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Allgemeiner Anzeiger : 25.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189910256
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18991025
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18991025
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-25
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.10.1899
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Politische Rundschau. Teutschland. *Der Kaiser ha! durch Erlaß vom 11. Oktober denTechnischenHochschulen das Recht erteilt, Ingenieure zu diplomieren und diesen Diplom-Ingenieuren den Doktortitel (Dr.-Zng.) zu verleihen. *Die Reise des Kaisers nach Eng land soll, wie mit besonderem Nachdruck hervor- gehoben wird, einen rein privaten Charakter tragen. Der Kaiser wolle lediglich seine Groß mutter besuchen und vom 20. bis 25. November bei ihr aus Schloß Windsor weilen und dann dem Lord Lonsdale einen ebenfalls durchaus privaten Besuch abstatten. ''Der Kaiser hat an Bord des „Falke" im Hamburger Hasen zu den Offizieren gesagt, er könne es sehr wohl nachempfinden, daß es nicht leicht gewesen sei, sich lediglich auf das Zusehen zu beschränken, während ringsum Kriegsunruhen tobten. Eine einzige unüberlegte Handlung eines Mannes der Besatzung hätte unabsehbare Folgen nach sich ziehen können. Der Kaiser sprach den Offizieren persönlich seinen Dank aus für ihr Verhalten und verlieh mehrere Orden. (Der „Falke" war bekanntlich in Samoa stationiert.) * Das Linienschiff, welches in Ham burg vom Kaiser am Mittwoch als „Kaiser Karl der Große" getauft wurde, erheischt einen Kostenauswand von 14 250 000 Mk. sür den Schiffsbau, wozu noch 5 Millionen Nik. für die artilleristische Armierung und 710 000 Mk. für die Torpedoarmierung kommen. * In der Samoa - Frage verlautet, daß die amerikanische Regierung eine Teilung der Inseln in der Weise vorgeschlagen habe, daß die Ver. Staaten Tutiula und Manna annektieren, Großbritannien Kawai und die Roseninsel, Deutschland die Hauptinsel Upolu erhalte. " Die Kommission für Arbeiterstatistik wird im November, wie verlautet, zu einer Sitzung einberufen werden, aus der Tages ordnung steht die Beratung und Beschlußfassung über den Bericht betr. die Arb e it s Verhält nisse im Schankgewerbe. * Zur Vertiefung des Fahr wassers der Ems unterhalb Emdens und der weiteren Ausgestaltung der Lösch- und Lade vorrichtungen des Hafens zu Emden dürste nach der Meftrztg.' eine Summe von im ganzen etwa 4'/- Millionen Mk. in den nächsten preuß. Staatshaushaltsetat eingestellt werden. * Obwohl durch den Etat des laufenden Jahres zwei neue Baugewerkschulen, die eine in Pommern, die andere in Schlesien, begründet worden find, reichen die vorhandenen Anstalten zur Aufnahme der sich meldenden Schüler immer noch nicht aus. Es wird oeshalb daran gedacht, auf diesem Gebiete noch weiter vorzugehen. Wie verlautet, hat man in Erwägung gezogen, in Aachen eine neue staatliche Baugewerkschule zu eröffnen. Ob sich der Plan wird verwirklichen lassen, hängt von dem Vorhandensein der sür seine Aus führung notwendigen Vorbedingungen ab. * Die sächsische Eisenbahn-Ver waltung hat Unterhandlungen mit den deutschen Eisenbahnbehörden ein geleitet, um eine Abschaffung der Personen wagen erster Klasse wegen deren völliger Unrentabilität herbeizuführen. *Eme Fahrrad- und Automobil steuer ist in Hessen geplant. Für dieses Großherzogtum ist, wie die Köln. Ztg.' meldet, eine den Verkehr der Fahrräder und Automobile regelnde Verordnung ergangen. Vom 1. April ab find diese Verkehrsmittel auch steuerpflichtig. « * Erhebungen über die Arbeitszeit in den Fabriken Bayerns werden zur Zeit von den Gewerbeauffichtsbeamten veranstaltet: vermutlich werden die Ergebnisse dieser dankens werten Ermittelungen in den nächsten Jahres berichten veröffentlicht, die, wenn es auch nicht an Einzelmitteilungen über die Arbeitszeit in ihnen fehlte, bisher doch nicht umfassend und systematisch darüber berichteten. * Lon den angeblichen er n st enZwischen fällen imHinterland von Kamerun ist nach dem .Hamburg. Korr.' in Berlin Mher nur so viel bekannt, daß aus KamerunWerichte vorliegen, nach denen Leutnant v. DHs bei gewissen Stämmen auf einen unfreund lichen Empfang gestoßen sei. Oefterreich-Ungarn. * Unter den im österreichischen Abgeordneten hause eingegangenen Anträgen befinden sich weiterhin solche der Abgg. Kaiser und Genossen und Funke und Genossen auf Versetzung des Ministerium s Thun in den An - klagezustand wegen Mißbrauchs des Paragraphen 14; ferner ein Antrag der ge samten deutschen Linken aus Wahl eines Aus- schuffes zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs, durch welchen der Paragraph 14 durch eine andere, auf wirkliche Notfälle beschränkte Bestimmung ersetzt werden soll; endlich ein An trag der Sozialdemokraten auf Aufhebung des Paragraphen 14 und eine Inter pellation Byk-Rapoport betreffend die Blut- bes Huldigung der Juden im Polnaer Prozeß. Das wird ja recht lebhafte De batten geben! * Unter den böhmischen Tschechen herrscht Aufruhrstimmung. Allabendlich finden in Prag und anderen Städten Krawalle wegen der Aushebung der Sprachenoerordnungen statt. In Prag wurde wiederholt Militär auf- peboten; es gab zahlreiche Verwundungen und Verhaftungen. *Der frühere österreichische Militärbevoll- mächtigte in Paris Ober st Schneider ist am Freitag in Wien im Alter von 47 Jahren einem Nierenleiden erlegen. Die Aufregungen, welche der Dr e y f u s p r o z e ß für den ehe maligen Militärattache mit sich brachte — ins besondere die bekannte Briefaffäre — sollen die Krisis beschleunigt haben. Frankreich. * Der Kriegsminister hat eine Untersuchung angeordnet über eine neueLoubet feind- licheKundgebung seitens eines Leutnants im Lager von Chalons. — Außer der Meldung über die Ermordung seines Sohnes in Asrika erhielt General Chanoine die Nachricht vom Tode seines anderen Sohnes, welcher am Typhus ge storben ist. * Pariser Blättern zufolge dürften von den 22 des Komplotts gegen die Sicherheit des Staates Angeschuldigten 14 vor den Staatsgerichtshof kommen und gegen die übrigen das Strafverfahren ein gestellt werden. * Der .Figaro' teilt mit, Prinz Louis Napoleon habe unerkannt an der kirchlichen Gedenkfeier fürOberst Klobb teiigenommen. England. *Jm Parlament hat die Opposition dem Minister Chamberlain wegen seines Drängens zum Kriege ganz gehörig die Wahrheit gegeigt, schließlich aber alle Mittel bewilligt, die zu einer nachhaltigen Kriegs- sührung gefordert worden waren. *DieKaiserdepesche an Krüger aus Anlaß des Jamesonschen Einfalls vom Neujahr 1896 kam im Unterhause in eigentüm licher Weise zur Sprache. Redmond fragte an, ob es nicht wahr sei, daß bei der Anregung, an den Präsidenten Klüger eine Sympathie adresse zu richten, ein von dem Enkel der Königin, dem deutschen Kaiser, geschaffener Präzedenzfall befolgt worden wäre. Balfour entgegnete, er habe bisher nicht gewußt, daß Redmond sich ein so erhabenes Modell ge nommen habe; aber es beständen doch Unter schiede zwischen ihm und dem deutschen Kaiser. Zu diesen Unterschieden gehörten namentlich die, daß der deutsche Kaiser nickt britischer Unterthan und nicht Mitglied des englischen Parlaments sei. Italien. *Die italienische Regierung will es durch setzen, daß alle Völker Europas, wenn möglich alle zivilisierten Nationen der Welt, am 31. Dezember 1900 eine Volks zählung veranstalien. Amerika. * Zu dem Kongreß der „ Anti-Jmperia- listen" in Chicago find 160 Delegierte er schienen. Hauptredner des ersten Tages war Karl Schurz. Er verlangte, daß die Regie rung der Ver. Staaten dem Kriege ein Ende mache, ferner, daß sie Aguinaldo als Präsident auf den Philippinen aner kenne und ihm dazu behilflich sei, alle Stämme unter sein Regiment zu bringen. *Alle Gerüchte, die im Süden Bra siliens angefiedelten Deutschen planten eine Revolution, um eine selbständige Republik zu bilden, werden von zuständiger Seite als falsch bezeichnet. Afrika. *Bei Ladysmith hat ein erstes ernst liches Zusammentreffen der Boern mit den Eng ländern stattgefunden und — immer nach eng lischer Quelle — mit dem Rückzüge der Boern geendet. Die Engländer geben zu, schwere Verluste erlitten zu haben; ihr General Symons ist ernstlich verwundet. Bürgerliches Gesetzbuch. Die Willenserklärung und der Vertrag. Eine Willenserklärung mit einem still schweigenden Vorbehalt ist nichtig. Auch eine Willenserklärung nur zum Schein ist nichtig, wenn der anders weiß, daß sie nur zum Schein abgegeben wird. Macht man eine Willenserklärung aus Scherz, so ist man für den Schaden verantwortlich, der daraus ent steht, daß sie ein anderer für Ernst nahm. Willens erklärungen aus Irrtum kann man zurück nehmen, indessen nur „ohne schuldhaftes Zögern". Der Irrtum kann darin bestehen, daß man bei der Willenserklärung von unrichtigen Voraus setzungen ausging, oder wenn man die Er klärung anders abgibt, als man sie abgeben wollte: Die Hausfrau bestellt brieflich 10 Zentner Zucker, sie wollte aber nur 10 Pfund bestellen. Dem gleichznachten ist, wenn mein Bote eine Bestellung falsch ausrichtet. Darum ist es zweck mäßig, sich bei größeren Bestellungen vom Liefernden eine Bestätigung ausstellen zu lassen. Es kommt nicht mehr (wie beim Pr. Allg. Land recht und beim Gemeinen Recht) darauf an, ob der Irrtum ein thatsächlicher oder ein Rechts irrtum ist. Für den Schaden, der aus meinem Irrtum entsteht, mutz ich aufkommen, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, den ein anderer oder dritter an der Gültigkeit der Er klärung hat. Bei Miets- und Pachtverträgen auf längere Zeit als ein Jahr — bei Leibrentenversprechen — bei Bürgschaft (autzer bei Kaufleuten) — bei Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis — bei Anweisungen sowohl wie bei deren Annahme oder weiteren Uebertragnng und bei einer Ueber- tragung einer Hypothekenforderung ist ausdrück liche Schriftform notwendig; Telegramme oder Briefe genügen nicht. Bei Uebertragung einer Hypothek genügt die Eintragung ins Grundbuch. Bei Verkauf von Grundstücken, Schenkungs versprechen, Ehe- und Erbverträgen sowie bei Annahme an Kindesstatt und Erbschaftskäufen ist gerichtliche oder notarielle Beurkundung nötig. Der Schenker kann sein Geschenk zurück- fordern, wenn er autzer stände ist, seinen standes gemäßen Unterhalt zu bestreiten und die ihm gegenüber seinen Verwandten, Gatten oder früheren Gatten obliegende Unterhaltungspflicht zu erfüllen. Ferner kann die Schenkung wider rufen werden, „wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Anverwandten desselben groben Undanks schuldig macht. Den Erben steht das Widerrufsrecht aber nur dann zu, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getötet oder ihn am Widerruf ge hindert hat." Spiel- und Wettschulden find Ehrenschulden. Das Gesetz gewährt ihnen keinen Schutz. Der Gewinner kann seinen „unbaren" Gewinn nicht einklagen, der Verlierer das bereits Bezahlte nicht zurücksordern. Jeder Vertrag erfordert die Ueberein stimmung aller beim Abschluß Beteiligten. Die Verpflichtungen aus dem Vertrage entstehen, wenn Antrag und Annahme des Vertrages er klärt worden sind. Im allgemeinen vertritt das Bürger!. Gesetzb. den Grundsatz von der Form losigkeit der Verträge; es genügt, daß sich die Parteien überhaupt geeinigt haben. (Die Aus nahmen vorstehend.) Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur so fort angenommen werden; es sei denn, daß der Antragsteller selber eine weitere Frist gibt. Das gleiche gilt auch sür Anträge, die durch den Fernsprecher von Person zu Person gestellt werden. Für Anträge, die brieflich ge- stellt werden, gilt postwendende Annahme. Andernfalls ist der Antragende an sein Angebot nicht mehr gebunden. Die Gültigkeit des An trages erlischt sofort, wenn er abgelehnt oder nicht rechtzeitig angenommen wird. Verträge können auch durch Stellvertreter abgeschlossen werden; alle Geschäftsreisende beispielsweise find solche Stellvertretenden. Wenn ein Stellvertreter Abschlüsse macht, so wirken sie unmittelbar für und gegen den Ver tretenen. Dabei kann der Vertreter sogar minder jährig, also für sich selbst nur beschränkt geschäfts fähig sein. Die von ihm im Namen seines Geschäftshauses abgeschlossenen Geschäfte haben volle rechtliche Gültigkeit. Denn die Geschäfts fähigkeit ist nur zum Besten des Minderjährigen in dessen eigenen Angelegenheiten beschränkt; wo er aber als Vertreter in eines andern Auf trage handelt, liegt gar keine Veranlassung zu einer Beschränkung der Geschäftsfähigkeit vor. Wollen zwei Parteien einen Vertrag schließen, so können sie verabreden, auch wenn sie sonst in allen Punkten einig find, daß der Vertrag schriftlich gemacht werden solle. Entstehen nun noch Zweifel, so gilt der Vertrag als nicht geschlossen. Die Leistung aus einem Vertrage kann verweigert werden, wenn der andere Teil das Verabredete nicht leistet, es sei denn, daß die aufgeforderte Partei ausdrücklich vorzuleisten verpflichtet ist. Hat sich in einem Vertrage ein Teil den Rücktritt Vorbehalten, so find die Personen, wenn dieser erfolgt, verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Für geleistete Dienste sowie für Ueberlassung einer Sache zur Benutzung ist der Wert zu vergüten, oder falls in dem Vertrage eine Gegenleistung in Geld bestimmt ist, diese zu entrichten. Uon Uah «ad Fern. Norderney. Hier tagte die achte Jahres versammlung des allgemeinen deutschen Bäder verbandes, an der sich 62 Personen beteiligten. U. a. wurde es als in hohem Grade wünschens- erkannt, daß auch in den deutschen Seebädern der für beide Geschlechter gemeinsame Badestrand eingerichtet wird; man beschloß einstimmig, dieses Ziel mit allen Kräften zu erstreben. Bingen. Die Stadtverordnetenversammlung hat das Projekt, in den unteren Räumen der Burg Klopp — dem neuen Raihause — einen „Ratskeller" zu errichten, abgelehnt. München. In dem Streite, ob die Stadt- gememde berechtigt sei, die Straßemeinigung durch Ortsstatut selbst vornehmen lassen, und den Hausbesitzern die Kosten aufzubürden, hat der oberste Verwaltungshof als letzte Instanz zu Ungunften der Stadt München entschieden. Es sei nicht angängig, die Polizeivorschriften so auszulegen, daß die Stadt die Reinigung vor- nimmt, die Kosten aber den Hausbesitzern be rechnet, also eine Naturalleistung statutarisch in eine Geldleistung umzuwandeln. Die Stadt gemeinde ist verurteilt, dem Kläger die von diesem an die Stadt mit Vorbehalt bezahlten Beträge für die Straßenreinigung wieder zurück zuzahlen. Gotha. Ueber eine reiche Erbschaft schreibt man dem ,Goth. Tgbl.'. Im Jahre 1827 starb; in Stralsund der Kaufherr Dennewitz, ohne Leibeserben zu hinterlassen. Der aus mehrere» Handelsschiffen, Faktoreien und Barvermöge» bestehende Nachlaß wurde damals auf vier W fünf Millionen Thaler bewertet und, da Erbe» nicht aufzutreiben waren, fiel nach Verlauf dek gesetzlichen Frist das schöne Vermögen an de» Staat. (?) Erst unlängst wollen nun in Chillicothk (Amerika) lebende Verwandte des Erblassers vo» dem reichen Nachlaß gehört und infolgedessen Zer Kchwedenhof. 4) Erzählung von Fritz Brentano. lFcUltSUNgN Ulrich dachte nur noch an den Hirsch, alles andere war tot und vergessen, selbst der Förster; und so lebte und webte das stattliche Tier in seinen Sinnen, daß es zuweilen vor sein geistiges Auge trat und ihm zweimal war, als sähe er es aus dem Gehölz in die kleine Lichtung treten und mit seinen großen, klugen Augen nach ihm herüberschauen. Zehn Uhr dröhnte von der Dorfuhr durch die Stille der Nacht. Es war kalt geworden und auch durch den Körper des harrenden Wilderers ging ein eisiges Frösteln. Aber was kümmerte ihn das. Er hatte ganz andere, grimmig kalte Winternächte im Walde verbracht, seit ihm seine Liebe gestorben war, und war gefeit gegen Sturm und Wetter. Und jetzt, jetzt regte sich etwas in der Feme, er richtete sich hoch auf und horchte hinaus, während sein Auge den leichten Nebelflor zu durcydringen suchte, der aus dem Boden aufstieg und, vom Mondlicht durchwoben, sich um die Büsche legte. Ha, es war der Hirsch! Da trat er aus dem Dickicht in die Lichtung, den Kopf hoch er hoben, und schritt vorsichtig witternd, dem Wasser zu, ahnungslos, daß wenige Gänge von ihm der Todesbote lauerte. Einen Augenblick drohte die Aufregung den Bauer vom Schwedenhof fast zu ersticken, als er sich so nahe dem Ziele seines lang gctzegwn Wunsches, als er den stolzen Hirsch vor sich sah. Aber nur einen Augenblick — dann hob er die Büchse uvd zielte lange und sicher. Eben neigte sich das Lier zu dem Wasser hinab, da donnerte der Schuß aus dem Rohr des Wilderers — der Hirsch machte einen mächtigen Sprung und brach dann, weitaus die Glieder reckend, verendend zusammen. Ulrich stieß einen Schrei des Triumphes aus und sprang, alle Vorsicht vergessend, hinter der Eiche hervor und in weiten Sätzen auf den er legten Hirsch zu, als ihm ein donnerndes „Halt" entgegeutöute. Er stand augenblicklich, und wie ein Schauer kam es über ihn. Er kannte die Stimme — die gehaßte, oft verfluchte — gemiedene und doch wieder gesuchte Stimme seines Todfeindes, des Försters. Die Stunde der Abrechnung war ge kommen — das fühlte er, jetzt galt kein Be sinnen — und allmächtig bäumte sich der alte, langgenährte Groll in ihm auf, als er den Gegner wenige Schritte vor sich in Anschlag stehen sah. „Leg deine Waffe nieder, Schwedenhofbauer, und folge mir, denn du bist nach Recht und Ge setz mein Gefangener!" „Ich dir folgen!" rief der Wilderer als Ant wort auf diese Anrede des Gegners, „dir folgen! Lieber zehnfachen Tod sterben. Ja, hebe nur das Gewehr zum Schuß, Bube, Räuber meines Lebens und meiner Liebe! Triffst ja so gut, Mörder meines Vaters!" Der Förster taumelte einen Augenblick rück wärts und griff mit irrer Hand nack der Stirn, als ihm sein Gegner die haßerfüllten Worte ent- gegenschleuderte. Daun aber hob er blitzschnell das Gewehr und drückte in wilder Wut auf den Wilderer ab. „Ha, so ist's gemeint!" rief dieser in wildem Hohn, als die Kugel des Försters dicht an ihm vorüberpfiff, „nun denn, so nimm das!" Wieder krachte der Schuß aus seinem Doppel rohr — aber er hatte besser gezielt. Mitten durch die Brust war der Jäger getroffen und brach dicht bei dem Hirsch mit einem Wehlaut zusammen. „Mörder!" Wie! Hatte so nicht jemand aufgeschrieen? Nicht der zu Tode Getroffene, nein, eine andere, fremde, entsetzliche Stimme. Mörder! Er hatte es deutlich gehört, und doch blieb alles ringsum stumm und tot — kein Blatt regte sich nach dem Schuß, der Pulver rauch schwebte langsam, verwunderliche Figuren bildend, in die Höhe, und als der dünne Schleier, den er zwischen dem Schwedenhofbauer und seinem Opfer gezogen hatte, verweht war, da lag der Jäger kalt und starr. Just, wie einst der ermordete Rottenmeister, lag er an derselben Stelle — die gebrochenen Augen stierten — eine stumme, fürchterliche Anklage — gen Himmel, und langsam rieselte das Blut aus der breiten Wunde, welche die Kugel gerissen hatte. Der Mond aber leuchtete kalt und gleichgültig in das Gesicht des Toten, als ob alles Weh, alle Leidenschaften der Welt ihm alte, längst bekannte Dinge seien. Dem Ulrich war das abgeschossenc Gewehr aus den Händen entfallen, aber er hatte es nicht bemerkt. Noch immer stand cr regunglos und starrte zu dem Toten hinüber, während in seinem Innern ein entsetzlicher, namenloser Jammel erwachte, gegen den alles Leid der vergangene» Jahre eitel Spielwerk war. Mörder! Immer wieder klang das fürchter liche Wort wie Donnerhak! des jüngsten Gericht in seinem Ohr, und all der Groll und Haß er schien ihm jetzt so klein und nichtig vor de!» ungeheuren Frevel, den er begangen, der w'- gcheuren Schuld, die er auf sich geladen. Hunderte Male hatte er gegen den Förster ge' wütet, ihm den Tod geschworen und jetzt "" jetzt, wo die That wirklich geschehen und be gangen, da schwanden mit dem rinnenden Bll» des Unglücklichen all sein Zorn, seine RE gedanken dahin. Endlich schüttelte er mit einer gewaltsav'R Anstrengung das Grausen von sich und ü» seinem Opfer Her. Er ließ sich an beste» Scue auf die Kuiee nieder und befühlte sH' das Gesicht des Feindes. Wie von ei"" Natter gestochen fuhr er zurück — es war wie Eis. Ihm graute vor den offenen Aus. des Toten, und er versuchte mit abgewcniE Antlitz sie zu schließen — umsonst, sie bbAr starr und furchtbar wie zuvor. Der knickte zusammen und sein Haupt fiel auf den Kadaver des Hirsches, um de» dieses Grauenvolle über ihn gekommen So lag er lange — lange Zeit in du»'^ Betäubung, bis ein rauher Windstoß durw Bäume fuhr und ihn aufweckte. Mü w> Blicken schaute er um sich, einen AuE»» dünkte es ihm, als sei dies alles nur em » Traum gewesen — aber bald g-mahnu Leiche des Försters an die blutige Wir»
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