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Allgemeiner Anzeiger : 18.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189910180
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-18
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.10.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser hat dem Prinzen Gustav Adolf von Schweden den Schwarzen Adler-Orden verliehen. * Dem ,Hamb. Korr/ wird aus Berlin ge meldet: In verschiedenen Blättern finden sich sehr bestimmt lautende Mitteilungen über eine Reise des Kaisers nach England. Wie wir vernehmen, ist jedoch an gut unter richteten Stellen hierüber näheres nicht be kannt; man muß daher in jene Mitteilungen Zweifel setzen. * Nach Beendigung des diesjährigen Kaisermanövers hat der Chef des Generalstabes der Armee Veranlassung genommen, dem Staatssekretär des Reichs-Postamts seinen lebhaften Dank für das postseitig be wiesene Entgegenkommen auszudrücken. Dabei ist besonders hervorgehoben, daß die Reichs- Telegraphen- und Fernsprechverbindungen im Manövergelände den stellenweise sehr hohen Anforderungen stets in vollstem Maße gerecht geworden seien. *Das Reichsseuchengesetz (Gesetz entwurf betr. die Bekämpfuug gemeingefährlicher Krankheiten) lehnt fich an den Entwurf an, der bereits im Jahre 1893 dem Reichstage vorge legt worden ist, jedoch soll sich derselbe auf das allrrnotwend-gste beschränken, insbesondere auch um den Gemeinden keine unnötigen Lasten aufzuerlegen. Man wird daher wohl absehen von der damaligen Bestimmung, wonach der Bundesrat befugt sein sollte, auch die An ze i g e p f l i ch t einzuführen beim Auftreten von Diphtheritis, Scharlach und ähnlichen Krankheiten, dagegen soll für Typhus die Anzeigepflicht vorgesehen bleiben, wie das auch in jenem Entwurf der Fall war. Die Recht sprechung in verschiedenen Bundesstaaten Hut es als zweifelhaft hingestellt, ob die Behörden die Befugnis haben, beim Vorkommen derartiger verheerender Krankheiten auf der Anzeigeflicht zu bestehen, welcher Ungewißheit nunmehr von Reichswegen ein für allemal ein Ende gemacht werden soll. *JmAichungswesen steht eine wesent liche Umgestaltung bevor und zwar durch die Einführung der periodischen Nach- aichung, welche in Oesterreich, Frankreich und innerhalb des Reiches in Bayern schon lange durchgesührt ist und sich trefflich bewährt hat. Die Wagen, Maße und Gewichte werden nicht erst beim Eintreten ihrer Unbrauchbarkeit, welche bisher durch polizeiliche Revisionen festgestellt wurde, zur Nachaichung herangezogen, sondern sollen alle Jahre zur Aichung eingeliefert werden. Das Gesetz, welches augenblicklich noch in der Bearbeitung ist, dürfte in Kürze dem Reichstag zugehen. *Die Absichten der Regierungen bei dem Ausbau der A rb e it er v ersi ch erung find darauf gerichtet, möglichst die Lücken aus zufüllen, welche noch in der Fürsorge für den Arbeiter bei Erwerbsunfähigkeit vorhanden find. Von diesem Gesichtspunkte aus ist bei dem zu Anfang nächsten Jahres in Kraft tretenden Jn- validenverficherungsgesetze verfahren, als in dem selben die Jnvalidenversorgung schon vom Be ginn der 26. Woche an nach andauernder Krank heit angeordnet wurde, während sie bisher erst nach dem Verlauf eines Jahres einer die Er werbsfähigkeit im Sinne des Gesetzes aus- schließenven Krankheit eintrat. Es ist dadurch die Lücke, welche zwischen der im Gesetze auf 13 Wochen bemessenen Krankenversorgung und der Jnvalidenversorgung bestand, wesentlich ver engt, und man dürste, nach den Aeußerungen der Regierungsvertreter in dem letzten Tagungs abschnitte des Reichstags zu schließen, nicht in der Annahme fehlgehen, daß diese Lücke bei der in Angriff genommenen neuen Revision der Krankenversicherung schließlich ganz beseitigt werden soll. Daß der Reichstag zu einem solchen Vorschläge seine Zustimmung geben würde, ist, nachdem er eine hierauf bezügliche Resolution angenommen hat, als sicher anzusehen. * Mr den badischen Landtag finden die Wahlmännerwahlen am 4., die Abgeordneten wahlen am 16. November statt. Der Kchwedenyof. Lj Erzählung von Fritz Brentano. Ais "" IFoitleSun«.) „Ulrich! Ulrich!" rief die Bäuerin und hob mahnend die Hand gegen den Sohn, der sich in wilde Heftigkeit hineingeredet und wie schußbereit das wuchtige Gewehr erhoben hatte. „Wo soll das hinaus!" „Zu Ende!" stieß er knirschend heraus. Er oder ich! O, ich habe die Qual satt, die mich fest jenem Tage verzehrt, wo die Dirne fich meinem ärgsten Feind hingab. Als ich aus meinem ersten, namenlosen Jammer erwachte, da meinte ich es mit der Zeit verwinden zu können, aber es ist nicht wahr, was sie sagen, daß die Zeit alle Wunden heilt — sie nährt auch den Haß, und die Geister der Rache flüstern in schlaflosen Nächten in unser Ohr, daß das Feuer nicht erlischt und der Wurm nicht stirbt. Was habe ich nicht alles gethan, Mutter, um sie zu bannen. Ich habe gearbeitet für drei, ich habe für den Hof gesorgt und geschafft und dir die Last erleichtert, wie ein treuer Sohn, aber die bösen Gedanken wuchsen mir immer und immer wieder über den Kopf, und es trieb mich hinaus in den rauschenden Wald, wo mir am wohlsten ist, wenn der brausende Nachtsturm den Wurm in mir überschreit. Und heute erst, heute an ihrem Hochzeitstag, da will es nicht Fried' da drinnen geben. Mir ist, als müßten die engen Wände mich ersticken, drum halte mich nicht, Blutter, es ist umsonst, ich muß hinaus!" „Und für den Jammer deiner alten Mutter hast du kein Gefühl?" fragte schmerzlich bewegt Oesterreich-Ungarn. *Die Aufhebung der Sprachen- Verordnungen wird dem Vernehmen nach am 17. d., also unmittelbar vor der Eröffnung des Reichsrats erfolgen. An demselbe, Tage werden, wie der.Voss. Ztg/ aus Wiem gemeldet wird, die Obmänner der deut schen Klubs zusammentreten, um über die Schaffung einer Organisation zu beraten, die an Stelle der früheren Klubobmänner - Konferenz treten und eine Art Kriegsrat der deutschen Par teien darstellen soll. England. *Am Dienstag soll das Parlament zusammentreten. Man glaubt in London, daß es nur kurze Zeit tagen und über keinen andern Gegenstand als über die afrik anis ch e Angelegenheit verhandelt wird. * Es wird in London versichert, General Buller werde wahrscheinlich mit einem großen Teil des mobilen Armeekorps in der D e la goa° Bucht landen und über Komati-Poort auf Pre toria rücken. Die Zustimmung der interessierten Mächte sei erkauft (?). Der Lordmayor der City von London erklärte bei einem Bankett im Mansion House am 12. d., er bemfe eine Ver sammlung von Bürgern Londons in die Guild- Hall zu Montag ein, um ihren Gefühlen über die „verfluchte Frechheit" (wörtlich!) der letzten Depesche der Transvaal-Regierung Ausdruck zu verleihen. Holland. Nach Informationen „an einer sehr gut unterrichteten Stelle" soll fich die junge Königin Wilhelmina bezüglich ihrer Verein st igen Vermählung dahin ge äußert haben, daß sie in den ersten Jahren ihrer Regierung noch erst ihre Jugend und ihre Frei heit genießen wolle, bevor sie sich nach einem Gemahl umsähe. Und als solcher dürfte dann wohl Prinz Wilhelm zu Wied, wenn er um die Hand der Königin anhalten sollte, deren Jawort erhalten. Der Prinz ist gegen wärtig 23 Jahre, von schöner stattlicher Figur, die in der Galauniform eines Offiziers der Garde du Korps noch einen ganz besonders imposanten Eindruck macht. Balkanstaaten. * Zur Nachgiebigkeit gegen die Ar menier hat fich der Sultan endlich ent schlossen. Durch ein Jrade des Sultans wurde die Vorlage sanktioniert, welche von der im Mdiz-Palais zur Prüfung der armenischen Be schwerden eingesetzten Kommission unterbreitet worden war. Hiernach werden die gegen die Armenier getroffenen außerordentlichen Polizei maßregeln aufgehoben, beziehungsweise nur auf Verdächtige beschränkt. Ferner werden die während der armenischen Wirren zerstörten Kirchen, Klöster und Schulen unter staatlicher Beihilfe neu aufgebaut oder instandgesetzt und die rückständigen Bezüge von armenischen Staatsbeamten und Arbeitern bezahlt, welche während des Massakres getötet oder ausgewiesen worden find. Außerdem wird die Erlaubnis zur Errichtung eines armenischer. Waisenhauses in Jedikule bei Konstantinopel erteilt. 54 ver urteilte Armenier werden begnadigt und 24 noch nicht vollzogene Todesurteile in lebenslängliche Kerkerstrafen umgewandelt. Man glaubt, daß die Armenier fich mit diesen Bestimmungen, falls sie durchgeführt werden, zufrieden geben werden. Wie jedoch verlautet, ist der Patriarch mit den letzten Zugeständnissen an die Armenier nicht ganz zufrieden und wartet die offizielle Mit teilung über dieselben ab, um erst dann sein Entlassungsgesuch zurückzuziehen. * Die Ministerkrisis in Bulgarien ist beendet. Der frühere Unterrichts Minister Jwantschow hat sein Kabinett gebildet, in dem auch der zweifelhafte Radoslawow den Posten eines Ministers des Innern gefunden hat. Der bisherige Ministerpräsident Grekow ist völlig kaltgestellt. Amerika. * In New Pork ist eine Reihe von Meldungen aus La Guayra eingegangen, welche die Revo- lution in Venezuela als einen gewalti gen Erfolg schildern. Präsident Andrade und die höchsten Staatsbeamten sollen bereits Vor die Bäuerin. „Meinst du, ich empfinde nicht eben so tief, was in dir vorgeht und trage nicht gleiches Leid, wenn ich es auch nicht wie du in alle Welt hinausschreie! Glaubst du, die Mutter lese nicht im Herzen des Kindes! — O, Ulrich, seit sie deinen Vater in der Herbstnacht nach Hause brachten und das tod wunde, liebe Angesicht im roten Fackelschein vor mir lag, habe ich keine schmerzlichere Stunde erlebt, als da, wo es kund ward, daß die Gertrud dir das Wort gebrochen und fich dem Jäger angelobt habe. Und auch in mir erwachte damals derselbe Groll — der Trotz, das Erbteil aller derer vom Schwedenhof, regte fich in mir gegen alle Welt, und fast hätte auch ich Schiff bruch an Glauben und Menschenliebe in der Einsamkeit des Hofes gelitten. Aber das alte Bibelbuch, das mir schon einmal in schwerster Zeit Trost verliehen, hat mich aufrecht erhalten, und je mehr ich mich an den langen Winter abenden, wenn Haus und Hof eingeschneit waren, in dasselbe vertiefte, desto mehr tobte der Kampf in meinem Innern aus. Längst wäre der Friede wieder bei mir eingekehrt, wärst du anders ge wesen, Ulrich, hättest auch du dein Herz dem Trost des Glaubens erschlossen. Aber dein finsteres Schweigen, deine nächtlichen Gänge zum Wald, um die ich längst wußte, ehe du es ahntest, und so manches andre ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Der Blick aber, den du mich heute in dein Inneres thun ließest, zeigt mir die ganze Tiefe deiner Verblendung gegen Gott und Welt nnd läßt mich zurückschaudern vor dem Abgrund, an dem du stehst. O Ulrich, Ulrich, hättest du der Mutter früher dein Herz kehrungen getroffen haben, das Land verlassen zu können. Fast alle Einzelstaaten und Städte, mit Ausnahme von Caracas nnd La Guayra stehen auf Seite der Revolution und die Scharen der AufstäMichen wachsen täglich. Afrika. * Der Transvaalkrieg hat be gonnen; die Boern der beiden Republiken haben die Grenzen von Transvaal überschritten und die nächste Zeit dürfte wohl nm die Mel dung von leichten Erfolgen der An greifer bringen, bis Englands Truppen erst in größere Zahl zur Stelle find. Man wird aber jetzt sowohl wie später stets im Auge zu behalten haben, daß uns alle Nachrichten aus Südafrika über England zu gehen. * Ueber die Pläne der Boern verlautet nichts Bestimmtes. Doch besagen Kapstadter Meldungen, General Joubert habe seinen Offi zieren mitgeteilt, daß sie sich auf einen längeren Marsch vorbereiten sollen. Ob nach Durban oder auch nach Kapstadt zu, wird nicht gemeldet. Höchstkommandierender des Oranje-Freistaats ist General Prinsloo. *Bei Mafeking (Britisch-Betschuanaland haben die Boern einen gepanzerten Eisen- bahnzug, der mit zwei Geschützen armiert war, genommen. *Bei dem Kommandanten des einen deut schen Korps, Schiel, traf eine Abord nung von Zulus ein, deren Oberhäuptling Dinizulu bekanntlich Herrn Schiel zu großem Danke verpflichtet ist, und bot die Mitwirkung von 5000 Zulus, gegen die Engländer an. Dieselbe wurde zurückgewiesen, aber es heißt, wie es scheint aus zuverlässiger Quelle, daß starke Zulu-Kolonnen fich in der Richtung auf Ladysmith in Bewegung gesetzt, um auch ungebeten die Gelegenheit, sich an ihrem alten Feinde zu rächen, zu benutzen. Anderseits haben die Engländer in Mafeking und Kimber ley Schwarze bewaffnet, allerdings unter dem Vorgeben, dies geschehe nicht, um dieselben im Felokriege zu benutzen, sondern nur zur Verteidi gung der Stadt. Asien. *Der Krieg auf den Philippinen hat nunmehr wieder ernstlich begonnen. Am letzten Sonntag fanden mehrere lebhafte Ge fechte zwischen Amerikanern und Filipinos in der Gegend zwischen Cavite, Jmus und Santa Cruz statt, bei denen auch die amerikanischen Kriegsschiffe Gelegenheit zum Eingriffen hatten. Der Verlust der Amerikaner belief fich auf zwei Offiziere und 26 Mann; anscheinend find sie überall siegreich geblieben. Mr Zwangslage der Deutschen in Oesterreich. Die Troppauer.Deutsche Wehr' erhält nach stehende bedeutsame Zuschrift, in welcher Abg. Karl Türk die gegenwärtige Lage folgender maßen kennzeichnet: Durch die Ernennung des Grafen Clary, eines zweifellos deutschgefinnten und ehren werten Mannes, der sein Amt nicht so sehr von der büreaukratischen Seite nimmt und seine Pflichten ernster uud höher auffaßt, als wir dies leider bisher von unseren Länderchefs und Ministern zu sehen bekamen, find wir Deutschen in Oesterreich in eine Art Zwangslage geraten. Dazu kommen noch die Besprechungen mit deut schen Parteiführem in der Hofburg. Man bietet uns einen Waffenstillstand an und verheißt uns nebst der formellen Aufhebung der Sprachenverordnungen auch die Zulassung in ein künftiges Koalitionsministerium. Das Ministerium Clary ist ausdrücklich nur als ein Uebergangs- und Beschwichtigungs-Ministerium gedacht. Hierin liegt eben der Haken. Nehmen wir den Waffenstillstand nicht an, so setzen wir uns, wenigstens scheinbar, ins Unrecht, nach oben hin nicht allein, sondern auch bei unserem noch immer viel zu vertrauensseligen und fried fertigen deutschen Volke, und werden dann als Obstruktionisten um jeden Preis und als unver besserliche jÄakehler hingestellt werden. Nehmen erschlossen, ehe das Gift so ttef in dich hinein gefressen, es wäre so weit nicht gekommen. Vielleicht ist es noch Zeit — komm mein Sohn, lege die Mordwaffe ab und bleibe." Er war auf den Schemel gesunken und kühlte seine brennende Stirn an dem Gewehrlauf, den er mit beiden Händen umfaßt hielt. Die Mutter war zu ihm getreten und legte wie segnend die Hände auf sein Haupt. Einen Augenblick schien es, als zöge der bessere Geist in sein krankes Herz. „Du bleibst?" fragte sie leise. Da tönte ganz in der Ferne ein Schuß vom Wald herüber und schreckte ihn auf. „Nein, nein!" rief er aufspringend. „Heute nicht — ein andermal, morgen, Mutter!" „Ulrich!" schrie sie auf. „Ich suche ihn nicht auf, verlasse dich darauf," sprach er, und wehrte die Hand der Mutter ab, mit der sie ihn vergeblich zu halten versuchte. „Schlaf wohl!" Schon war er draußen. Die Nacht war längst angebrochen. Durch das Brausen des Herbstwindes klangen vereinzelte Glockenklänge vom Dorf herüber — die Bäuerin aber faltete die Hände, und wie unbewußt flüsterten ihre Lippen: „Führe uns nicht in Versuchung I" 3. Der Förster war langsam auf das alte Forst haus zugeschritten. Da unten lag es vor ihm. Zwischen den Bäumen schimmerte das einsame Licht der Wohn stube durch die Nacht — noch wenige Schritte, und er war daheim. wir ihn aber an, so wird uns zwar für den Augenblick das Joch der Sprachenverordnungen abgenommen werden, allein wir bekommen dann wieder an Stelle des abtretenden Clary ein mixtum oomxositum, ein Ministerium Liechten stein oder dergleichen, und wir stehen dann anstatt vor dem verlangten gründlichen System wechsel wieder vor der alten Leier. Die Deko rationen und Kulissen find neu, aber das Stück, das ausgeführt wird, ist das alte, es heißt: „Verdrängung und Enteignung des Deutsch« tums." Wir können zwar dem Grafen Clary das Vertrauen schenken, daß er fich und seinen ehr lichen Namen nicht dazu hergeben wird, uns durch die Aufführung eines bloßen Schein- manövcrs mit der Aufhebung der Sprachen verordnungen in einen Hinterhalt zu locken; Graf Clary dürste auch ein Sprachengesetz aus arbeiten, das für uns Halbwegs annehmbar wäre. Allein, welche Gewähr kann er uns bieten, daß uns seine Nachfolger nicht alle Vor teile wieder entreißen und den Slawen das Wasser auf die Mühle treiben werden? Man weiß, wie schnell der Wind bei uns in den höheren Regionen oft umzuschlagen pflegt. Dann können wir wieder von vorne anfangen, unser Volk wird entmutigt und enttäuscht sein, und wir stehen viel ungünstiger als heute. Trotz alledem wird uns kaum etwas anderes übrig bleiben, als die Delegationswahlen zu zulassen. wenn unsere Hauptforderungen, die Aufhebung der Sprachenverordnungen, klippßund klar erfüllt wird. Bürgschaften für weiterhin können wir zwar verlangen, allein der Minister präsident kann nur für fich gut stehen, nicht aber für einen schon an der Thür stehenden Nach solger. Mich dünkt zwar, daß es den „maß gebenden Kreisen", wenn es ihnen Emst wäre, einen gründlichen Wandel unserer inneren Politik herbeizuführen, nur ein Wort kosten würde, die Katholische Volkspartei zum Ausspringen aus der Rechten zu veranlassen und damit die Majorität aufzulösen, auf die fich die Slawen so sehr stützen. Die vereinigten Deutschen hätten dann die Mehrheit, die von Fall zu Fall durch den italienischen Klub und die Ruthenen ver stärkt werden könnte. Damit ließe sich dann immerhin etwas machen. Allein dieses Wort von oben wird kaum gesprochen werden. So lange aber die klerikalen Deutschen dazu benützt werden, mit den Slawen eine Mehrheit herzu stellen, werden wir die tschechischen Postulate und das deutschfeindliche Regieren nicht los; die „Völkerversöhnung" auf Kosten der Deutschen wird fortbetrieben und die Dinge nehmen ihren Lauf wie bisher. Kon Uah nnd Fern. Berlin. Die Stadtverordneten - Versamm lung hat den Antrag, die diesmaligen Ergän zungswahlen für die dritte Abteilung auf den Sonntag zu legen, angenommen. Klausthal. Auf der Reise nach Kiautschou befindet fich gegenwärtig ein junges Mädchen aus Klausthal a. Harz, ein Fräulein Strauch. Sie hat die Reise unternommen, um fich mit ihrem Bräutigam zu verheiraten. Letzterer ge hörte als Matrose dem Kiautschou-Besatzungs- Detachement an. Nach Vollendung seiner Dienst zeit gelang es ihm, in der jungen deutsch-chine- sifchen Kolonie eine feste Anstellung zu erhalten; er bat seine Braut, zu ihm nach Kiautschou zu kommen, woselbst die Hochzeit stattfinden sollte. Fräulein Strauch war hierzu natürlich sofort bereit, da aber die Vermögensverhältnisse ihrer Eltern eine so weite Reise nicht gestatteten, wandte sie fich mit einem Gesuch kurz ent schlossen an den Kaiser und bat den Monarchen um Bewilligung der Kosten für die Ueberfahrt zu dem erwähnten Zweck. Der Kaiser ließ der jungen Dame sofort ein größeres Geldgeschenk aus seiner Privatschatulle überweisen, mittels dessen sie nunmehr die Reise nach ihrer zukünf tigen Heimat angetreten hat. Lübeck. Die Kriminalpolizei überraschte im Hotel Germania zehn Personen beim verbotenen Glücksspiel. Ein Teilnehmer wurde wegen Falschspiels verhaftet. Die übrigen beließ man auf freiem Fuß. Die Spielkasse wurde beschlag nahmt. Aber immer zögernder wurde fein Gang, immer dunkler der Schatten auf seiner Stirn- Ein altes, halb verwittertes Steinbild — kein Mensch wußte es zu deuten — lag seit undenk licher Zeit hier am Wege. Er betrachtete es sinnend mit ftemden, starren Blicken, als ob er es nie gesehen, dann nahm er mechanisch die Büchse von der Schulter und setzte sich aus den umgestürzten Stein. Er mochte nicht älter sein, als drüben der Ulrich vom Schwedenhof, und doch wie alt, wie müde sah er aus, als er hinüberschaute nach dem flackernden Licht des Jägerhauses. E war nur ein nebelhafter, bleicher Dämmer, der von dort zu ihm herüberdrang, keinen Bli» in die Stube gestattend — um ihn her wal es still und tot, und dennoch sah er, hörte ck alles. Er sah beim Schimmer der Lampe das bla^ junge Weib dort an dem alten eichengeschnitzi^ Tisch sitzen, sah sie thränenlosen Anges nach leeren Wiege hin überstarren, aus der sie wenigen Tagen das tote Kind hinausgewag^ hatten in den herbstlichen Wald — er hörte gleichmäßige, schwere Ticken der uralten uhr, wie er es von Kindheft auf gehört hau im stillen Vaterhaus. „ So saß er lange, das Haupt zur Erde beugt, bis ein ferner Ton ihn aufschreckte. Dorfuhr schlug sieben, und fast feierlich langsam Schlag um Schlag durch die Na Er erhob sich und schritt in das Haus. Da war alles, wie er es draußen im duM Wald geschaut. An dem Tisch das Weib — drüben an der Wand die leere W
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