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Allgemeiner Anzeiger : 01.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189911018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18991101
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18991101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-11
- Tag 1899-11-01
-
Monat
1899-11
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.11.1899
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Politische Kundscha«. Bom Kriegsschauplatz. *Die Vereinigung der Truppen des Generals Jule mit denen Whites ist bei Ladysmith erfolgt. — Die Boern stehen vor Ladysmith, wo White Verstärkungen erhalten haben soll. — In Pretori a ist die in Ge fangenschaft geratene englische Husaren- Abteilung eingebracht worden. — Der Tod des Generals Symons wird be stätigt. *Die strenge Depeschenzensur der Engländer und die teilweise Unterbrechung der telegraphischen Verbindungen mit dem Kriegs schauplätze verhindern ein schnelleres Bekannt werden der Vorgänge imBasutolande und in Transvaal. In Paris will man sichere Nachricht haben, daß Mafeking von den Boern genommen sei und Kimberley dicht vor dem Fall stehe; in letzterer Stadt befindet sich Cecil Rhodes, den mitzufangen den Boern besonderes Vergnügen bereiten dürste. *Eine Reutersche Spezialdepesche aus Kimberley meldet, daß den Belagerten der Proviant ausgeht, die Tagesration pro Mann hätte bereits herabgesetzt werden müssen. Die Boern find gegen die Gefangenen sehr freundlich. So erschienen in ihrem Lager zwei englische Damen, die um Freigabe ihrer Männer baten; letztere wurden sofort entlassen. *Ueber Oberst Schiel rst in Pretoria nichts Genaues zu erfahren. Nach einer Meldung soll er gefallen sein. Die englischen Mel dungen sprachen nur von seiner Verwundung. Nach einer (englischen) Meldung aus Durban soll das deutsche und das Johannes burger Korps bei Elandslaagte gänzlich vernichtet sein. * Bedeutendere Verstärkungen können die Engländer in Natal einstweilen nicht er warten. De»n selbst die Natur scheint für die Boern zu kämpfen: Dichter Nebel hindert seit einigen Tagen die Abfahrt englischer Transportdampfer von Southampton nach Afrika. Mit kleineren Abteilungen würden die Boern, die nach Vernichtung Wies eine be trächtliche Streitmacht frei bekämen, schon fertig werden. * Ueber den Zug ins Zululand wird vom 22. d. weiter gemeldet: Eine authentische Nachricht ist vergangene Nacht in Melmoth im Zululande eingetrossen, wonach ein starkes Boern- kommando auf Melmoth zu marschiert. Alle Einwohner haben sich sofort nach dem Fort Max well begeben. Ein Angriff wird mit Tages anbruch erwartet. * Endlich ist eine neue Frage aufgetaucht. Die Engländer haben bisher ihren Transport schiffen keine Begleitschiffe mitgegeben, und an sich wäre es wohl möglich, daß Transvaal durch Kaperschiffe einige Transportfahr zeuge wegnimmt. Das Blatt .Outlook' wollte auch schon wissen, daß Krügerfranzö- fischen Kapitänen Kaperbriefe ausgestellt habe. Doch erscheinen die Meldungen bisher wenig glaubhaft. * * * Deutschland. * Der Kaiser ist nach zweitägigem Jagd aufenthalt in Blankenburg wieder in Potsdam eingetroffen. *Die Englandreise des Kaisers wird, wie der Berliner Berichterstatter des .Standard' meldet, jedenfalls stattfinden. Die .Times' rufen bereits dem Kaiser ein „herzliches Willkommen" zu; er komme nach England als allseitig geehrter Gast. — Dagegen berichtet die ,Germ.' von angeblich authentischer Seite: Die angeblich projektierte Reise des Kaisers nach England unterbleibt. — Dafür, daß an der Ruse festgehalten werden soll, erblickt die ,Staatsb.-Ztg.' einen Beweis darin, daß der auf den 17. November festgesetzte Jagdausflug i des Kaisers nach Slawentzitz zum Herzog von ' Ujest auf den Dezember verlegt worden ist. * Prinz Albrecht von Preußen tritt seine Reise nach Spanien am 2. Novem ber abends an. Im Gefolge des Prinzen wer den sich befinden der Generalmajor v. Kessel, Oberst Graf Hohenau, Oberstleutnant v. Rado- witz, ein Sohn des deutschen Botschafters in Madrid. Die Reise geht auf dem Landwege über Bordeaux. Die Rückkehr des Prinzen er folgt am 20. November. *Der Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral Tirpitz, hielt am Donnerstag vor mittag in Baden-Baden dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe Vortrag und begab sich sodann ins Schloß, wo er vom Groß- Herzog von Baden in Audienz empfangen wurde. Der Reichskanzler und der Staats sekretär nahmen später an der Frühstückstafel im Schlosse teil. (Diese Vorgänge hängen mit der Hamburger Kaiserrede über die Flotten vermehrung zusammen.) *Das ,Kl. Journ.' bringt die sehr unwahr scheinliche Nachricht, daß dem Reichstage eine neue Flottenvorlage zugehen soll, die dreißig neue Kriegsschiffe erster Klasse fordert. * Der Bundesrat hat in seiner Donners tag-Sitzung die Vorlagen betr. 1) den Entwurf von Vorschriften betr. die Entwertung und Ver nichtung der Marken der Invaliden versicherung, 2) die Einführung des Postcheckverkehrs im Reichspostgebiete, 3) die Ueberficht der Ausgaben und Einnahmen der Landesverwaltung von Elsaß-Lothringen für das Rechnungsjahr 1898 und 4) einen Entwurf von weiteren Abänderungen und Er gänzungen des amtlichen Warenver zeichnisses zum Zolltarif den zuständigen Ausschüssen überwiesen und dem Antrag des vierten und fünften Ausschusses zu der Vorlage betr. die Neuausgabe der Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands als Eisen bahnverkehrsordnung die Zustimmung erteilt. * Nachdem die Preuß. Staatsregierung be reits 120000 Mk. zur Beseitigung der Hoch wasserschäden im Spreegebiet bereitgestellt hat, sollen noch weitere 400000 Mk. zu diesem Zweck zur Verwendung gelangen. Vier Fünftel der Summe wird der Staat zahlen, ein Fünftel die Provinz Brandenburg. Es handelt sich dabei nicht um eigentliche Regulierungsarbeiten, sondern um die Aus räumung der angeschwemmten Sandmassen aus dem Spreebette, insbesondere auf der Strecke vom Oberspreewald an bis Kottbus beziehungs weise Spremberg. Daneben besteht der Plan einer vollständigen Regulierung des Spreelaufs und einer durchgreifenden Entwässerung des Spreewaldes, wofür der Kostenvoranschlag vor- läuffg auf 14'/« Millionen beziffert ist. * Diejenigen Personen, welche nicht Rechtsanwälte sind, und denen doch in Gemäßheit der Zivilprozeßordnung das münd liche Verhandeln vor Gericht ge stattet ist, heißen nach einem Erlaß des Preuß. Justizministers im dienstlichen Verkehr Prozeß agenten. Für die Steilung der Erlaubnis zum Verhandeln vor Gericht an die Prozeß agenten ist der Landgerichtspräfident zuständig, ebenso für die Zurücknahme der Erlaubnis. Die Untersagung des Gewerbebetriebes auf Grund des 8 35 Abs. 2 der Gewerbeordnung hat den Wegfall der Erlaubnis von selbst zur Folge. Im Anschluß an diese Bestimmungen des Justiz ministers hat der Preuß. Handelsminister an geordnet, daß die Ortspolizeibehörden den Land gerichtspräsidenten Anzeige erstatten, sobald sie einen Proz ßagenten zur Einstellung seines Gewerbebetriebes auffordern, und daß sie ihm die im Verwaltungsstreitverfahren auf Unter sagung des Gewerbebetriebes ergehende Ent scheidungen mitteilen. *Telegramme über das Kabel Aden- Sansibar dürfen nach offizieller Mitteilung der zeit nur in offener Sprache abgesaßt sein und unterliegen der militärischen Zensur in Aden. Zur Vermeidung von Beanstandungen wird em pfohlen, Telegramme über Aden nach Afrika, insbesondere auch Deutschostafrika, bis auf weiteres in englischer Sprache ab zufassen. Belgien. *Der belgische Hof will von der bevor stehenden Vermählung der Kronprin zessin Stephanie amtlich nichts wissen. Das belgische Königspaar wollte eine neue Ver mählung seiner Tochter nicht zulassen und hat auch seine Zustimmung zu der Vermählung mit dem Grafen Elemer Lonyay abgelehnt. Noch vor wenigen Wochen begab sich der bel gische König nach Scheveningen, um seine Tochter zu bewegen, auf diese Vermählung zu verzichten, doch ohne Erfolg. Kronprinzessin Stephanie erklärte ihren Entschluß für uner schütterlich. Die belgische Presse billigt das Verhalten der in Belgien sehr beliebten Prinzessin, die am 21. Mai 1864 im Laekener Königsschlosse geboren und seit 1889 Witwe ist. Graf Elemer Lonyay ist in den Brüsseler Gesell schaftskreisen wohlbekannt; er war in den Jahren 1890 und 1891 Attachö bei der österreichisch ungarischen Gesandtschaft am belgischen Hose. Bürgerliches Gesetzbuch. Schadenersatz. Wer Schaden macht, muß Schaden tragen. Wer eine Scheibe zertrümmert, muß eine neue Scheibe einsetzen lassen, wer aber ein „unersetz liches" Kunstwerk zerstört, muß eine entsprechende Geldentschädigung leisten. Von diesen Grundsätzen giebt es Ausnahmen: Hat jemand ein Kleidungsstück beschädigt, so kann ich verlangen, daß er es mir wieder herstellen lasse oder aber, daß er mir das zur Reparatur notwendige Geld gebe. — Hat aber jemand einen mir gehörigen, originellen Kunst gegenstand beschädigt, so kann ich nicht Ersatz in natura oder auch nur Wiederherstellung des unbeschädigten Zustandes fordern, wenn das eine oder das andere nur mit ungewöhnlichen Aufwendungen möglich wäre, sondern muß mich mit einer billigen Geldemschädigung begnügen. Ist der eingetretene Schaden kein Vermögens schaden, so kann Geldentschädigung überhaupt nicht verlangt werden. Wer z. B. die Haarlocke eines Verstorbenen vernichtet, die doch nur subjektiven Wert für pietätvolle Hinterbliebene hat, ist zu Schadenersatz nicht verpflichtet. Beim Schadenersatz ist nicht nur die Wert minderung, sondern auch der entgangene Gewinn, der mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, zu berücksichtigen. Ich verdiene als Klarinettist täglich drei Mark bei der Stadtkapelle. Ein neugieriger Kunstfreund nimmt mein Instrument prüfend in die Hand und bricht ungeschickter weise eine Klappe ab. Ich lasse das Instrument reparieren und kann einstweilen nicht spielen. Der unvorsichtige Kunstfreund hat nicht nur die Reparaturkosten zu tragen, sondern muß mir auch die Tage, an denen ich nicht spielen konnte, mit je drei Mark vergüten. Bekäme ich aber in zwischen noch eine außerordentliche Bestellung zu einer Ballmufik, so braucht mir der daraus entgangene Gewinn nicht ersetzt zu werden, da dieser Gewinn nicht „mit Wahrscheinlichkeit" zu erwarten war, wie der allabendliche Verdienst bei der Stadtkapelle. Ist nun zwar die Ersatzpflicht unabhängig davon, ob der Ersatzpflichtige den Eintritt und den Umfang des Schadens gekannt hat oder vorhersehen konnte, so erleidet doch anderseits die Ersatzpflicht auch wieder wesentliche Ein schränkungen. A. wirft ein noch brennendes Streichholz fort; es glimmt weiter und setzt Gegenstände in Brand, die dem B. gehören. Dieser könnte das Feuer austreten oder mit ein wenig Wasser löschen; statt dessen läßt er es ruhig brennen. A. hat in diesem Falle keine Ersatzpflicht zu erfüllen. Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechtes Schadenersatz zu leisten hat, ist dazu nur verpflichtet, wenn ihm der Beschädigte sämt liche Ansprüche auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund der Rechte gegen Dritte abtritt. Andernfalls ist der Verpflichtete berechtigt, die Ersatzleistung bis zur erfolgten Rechtsübertragung zu verweigern. Ein Schadenersatz zur Wiederherstellung eines unsittlichen oder sonst gesetzlich unzulässigen Zu standes findet nicht statt. Wer beispielsweise unzüchtige Bilder zerreißt, braucht sie dem Eigen tümer nicht zu ersetzen. Mit einer gewissen Berechtigung kann unter dieser Rubrik auch gleich das „Wegnahmerecht, kurz berührt werden. 'Es ist dies das Recht, ge wisse Teile oder Einrichtungen einer Sache, die ich einem andern herauszugeben habe, zurückzu behalten. Das ist besonders bei abgelaufenen Mietsverträgen der Fall. Ich hatte eine Woh nung gemietet und eine Stube davon als Atelier einrichten lassen. Diese Einrichtung darf ich mit wegnehmen, muß aber das Zimmer in seinen vorherigen Zustand zurückversetzen lassen. So lange der zur Herausgabe Verpflichtete noch im Besitz der herauszugebenden Sache (Wohnung) ist, kann er die Einrichtung auch ohne ausdrück liche Zustimmung des Vermieters wegnehmen. Ist aber der Besitz der Sache bereits (wieder) auf den Vermieter übergegangen, so bedarf der Wegnahmeberechtigte zur Herausnahme der Ein richtung der Zustimmung des früheren Ver mieters. Letzterer muß zwar die Einwilligung erteilen; er kann aber Sicherheitsleistung für etwaigen bei dem Umbau vorkommenden Schaden fordern. Kon Uah und Fern. Berlin. Bei dem neuen Dom riß am Donnerstag, als acht Arbeiter dabei waren, die große 43 Zentner schwere Bronzefigur des segnenden Christus auf ihren Standort, einer Nische in der Hauptfront unterhalb des großen Kreuzes zu schaffen, und die Figur bereits zum Teil mit dem Sockel auf der etwa fünf Stock werk hohen Nische stand, plötzlich das obere Tauwerk, und die schwere Figur fiel kopfüber in die Tiefe zurück, indem sie die Bretterlage und mehiere Gerüstriegel durchschlug. Im Sturze überschlug sie sich,* so daß sie mit dem schweren Sockelende zuerst unten ankam. Hier fiel sie auf einen großen Sandhaufen, in dem sie sich ziemlich tief eingrub. Arbeiter wurden zum Glück nicht verletzt. Auch die Christusfigur hat trotz der Höhe des Sturzes Verhältnis mäßig nur wenig Schaden genommen. Brüche haben nur die Arme erlitten, die übrigen Teile ledig lich Einbeulungen. Der Schaden wird in kurzer Zeit wieder gut gemacht sein. — Bildhauer Boese, der Schöpfer der Gruppe Albrechts II. in der Siegesallee, ist entschieden der Ansicht, daß eine Ergänzung der verstümmelten Denkmäler durch Anschrauben und Verkitten, wie Professor Begas sie empfiehlt, nicht ausreichend ist; die Risse würden unter Einwirkung von Staub und Wetter sehr bald hervortreten und ein ewiges Schandmal bilden. Hier könne nur eine Neuherstellung der Büsten in Frage kommen. Derselben Meinung ist auch Prof. Schott. Er empfiehlt überdies eine öffent liche Sammlung zur Neuherstellung der Büsten. In diesem Falle müßte der Magistrat der Resi denz die Sammlung, zu der jeder aus dem Volke ein Scherflein beitragen würde, in die Hand nehmen und sich mit einer ansehnlichen Summe an die Spitze stellen. Da die großen Modelle sämtlich vorhanden find und also nur die Marmorausführung in Frage kommt, so würden die Kosten nicht allzu große sein. Prof. Schott meint, daß sie sich für eine Büste un gefähr auf 2000—3000 Mk. belaufen würden; Bildhauer Boese schätzt die Kosten allerdings höher, aber nicht über 5000 Mk. Herr Casal hat bereits erklärt, daß es ihm eine Ehre sein würde, die drei aus seiner Werkstatt hervor gegangenen Büsten ohne persönlichen Vorteil wiederherzustellen. Magdeburg. Der wegen Majestätsbeleidi gung zu Unrecht als Thäter verurteilte Redakteur Müller von der Magdeburger sozialdemokratischen ,Volksstimme' ist am Mittwoch nachmittag aus der Strafanstalt in Gommern entlassen worden. Das Wiederaufnahmeverfahren dürfte nun glatt von statten gehen und zur Freisprechung Müllers führen. Der nachträglich als wirklicher Tbäter verurteilte bisherige Reichstagsabgeordnete Albert Schmidt hat die Aufforderung erhalten, am 30. Oktober in Gommern seine Strafe von drei Jahr Gefängnis anzutreten. Barme». Ein Spielerprozeß größeren Um fanges steht auch für Barmen in Aussicht. Gegenwärtig finden noch umfangreiche Ver nehmungen statt. So viel verlautet schon, daß um ganz bedeutende Summen gespielt worden ist. Der Kchwedenhof. 6) Erzählung von Fritz Brentano. <F»rist»un,g 8. Acht Jahre waren seit jener Zeit verflossen. Wir müssen unsere Leser hinüberführen über den weiten Ozean, in das damalige Land der ungezügelten Kraft und Freiheit, den fernen Westen Amerikas, der noch nicht angekränkelt war von der modernen Kultur, wo man die Kor ruption der Städte noch nicht kannte, und wo eiserne Pioniere der Zivilisation den schweren Kampf gegen Wildnis und Urwald führten und unter harten Kämpfen Schrift für schritt sich das Terrain erkämpften, auf dem sie einsam leben—ein sam sterben konnten. Noch reichten die Gürtel der Pfadlosen Wälder bis an den gewaltigen ström oder den schimmernden See, der sich in feierlich- ernster Schweigsamkeit unendlich auszubreiten schien —nur selten tauchte ein sonnengebräuntes Menschenantlitz zwischen den Bäumen auf und verkündete der Donner einer Büchse, daß die europäische nodeswaffe auch schon in diese Gegend gedrungen sei. Wohl aber huschte von Zeit zu Zeit ein leichtes Kanoe über die Flut, dessen schweigsame, kupfcibraune Insassen Zeug nis davon ablegten, daß noch die Ureinwohner die Herren des Grund und Bodens waren. Es war gegen Abend, und die Sonne, die den Tag über glühende Strahlen herabgesandt hatte, warf dieselben bereits schräg durch die Bäume und auf eine kleine Lichtung, in deren Mure sich ein roh gezimmertes, aber starkes Blockhaus erhob. Die Thür desselben stand offen und gewährte einen Blick in das schmuck lose Innere, in welchem allerdings nicht viel zu sehen war. In zwei verschiedenen Ecken lag je ein Haufen Felle und Häute aufgestapelt — dieselben dienten offenbar zum Nachtlager für die Insassen der Ansiedelung — ein roh ge arbeiteter Tisch, dessen Füße in die Erde ge rammt waren, ein paar Stühle von gleichem Kaliber und ein aus unbehauenen Feldsteinen aufgebauter Feuerherd bildeten die Ausstattung des schlichten Gebäudes, dessen einziger Schmuck, wenn man dies so nennen durfte, in einigen Gewehren bestand, die an einer der Wände hingen und offenbar mit besonderer Sorgfalt gepflegt waren. Zwei derselben schienen euro päischer Herkunft zu sein, während die andern beiden von jenem außerordentlich wuchtigen Kaliber waren, wie es zu jener Zeit in den amerikanischen Wäldern gang und gäbe war. In einiger Entfernung von dem Blockhaus saß auf einem Felle, welches am Boden aus- gebreitet lag, ein Kind von etwa einem Jahre, während die junge Mutter desselben in der Nähe beschäftigt war, Wäsche von einer Leine abzunehmen, die zwischen zwei Bäumen gespannt war. Ein mächtiger Wolfshund hatte sich dicht bei dem spielenden Kinde in die Sonne gelegt und schaute mit blinzelnden Augen zu ihm hin über, dabei von Zeit zu Zeit den Kopf hebend und in die Luft hinausschnobernd. Das junge Weib hatte seine Arbeit beendet und trat zu der Kleinen, die ihr beide Hände entgegenstreckte, und als sie sich zu ihr nicder- beugte, dieselben um den Hals der Mutter schlang. Es war ein liebliches Bild, welches sich dem Beschauer bot. Das blonde Haar des Kindes stach auffallend von dem tiefdunklen des jungen Weibes ab, wie auch seine ganze Gefichtsbildung mehr auf den Vater hinwies, der offenbar deutscher Abkunft war, während die Mutter von dem Stamme der französischen Kanadier schien. „Nun, Lieb!" flüsterte das junge Weib und drückte das Lockenköpfchen der Kleinen an ihre Brust, „bist du müde und willst zur Mutter? Komm, ich bringe dich zum Lager, dort sollst du ruhen, bis der Vater nach Hause kommt!" Sie nahm das Kind auf den Arm und trug es in die Hütte, während der riesige Hund sich ebenfalls erhob und ihr treulich auf den Fersen folgte. An der Thür aber drehte er sich plötzlich um, witterte in die Weite hinaus und stieß ein dumpfes, bedrohliches Knurren aus, welches auch die junge Mutter veranlaßte, stehen zu bleiben und nach dem Tier sich umzublicken. Als sie das auffällige Gebaren ihres Hüters folgern ließ, daß irgend eine Gefahr im Anzüge sei, tmg sie schleunigst das Kind, welches bereits auf ihrem Arm zu entschlummern begann, auf eines der Lager im Blockhaus und griff mit so sicherer Hand nach einer der schwersten Büchsen an der Wand, daß daraus zu ersehen war, daß sie mit der Führung der Waffe wohl Bescheid wußte. In: nächsten Augenblick trat sie unter die Thür des Blockhauses und zog dieselbe hinter sich zu, wobei sie scharf nach der Richtung hinspähte, nach welcher ihr vierfüßiger Gefährte mehr und mehr knurrte, bis er in ein wütendes Bellen ausbrach. Ein tödlicher Schreck fuhr der Frau in alle Glieder, als das Unterholz am Saum der Lich tung sich teilte und die hohe Gestalt eines indiani schen Kriegers in dieselbe trat. Ec hob wie zum Schutze seiner Augen vor den letzten Sonnen strahlen seine Hand an die Stirn und schaute ruhig zu dem Weib hinüber, welches mit der einen Hand den wütenden Hund am Halsband festhielt, damit er sich nicht auf den Fremdling stürze, während die andere krampfhaft die Büchse umklammert hielt. „Tahitta grüßt das junge Bleichgesicht!" sprach ernst und ruhig der braune Mann, dessen halbnackter Körper gleich einer Bronzestatue in der Sonne leuchtete. „Möge die Squaw den Hund zurückhalten, denn Tahitta kommt als Freund und möchte nicht gern dem Tier ein Leid ihun." Der Indianer hatte in den tiefen Guttural tönen seines Volkes, aber in leidlichem Franzö sisch diese Worte gesprochen, bei deren freundlichem Inhalt das Weib des Ansiedlers sich einiger maßen beruhigt fühlte. „Nieder, Cäsar, nieder!" sprach sie zu dem Tier und drückte es mit starker Hand zu Boden, nieder, sag' ich dir, wenn du nicht willst, dan tch böse werde!" Nur mit Widerstreben und immer noch lefl^ fort knurrend, streckte sich der Hund zur Erde, von wo aus er übrigens den Fremden schal' im Auge behielt, bereit, bei der ersten verdächtigt Bewegung auf ihn los zu stürzen. . Doch dieser that nichts dergleichen. Set mächtiger Bogen hing unberührt über sei" Schulter, der Tomahawk an seiner Seite, u
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