein wohnern an frischem Wasser mangelt, herrscht in der Stadt Fieber. * Die geringen Ziffern, welche die amtlichen Verlustlisten der Boern aufweisen, mögen zu Zweifeln herausfordern: vielleicht beziehen sich die aufgeführten Zahlen nur auf die Burghers, nicht aber auf die fremdländischen Mitkämpfer derselben, welche ja bei Elandslaagte nicht geringe Ver luste erlitten, wo sie 1000 Mann stark einen ganzen Tag ihre Stellung gegen 6000 Eng länder verteidigen mußten, da die erwartete Hilfe ausblieb. Indessen muß man anderseits doch auch die vorsichtige Kampfweise der Boern in Rechnung nehmen, und schwerlich wird man fehlgehen, wenn man die englischen Verluste weit höher anschlägt als diejenigen der Boern. * * * Teutschlanv. *Die Audienz, welche im Schlosse Windsor Kaiser Wilhelm dem englischen Kolonial minister Chamberlain in Anwesenheit des Grafen Hatzfeld erteilte, findet mannigfache Auslegungen. In gut unterrichteten Kreisen wird bestimmt be hauptet, Kaiser Wilhelm habe in aller Form und im Namen der Großmächte die Ver mittelung zur Schlichtung des süd - afrikanischenStreites angeboten. Der Berichterstatter des Brüsseler .Jndependence' fügt hinzu, Chamberlain habe im Laufe der Unter redung die Bedingungen feftgestellt, unter welchen England den Frieden annehmen könne. * Lange Reden find inWindsor selbst bei den offiziellen Festtafeln nicht gehalten werden. Beim ersten Galadiner brachte der Prinz von Walds den ersten Truckspruch aus mit den Worten: „Auf Befehl der Königin: der deutsche Kaiser und die deutsche Kaiserin!" worauf die deutsche Nationalhymne gespielt wurde. Sodann erhob Kaiser Wilhelm sein Glas mit den Worten: „Die Königin!" und es wurde die britische Nationalhymne gespielt. Den Trink spruch auf die Kaiserin Friedrich brachte wiederum der Prinz von Wales aus; auch diesem folgte das Abspielen der Nationalhymne. * Die Prinzen Albrecht und Friedrich Heinrich von Preußen haben am Donnerstag abend von Madrid die Heimreise angetreten. *Ter deutsch-englische Samoa- Vertrag ist jetzt auch im .Reichsanzeiger' veröffentlicht worden. Der Vertrag bedarf be kanntlich noch der Billigung von feiten der Ver. Staaten. *Den Mitgliedern der Kommission für Arbeitersiatistik ist nunmehr die Ein ladung zur nächsten Sitzung zugegangen. Diese ist amtlich auf den 15. Dezember anberaumt worden. Auf der Tagesordnung stehen die Feststellung des Berichts über die Erhebungen im Schankgewerbe, nachdem die Vernehmungen der Auskunstpeyonen in der letzten Tagung im Herbst 1898 stattgefunden haben, sowie die Er hebungen über die Schiffahrt an Sonntagen. *Eine Reichspost marke zu zwei Pfennig, wie sie nach der Begründung zu dem nunmehr vom Reichstage endgültig ange nommenen Postgesetz erforderlich wird, ist seitens des Reichspostamts bei der Festsetzung der neuen Briefmarken vorgesehen worden und vom Kaiser mit den übrigen Werten genehmigt worden. Die neue Marke entspricht den neuen Germania-Marken im Werte von 3 bis 20 Pfa. im B lde und im Druck. Wie diese wnd sie in einfarbigem Druck hergestellt, während die Werte von 25 bis 80 Pfg. bekanntlich in Zweifa bendruck hergestellt werden. Die Farbe der Zweipfemiigmarke ist hellgrau. Oesterreich-Ungar«. Die Jungtschechen haben die Ob struktion beschlossen und dieselbe sofort am Donnerstag im Wiener Abgeordnetenhause mit einem Dringlichkeitsantrag über Feststellung der Nationalität bei der Volkszählung be gonnen. An der Obstruktion beteiligt sich sonst keine andere Partei. Frankreich. *Die französische Kammer nahm den An trag auf Schaffung eines Arbeits-Mini steriums an. * Der brave Major Esterhazy richtete an Clemenceau einen als vertraulich be zeichneten Brief, worin er ihm anbot, ihm alles, was er an Geheimnissen und Beweisen besitze, mitzuteilen, um sich an den Elenden zu rächen, die ihn verlassen hätten. Clemenceau veröffent licht den Brief und erklärt, er wolle einen Esterhazy nicht zum Mitarbeiter am Werk der Gerechtigkeit haben. Er schließt aber aus diesem Zwischenfall, daß die Amnestie nichts beenden würde. England. * Wie der,Daily Chronicle' auf Grund von Nachforschungen an Orten, „die sich nicht durch leere Gerüchte beeinflussen lassen", mitteilt, ist Grund zum Verdacht vorhanden, daß die Kon serven, die der britischen Regierung für die Verpflegung der Soldaten aus den Transportschiffen geliefert wurden, dieselben Konserven find, die seiner Zeit von der Regie rung der Ver. Staaten während desKrieges mit Cuba mit der Bezeichnung „Ein- balsamiertes Beef" zurückgewiesen und nun mit der Marke des laufenden Jahres ver sehen wurden. Bekanntlich mußten beträchtliche Mengen von diesem Fleisch über Bord geworfen werden. Die Verantwortung für die Verpflegung der Soldaten auf dem Schiff fällt der Ad miralität zu, da das Kriegsministerium nach den gegenwärtigen Bestimmungen erst vom Augenblick des Ausschiffens wieder die Ver proviantierung der Soldaten übernimmt. Rustland. * Für die freiere Entwickelung der Studentenschaft in Rußland ist nun ein Schrill gethan worden, der angesichts der jüngsten Studenten-Unruhen im Zarew eiche an Bedeutung gewinnt. Bekanntlich hatten die Studenten unter den von ihnen aufgestellten Forderungen in erster Reihe die unbeschränkte Freiheit zur Gründung von Studenten - Vereinen verlangt. Wie die ,Nowoje W emja' meldet, ist diese Forderung nunmehr erfüllt worden. Der akademische Senat der Moskauer Universität hat sich bereits an die Universitäten des Auslandes mit der Bitte ge wendet, genaue Daten über die Organi sation der Studenten-Korpora- tionen in Westeuropa einzusenden. Die Bildung der Studenten-Körperschasten in den russischen Universitätsstädten wird unter der Leitung von Professoren erfolgen, welche mit den Bedürfnissen der Studenten vertraut find. Die Ideen, welche Finanzminister Witte in seiner Denkschrift zu Gunsten der Studenten ausgedrückt hat, beginnen sich zu verwirklichen. Witte hatte sich nämlich für die freie Gründung von Studentenvereiuen ausgesprochen. Balkanstaaten. *Die Pforte überreichte denjenigen Bot schaften, deren Regierungen in der Türkei Postanstalten unterhalten, gleichlautende Noten, in welchen sie unter Hinweis auf die wiederholten Sckritte gegen die Postanstalten sowie auf die Reformen innerhalb der türkischen Post verlangt, daß die fremden Postanstalten veranlaßt weiden, die Ansfolgung ver botener Schriften einzuftellen. Zugleich wird in der Note erklärt, die Pforte behalte sich weitere Schritte in dieser Hinsicht vor. Aegypten. *Jm Sudan haben die Engländer einen neuen Erfolg gegen das von ihnen bereits vor Jahr und Tag „vernichtete Heer" deZ Kalifa errungen. Oberst Wingate hat mit ägyptischen Truppen die Derwische unter Ahmed Fedil, die 2500 Mann stark waren, bei Abu Adil ange griffen und zersprengt. 400 Derwische find ge fallen. Nach weiteren Meldungen hat Oberst Wingate viele Gefangenen gemacht und eine große Menge Korn und Waffen erbeutet. Auf feiten der Aegypter wurden drei Mann ver wundet. Ans dem Reichstage. Der Reichstag nahm am Donnerstag die Novelle zum Postgesctz endgültig an. Darauf begann die zweite Beratung der Novelle zur Gewerbeordnung. Zunächst wurde ein sozialdemokratischer Antrag ab gelehnt, der verlangte, daß alle an einem Orte woh nenden Gastwirte bezüglich der Erteilung von Lust- barkeiiserlaubnis gleichartig behandelt und daß die Polizeistunde einheitlich geregelt werden sollte. Ge nehmigt wurde in Art. 3 der Vorschlag der Regierungs vorlage, wonach fortan das Gewerbe der Stellen vermittler und Gesindevermicter der Konzessionspflicht unterliegt, und ferner die von der Kommission vorgeschlagene Neuerung, wonach dasselbe Gewerbe im Umherzichen verboten werden kann. Die Sonn tagsruhe im Barbiergewerbe wurde dahin geregelt, daß ein Geschäftsbetrieb nur soweit staltfinden darf, als eine Beschäftigung von Gesellen und Lehrlingen gestattet ist. Am 24. d. wird die zweite Beratung der No velle zur Gewerbe-Ordnung fortgesetzt bei dem von der Kommission neu eingcfügten § 105«, welcher auf Antrag v. Stumm in folgender Fassung angenommen wird: „Der Bundesrat trifft (statt „hat zu treffen") über die Voraussetzungen und Bedingungen der Zulassung von Ausnahmen (von der Sonntagsruhe) nähere Bestimmungen, die dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritt zur- Kenntnisnahme mitzuteilen sind." In einem neuen ß 114 a hat die Regierungs- Vorlage den Bundesrat ermächtigt, für die Kon fektionsindustrie Lohnbücher oder Arbcitszettel vor zuschreiben. Die Kommission hat diese Ermächtigung allgemein ausgesprochen „für bestimmte Gewerbe", und sie beantragt außerdem, daß in diese Lohn bücher oder Arbeitszettel, sä 4, auch einzutragen sind: „die Bedingungen für die Darreichung von Kost und Ueberlassung von Wohnraum, sofern Kost oder Wohnraum auf den Lohn angerechnet werden sollen." Abg. Albrecht (soz.) beantragt, diese Einschrän kung fallen zu lassen, also die Worte von „sofern" ab zu streichen. Abg. Frhr. v. Stumm (freikons.) will diese ganze Nr. 4 streichen. Abg. Heyl v. Herrnsheim (nat.-lib.) bittet dringend, an der Nr. 4 festzuhalten. Er teilt Fälle mit, wo einer Näherin Kost und Logis wer weiß wie hoch berechne! worden seien. Abg. ReißhauS (soz.) verlangt, daß auf jeden Fall die einschränkenden Worte von „sofern" ab gestrichen werden, hält aber die ganze Str. 4 für überflüssig, denn was sie bestimme, stehe schon im 8 394 des Bürger!. Gesetzd ES genüge, wenn der vorletzte Absatz des 8 !14a dahin ergänzt werde, daß die Lohnbücher mit einem Abdruck auch jener Bestimmung des Bürger!. Gesetzb. zu ver sehen sind. Abg. Nösi ck e-Dessau (wildlib.) befürwortet einen von ihm gestellten Antrag dahin, daß ganz allge mein, gleichviel in welchem Gewerbe, Arbeiten ins Hans nur auf Grund von Lohnbüchern oder Arbeiis- zctteln übertragen werden dürfen. Zweitens sollen ebenso wie die Lohnbücher, so auch die Arbeitszelle, mit einem Abdruck aller einschlägigen Vorschriften der Gewerbeordnung zu versehen sein. Drittens empfiehlt er, daß, soweit cs sich um Arbeit m Fabriken oder Werkstätten handelt, an Stelle der ! Lohnbücher und Arbcitszettel Tarife treten können, die an in die Augen springenden Stellen auszu hängen sind, im übrigen aber alles enthalten müssen, was für Lohnbücher nnd Arbeitszettel vorgeschricben ist. Solche Tarife sollen auf Widerrief von der höheren Verwaltungs - Behörde gestattet werden können. Bei der nach längerer Debatte erfolgenden M stimmnng werden, unter Ablehnung aller übrigen Anträge, die Kommissionsbcschlüsse nur mit der einen Aendcrung des Punkt 2 im Roesickeschen Anträge angenommen. Es sind also ebenso wie die Lohnbücher auch die Arbeitszettcl mit einem Abdruck der einschlägigen Bestimmungen zu versehen. Als 8 114 b beantragen sodann die Abgg- Al brecht n. Gen. (soz.) eine neue Bestimmung über die Heiniarbeiter. Wer solche beschäftigt, hat Namen und Wohnungen der Polizei anzuzcigen. Arbeitsräume dürfen nicht als Wohn-, Schlaf- oder Kochräume benutzt werden. Auf Kinder, jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen finden die Schutz- bcstimmungen der 88 135 bis 139 b ebenfalls An wendung. Abg. Rcißhaus (soz.) begründet diesen Antrag mit dem Hinweis auf die den Hansarbeitern drohen den sanitären Gefahren. Deshalb müßten wenigstens die dringendsten Bestimmungen zum Schutz der Hausarbcitcr gesetzlich fcstgelcgt werden. Im Aus- laude habe man ähnliche Vorschriften auch bereits. Ohne Annahme des Antrages Albrecht würde der eben angenommene 8 114s nichts sein als ein Schlag ins Wasser. Staatssekretär Graf Posadowsky gibt zu, daß in der Hausindustrie schwere Mißstände be stehen. Aber die Verhältnisse in der Hausindustrie feien in den verschiedenen Gegenden durchaus ganz anders. Die Regelung müsse für die einzelnen Be triebsarten gesondert erfolgen. Diese Regelung habe die Regierung bereits in die Hand ge nommen. Zunächst seien Erhebungen über die Hausarbeit in ver Tabaksindustrie angestellt worden, auf Grund deren entweder ein Gesetz oder eine Verordnung des Bundesrats ausgearbcitet werden solle. Auch über die Kinderarbeit würden Erhebungen eingestellt, und auf diesem Gebiet müsse die Regelung durch ein Spezialgesctz erfolgen. Es handle sich aber in beiden Fällen, um Fragen die den ganzen Ernst der verbündeten Negierungen' wie des Reichstages in Anspruch nehmen, die sich aber nicht so gelegentlich lösen ließen. Man müsse der Regierung Zeit lassen. Abg. Hitze (Zcntr.) hält es auch für bedenklich diese Frage so gelegentlich zu regeln. Ter vor liegende Antrag gehe jedenfalls viel zu weit, er würde in vielen Fällen die Hausindustrie ganz ver nichten. Er verzichte heute darauf, aus hie ganze Frage näher einzugehen und behalte sich das vor bis die Regierung mit bestimmten Vorschlägen komme' Abg. Jacobs! oettcr (kons.) spricht sich ähn lich aus und bemerkt noch, der Wunsch nach Beseiti gung der Heimarbeit entspreche bei den Sozialdemo, kraten doch wohl auch mit dem Verlangen, die Arbeiter allesamt in Fabriken vereinigt zu sehen weil sie dort leichter der Sozialdemokratie verfallen'. Bei der Heimarbeit befänden sich doch auch die Arbeiter zum Teil recht Wohl. Abg. Molkenbuhr (soz.) erklärt, seine Freunde hätten wohl gewußt, daß ihr Antrag auf Schwierig keiten stoßen werde. Aber geschehen müsse jedenfalls etwas. Man dürfe aber die Sache nicht auf die lange Bank schieben, zumal ja der 8 154 den Weg der Regelung durch Bundesratsverordnung ver legt habe. Staatssekretär Graf Posadowsky teilt mit daß die kaiserliche Verordnung zur Ausführung des Absatz 3 des 8 154 in Vorbereitung sei. Er hoffe daß dieselbe noch in diesem Winter werde extrahiert ^werden können. Abg. Fischbeck (fr. Vp.) wendet sich ebenfalls gegen die zu schematische Regelung, wie der Antrag sie wolle. Es bedürfe eines Spezialgesctzcs. Nach weiterer Debatte wird der Antrag Albrecht a b g e l e h n t. Ko» Uah «nd Fern. Berlin. Das Schreiben des Oberhof meisters der Kaiserin Frhrn. v. Mirbach cm den Der Schwedenhof. 14j Erzählung von Fritz Brentano. Ulrich war gewohnt, seit Jahren einsam zu leben; harmonierte doch diese Stimmung feines Innern vollständig mit derjenigen, welche man ihm entgegenbrachte und hing doch über ihm selbst der Himmel wie ein trüber, düsterer Schleier, den der lachendste Sonnenschein in der Natur nicht zu durchdringen vermochte. Desto schwerer litt sein Weib, die Gertrud, unter diesem Gefühl der Vereinsamung, das sich ihr mehr und mehr aufdrängte. Sie hatte sich das alles so ganz anders gedacht, als ihr Jugendtraum endlich in Erfüllung ging und sie an der Seite des stets geliebten Mannes als Bäuerin auf den Schwedenhof einzog. Viele Jahre hatte sie still und verschlossen drinnen in dem Städtchen gelebt, jetzt schaffte und waltete sie mit emsiger Hand in dem großen Anwesen und herrschte über ein großes Gesinde — aber wie viel einsamer fühlte sie sich trotz dem in ihrem Innern und bald legte sich auch um ihr Herz wieder jenes schreckliche Gefühl der Verödung, welches sie einst in dem stillen Forsthaus an der Seite ihres ungeliebten ersten Gatten, so bitter empfunden hatte. Und doch liebte sie den Ulrich. Aber noch ein anderes Gefühl mischte sich nach und nach in ihre Liebe, das eines tiefen unfäglichen Mit leids, wenn sie in seinen bleichen Zügen las, aus denen manches Mal seine unendliche Seelen pein mit beredter Schrift eingeschrieben stand. Zuweilen wollte es ihr bedrucken, als sei es das Gedenken an Weib und Kind, das ihn nicht zur Ruhe kommen lasse und dann krampfte eine wilde Eifersucht auf die Toten, jenseit des Ozeans, ihr Herz zusammen und ein verzehrendes Feuer, wie sie es früher nicht gekannt, glühte in ihren Adern. Aber dann schloß ffe Ulrich, wenn er ermüdet von des Tages Last heim kehrte, so lieb und treu in seine Arme. Aus seinem Gebaren sprach eine so warme, wenn auch, wie ihr dünken wollte, etwas scheue Herz lichkeit, daß diese Spannung ihres Innern sich lind löste und nichts zurückblieb, als das tiefe, innige Mitgefühl mit dem heimlichen Leid des geliebten Mannes, das sie nimmer und nimmer ergründen konnte. Und so war ihr Leben denn kein freudiges. Der ewige Widerstreit der Gefühle spiegelte sich schon in den ersten Monaten ihrer Ehe auch auf ihreni Antlitz und die Schatten der Trauer warfen ihre geheimnisvollen Reflexe über dasselbe. Mit schweren Opfern hatte Ulrich den an grenzenden Wald als sein Eigentum erworben und fast kein Tag verging, an dem er nicht wenigstens ein paar Stunden in demselben ver brachte. Er durchkreuzte ihn nach allen Richtungen, denn es zog ihn allmählich in die Einsamkeit der hohen Bäume und ost sahen ihn die Leute aus dem Dorf auf einem vom Sturm gefällten Stamm sinnend sitzen, neben sich das Jagd gewehr, ohne welches er nie ausging, dessen er sich aber merkwürdigerweise niemals bediente. Kein Schuß war, seit er Besitzer des Forstes geworden, in dem Revier gefallen und das Wild war so kühn geworden, daß die Holzarbeiter nicht selten von dem Besuch desselben derartig überrascht wurden, daß sie ein Reh fast mit den Händen greifen konnten. Eine Stelle aber hatte er nie wieder betreten — den Schauplatz jener Nacht, um den die Sage bereits vor einem Jahrhundert ihre Kreise ge zogen hatte und der jetzt wüster denn je dalag. Wohl drängte ihn zuweilen die unsichtbare Macht fast gewaltsam nach der Mordeiche, aber so oft er sich auch auf den buschumwachsenen Pfad be geben hatte, der zu dem unheimlichen Waldsee führte, immer wieder hatte ihn jenes entsetzliche innere Grausen von der Stätte seines Frevels zurückgescheucht und finsterer als vorher war er nach Hause gekommen, in seinem Antlitz das dunkle Rätsel, das Gertrud vergeblich zu lösen suchte. Heute war wieder einer jener melancholischen Herbsttage angebrochen, die ihm mehr denn alles andere die Erinnerung an die Vergangenheit in das Gedächtnis zurückriefen. Die Feldarbeiten waren für dieses Jahr zum größten Teil beendigt und öfters und länger schweifte er im Wald umher. Zwischen den Stämmen fiel schräg das Sonnengold hernieder, denn es war tief am Mittag, das gelbe Laub glitzerte gar seltsam in seinem Strahl — rings herrschte tiefer Frieden, laulichc Herbstlust spielte um die heiße Slim des Schwedcniwfbauern, der wieder tief im Forst auf einem längst gefüllten Stamm rastete und das Haupt an den Lauf seiner Flinte lehnte, die er mit beiden Händen umschlossen hielt. So saß er und starrte lräumerisch zur Erde nieder. Er dachie des Weibes daheim, deren Leben er mitvergiftet hatte, denn er fühlte lange schon, daß der stille Gram seinen Wohnfitz in Gertruds Herz aufgeschlagen hatte und daß das finstere Geheimnis, welches an seiner Seele nagte, auch über ihr Gemüt seine Schatten ge worfen hatte. O, hätte er mir einmal seinem Herzen Lust machen — nur einmal seinen Jammer in eine fühlende Brust ausschütten können, die schwere Last wäre leichter geworden, er hätte vielleicht die Fassung gewonnen, die ihn das Unabänder liche hätte leichter tragen lassen. Aber dieses ewige Begraben in seinem tiefsten Innern, dieses Alleinsein mit dem Heere del schwarzen Gedanken, das fortwährende Ringen gegen die bösen Geister der Selbstanklage — es war zu viel für eines Menschen Brust und oft faßte er mit einem wilden Griff nach dem schußbereiten Gewehr, wenn ihm der Gedanke kam, wie er mit einem leichten Druck all dem Elend ein Ende machen könne. Aber das Bild der toten Mutter trat zwischen Entschluß und Ausführung und kraftlos sw" seine Hand zurück. „Sühne die That dein lebenlang — kn» Gott dich abruft zum ewigen Gericht!" waren die Worte der Sterbenden gewesen und in jener Nacht, wo er zum letzten Riale in das arm blasse Antlitz geschaut, da hatte er gelob!, van sein Leben eine einzige Reue — nur eine S»y sein sollte. Fast ganz war die Sonne gesunken, M wehte die kühlere Abcndluft durch die Zw - und noch immer saß Ulrich lautlos, ab- Rascheln im Unterholz ihn aus temem S
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