Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 30.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189909302
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18990930
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990930
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-30
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 30.09.1899
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Pslitische Nundscha«. Deutschland. * Der Kaiser hat am Montag den gast freundlichen Boden Schwedens verlassen und sich über Neufahrwasser nach Ro minten be geben. *Die Plenarsitzungen des Bundes rats sollen in der nächsten Woche wieder aus genommen werden. * Finanzminister Dr. v. Miquel hat sich von seiner letzten, nicht unbedenklichen Erkran kung wieder vollständig erholt und die Amtsgeschäfte im ganzen Umfange übernommen. * Die Finanzlage des Reiches ge staltet sich auch nach dem jüngsten Monats ausweis weit weniger günstig, als es im Vorjahr der Fall war. Die Jstein- nahmen an Zöllen und Verbrauchssteuern über steigen in den fünf ersten Monaten des Etats jahres die Einnahmen des Vorjahres in der selben Zeit nur um die Summe von 2 442 289 Mark oder noch nicht 1 Prozent. Im Vorjahr dagegen überstiegen dieselben Einnahmen diejenigen des vorhergehenden Jahres um nicht weniger als 22 550 143 Mk. * Durch Erlaß des Reichskanzlers vom 16. d. ist das kaiserliche Patentamt allgemein ermächtigt worden, auf Ersuchen der Staatsanwaltschaften über Fragen, welche den Schutz von Warenzeichen betreffen, Gutachten ab zugeben, sofern in dem gerichtlichen Verfahren voneinander abweichende Gutachten mehrerer Sachverständigen vorliegen. *Auf der Insel Helgoland ist das Gesetz über die Beurkundung des Personen standes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875 iroch nicht eingeführt worden. Durch das Bürgerliche Gesetzbuch wird aber nunmehr das Eheschließungsrecht für das ganze Reichsgebiet auf der Grundlage dieses Reichs gesetzes geregelt. Dem Bundesrat ist hiernach der Entwurf einer kaiserlichen Verordnung betr. die Cinsührung des Gesetzes über die Beurkun dung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875, in Helgoland, zugegangen, demzufolge dasselbe dort gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft tritt. * Offiziös wird die Wiedereinbringung einer Novelle zur Unfallversicherung „in einer nicht allzufernen Zeit" in Aussicht gestellt. Gleichzeitig wird den dann etwa wiederauftauchenden Bestrebungen auf Beseiti gung oder Abkürzung der jetzigen drei zehnwöchigen Karenzzeit entgegen getreten. Keineswegs besteht bei der Unfall versicherung die Kalamität einer Karenzzeit in dem Sinne, in welchem sie bei der Invaliditäts- Versicherung vorhmden war und hier zum Teil durch das neue Jnvaliditätsverficherungs-Gesetz bereits beseitigt ist, zum andern Teil mit der erwarteten Krankenversicherungs-Novelle beseitigt werden wird. Die Karenzzeit bei der Unfall versicherung wird durch die Krankenfür sorge zeitlich ausgefüllt. *Die britische Regierung hat die offizielle Mitteilung von neuen Unruhen auf Samoa erhalten. Das neu eingeführte Ver waltungssystem habe sich als ein Mißerfolg herausgestellt, und die Kabinette in Berlin, London und Washington würden die ganze An gelegenheit von neuem erwägen. (Die Er wägungen und Kommissionen, solange sie an dem Prinzip der Dreiherrschaft sesthalten, werden immer wieder ergebnislos bleiben. Nur ein einheitliches Regiment kann für Ruhe und Frieden auf Samoa dauernd bürgen — die deutsche Schutzherrschaft.) Oesterreich-Ungir«. * Die ein Dutzendmal vorausgefagte und nun doch überraschend gekommene Minister- krisis ist noch nicht entschieden. Fürst Liechtenstein soll von der Kabinetts - bildung Abstand genommen haben, weil er die Aufhebung der Sprachenverordnungen wünscht und seine Freunde von der Rechten erklärten, ein solches Ministerium nicht unter stützen zu können. Zum Nachfolger des Statt halters von Böhmen Grafen Coudenhove und des Statthalters von Galizien Grafen Pininski sollen Prinz Lobkowitz, der bisherige Präsident des böhmischen Landeskulturrates, und der Abgeord nete v. Bilinski in Aussicht genommen sein. Danach hätte sich dieLage für die D e u t - schen wieder verschlechtert. Frankreich. * Kriegsminister Gallifet verbot in einem Rundschreiben den nach Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Italien reisenden Offizieren, ohne die Erlaubnis der Behörden den dortigen Manövern beizu- wohnen oder das Gelände von Truppenübungen zu betreten. Anderseits darf kein Offizier der drei genannten Mächte den franzöfischenManövern ohne schriftliche Erlaubnis beiwohnen. * In Paris verlautet, die aufrührerische Expedition Boulet befinde sich augen blicklich im englischen Sokotogebiet. Tie Meldung bedarf der Bestätigung. Es ist anzu nehmen, daß keine europäische Macht, in deren afrikanischem Kolonialgebiet der Mörder seiner Kameraden sich gerade aushält, ihre Hilfe zur Ergreifung desselben verweigern wird. England. *Das Kabinett tritt Freitag mittag zur Beratung der entscheidenden Note an die Transvaal-Republik zusammen. Balkanstaaten. *Das Urteil im Belgrader Pro- zeß ist am Montag gefällt worden. Nur über den Attentäter Kneze witsch sowie über Tajfitsch wurde das Todesurteil verhängt und an Knezewitsch gleich am Montag voll streckt. Ueber acht weitere Angeklagte wurde 20 jährige schwere Kerkerhaft verhängt. Die übrigen wurden zu 5 Jahr bis herab zu 9 Monat Gefängnis verurteilt. Pasitsch wurde sogleich vom König Alexander be gnadigt. * Ueber die Hinrichtung des Atten täters bringt der,B. L.-A/ folgenden Bericht: Knezewitsch stieg selbst in die für ihn aus gehobene Grube. Gendarmen fesselten ihn an einen Pflock und verbanden ihm die Augen. Vier Gendarmen gaben in einer Entfernung von fünf Schritten Feuer. Gleich darauf traten drei andere Gendarmen vor und gaben eine zweite Salve ab. Die Aerzte konstatierten nunmehr den Tod des Verurteilten. Bevor Knezewitsch in die Grube stieg sprach er mit halblauter Stimme: „Niemand ist schuldig, nur ich. Alle sind unschuldig, auch der Gendarmeriehauptmann Georgjewitsch ist unschuldig." Der Hinrichtung wohnte eine große Menschenmenge bei. * Während eines Feuerwerks, welches an läßlich der Jahresfeier der Thronbesteigung des Sultans vor der Wohnung des Kom mandanten des zur Zeit im Piräus liegenden türkischen Geschwaders, Hassan Rani Pascha, abgebrannt wurde, explodierte eine Bombe. Eine Person wurde getötet, siebzehn schwer ver letzt. Mehrere Armenier werden beschuldigt, die Bombe gelegt zu haben, die Urheber der Ex plosion find indessen Feuerwerker des türkischen Geschwaders gewesen. Amerika. *Die Ver. Staaten haben sich freund- schaftlichcrweise bereit erklärt, nötigenfalls den Schutz der Deutschen in Venezuela während der dortigen Revolution bis zu dem Eintreffen eines deutschen Kriegsschiffes wahr zunehmen. * Wieder einmal hat sich in Südamerika eine Staatsumwälzung vollzogen. Mr handelt es sich diesmal nicht um eine der dort landes üblichen Revolutionen, sondern um das Ent stehen einer neuen Republik. Ein kleines Territorium, um das Bolioia und Brasilien seit langem streiten, hat sich kurzer hand zu einem unabhängigen und s ouv eränen Staat erklärt; es nennt sich die Republik Acre und liegt am oberen Amazonenstrom, ungefähr auf der Höhe von Lima. Die Be völkerung des ziemlich weitläufigen Bezirkes besteht vorwiegend aus Brasilianern, ferner aus Bolivianern und Peruanern, in Summe 25 000 bis 30000 Menschen, die dort friedlich der Kautschuk-Gewinnung sich widmen. Afrika. * Präsident Stejn vom Oranje-Frei ¬ staat erklärte: „Der Freistaat hat gar keine andere Wahl, als Schulter an Schulter mit Transvaal gegen England zu stehen. Hat England einmal Transvaal unterjocht, so wird die Entdeckung eines reichen Goldfeldes im Freistaat genügen, um uns dem gleichen Schicksal anhnm- fallen zu lassen; besser also gemeinsam fechten als einzeln." Die Entscheidung des Volksraad steht noch aus. * Zu einer sofortigen Expeditiongegen den Kalifen werden Vorbereitungen ge troffen. Der Sirdar und eine Anzahl von Offizieren find nach Omdurman abgegangen, wo die Einzelheiten bezüglich der Expedition ge ordnet werden sollen. Der Kalif hat sich in der Nähe von Dschebel Gedir festgesetzt und hat eine große Gefolgschaft um sich. Die Expedition wird voraussichtlich nur aus ein geborenen Truppen bestehen. Asien. *Den Filipinos gelang es, wie aus Manila berichtet wird, vorigen Freitag, einen militärischen Bahnzug unweit Calulat in die Luft zu sprengen. 25 Ameri kaner und 28 Arbeiter wurden getötet und viele verwundet. Die Rebellen entkamen, ehe Ver stärkungen anlangten. Der Dirk Kahl militiirischer Gehrim- xapiere irr MSxche«. Ueber den bereits gemeldeten Diebstahl von Geheimpapieren aus dem Büreau der 2. bayri schen Feldariillerie - Brigade in Würzburg teilt die .Augsburger Abendzeitung' noch mit, daß die Papiere im Büreau der genannten Brigade unter sorgfältigem Verschluß lagen, so daß der Diebstahl nur unter ganz besonderen Umständen und von einer mit der Oertlichkeit vertrauten Person, hinter der man den vor einigen Wochen desertierten Train - Sergeanten Schlosser, früher Brigadeschreiber der 2. Feldartillerie-Brigade, vermutet, ausgeführt werden konnte. — Ueber dir Persönlichkeit und das Vorleben des Sergeanten Schlosser läßt sich die ,Vos. Ztg/ aus Würburg u. a. folgendes schreiben: Schlosser war früher auf dem Büreau der Brigade als Brigadeschreiber verwendet und besaß das volle Vertrauen seiner Vorgesetzten, als sich eines schönen Tages ein Vorfall er eignete, der seine sofortige Ablösung von dem bevorzugten Posten zur Folge hatte. Zufällig erfuhr nämlich der Brigade-Adjutant, daß Schlosser mit der Redaktion eines Würzburger Blattes in Beziehung stand, dem er verschiedene militärische Nachrichten zukommen ließ. Infolge dessen wurde er abgelöst, ohne daß die Ange legenheit weitere Folgen für ihn hatte. Das geschah bereits vor Monaten. Von dieser Zeit an datiert hauptsächlich das lockere Leben des Sergeanten, der freilich auch bisher schon den flotten und noblen Mann zu spielen liebte, wo bei ihm seine adrette Erscheinung und sein sicheres Auftreten zu gute kamen. Im Kreise feiner Kameraden gab er sich als wohlhabenden Gutsbefitzerssohn aus, der ein Vermögen von 40 000 Mark besitze; das Geld sollte in Liegen schaften, darunter größeren Waldungen, stecken. Auf diesen Schwindel — denn thatsächlich war Schlosser vermögenslos — baute er feine Pläne, als nach seiner Verheiratung mit einer unver mögenden und dazu noch kranken Frau der Geldmangel immer fühlbarer wurde, zumal er für seine Person das frühere, weit über seine Verhältnisse hinausgehende Leben nicht aufgeben wollte. So drohte das ganze Schwindelgebäude zusammenzubrechen; Schlosser raffte an Geld zusammen, was immer zu bekommen war, wobei er wieder zu schwindelhaften und betrügerischen Mitteln griff, und verließ eines schönen Tages Würzburg. Seiner Frau hinterließ er einen Brief, worin er angab, daß ec es unterlassen habe, sie in seine thatsächlichen Verhältnisse ein zuweihen, daß er aber die Folgen seiner leicht sinnigen Lebensweise nicht zu-tragen vermöge und deshalb in den Tod gehe. Seinen Truppen teil, das 2. Train-Bataillon, flehte Schlosser an, für seine Frau und sein Kind zu sorgen. Die Angabe wegen des beabsichtigten Selbstmordes wurdevonvornherein als Schwindel angesehen; als nach und nach die von ihm noch kurz vor seiner Flucht verübten Schwindeleien herauskamen, da bestand für niemand mehr ein Zweifel, daß Schlosser sich geflüchtet habe. Von seinem Truppenkommando wurde denn auch ein Steck brief hinter ihm erlassen, trotzdem aber nahm sich das Bataillon der in voller Mittellosigkeit zurück gelassenen Familie des Deserteurs an, Unter offiziere und Mannschaften sogar veranstalteten eine Geldsammlung und auch der neuernannte Bataillons-Kommandeur ließ der Frau eine größere Geldsumme zustellen. Dsn Nah «nd Fern. Stendal. Wie mitgeteilt wird, hat der Kaiser das Protektorat über das Bismarckheim in Stendal abgelehnt. Der Kaiser steht jedoch dem Unternehmen durchaus wohlwollend gegen über; er hat in seinem unter Ablehnung des Protektorats an den Stendaler Arbeitsausschuß gelangten Schreiben betont, daß er das wärmste Interesse dem geplanten Unternehmen entgegen brächte. Rominten. Die innere Einrichtung des Kinderheims, sowie der acht Arbeiterwohnungen ist vollendet, und es hat auch bereits der Um zug einiger Familien in ihr neues Heim statt gesunden. Wie im Anfang, so erhalten die Arbeiter auch noch heute ihre recht geräumigen Wohnungen vollständig möbliert und haben nur einen sehr mäßigen Mietszins zu zahlen. Kürzlich wurden die in der vorigen Woche verkauften alten Häuser abgebrochen und fortgeschafst. Durch das Verschwinden dieser Häuser, sowie durch den steten Zuwachs der Bauten in nor wegischem Stil verliert Rominten immer mehr den Anstrich des früher so einfachen und stillen Walddörfchens. Nur noch ganz vereinzelt lugt hier und da ein weiß getünchtes Häuschen mit Strohdach zwischen den massiven und den braunen norwegischenHäusernhervor. Nach einigen Jahren werden auch an Stelle dieser Häuschen neue entstanden sein. Brandenburg a. H. Am 1. Oktober 94S gründete Kaiser Otto I. das Bistum Branden burg und gleichzeitig die Domkirche, deren Schutz heiliger der Apostel Petrus war. Heute erinnert nur noch wenig an die Anfänge des stattlichen Banwerks, da beständig Erneuerungen vor genommen wurden und der Turm erst in den Jahren 1834—36 seine jetzige Gestalt erhielt. Im Jahre 1848 tagte die Preuß. National versammlung nach ihrer Verlegung von Berlin nach Brandenburg einige Tage in dem alt ehrwürdigen Dom, und ein Jahr später wohnte der König mit dem gesamten Hof der 900jährigen Jubelfeier der Domkirche bei. München. Die durch das Hochwasser ver ursachten Verkehrsstörungen sind jetzt so wett wieder gehoben, daß die Orient-Expreßzüge und auch die übrigen Expreßzüge wieder verkehren können und daß, laut amtlicher Mitteilung, der volle internationale Schnell- und Expreßzug verkehr zwischen Bayern und Oesterreich wieder hergestellt ist. Küftrin. Nicht sehr bekannt dürste es sein, daß auch auf dem hiesigen Militärkirchhof vier Opfer Napoleons I. den ewigen Schlaf schlum mern. Es find dies die Leutnants Georg von Wilhelmi und Friedrich v. Saher und die Musketiere Johann Jedermann und Gottfried Gades. Sie wurden am 20. April 1807 er schossen, weil sie, wie ihre Kameraden in Wesel, die Waffen gegen den fränkischen Eindringling erhoben hatten; sie starben, wie die Inschrift an dem schmucklosen Gedenkkreuz sagt, als tapfere Preußen. Mögen auch die Namen dieser Tapferen, die kein Sänger besungen hat, der der Vergessenheit entrissen sein. Dortmund. Die angebliche Verurteilung und Hinrichtung eines Unschuldigen, die hier vorgekommen sein sollte, hat sich nach den ange stellten Ermittelungen als pure Erfindung herausgestellt. Biberach. Der Chef des hiesigen Bezirks kommandos, Oberstleutnant v. Lerch, verübte am Montag Selbstmord, indem er sich die Pulsadern durchschnitt. Das Motiv ist unbekannt. Deik Körserrkömg. L5) Roman von Karl Ed. Klopfer. lFortsetzung.) „Sie werden schon erraten haben, daß die unbezahlbare Uhr auch noch 'was anderes ent hielt. Dieser gute Herr v. Döbel hatte, wie manche ältere Kaufleute, offenbar die Gewohn- heit, fick über die Geschäfte des nächsten Tages kleine Notizen zu machen, und die legte er in den geheimen Deckel der Uhr, die er wohl immer bei sich trug. Was sagen Sie zu diesem inter essanten Umstand?" Snoward streckte nun die Hand nach dem zweiten Zettel aus; er erriet schon, daß dieser die Abschrift der Döbclschen „Tagesnotiz" ent halten würde. Und ja, da hieß es m Schlagworten, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen: „Der Gauner Heinrich Starkhort, alias Snoward, der Ameäkaner — aus meiner Vaterstadt — sucht mich für sich zu gewinnen, seitdem er errät, daß ich ihn wiedererkannte. Bestellt mich für morgen zu einem Stelldichein. Er will offenbar mein Schweigen mit einem Kompaniegrschäft er kaufen. Gut. Wir wollen ihn schrauben; schließ lich steht es dem doch bei mir, ihn zu demas kieren, sobald es mir beliebt. Wollen ihn zap peln lassen!" Mit einer wütenden Bewegung schleuderte Snoward auch dieses Papier ins Feuer, dann fuhr er sich über die kahle Stirn. „Hast du die Uhr und das Original dieses Zettels bei dir?" flüsterte er dem Mulatten mit heiserer Stimme zu. „Ah, für so dumm dürfen Sie mich nicht halten! Ich müßte ja fürchten, daß Sie mir so ähnlich begegneten, wie diesem guten Döbel, den Sie allerdings zwar umgebracht, aber, wie Sie sehen, nicht unschädlich gemacht haben. Nein, das Schächtelchen mit dem ganzen Um und Auf befindet sich in den Händen des guten Freundes. Der wartet drüben unterm Haus- thor und wird mich heraufbegleiten, wenn Sie es verlangen. Zu zweien find wir Ihnen auf alle Fälle schon gewachsen." „Dummkopf, ich weiß nicht, was du dir denkst! Aber ich will mich mit dir nicht streiten." „Das hoffe ich." „Und um allen etwaigen Mißdeutungen zu begegnen, bin ich bereit, dein Kaufgebot anzu- nehmen. Was forderst du für deine Ware?" Jetzt war der Moment gekommen, dem John Archer mit kaum mehr zu bezähmender Ungeduld entgegengeharrt hatte. Den ganzen Tag zuvor hatte er fich die nachlässige Haltung einstudiert, mit welcher er heute mit seinem Riefengeheimnis vor den Millionär hingetreten war. Aber in dieser Sekunde ging das mühsam verleugnete sanguinische Temperament seiner äthiopischen Ab stammung mit ihm durch. Er sprang auf, suchte vergeblich die Haltung zu gewinnen und das kühle „vornehme" Lächeln, womit er die große Antwort auf die große Frage zu geben gedacht, und platzte kreischend heraus: „Eine Million!" erwartete, daß Snoward ihm unter die Nase lachen werde, und wappnete sich mit einer Mene finsterer Entschlossenheit, um dem Mann merken zu lassen, daß ihm kein Heller von seinem Preise abzufeilschen sei. Aber Snoward ver änderte keinen Zug und sagte nach kurzem Ueberlegen ganz einfach und im höflichen Ge schäftston : „Ich bin einverstanden. Holen Sie Ihren Begleiter und die bewußten Gegenstände! In dessen stelle ich die Checks für die Summe aus." Archer verneigte sich mit einem Anstand, durch welchen er hinter keinem Hofkavalier zurückzn- stehen glaubte, und verließ das Zimmer. Snoward nahm ahne besondere Hast ein paar Checkbücher aus seinem Schreibtisch, die die Namen verschiedener Geldinstitute am Orte trugen, und stellte mit fester Hand fünf An weisungen auf je zweimalbunderttansend Mark aus. Er schrieb so bedächtig, als wolle er da mit die Zeit bis zum Eintritt Johns und seines oftgenannten „guten Freundes" ausfüllen. Er legte die Feder hin und lauschte — aber freilich, sie konnten noch nicht da sein... Sorgfältig überlas er einen Check nach dem anderen und lehnte sich dann in seinen Stuhl zurück. Wie, wollten ihn die Kerle vielleicht obendrein noch necken, „zappeln lassen", wie Döbel geschrieben hatte? Die Fenster des Arbeits zimmers gingen nicht nach der Straße, er hätte anderswo eintreten müssen, um den Weg des Mulatten zu verfolgen, und er hatte eine sonder bare Scheu, das Gemach zu verlassen, ja sogar fich auch nur vom Sessel zu rühren. Wenn er aus diesem Zimmer ging, wollte er die An gelegenheit für immer erledigt haben. Er begleitete in Gedanken John Archer noch mals auf dem ganzen Wege; jetzt war er die Treppe hinunter, jetzt im Flur — jetzt aus dem Thore jetzt sprach er mit seinem Spießgesellen — nun ja, mochten sie fich eine Weile grinsend ihrer Freude über das Gelingen des Streiches hingeben! Jetzt machten fie fich aber auf, sich ihr Geld zu holen — und wieder die ganze Breite der Straße — das Thor — die Einfahrt — die Treppe — Stufe um Stufe — nun vielleicht noch eine kleine Rast, ehe fie klingelten, um fich zu verschnaufen und nochmals die Verabredung aufs letzte Wort festzu stellen — und nun — nein — doch jetzt — jetzt — Zum Henker! Was zauderten fie denn nur so lange, die Schufte? — Ha! Jetzt aber! Wahr haftig — das Schrillen der elektrischen Klingel! Der Kammerdiener eilte, zu öffnen . . . Was gab's da für ein Gemurmel, für ein Verhandeln ? Sollte John's „guterFreund" vielleicht meinem Aufzug erscheinen, der den Diener bedenklich machte? Snoward erhob fich, da vernahm er draußen die fich, nähernden Schritte von drei Männern — gewiß begleitete der Kammerdiener die beiden, weil er ihnen nicht recht traute . . - Nun ein scharfes Pochen an der Thür. „Herein!" „Ah, das waren keineswegs die Erwarteten« Ein älterer Herr von sehr respektablem AeußerM iu einen schwarzen Gehrock gekleidet, den Hut in der behandschuhten Rechten, trat ein. Seine zwei Begleiter, merkwürdig ernste dunkle Ge stalten, blieben dicht an der Thürschwelle stehet „Mr. Ralph Tobias Jefferson Snoward „Der bin ich. Womit kann ich . . ." . „Ich muß mich im Namen des Gesetzes Jw^ Perfon versichern." Snoward rührte keine Wimper. Er hatte m Mission dieser drei Personen schon geahnt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)