Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 07.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189910075
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18991007
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18991007
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-07
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.10.1899
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Pnndschon. Teutschland. * Der Kaiser hat, wie ein Korrespondent der .Königsb. Hart. Ztg.' wissen will, über den Fall Zedlitz einen eingehenden Bericht ver langt. Am Freitag abend habe Herr von Lucanus den Finanzminister vonMiquel besucht und über eine Stunde bei demselben verweilt. *An der Hofjagd in Letzlingen wird, nach der .Kreuzztg.', in diesem Jahr zum ersten Mal auch der deutsche Kronprinz teilnehmen. * Spanien hat am 30. v. die 25 Millionen Pesetas für die Südsee-Inseln vom Deutschen Reiche empfangen. *Dr. v. Bitter ist zum Oberpräfidenten der Provinz Posen, Dr. v. Bethmann- Holl w e g zum Oberpräfidenten der Provinz Brandenburg ernannt worden. *Der Entwurf eines Gesetzes über das deutsche Verlagsrecht ist im Reichs justizamt fertiggestellt und die Einladung an eine Reihe von Sachverständigen aus Schrift steller-, Komponisten- und Verlegerkreisen er gangen, um mit ihnen den Entwurf einer ver traulichen Besprechung zu unterziehen. * Der koburg-gothaische Land tag hatte folgenden Antrag angenommen: „Die Errichtung neuer Fideikommisse ist untersagt. Grundstücke dürfen künftig einem Fideikommiß nur einverlerbt werden, 1) wenn dieselben aus dem Erlös für Fideikommißver- mögen erworben worden, 2) wenn der betreffende Landtag seine Zustimmung erteilt. Dies findet auch Anwendung auf die Domänefideikommisse in den Herzogtümern Koburg und Gotha." Nach Annahme des Antrages erklärte Staatsminister von Stenge die Zurückziehung des Ent wurfs derA usführungsbestimmungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Hierauf vertagte sich der Landtag auf unbestimmte Zeit. * Als Feldzüge, für welche den Be teiligten ein bis zwei Kriegsjahre im Sinne des Pensionsgesetzes angerechnet werden, gelten nach dem Irmeeverordnungsbl/ eine Reihe von Gefechten und Expeditionen der deutschen Schutztruppen in Deutschost- und Deutschsüdwestafrika aus dem Jahre 1898. *Nach einer Meldung des kaiserlichen Gou verneurs von Kamerun ist Hauptmann von Kamptz mit der Schutz truppe auf seiner Expedition in Adamaua am 25. August zum zweiten Male in Tibati einmarschiert und hat den Lamido von Tibati, d. h. den dortigen Ge walthaber, gefangen genommen. Oesterreich-Ungarn. * Die österreichische Krisis ist beendet. Chef des neuen Kabinetts ist dem Namen nach Graf Clary-Aldringen, in Wirklichkeit ist es der Minister des Innern Körber. Das Ministerium wurde am Dienstag vereidigt. Clary-Aldringens Posten als Statthalter der Steiermark bleibt einstweilen unbesetzt, da nach Auflösung des gegenwärtigen Uebergangs- ministeriums der Graf nach Graz auf seinen Posten zurückkehrt. *Der Redakteur der ,Narodny Lifti', Kon stantin Sejk, Dragoner-Wachtmeister i. d. R., welcher im vorigen Jahre bei einer Kontroll- versammlung entgegen dem ausdrücklichen Befehl fich mit „Zde" (statt „hier") gemeldet hatte, wurde dieser Tage, als er zur Waffen übung nach Wien cinrückte, vor ein Kriegsgericht gestellt und wegen Insubordination zu zwei Monat Gefängnis und zur Degra dation verurteilt. Dieses Urteil wird die hitzigen tschechischen Zde-Schreier in Zukunft etwas abkühlen. Frankreich. * Bei der Ginweihung eines Denkmals für die im Jahre 1870 gefallenen Soldaten aus dem Departement Haute-Vienne hielt der sozial demokratische Minister Millerand eine patriotische Rede, in der er sagte, wenn morgen dieselben Ereignisse einträten, würden alle ohneAusnahme gegen einen eindringenden Feind marschieren und fich unter der Fahne Frankreichs einig zusammenfinden. * Hauptmann Granderyes amtlicher Bericht über die Ermordung Oberstleutnant Klobbs und Leutnant Meyniers durch Haupt mann Boulet ist in Paris eingetroffen und wurde am Montag veröffentlicht; er beruht aus den Aussagen der eingeborenen Soldaten Klobbs, die dem Gemetzel entronnen find. Jtnlie». * Papst Leo unternahm, wie aus Rom ge meldet wird, Schritte beim Präsidenten Krüger, um den Krieg abzuwenden. Er ließ seine Bereitwilligkeit erklären, als Vermittler zu fungieren, damit die letzten Monate des Jahr hunderts nicht durch einen so ungleichen Kampf befleckt würden. (Die Nachricht hat wenig Wahrscheinliches an fich, wie die Adresse verrät, an die sich der heil. Vater gewandt haben soll!) Spanien. *Das Ministerium hat nur den Kriegs- Minister Polavieja abgestoßen, an dessen Stelle General Azcaraga getreten ist; im übrigen bleibt das Kabinett unverändert. Der neue Kriegsminister will sparen, soweit dies mit den Interessen der nationalen Verteidigung vereinbar sei. * Das oberste Kriegsgericht verurteilte den General Jaudenes wegen der Ueber - gäbe Manilas zum Uebertritt in die Reserve. Rußland. *Eine neue Friedenskonferenz beabfichrigt nach der .Italic' der Zar im Früh jahr einzuberufen. Es handle fich diesmal nicht um einen Appell an die Regierungen, sondern an die S o u v e r ä n e. BalkanstaateNr * Seitens Rußlands, Frankreichs und Italiens find in Belgrad wegen der Urteile des Standgerichts bei der s e r - bischen Regierung Erörterungen veranlaßt worden. *Ein königlicher Ukas hebt den über das Departement Belgrad verhängten B e - lagerungszustand auf. Das Stand gericht stellte seine Thätigkeit ein. Die letzte That desselben war die Verurteilung des Erz- Priesters Miloje Barjaktarowitsch aus Kraguje- watz wegen Hochverrats zu 15 Jahr Haft. *Jn Bulgarien wurden am Sonntag bei den Ergänzungs-Wahlen zur Sobrauje 34 Kandidaten der Regierungs partei und zwei Mitglieder der Opposition ge wählt, drei Wahlresultate stehen noch aus. *Bei dem Erdbeben im Vilajet Aidin find nach amtlicher Meldung 12932 Häuser eingestürzt; 783 Personen find ums Leben gekommen, 657 Personen find verletzt worden. Amerika. *Bei den in Paraguay ansässigen Deutschen und deren Stammes- bezw. Sprachverwandten rief ein Beschluß der Depu tiertenkammer, welcher für alle Unterrichts anstalten die spanische Sprache als Schulsprache vorschrieb, große Aufregung hervor, und es würde dieser Beschluß wohl zu diplomatischen Erörterungen Anlaß gegeben haben, hätte nicht der Senat ihn in der Weise abge schwächt, daß nur bestimmte Disziplinen, so die Landes-Geschichte und Geographie, in der Landessprache vorzutragen seien. Dieser Abänderung ihres ersten Beschlusses trat die Kammer bei und die deutschen Schulanstalten haben fich dieser Verordnung gefügt, obgleich die Frage aufgeworfen werden könnte, ob den Landesbehörden ein Recht zustehe, in bezug auf den Unterrichtsplan von Privatschulen, welche keinerlei Begünstigung seitens der Behörden ge nießen, Vorschriften zu erteilen. Afrika. * Wenn diese Zeilen den Lesem zu Gesicht kommen, hat wohl der offene Kampf zwischen den Boern und Engländern schon be gonnen. Die ersteren sehen ein, daß der Krieg doch unvermeidlich ist und wollen nun nicht erst abwarten, bis England in aller Gemütlichkeit seine Truppen her beibeordert und aufstellt. Die beste Verteidigung ist eben der Hieb. * Aegypten ist zur Zeit wieder pestfrei. — Der Nil ist in beständigem Fallen begriffen. Drr B-rseRkömg. 27j Roman von Karl Ed. Klopfer. sF,Nsev»n,.) Schwerdtner verbrachte einen köstlichen Sommer auf dem freiherrlichen Gute, fich all mählich wieder der langersehnten geistigen Thätigkeit zuwcndend. Erleitctesie durchUebungen auf dem Schachbrett mit Elvira ein, die er jetzt lächelnd „Schwester" nannte in Würdigung ihres sanften Samariterdienstes, und durch Be antwortung der Briefe, die ihm Robert sehr fleißig schrieb. Seine Professur an der österreichischen Uni versität gedachte er nun erst zu Beginn des Wintersemesters anzuireten. Unmittelbar vorher, in den letzten Tagen des September, hatte er fich als Zeuge in der Schlußverhandlung wider Heinrich Starkhort zu stellen. Diese Gerichtssitzung sollte der ganzen Stadt noch ein bedeutsames Schauspiel bieten, dem die ganze Zeit her, während der langwierigen Er hebungen zu dem Prozesse, mit gespannter Neugier entgcgengesehen worden war. Der Schuldspruch der Jury konnte wohl nicht einen Augenblick be zweifelt werden, aber an das großartige Ent hüllungsmaterial, von dem die Presse nur flüchtige Andeutungen hatte geben können, und an das Auftreten des Angeklagten knüpste man ungeheure Erwartungen. Seit langem hatte eine Schwurgerichtsver- handlung keinen solchen Andrang gefunden. Kopf an Kopf harrte das Publikum schon in den früheste Morgenstunden des Einlasses in den Justizpalaft, und mit den ausgegebeneu Ein ¬ trittskarten wurde eine förmliche Agiotage be trieben. Mit atemloser Stille wurde der Eintritt des Gerichtshofes und die Auslosung der Jury aus genommen, und erst beim Erscheinen des Ange klagten löste sich die allgemeine Spannung in einer mächtigen Bewegung. Jedes Wort, vom Anfang der Anklageschrift und den Personalien des Beschuldigten an, wurde förmlich verschlungen. Es war ein hübsches Register von Sünden, was man diesem Ralph Snoward vorhielt; die Be hörden seiner Heimat, wie die von London und verschiedenen amerikanischen Orten hatten die Daten dazu geliefert. Mit steinerner Ruhe, und jedenfalls unbe weglicher als die ganze übrige Zuhörerschaft, vernahm der Angeklagte die vorzüglich aus gearbeitete Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Der Mann hatte sich während de: Unter suchungshaft nicht im geringsten verändert.- in jeder Bewegung, in jeder Linie, in jedem Ge sichtszug war er der Alte geblieben, und man merkte, daß die Haltung, mit der er ebensogut einer Generalversammlung von Aktionären hätte präsidieren können, keineswegs erkünstelt, sondern durchaus nur ein Beweis seiner nervenlosen Konstitution war. Ein,,fleischgewordenes Prinzip" nannte ihn später ein Zeitungsreporter, „den Typus oder vielmehr die äußerste Konsequenz des modernen Finanzgenies." Vor nunmehr 27 Jahren, als 22 jähriger junger Mensch, kam Heinrich Starkhort in den Besitz eines kleinen Erbes, das er seinen mit erbberechtigten Verwandten durch eine Reihe von Meineiden abjagte. Mit diesem Kapital ging er Das diesjährige Steigen desselben war das schlechteste, welches je verzeichnet wurde. Das Land, welches man nicht bewässern kann, umfaßt nach der Schätzung 200 000 Feddans. (1 Feddan etwa 60 Ar.) *Ein Mullah (mohammedanischer Prediger), welcher Berbera an der Somaliküste be drohte, gibt fich für den Mahdi aus und stiftet in der Gegend Unruhen. Die englische Regierung wies daher die indische Regierung an, ein Eingeborenen-Kavallerie-Regiment von Bombay nach Berbera abzusenden. Ferner gehen von Aden 400 Mann Infanterie nach Berbera. Asien. *Wenn fich England in Südafrika festfährt und im Sudan Verlegenheiten erlebt, wird es fich nicht wundem dürfen, wenn die Russen in Persien die Gelegenheit beim Schopfe fassen, die fich ihnen gegenwärtig zu bieten scheint. In der persischen Handelsstadt Kaswin sand nämlich ein Ucberfall der einheimischen auf die christliche Bevölkerung statt. 4000 Musel manen überfielen die Häuser der Europäer mit furchtbarem Allahgeheul, vernichteten ihr Eigentum, raubten und plünderten. Mehrere Europäer wurden dabei schwer ver wundet. Da die persischen Behörden die Aus länder nicht schützten, ist das für Rußland eine passende Veranlassung zum militärischen Ein schreiten. Die Z«k«Uft der Kolonie Kamerun. Major Morgen, der deutsche Militärbevoll- mächtigte in Konstantinopel, der während der langen Zeit seiner Zugehörigkeit zur Kameruner Schutztruppe die Verhältnisse des Schutzgebietes genau kennen gelernt hat, bespricht in einem in der .Deutschen Kolonialzeitung' veröffentlichten Artikel die Aussichten der Kameruner Kolonie. Wir entnehmen demselben folgende Stellen: „Daß wir in Kamerun nicht nur die aus sichtsreichste deutsche, sondem auch eine der besten Kolonien Afrikas überhaupt besitzen, beweisen die nach kaum 15 jähriger Thätigkeit einzig da stehenden wirtschaftlichen Resultate. Wenn dortige Plantagen-Gesellschaften bereits jetzt acht Prozent Dividende zahlen können, so spricht dies genügend für die Fruchtbarkeit des Bodens, wie für die Zukunft der ganzen Kolonie. Trotz dem könnte man mit der Ausschließung des Landes bereits weiter fortgeschritten sein, hätte man nicht gerade Kamerun, gegenüber den an deren Kolonien, vor allem Ostafrika, so stief mütterlich behandelt. Für Deutsch-Ostafrika, das durch den großen Araberaufstand von fich reden machte, bewilligte man große Summen, für Kamerun galt das zwar seit". Eine Schutztruppe gab es hier die ersten zehn Jahre nicht. . . . Während man die ostafrikanische Kolonie heute bereits mit dem Spazierstock in der Hand durchqueren kann, ist die Sicherheit von Kamerun auch jetzt nur noch auf die Küste und die nächste Umgebung der wenigen inneren Stationen beschränkt. Das übrige fruchtbare Land wird zum großen Teil durch sklaven raubende Stämme, unter denen die Mutes und Fullahs obenan stehen, entvölkert, verwüstet und zur Einöde gemacht. Die vielen niedergesengten Ortschaften, die vielen Skelette sind traurige Merkmale dieser Zustande. Eine weitere Folge dieser von Norden kommenden Raubzüge ist der Rückgang des kostbaren Artikels, an dem gerade unser Kamerunhinterland so reich war und teil weise noch ist; das Elfenbein. Die Unsicherheit und auch Unkenntnis der Wege nach unserer Küste läßt die großen Elsenbeinkarawanen, die Adamaua heimsuchen, den viel weiteren Weg von und nach dem Benuö nehmen, wo sie ihre Waren zumeist in englischen Faktoreien absetzen. Nur ein geringer Teil des großen Elfenbein- Exportes aus unserer Kolonie gelangt an der eigenen Küste zur Verschiffung. „Wenn nun auch jüngst einem der größeren Fullahstaaten, Tibati, durch den Zug des Haupt manns v. Kamptz ein Schlag versetzt worden ist, so bedeutet dies noch keineswegs die Vernich tung dieses Stammes und die Aufhebung des Sklavenraubes in diesen Gegenden. Hier hilft nur Anlage von Stationen. Ein sogenannter „Kriegszug", der mit der Erstürmung der Haupt stadt endet, hat keinen endgültigen Wert. Er hat nur Geld und Blut gekostet, wenn man nicht im Lande bleibt. Da nun Kamerun an nähernd so groß wie Deutschland ist, kann natürlich nicht gleich von der Anlage eines Stationsnetzes über das ganze Land die Rede sein. Es dürfte vorläufig genügen, die Haupt karawanenstraßen durch Stationen zu schützen. In erster Linie käme die Route in Bettacht, welche von der Daunde-Station über den oberen Sannaga (Nachtigalfälle) durch das Wutelaud nach Tibati, Ban;o und Gascheia führt. Sie durchschneidet Adamaua von Süd nach Nord, in ihr münden die Wege, welche vom oberen Benu« — von Pola, Garua und Ngaundere — ausgehen. „Wenn Dr. Paffarge die Forderung stellt: „Baut in unseren Kolonien Eisenbahnen", so ist er im Recht; aber bis wir durch den Schienen strang die Kultur ins Hinterland tragen werden, wird noch manches Jahr vergehen. Bis dahin können die Gegenden verwüstet, die kostbaren Produkte, wie Elfenbein und Gummi, durch Raubjagd und Raubabbau vernichtet, vor allem aber das schwarze Menschenmaterial, ohne das in den Tropen keine Kulturarbeit möglich ist, zu Grunde gerichtet sein. Nachdem nun auch neuer dings die Kameruner Handelsfirmen ihre Fak toreien weit ins Innere vorgeschoben haben, liegt auch der Regierung die Pflicht ob, diese mutig vorgedrungenen Handelspioniere und ihr Kapital zu schützen. Daher sage ich: Im Inter esse der Entwickelung des Schutzgebietes, im Interesse der Menschlichkeit: Baut Stationen in unserer Kamerun-Kolonie." Uon Nah «nd Fern. Rominte». Bei dem Besuch der Kaiserin im hiesigen Kinderheim ereignete fich eine niedliche Episode. Das Töchterchen des Forst- Assessors Zilaskowski sollte einen prächtigen Blumenstrauß überreichen. Als indessen die Kaiserin die ihr zugedachte duftige Spende in Empfang nehmen wollte, zog die Kleine diese plötzlich zurück und meinte schüchtern: „Ich will's aber doch behalten!" Die Kaiserin lächelte ob dieses kindlich naiven Wunsches und erwiderte dem Kinde: „Ja, aber natürlich, nimm den Straub nur noch ein Weilchen!" Die Kleine lief hierauf zu ihrer in der Nähe stehenden Mutter und rief dieser freudestrahlend, den Blumenstrauß hoch in der Luft schwingend, zu: „Mutter, ich kann ihn behalten!" — Bei schönem Wetter unternimmt die Kaiserin Spazierfahrten durch die Rominter Heide oder sie lustwandelt mit dem Kaiser Arm in Arm durch das Dörfchen, sich bei diesem oder jenem erkundigend. Dabei erweist sich die hohe Frau stets als Wohlthäterin und spendet mit vollen Händen, auch hat sie schon manches Kinderherz durch Geschenke erfreut. Wiesbaden. Bei dem hiesigen Besuch des Zarenpaares kam es zu einem Zwischenfall, der sich aber bald als harmlos herausstellte. Gn junger Franzose namens Werle wollte dem Kaiser eine besondere Ovation darbringen; er hatte fich in der Kapellenftraße, dicht vor dem Wald, ausgestellt, stürzte, als sich der Wagen des Kaisers näherte, auf diesen los, rief, er wäre Franzose und streckte dem Kaiser die Hand entgegen. Der Zar winkte jedoch ab, und ein Schutzmann beförderte den Mann auf das Polizeirevier, von wo er aber, da er sich als völlig unverdächtig erwies, nach Feststellung seiner Personalien wieder entlassen wurde. Hamburg. Am Montag abend gegen 10 Uhr ereignete sich hier eine entsetzliche Eisenbahn katastrophe. Als der von Norden kommende Zug mit eingezogenen Rekruten — meistens Dragoner, die nach Metz und Diedenhofen be stimmt waren — in den Klosterthor-Bahnhof eingelaufen war, stiegen viele Rekruten gegen den Befehl des kommandierenden Offiziers aus und blieben auf dem ersten Geleise stehen. Gleich darauf lief ein Zug von Blankenese ein und fuhr in die Menge hinein. Neun Rekruten wurden getötet, etwa dreißig erlitten zum Teil schere Verletzungen. Von allen Seiten sind Aerzte und Ambulanzwagen zur Hilfeleistung an der Unglücksstätte eingetroffen. nach London, wo er einen Poften bei einer Bankfirma fand, in der bereits sein Jugend genosse Otto Döbel als Kommis angestellt war. Gemeinsam mit diesem, spekuliert! er insgeheim auf der Börse, wiederholt vertrauliche Dispo sitionen des Chefs benutzend, in die fich die zwei Freunde durch widerrechtliche Mittel Ein blick verschafften. Man konnte ersehen, daß Döbel in seinen Anlagen vielleicht nicht viel besser als sein Gefährte war, er war nur der kleinlichere, philiströfere, weniger „weitsttebende" Spitzbube. Sein Ziel ging nicht über gewisse behagliche Vermögensumftände, eitle Titel und Würden hinaus, das bewies er im späteren Lauf seines Lebens, wo er als Mann von Stellung und Ansehen, der ein ehrliches Ge- schäftsgebahren bequemer fand, fich mit einer gewissen Berechtigung seine „kleinen Jugend fänden" verzeihen konnte. zog fich auch vorsichtig zurück, als ihm die Machinationen Starkhorts zu hoch zu steigen begannen. Nach einem Jahre wurden die Meineid' des letzteren von der Heimatsbehörde aufgedeckt und diese verlangten von den englischen Gerichten seine Auslieferung. Starkhort bekam Wind von den schwebenden Verhandlungen und wußte bei zeiten auszurücken, nnd da er just durch Fehl- fchlagen seiner jüngsten Operationen ohne Geld war, nahm er eine ihm anverttaute Summe nach Amerika mit. Was er die nächsten zwei Jahre gethan, das konnte nicht erkundet werden; es lag nur die Wahrscheinlichkeit vor, daß er sich in Kanada herumgettieben und das defraudierte Geld verspielt oder sonstwie verbraucht hatte, denn als Fünfundzwanzigjähriger tauchte er schon unter dem Namen Ralph T. I. Snoward, gänz lich mittellos, im Westen der Vereinigten Staaten auf und zwar als Ausrufer bei einigen Schau buden, bald darauf als Geschäftsführer eines fliegenden Zirkus, um später in den Goldminen von Kalifornien sein Glück zu suchen. Von hier an konnte man sich schon aus die Aussagen eines anwesenden Zeugen stützen: John Archers, der eine Zeitlang sein Zeitgenosse, dann sein Faktotum und Diener gewesen war. Von einer wirklichen Arbeit Snowards in den Gold gruben konnte keine Rede sein. Das war ihm entschieden zu anstrengend und zu wenig ein träglich gewesen. Er debütierte durch eine gan- glückliche Spekulation mit einigen „Claims", Fundplätzen, die er für ein Spottgeld erworben hatte und durch schwindlerische Vorspiegelungen von ihrer Ertragsfähigkeit mit Nutzen weiter ver kaufte. Dann etablierte er sich schon als „Bankier" in den Minen, das heißt, er nahm den Goldgräbern den gewonnenen Staub deS Edelmetalles gegen Barzahlung ab, leistete Vor schüsse usw. Verschiedene unredliche Manipu lationen bei diesem Geschäft, auf die man kam, verwickelten ihn in ein Scharmützel mit den Be trogenen und er schoß zwei seiner Hauptankläger nieder. Man konnte ihm nicht nachweisen, daß er ohne Notwehr gehandelt, und man mußte ihn steigeben. Der Mulatte wußte dann zu berichten, daß Snoward nacheinander in Arizona, Nevada und Sonora eine Reihe von „Etabliffements" halten habe, unter denen eine Opiumhöhle »uv eine Spielbank noch nicht die anrüchigsten ge wesen waren. Auch hier hatte der Mann öster
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)