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Allgemeiner Anzeiger : 14.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189910148
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18991014
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18991014
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-14
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 14.10.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. *Am Montag sand beim Kaiserpaar im Neuen Palais zu Potsdam zu Ehren der holländischen Gäste ein Konzert statt. * Der Kaiser wird am 18. Oktober zum Stapellauf eines neuen Kreuzers und zur Be sichtigung des von Samoa zurückgekehrten Kreuzers „Falke" in Hamburg eintreffen. * Prinz Heinrich wird nach der ,Kiel. Ztg.' laut brieflicher Nachricht aus Ostafien nicht vor Monat April 1900 in der Heimat zu er warten sein. Der Prinz wird seine Heimreise über Amerika antreten. * Reichskanzler Fürst Hohenlohe muß feit einigen Tagen wegen einer Erkältung das Zimmer hüten. *Es bestätigt sich, daß Frhr. v. Zedlitz als Präsident der Seehandlung seinen Ab schied eingereicht hat. Es ist dies mit der Begründung geschehen, daß nach ärztlichem Aus spruch bei weiterer amtlicher Thätigkeit in der Seehandlung seine Sehkraft ernstlich bedroht sei. Trotzdem wird in der Presse erklärlicherweise das Zusammenfallen des Abschiedsgesuches mit der Rückkehr des Kaisers hervorgehoben. Vermutlich wird sich Frhr. v. Zedlitz nun wieder lebhaster der journalistischen Thätigkeit zuwenden. * Das neu zu errichtende Kabel zwischen Deutschland und Amerika wird wahr scheinlich am 1. April 1900 eröffnet werden. Mit diesem Zeitpunkt wird auf den Azoren die neue Kabelstation in Fayal in Betrieb ge nommen, als deren Vorsteher der Telegraphen sekretär Ruhmkorf, seit langer Zeit am Emdener überseeischen Telegraphenamte thätig, ernannt worden ist. Außerdem werden noch 6—8 Beamte aus Emden daselbst beschäftigt werden, welche sich vorläufig für drei Jahre verpflichten müssen. Das Reichspostamt hat die Beamten für diese Zeit beurlaubt. *Der neue Marine-Etat verlangt nach dem ,Berl. Tagebl.' sür die bereits im Bau befindlichen und die neu zu bewilligenden Schiffe 65,5 Millionen Mk. Diese Summe verteilt sich aus acht Linienschiffe, acht Kreuzer und zwei Torpedobootsdivisionen. Von den Schiffen find sechs Panzer und zwölf Torpedoboote bereits bewilligt; sür dieselben werden zweite und dritte, bezw. vierte Raten verlangt. Dazu kommen jetzt die Neuforderungen für zwei Linien schiffe, einen großen und zwei kleine Kreuzer und eine Torpedobootsdivision. * Dem Vernehmen nach liegt es in der Ab sicht, den Gebührentarif für den Kaiser Wilhelm-Kanal einer Revision zu unter ziehen. Zu diesem Zweck sollen im Reichsamt des Innern Verhandlungen mit Vertretern der beteiligten Handels- und Schiffahrtskreise statt finden. * Mit dem 1. November werden in Preußen Milderungen der Bestimmungen über die Meldung und Untersuchung von Eisenbahn unfällen und außergewöhnlichen Betriebs- ereignisien Platz greifen. Bisher mußte der Staatsanwaltschaft von allen Unfällen und Transportgefährdungen Anzeige gemacht werden, bei denen das Verschulden einer Person in Frage kam. Späterhin wird telegraphische Anzeige an die Staatsanwaltschaft und Orts polizeibehörde unbedings nur von den Unfällen zu machen sein, bei denen Menschen getötet oder lebensgefährlich verletzt find. Eine fernere Milderung liegt darin, daß, von diesen schweren Fällen abgesehen, erst die Eisenbahndirektion, nicht schon die Station über die Notwendigkeit der Anzeige zu befinden hat. *Die Vorarbeiten für die Maßregeln zur Verhütung von Hochwasser-Kata strophen in Schlesien hatten zu Ergeb nissen geführt, welche weder für den Staat noch sür die Provinz Schlesien annehmbar erschienen. Es war daher zwischen der Staatsregierung und der Provinz die Aufstellung eines neuen Planes sür die Regulierung der Gebirgsflüsse und die sonstigen Hochwasser-Schutzmaßregeln für jene Gegenden vereinbart worden. Die Aufstellung dieses Planes ist nunmehr erfolgt. Es ist sowohl über die technische als über die finanzielle Seite der Sache eine Verständi Aer Kchwedenhof. Erzählung von Fritz Brentano.*) 1. Des Sommers sröhliche Tage waren vorüber. Der Wald da drüben hatte sein grünes Gewand abgelegt und sich in sein rotgelbes Sterbekleid gehüllt; stiller war es geworden in Feld und Au, nur vereinzelt drang noch der Ton eines Sensenhammcrs, das Klingen einer Sense, die durch das Riedgras fuhr, hinüber zum Waldrand, und abgerissene Töne eines alten Volksliedes klangen aus dem Munde des verspäteten Mähers dazwischen — melancholische Töne, halb verweht von dem Abendwind, der über die Stoppeln strich und die Aefte der Bäume bald leise, bald stärker wiegte, daß die roten Blätter Hemiederwirbelten, noch einmal leuchtend und glitzernd im Herbstglanz, um dann im Schoße der mütterlichen Erde zu verwesen. Abendsonndurchglühte Wolkenzüge schwebten hoch über den Wipfeln — ein stilles, gespensti sches Heer, mit jedem Windstoß seine Gestalten wechselnd. Mehr und mehr verblaßten die roten Tinten. Die Schatten der Dämmerung huschten zwischen das leuchtende Gewölk — aus der Ferne hob sich noch einmal die Stimme des heimkehrenden Sängers; der letzte Ton des Volksliedes ver hallte und der letzte Sonnenstrahl blitzte durch die Zweige. , , *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. gung zwischen Staat und Provinz eig. und es steht demnach die Inangriffnahme des Baues der ersten großen Thalsperre zu Hoch wasser-Schutzzwecken unmittelbar bevor. ' Oesterreich-Ungarn. * Die Rechte in Oesterreich schickt sich an, dem Kabinett Clarv die ernstesten Schwierigkeiten zu bereiten. Der „eiserne Ring" soll, wenn es nach dem Willen der Schwarzenberg und Genossen geht, gegen dieDeutschen, für die Tschechen und zum Schutze der Sprachenverordnungen die bisherige Mehrheit weiter zusammenhalten. Gegen das Programm des Ministeriums Elary hat sich auch die Partei des feudalen Großgrundbesitzes sehr energisch aufgelehnt. England. *Die Londoner Blätter veröffentlichen eine Depesche auS Pretoria, welche besagt, Montag abend sei dem britischen Agenten eine drin gende Depesche ausgehändigt worden, die die ausdrückliche Zusicherung ver langt, daß binnen 48 Stunden die Zurück- ziehungderbritischenTruppenvon der Grenze, und daß ferner die Zurück ziehung aller seit der Bloemfonteiner Kon ferenz in Süd-Afrika gelandeten Streitkräfte erfolgen werde. — Eine Meldung des,Reuterschen Büreaus' aus Kap stadt bestätigt, daß die Regierung der Süd afrikanischen Republik ein Ultimatum an die britischen Behörden gerichtet hat. * Die,Times' erfahren in bezug auf dieEin - berufung des Parlaments, daß alle Formalitäten, die Thronrede, die Adreßdebatte und die Annahme der Geschäftsordnung, welche gewöhnlich im Anfang des Jahres stattfinden, diesmal um mehr als drei Monate srüher vor genommen werden. Wenn die beiden Häuser nach den Weihnachtsferien die Arbeit wieder aufnehmen werden, so werden sie sofort in die gewöhnliche Grschäftssesfion eintreten. In City kreisen ferner verlautet, daß man Menelik zu einer Reise nach London zu bewegen hoffe, wo man ihn für das Rhodessche Bahn projekt gewinnen werde. Italien. *Jn seiner Antwort auf die Glückwünsche einer Deputation der Italiener in Argentinien erklärte Crispi: „Mein Leben ist rein ge wesen. Der beste Beweis dafür ist, daß ich mit meinen achtzig Jahren für mich und meine Familie arbeiten mutz. 1848 verkaufte ich die wenigen, vom Vater ererbten Güter; 1860 hätte ich ohne eine öffentliche Subskription mich nicht ins Parlament begeben können; 1899 arbeite ich, um zu leben. Ich habe kein Ver mögen." Die ,Gazetta Venezia' meldet, in Sizilien werde sich ein Komitee bilden, welches für Crispi eine nationale Subskription eröffnen werde. Rußland. * Ein Pariser Blatt meldet gerüchtweise, daß die Vermählung des Großfürsten- Thronfolgers von Rußland mit der ältesten Tochter des Herzogs vonConnaught, Prinzessin Margarete, geplant sei. Balkanstaaten. *Wie verlautet, soll der Kommandant des französischen Mittelmeer- Geschwaders, Admiral Fournier, gleich nach Mitte Oktober in Konstantinopel eintreffen und vom Sultan empfangen werden. (Eine weitere Etappe in den Bemühungen Frankreichs, Deutschland aus seiner Position am goldenen Horn zu verdrängen!) *Von einem Albanesen erschossen wurde in Konstantinopel das Mitglied des Staatsrates Dschawid Bei, Sohn des Grotz- wesirs. Der Mörder ist verhaftet. *Die serbischenOfsiziösen bestreiten die Meldung auswärtiger Blätter, daß Frank reich und Italien den Wunsch nach Begnadi gung der standrechtlich Perurteil ten ausgedrückt haben, auf das entschiedenste und versichern, daß keine auswärtige Macht einen derartigen Schritt unternommen habe. (Diese Ableugnung ist eine edle Dreistigkeit!) Was den russischen Geschäftsträger Manssurow betrifft, so Unten im Walde aber, wo die Quelle aus dem moosumwucherten Felsen rann, stand der Förster neben dem alten Baum, der seit undenk lichen Zeiten im Munde des Volkes die Mord eiche hieß. Flüchtige Wallonen hatten dort beim Spiel ihren Rottmeister erstochen und waren dann un- stät weiter geirrt. Der Erschlagene aber hatte drei Tage da gelegen, in der erstarrten Rechten den Würfelbecher haltend, die Linke krampfhaft auf die klaffende Wunde gepreßt, während die toten Augen nach dem Himmel stierten, als wollten sie von dort oben den Rächer dieser Frevelthat herabrufen. Andere Kriegsleute, die des Weges durch den Wald kamen und an der Quelle ihre müden Gäule tränkten, hatten den Toten am Fuße des Baumes, wo er lag, eingescharrt, ohne Sang und Klung. Und auch sie waren weiter gezogen, und am andern Tage war der tote Kamerad vergessen, denn drüben im nächsten Dorf, da wurden sie von den Schweden ereilt — die Schwerter blitzten, die Hakenbüchsen donnerten eine Stunde lang und die Totengräber von gestern lagen selbst kalt und starr und harrten der milden Hand, die sie der Erde übergab. Und als der nächste Sommerwind über die Gräber der Gefallenen wehte, da dachte kaum einer noch ihrer. Spielende Kinder tummelten sich auf dem Anger und pflückten die Feld blumen, welche auf den Leichenhügeln wucherten, lachende Kränze daraus windend für ihre blonden Häupter. Der Landmann aber bestellte friedlich daneben sein Feld und dachte erst der Schrecken des Krieges wieder, wenn sein tief habe derselbe vor seiner Abreise im Laufe eines Gespräches mit dem Ministervräsidenten bemerkt, seine Regierung würde die Begnadigung der Verurteilten mit Vergnügen sehen. *Die Pforte hat den diplomatischen Ver tretern in Konstantinopel ein Rundschreiben zu gehen lassen, in welchem es heißt, durch das Erdbeben in dem Villajet Smyrna seien 80 000 Personen erwerbslos geworden; zur Unterstützung derselben beabsichtige die Pforte, im Villajet Smyrna den Eingangszoll für Waren auf ein Jahr um 3 Prozent z u erhöhen. Eine Kommission, bestehend aus ottomanischen und fremdländischen Mitgliedern, könnte diese Maßregel überwachen. Die Pforte verlangt hierzu die Zustimmung der diploma tischen Kreise. Man darf gespannt sein, wie sich die diplomatischen Vertreter zu diesem seltsamen Vorschläge stellen werden. Afrika. * Es ist in Südafrika noch immer nicht zu einem Zusammenstoß gekommen. Die beiden Boern-Regierungen bemühen sich, durch Ver öffentlichung von Schriftstücken ihren Wunsch nach Erhaltung des Friedens, der allerdings nicht Henn Chamberlains Frieden sein sollte, nochmals zu bekunden und die moralische Last des Krieges dem Gegner aufzuwälzen. Die Verständigungsversuche haben nur sehr wenig Wert: man weiß zu genau, daß auf englischer Seite die Friedensliebe nicht ernst ist, daß man vielmehr nur spricht und schreibt, um Zeit zu gewinnen für die Ankunft der Ver stärkungen und um die Frist auszufüllen bis zum Zusammentritt des englischen Parla ments, das in wenig mehr als einer Woche dem britischen Kabinett die Vollmachten zum Kriege aussertigen wird. * Demnächst wird in Marokko eine deutsche Po st anstatt eröffnet werden; das Zentralbüreau wird sich in Tanger be finden. Die Post wird den regelmäßigen Dienst für das Küstenland und im Innern vermitteln. Gerüchtweise verlautet, eine der ersten Berliner Banken werde vor Ende des Jahres in Tanger eine Agentur errichten. Dem Reichstage wird der Etat für 1900 vielleicht noch nicht gleich bei seinem Zusammentritt am 14. November vorgelegt werden. Aber das Reichsparlament hat darum doch eine ganz gewaltige Arbeitslast zu bewältigen. Zunächst ist das Material zu erledigen, das der erste Sessionsabschnitt bei der Vertagung zurückgelassen hat. Fünf wichtige Vorlagen sind in der Kommission so weit vor bereitet, daß ungesäumt die zweite Lesung im Plenum beginnen kann: Die Novelle zu den Postgesetzen; die neue Fernsprechgebührenordnung die Novelle zu den Justizgesetzen, worin unter anderem der Nacheid und die Bestrafung uneid licher falscher Aussagen vor Gericht und die Berufung in Strafsachen eingesührt wird; die Novelle zum Strafgesetzbuch, allgemeinerbekannt unter dem Namen „lox Seiu^o"; und schließlich die Novelle zur Gewerbeordnung, welche die Verpflichtungen der Gefindevermieter und Stellen de'mittler regelt, für die Kleider- und Wäsche konfektion u. a. Lohnbücher und Arbeitszettel einführt, im Handelsgewerbe die Nachtruhezeit und die Mittagspause der Gehilfen und den Ladenschluß, schließlich den Äaukonsens ge nehmigungspflichtiger Betriebsanlagen behandelt In der Kommission stecken noch das Fleischbe schaugesetz, das dem Reichstag bereits am 17. Februar zugegangen ist; das Telegraphen wegegesetz, das am 10. März vorgelegt, und die Reichsschuldenordnung, die am 4. Mai einge bracht wurde. Dazu kommen noch eine ganze Reihe insbesondere gewerbepolitischer Initiativ anträge, die ebenfalls die zweite Lesung bereits passiert haben, und schließlich die Vorlage „zum Schutz des gewerblichen Arbeitsverhältnisses", die sogleich in zweiter Lesung im Plenum ver handelt werden soll. Unter normalen Verhält nissen würde dieses Material hinreichen, um neben dem Etat eine Session auszufüllen. Es stehen aber bereits noch weitere Vorlagen in sicherer Aussicht. Zunächst die Novelle zum Weingesetz, das bereits in dem sogenannten einschneidender Pflug ein Stück Menschengebein aufwarf. Die Kinder starrten es einen Augen blick an, mit großen, verwunderten Augen, um in der nächsten Minute wieder lachend und jubelnd zu ihren Spielen zurückzukehren. Aber wunderbar! Während niemand mehr der vielen Leichen an Dorfrain gedachte — der einsame Tote am Quell drüben im Wald war nicht vergessen worden. Denn das ist der geheimnißvolle Zauber, den der Mord um sich verbreitet, daß sein Angedenken nicht zur Ruhe kommen kann, und sich fortspinnt von der Ahne zum Enkel, im Flüstern der Winde, im Rauschen der Blätter. „Wo aber Blutschuld auf einer Stätte liegt, da umschweben sie rächende Geister und lauern auf den wiedcrkehrenden Mörder," heißt es im Munde des Volkes. Und auch diesmal hatte sich das prophetische Wort bewahrheitet. Der schreckliche Krieg hatte endlich ausgetobt und Friedenslüfte wehten wieder über den großen, weiten Kirchhof, das Deutsche Reich genanut. Da fanden sie draußen an der Eiche beim Quell, wo der tote Wallone faulte, einen im zerlumpten Soldatengewand, mit zer schmettertem Haupt, kalt und starr. Und wie jener den Würfelbecher, so hielt dieser das abgeschossene Faustrohr in der Hand, neben ihm aber lag ein Zettel, darauf stand, daß er vor Jahren den Rottmeister aus Hibernien, um schnöden Geldgewinn hier erstochen; wie er seitdem nicht Rast noch Ruhe gefunden und nach langer Marodeurfahrt gestern die Stätte seines Frevels erkannt habe. Das sei ihm als eine absonderliche Mahnung der ewigen Gerechtig „Weinparlament", der mit Weininteressenten im Hochsommer gepflogenen Rücksprache vorbereitet ist. Dann ist im Hinblick auf die Peftgefahr anzunehmen, daß ein Reichsseuchengesetz vorge legt wird. Sehr wahrscheinlich ist eine Vorlage über die Regelung des privaten Versicherungs wesens und den Schutz des Urheberrechts. Dazu kommt als eine der Hauptaufgaben der Session schließlich die Reform des Unsallverficherungs- gesetzes, als deren Vorbedingung die in dem bisherigen Sesfionsabschnitt mit der Mehrheit von allen gegen drei Stimmen geschickt und glücklich durchgeführte Jnvalidenverficherungs- novelle seinerzeit vom Staatssekretär des Innern bezeichnet und deren Einbringung im Laufe des Winters jetzt auch bereits angekündigt ist. Ent lastet ist die Session insofern, als die Forderungen der Marine- und Heeresverwaltung durch das Flotten- und Heeresgesetz vorgezeichnet find. Bei alledem wird ein besonderes Maß von Arbeitslust und Arbeitskraft dazu gehören, jenes Riesenpensum zu erledigen. Kon Uah und Fern. Berlin. In der Skalitzerstraße wurde am Dienstag früh an der Witwe Joost ein Raub mord verübt. Stark verdächtig ist ein Schlaf bursche, der seither verschwunden ist und dessen Anzug in der Wohnung der Ermordeten blut befleckt aufgefunden wurde. Potsdam. Die Jagdbeute des Kaisers aus Schweden und Rominten ist in Gestalt prachtvoller Reh- und Hirschgeweihe jetzt nach Potsdam gebracht worden. Ganz besonders schön sind die schwedischen Gehörne. Sie sind bedeutend stärker und länger als die deutschen Rehböcke. Ihre Farbe ist ganz dunkel, beinahe schwarz; fie stnd ganz dicht bis zu den Spitzen der einzelnen Enden hinauf geperlt und haben die Bewunderung der Forstbeamten in Rominten erregt. Die Romintener Jagdbeute war in an- betracht der nur fünftägigen Pürsche mit einer Schußzahl von elf Hirschen besonders günstig. Das kapitalste Geweih ist das des zuerst er legten Vierzehnenders mit einem Gewicht von 17V- Pfund. Dasselbe ist beinahe so schwer, wie das Geweih des vor drei Jahren erlegten Zwanzigenders, das 18 Pfund wog. Das Ge wicht des Geweihs von dem in diesem Jahre erlegten Zwanzigender beträgt 14V? Pfund. Auf Wunsch des Kaisers wird an der Stelle, wo ein kapitaler Hirsch erlegt ist, ein Stein mit ent sprechender Aufschrift gesetzt. Bremen. Die Deputation für Häfen und Eisenbahnen beantragt beim Senat und der Bürgerschaft, weitere 1 786 000 Mk. für die Ver größerung des Freibezirks zu bewilligen. Mainz. Unlängst wurde aus Wiesbaden gemeldet, daß sich eine Deutsch-Russin, Fräulein Bruns, durch Sturz aus dem Fenster das Leben genommen habe. Wie nunmehr zuver lässig verlautet, geht aus hinterlassenen Briefen der Dame hervor, daß fie gekränktes Ehrgefühl zum Selbstmord veranlaßt hat. Das im An fang der Dreißiger stehende Fräulein, das einer sehr angesehenen Familie angehört, war nämlich bei einem Ausflug nach Mainz auf der Straße durch einen Polizisten — angeblich in sehr wenig schonender Weise — gestellt und zur Legitimation aufgefordert worden. Der Beamte mochte die auf einer Schaufensterpromenade begriffene Fremde für eine Hochstaplerin oder Aehnliches halten. Auf ihre Beschwerde soll ihr von der hiesigen Polizeileitung sehr prompt und in den verbindlichsten Formen volle Genug- thuung gewährt worden sein. Trotzdem konnte die Dame das fatale Erlebnis nicht überwinden und suchte aus Gram darüber den Tod. — Zwei Heizer des Köln-Düsseldorfer Bootes „Kaiser Friedrich", ein Böhme und ein Duisburger, waren abends hier an Land und ließen sich nachts wieder an Bord zurückrudern. Bei dieser Gelegenheit fielen fie aus dem Nachen und ertranken. Der Nachenführer behauptete, fie seien betrunken gewesen. Er habe fie in der Dunkelheit nicht retten können. Kassel. Bei Besichtigung der Wasserkünste in Wilhelmsböhe stürzte der Jnteudanturrat Prüssin vom Felsen des neuen Wasserfalls und war sofort tot. keit erscheinen und darum wolle er auch hier vor seinen Richter treten. Und als der Selbstmörder neben seinem Opfer verscharrt war, da richteten mitleidige Seelen ein rohes steinernes Kreuz an der Stelle aus. Der entweihte Quell aber kam in Verruf; der Wald überwucherte im Lauf der langen Zeit den breiten Pfad, der dort vorüberführte, und die Sage wob ihre Schauer um die Blut- stätte. Hundert Jahre waren verflossen seitdem, doch die Geschichte war nicht erstorben und der Zauber des Mordes nicht erloschen. * * * Warum der Förster heute gerade so lebhaft der beiden längst vermoderten Toten gedachte — warum ihm heute die alte, halbverkluugeue Sage nicht aus dem Sinn kam? Er hatte doch die Stelle, wer weiß wie ost, betreten und hatte nie der Geschichte gedacht. Er war hierher gekommen, um die Spur eines Hirsches zu verfolgen, die sich deutlich in dem feuchten Grund ausprägte, der die Quelle und den kleinen Teich, den sie bildete, umgab. Aber er hatte noch eine andere Spur gefunden, diejenige eines Mannes, eines Wilderers. An die Mordeiche hatte derselbe sein Gewehr ge lehnt; da unten zeigte sich in dem lockeren Boden deutlich der Abdruck des breiten Kolbens, und oben am Stamm, wo der Lauf geruht hatte, war das feine glatte Moos abgeschü'ft- Drüben am Teich aber waren die Schiff- gräser auseinandergebogen worden von Menschen hand und daneben — was war das, was da neben lag? Der Förster hob es auf und be«
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