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Allgemeiner Anzeiger : 27.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189909279
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990927
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-27
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 27.09.1899
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Politische A und schon. Deutschland. *Die Kaiserin hat eine Ordre an das Zentralkomitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz gerichtet, durch welche dasselbe beauftragt wird, Sammlungen zum Besten der durch das Hochwasser im Königreich Bayern Geschädigten herbeizuführen und den Er trag nach München zu leiten. * Das Zarenpaar stattete der Prin zessin Heinrich am Donnerstag in Kiel einen längeren Besuch ab; die Abreise nach Darmstadt erfolgte am Freitag. *Die Königin Wilhelmina der Niederlande wird im nächsten Monat bei Gelegenheit ihrer Anwesenheit in Potsdam auch Hamburg einen Besuch abstatten und sich das Königin-Wilhelmina-Husaren-Regiment Nr. 15 in Wandsbek, dessen Chef bekanntlich die junge Königin ist, vorführen lassen. Bei ihrer Anwesenheit in Hamburg wird Königin Wilhelmina auch dem neuen Allgemeinen Kranken hause in Eppendorf, für das sie stets ein ganz besonderes Interesse gehegt hat, einen Besuch abstatten. Seit langer Zeit dürften dann wieder holländische Kriegsschiffe im Hamburger Hasen zu sehen sein. * Von den preußischen Landräten, denen der Vorstand des Bundes der Landwirte das Au s s ch eid en aus dem Bunde anheimgestellt hatte, hat (der,D. Tgztg.' zufolge) die Mehrzahl mit dem Ausdruck des Dankes für das loyale Vorgehen des Bundes vorstandes und der Zusicherung fernerer Sym pathie den Austritt erklärt. Eine nicht unerheb liche Minderheit hat aber von dem Anheim stellen keinen Gebrauch gemacht, sondern der Meinung Ausdruck gegeben, daß keine Ver anlassung zum Austritt vorliege. *Am 17. d. haben an der deutsch-franzö sischen Grenze von Dahomey deutsche und französische Truppen und Offi ziere unter der Leitung des französischen Kom missars Major Clö den widerspänftigen Ein geborenen siegreiche Gefechte geliefert. Also eine deutsch-französischeWaffen- brüderschaft! Oesterreich-Ungarn. *Die Anzeichen mehren sich, daß die Tage des Ministeriums Thun gezählt sind, und daß in naher Zeit ein Regierungswechsel bevorstehe. Bereits vor einigen Tagen hieß es, daß Fürst Alfred Liechtenstein die meiste Aussicht besitzen soll, mit der Neu bildung des Kabinetts betraut zu werden. Diese Nachricht wird jetzt von der ,Neuen Freien Presse' bestätigt. Die ,Bohemia' ist der Meinung, daß alle Minister zurücktreten werden und hält es für ausgeschlossen, daß irgend ein Mitglied des gegenwärtigen Kabinetts in ein zukünftiges Ministerium, mag dasselbe welcher Richtung immer angehören, übernommen würde. * Die ,Wiener Zeitung' veröffentlicht die Be rufung von 24 neuen Herrenhausmit gliedern auf Lebensdauer, darunter sind die ehemaligen Minister v. Boehm-Bawerk, Koerber, Madeyski und Steinbach, ferner Prof. Lammasch, Ober-Ingenieur Mannlicher und der Direktor der Kreditanstalt Mauthner. * Den Prager tschechischen Blättern zufolge ist die Errichtung einer tschechischen tech nischen Hochschule in Brünn von dem Kaiser genehmigt worden. Die Ingenieur- Abteilung wird sofort eröffnet werden. (Soll damit etwa die angekündigte Annäherung der Regierung an die Deutschen einge leitet werden?) Aravkrcich. * Der Kriegsminister Gallifet hat aus Anlaß der Begnadigung von Dreyfus an das Heer einen Tagesbefehl erlassen, in welchem es heißt, die Angelegenheit sei nun mehr erledigt. Vor der Thatsache der Begnadi gung müsse sich jeder beugen, wie alle sich vor dem Urteilsspruch von Rennes gebeugt hätten. Von irgend welcher Vergeltungsmaßregel dürfe nicht mehr die Rede sein. „Ich richte an euch die Aufforderung und würde auch erforderlichen Falles befehlen: „Vergeßt das, was gewesen ist, und denkt nur an die Zuku^. Es lebe das Heer, welches keiner Parrei aPehört, son dern einzig und allein Frankreich." * Dreyfus veröffentlicht in der ,Aurore' eine Erklärung, in welcher er seine Unschuld beteuert und sagt, daß er fortfahren werde, die Wiedergutmachung des schrecklichen Irrtums, dessen Opfer er geworden, zu betreiben. Das .Journal officiel' veröffentlicht das Dekret betr. seine Begnadigung und den dazu gehörigen Bericht des Kriegsministers Gallifet. Italien. * Francesco Crispi wird am 4. Oktober, an welchem Tage er sein achtzigstes Lebensjahr vollendet, in Palermo in großartigster Weise gefeiert werden. Die Ab geordneten, Senatoren, Bürgermeister und Notabeln fast aller sizilianischen Wahlkreise und Gemeinden, denen sich zahlreiche Abordnungen von dem italienischen Festlande und von Tunis anschließen dürften, werden sich zu einer großen Festversammlung vereinigen und im Rathause dem greisen Staatsmann eine eigens für ihn geprägte goldene Medaille und ein mit zahl losen Unterschriften bedecktes Album überreichen. Dieser Festsitzung wird eiü Festmahl im „Poli- teama" folgen, und nach dem Festmahl soll ein historischer Fackelzug stattfinden. Die Stadt Palmermo wird einem großen Platz den Namen „Francesco Crispi-Platz" geben. Belgien. * Das neue belgische Wahlgesetz wird in der Kammer wegen der Obstruktions politik der Sozialdemokraten wohl kaum zu stände kommen. Am Mittwoch war die Kammer wieder einmal nicht beschlußfähig. Bezeichnend ist, daß die Anhänger der Regierungsvorlage in den Kammersitzungen durch ihre Abwesenheit glänzten. Spanien. * In der Provinz Barcelona treten die separatistischenBestrebungen immer kecker auf. Sämtliche Schankwirte verschworen sich, die Steuern nicht zu zahlen. Balkanstaaten. * Die Male Novine' bringen einen inspirierten Artikel, worin die Freilassung sämtlicher im Belgrader Attentatsprozeß An geklagter empfohlen wird. Da die betreffende Nummer des genannten Blattes nicht konfisziert wurde, wird angenommen, daß die Regierung mit dem Inhalt des Artikels einverstanden ist und kapitulieren will, weil sie endlich einsteht, daß der ganze Prozeß nur eine Farce gewesen. * Wie der ,PoI. Korr/ aus Belgrad gemeldet wird, ist die Nachricht auswärtiger Blätter, daß der serbische Gesandte in Cetinje, Oberst Maschin, infolge der Vorgänge im Attentats- und Hoch verratsprozeß Cetinje plötzlich verlassen habe und ein diplomatischer Bruch zwischen Serbien und Montenegro erfolgt sei, absolut erfunden. Oberst Maschin weilt bereits seit seiner Rückkehr aus dem Haag mit längerem Urlaub in Belgrad. * Der ,Pester Lloyd' veröffentlicht an hervor ragender Stelle ein Gerücht, daß König Milan nach dem Abschuß des Hochverrats prozesses so bald wie möglich Serbien ver lassen wolle. * In der Türkei tauchen ab und zu wieder Spuren einer Thätigkeit der jungtürkischen Partei auf. In Konstantinopel waren neuer dings Gerüchte verbreitet, denen zufolge in Smyrna eine Verschwörung gegen den Sultan entdeckt worden sei. Es heißt dar über weiter: „Nach den vorliegenden Mitteilun gen handelt es sich um jungtürkische Umtriebe. In dem Hause eines Scheits der genannten Stadt haben seit einiger Zeit geheime Versamm lungen stattgefunden, an welchen Anhänger der jungtürkischen Partei, darunter zwei tüchtige Advokaten und ein Arzt teilnahmen. Die Lokal behörde erhielt hiervon Kenntnis, worauf der Vali die verdächtigen Personen festnehmen ließ und einem Verhöre unterzog. Die schuldig be fundenen Personen wurden alle teils nach Bittis, teils nach Kastamuni deportiert." — Wie weit die von der Strafe Betroffenen in der That ernsthaftere Pläne verfolgt haben, muß freilich bei dieser Art von Justiz sehr dahingestellt bleiben. Afrika. *Jn Südafrika find die Dinge so weit gediehen, daß selbst der größte Optimist nicht mehr an dem Ausbruch des Krieges zwi schen England und der Südafrikani - schen Republik zweifeln kann. Die Rü st ungen, welche beiderseits energisch fort- bctrieben werden, find der beste Beweis dafür, daß mit friedlicher Beilegung des Zwistes nirgends mehr recht gerechnet wird. Die Stimmen der englischen Friedensfreunde, denen sich der liberale Führer Harcourt am Donnerstag in einer fulminanten Rede vor seinen Londoner Wählern angeschlossen hat, verhallen so ziemlich ungehört. teilte er plötzlich das Verlangen, sich allein rach dem Senatspalaste begeben zu dürfen, was aber der Kommissar für unmöglich erklärte. Millevoye verließ Guerin, kehrte aber um 1 Uhr wieder zurück, und nunmehr willigte Guerin ein, den Kommissar nach dem Senatspalaste zu be gleiten. Beide bestiegen einen Wagen, während sie Genossen Guerins die Festung unbehelligt verließen, woselbst an alle Thüren amtliche Siegel angeklebt wurden. Eine Abteilung republikanischer Garde wurde mit der Bewachung des Hauses betraut. Eine große Menge Militär war aufgeboten, um die Straßen, welche von der Rue Chabrol nach dem Senatspalaste führen, abzusperren. Auch Kavallerie und Feuerwehr waren alarmiert, doch ist kein Zwischenfall vor gekommen. Die Kapitulation Guerins. Die Komödie in der Rue Chabrol in Paris ist zu Ende. Der Antisemitenführer Guerin, der sich daselbst mit einer Handvoll Genossen verschanzt und der französischen Staatsgewalt länger als fünf Wochen hindurch die Stirn geboten hatte, hat sich am Mittwoch in früher Morgenstunde ergeben. Ueber die Kapitulation wird aus Paris folgendes berichtet: In der Nacht zum Mitt woch wurden energische Maßregeln getroffen, um das Haus in der Rue Chabrol um 4 Uhr früh zu erstürmen. Zuvor wurde noch ein letzter Vermittelungsversuch gemacht. Nachts 11 Uhr 30 Min. wurde der Deputierte Millevoye in Begleitung des Bruders Guerins in das „Fort Chabrol" hineingelassen. In demselben Augen blick fand die Ablösung der Truppen statt, die die Straße sofort wieder absperrten. Die neu- ausgezogenen Truppen waren feldmarschmäßig ausgerüstet. Gegen 12 Uhr verbreitete sich das Gerücht, Guerin sei entschlossen, sich zu ergeben. Um 12 Uhr 30 Min. verließen Millevoye und der Bruder Guerins das Haus. Millevoye begab sich zur Berichterstattung nach der Polizei- Präfektur. Angeblich war der Vermittelungs versuch an den Forderungen Guerins gescheitert. Die bisherige militärische und polizeiliche Wache in der Rue Chabrol wurde nun gegen zweieinhalb Uhr durch eine Abteilung berittener republikanischer Garde, zahlreiche Polizeibeamten und Truppen unter dem Befehl des Generals Dalstein verstärkt. Alle in die Rue Chabrol einmündenden Straßen wurden durch eine drei fache Kette von Polizeibeamten und Soldaten abgesperrt. Außerdem standen 20 Wagen und 200 Geniesoldaten als Reserve in der benach barten Kaserne „La nouvelle France" bereit. Zwei städtische Ambulanzwagen befanden sich ebenfalls in der Nähe in der Citö d'Hauteville. Um 3 Uhr kamen zwei Wagen der Löschmann schaft mit Löschwerkzeugen an. Inzwischen hatten der Bruder Guerins, Millevoye und mehrere andere Freunde Guerins nachts mit diesem eine nochmalige Unterredung und suchten ihn zu be wegen, sich ohne weitere Aufforderung zu er geben. Um 4 Uhr wurde dann die Thür des Hauses in der Rue Chabrol geöffnet. Guerin trrat heraus in Begleitung von Millevoye, Lasies und seiner sämtlichen Genossen. Guerin wurde dann sofort am Eingang des Hauses von einem Kapitän der Sicherheitspolizei verhaftet und zu Wagen nach dem Polizeidepot gebracht. Die Genossen Guerins wurden unbehelligt ge lassen und begaben sich nach ihren Wohnungen. Von anderer Seite wird eine etwas ab weichende Darstellung gegeben. Danach ist die Uebergabe der Festung Guerin in der Rue Chabrol durch die Vermittelung des Abgeordneten Millevoye erfolgt. Millevoye hatte Dienstag die Erlaubnis zum Eintritt in die Festung er halten und längere Zeit mit Guerin konferiert. Ec begab sich alsdann zu Waldeck-Rousseau, mit dem er eine Unterredung hatte. Gegen Mitternacht kehrte Millevoye in Begleitung des Bruders Guerins zur Festung zurück, wo als bald der Chef der Geheimpolizei erschien. Es wurde vereinbart, daß Jules Guerin in Be gleitung des letzteren sich nach dem Senats palaste begeben sollte, um daselbst dem Staats gerichtshofe zur Verfügung gestellt zu werden. Während Guerin seine besten Kleider anzog, Uon Kall «nd Fenr. Berlin. Der Raubmörder Joseph Gönczi hat, wie erst nachträglich bekannt geworden ist, in Brasilien sich hauptsächlich durch seine Prahle reien verdächtig gemacht. Er rühmte sich näm lich des öfteren damit, daß er den bosnischen Okkupationsseldzug als österreichischer Soldat mitgcmacht und den Führer der Aufständischen Hadschi Loja gefangen genommen habe, wobei er das Bildnis dieses Mannes mit dessen eigen händiger Unterschrift zeigte, das er von Hadschi Loja im Lazarett erhalten haben wollte. Die Narbe, die er am Halse hatte, erklärte er, sei eine vernarbte Schußwunde aus dem bosnischen Feldzuge. Dem Gönczi wurde diese Geschichte nicht geglaubt. Als dann in den öffentlichen Bekanntmachungen über den flüchtigen Mörder kurz erwähnt wurde, daß Gönczi früher öster reichischer Soldat gewesen sei, lenkte sich der Verdacht auf den ruhmredigen Kriegsmann, trotzdem er seinen Namen geändert hatte. Der weiße Spitz des Gönczi wird übrigens in dem Prozeß auch eine Rolle spielen, weshalb er mit ausgeliefert werden wird. München. Halbamtlich wird jetzt der Diebstahl von militärischen Geheimpapieren aus dem Büreau II der Feld-Artillerie-Brigade in Würzburg bestätigt. Es handelt sich unter anderm um Mobilmachungspläne. Die Papiere find für eine fremde Macht, wenn sie an eine solche ausgeliefert werden, selbstverständlich nicht ohne Wert. Der des Diebstahls verdächtige frühere Brigadeschreiber Sergeant Schlosser wird steck brieflich verfolgt. Köln. Ein Dombaudenkmal soll hier er richtet. werden. Ein Vorschlag des Geheimen Baurats Stübben geht dahin, au der Westseite des Domes ein Denkmal zu schaffen, das eine monumentale Verewigung der Baugeschichte des Domes und der Männer, die sich um ihn ver dient gemacht haben, darbietet. Alle Künstler Deutschlands sollen zu dem Wettbewerb aufge- fordert werden. Leipzig. Am kommenden 1. Oktober wer den 20 Jahre verflossen sein, daß das Reichs gericht in Leipzig eröffnet wurde. Daß unsere Stadt der Sitz des obersten deutschen Gerichts hofes sein sollte, war vor 22 Jahren, am 11. April 1877, durch Reichsgesetz bestimmt worden, und am I. Oktober 1879 begann dieses höchste Gericht seine Thätigkeit, und zwar in den in der Götheftraße gelegenen oberen Räumen der Georgenhalle, die der Rat der Stadt einst weilen zur Verfügung gestellt hatte. Von hier aus hat nun das Reichsgericht rund 16 Jahre lang seine letzten Entscheidungen hinausgehen lassen in alle deutschen Lande, bis es endlich gegen das Ende des Oktober 1895 das eigene neue Heim, das eine Zierde Leipzigs ist, be ziehen konnte. Bremen. Durch einen eigenartigen Aus stand sind die Bewohner Bremens in eine sehr unangenehme Lage versetzt worden. Die Arbeiter des Unternehmers Alfes, etwa 300 Mann, welche die Tonnenabfuhr zu besorgen haben, haben die Arbeit niedergelegt. Sie verlangen durchschnittlich einen Tagelohn von 3 Mark 50 Pfennig, während fie bislang nur 3 Mk. für ihre gerade nicht sehr angenehme Thätigkeit bezogen. Um die allgemeine Not etwas zu lindern, erläßt die Polizeidirektion eine Bekannt machung, in der die hiesigen Einwohner gebeten Der Kärsenkömg. L4j Roman von Karl Ed. Klopfer. lF.-rMbimg.) 9. Wenn Guido gesehen hätte, mit welcher Fassung sein Herr Schwager in der Equipage saß, die ihn seinem Hause zuführte, so hätte er zu dem Bedauern, „das er ihm nicht versagen konnte," vielleicht auch noch die Bewunderung für so viel schneidige Männlichkeit gefügt. Der Cxcclsiorpalast war glänzend erleuchtet, bei der Einfahrt des Wagens bildete die Diener schaft Spalier auf der mit Teppichen belegten und mit Bäumen geschmückten Treppe. So war es ja zum Empfang der jungen Herrin ange ordnet worden. Snoward gab dem Lakaien, der auf dem Kutschbock mitgefahren war, mit großartiger Ge lassenheit den Auftrag, die Leute zu belehren, daß Frau Snoward durch eine Unpäßlichkeit ver hindert sei, mit ihm den festlichen Einzug zu halten, hieß alles zu Betle gehen und begab sich auf einer besonderen Zwischentreppe nach seinen Wohnräumen im Entresol. Der Kammerdiener, der ihn im Schlafzimmer ermattete, erhielt über die veränderte Situation dieselbe Auskunft wie die übrigen Domestiken, dann ließ sich Snoward den Frack ausziehen und die Nachttoilette anlegen. „Ja, bald hätte ich vergessen," sagte der Kammerdiener plötzlich, „gegen Abend war ein sonderbarer Mensch da, der sich Kapitän Murle nannte und Sie zu sprechen wünschie. Er sagte, er hätte Sie bereits in Ihrem früheren Hotel gesucht, wo man ihn natürlich hierher gewiesen habe." Snoward sah erstaunt auf. John Archer wieder da? Wie durste es der Bursche wagen, ihm noch vor die Augen zu kommen? Oder war er so albern, sich einzubilden, daß der Ver dacht über jenen kecken Einbruchsdiebstahl nicht auf ihn gefallen sei ? „Er wollte sich lange nicht überzeugen lassen, daß er Sie heute nicht mehr treffen könne," fuhr der Diener fort. „Er wird morgen in aller Frühe wieder hier sein." „Ja, was will denn der Kerl eigentlich?" „Er gab mir den Auftrag, Ihnen zu sagen, er hätte Ihnen — eine goldene Uhr zum Kauf anzubieten." Jetzt war Snoward bestürzter, als er es im aufregendsten Momente der heutigen Ereignisse gewesen. Aber das dauerte nur einen Augen blick, im nächsten hatte er sich schon wieder völlig in der Gewalt. „So, so. Nun ja, ich will sehen . . ." „So dars ich den Herrn also doch vor- lassen?" „Meinetwegen, wenn ich just in der Laune dazu bin." Der Kammerdiener verbeugte sich. „Befehlen der gnädige Herr noch etwas?" „Warten Sie noch im Vorzimmer; ich habe vielleicht einen Auftrag für Sie! Mr fällt da eben — ein Geschäft ein." Der Diener gehorchte dem Wink, der ihn vorläufig gehen hieß, und Snoward wanderte im Zimmer nachdenklich auf und nieder. Nach geraumer Zeit wandte er sich der Thür zu, die nach seinem Arbeitszimmer führte. Er war zu einem Entschluß gekommen. „Ja," sagte er vor sich hin, „es ist — für alle Fälle." Im Arbeitszimmer machte er Licht, ver tauschte den Schlafrock mit einem andern Klei dungsstück und ließ sich am Schreibtisch nieder. Er zog aus einem Fach ein Päckchen Tele grammformulare hervor, von denen er etwa ein Dutzend mit raschen Federzügen ausfüllte. Es waren dringende Aufträge an seine Agen ten in Frankfurt, Paris, Mailand und anderen auswärtigen Börsenplätzen, daß fie die aus den jüngst abgewickelten Transaktionen gewonnenen Gelder nicht an seinen jetzigen Aufenthaltsort, sondern an seine Filiale in New Jork dirigieren sollten. Als er geschrieben hatte, klingelte er dem Kammerdiener. „Tragen Sie diese Depeschen sogleich aufs Haupttelegraphenamt." „Sehr wohl!" Snoward begab sich in sein Schlafzimmer, legte sich jedoch nicht nieder, sondern wartete, bis er den Diener aus dem Hausthor treten sah, dann begab er sich ins Arbeitszimmer zurück, zündete eine Kerze an und stieg damit eine kleine Wendeltreppe hinab, die in das Erd geschoß und sein Separat-Kontor führte. Dort stöberte er ziemlich lange im Schreib pult und im Kassenschrank herum und verbrannte mehrere Bücher und ein Paket Papiere im Kamin, ehe er wieder in sein Schlafgemach znrückkehrte. Sein Gesicht verlor jedoch dabei keine Sekunde die gewohnte undurchdringliche Miene. Hätte ihn bei jenem Geschäft jemand belauscht, so würde er ruhig eingestanden haben, daß er nach den Vorfällen von Heine abend mit der Möglichkeit einer Verhaftung rechnen müsse, und daß es doch in jedem Geschäfts betriebe Geheimnisse gibt, die man nicht gem ausspähen lasse. Fühlte sich der Mann jedoch schuldig, dann mußte er über ungeheure Selbstbeherrschung verfügen; denn als er gegen drei Uhr früh sein Lager aussuchte, zeigte sein Antlitz kaum eine leichte Abspannung, während er doch eine Reihe von Ereignissen hinter sich hatte, von denen schon eines genügt hätte, um weniger wider standsfähige Nerven aufzureiben. Darin bestand eben die „Größe" dieses auf jeden Fall unge wöhnlichen Mannes. Geistesgegenwart, zer malmende Rücksichtslosigkeit, und wenn es Not that, todesverachtender Mut, das waren die Eigenschaften, die seine Natur ins Gigantische erhoben. Damit hatte er seine Erfolge errungen, und auf diese Eigenschaften baute er bis zum letzten Atemzug. Im wilden Westen Amerikas hatte er es gelernt, zu seinen kaufmännischen Kniffen und Pfiffen die Benutzung des Revolvers zu fügen, denn oft spielte in Geschäften mit dor tigen Klienten dieses Instrument eine entscheidende Nolle. Wer aber durch solche Schule gegangen ist, wer seinen Blick auf eine gewisse verdächtige Handbewegung des „andern" nach der Brust tasche hin trainiert hat, um den Mann auf „zu vorkommende" Weise niederzuknallen, der weiß sich mit allen Lagen abzufinden. Und Mr. Sno ward betrachtete es als ein Kompliment, als man ihm „da drüben" einmal sagte, er würde selbst in dem kitzlichen Augenblick, in welchem ihm der Henker die Hauskravatte um den Hals
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