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Allgemeiner Anzeiger : 16.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189909160
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- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-16
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.09.1899
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Eberswalde. Der Kaiser trifft am Donners tag im Jagdschloß Hubertusstock in der Schorf heide ein, um einige Tage dem edlen Waidwerk zu huldigen. Zahlreiche Bauhandwerker find schon seit mehreren Tagen mit Renovierungs arbeiten beschäftigt. Seit der letzten Anwesen heit des Kaisers in der Schorfheide sind mannig fache Aenderungen vorgenommen worden. Die ehemalige Zementfabrik Wildau unweit des Schlosses ist mit allen Baulichkeiten vom Kaiser «ngekauft worden. An der Försterei Spring wird eine Dampferanlegestelle für den Kaiser errichtet. Auch der neue Pavillon für den Kaiser an der Haltestelle zwischen Althüttendorf und Joachimsthal geht schnell seiner Vollendung entgegen. Potsdam. Das Schlafzimmer des Kaisers un hiesigen Stadtschloß, das bekanntlich im Dreyfusprozeß eine gewisse . Rolle spielte, weil der Advokat Mertian de Muller dem Gerichts hof vorlog, bei einem Besuch im Jahre 1894 dort die Zeitung , Libre Parole' mit einer auf Dreyfus bezüglichen Notiz gesehen zu haben, wird auf Anordnung des königl. Hofmarschall amts, ebenso wie die übrigen Zimmer, welche dem Kaiser zum Aufenthalt Vorbehalten find, fortan nicht mehr dem Publikum gezeigt werden. Im Neuen Palais und im Berliner Schloß find die Räume, welche das Kaiserpaar bewohnt, auch in dessen Abwesenheit dem Publikum nicht zu gänglich. Das Potsdamer Stadtschloß war bisher das einzige Palais, in dem man zu den Gemächern des Kaisers während dessen Ab wesenheit Zutritt hatte. Wenn nun auch fest- gestellt ist, daß die Aussage Mertian de Mullers eine freche Lüge war (der Ehrenmann weigerte sich bekanntlich, den Zeugeneid zu leisten), so hat sie doch zu der vorerwähnten Anordnuug Veranlassung gegeben. Bonn. Der entmündigte Fürst Joseph Maria von Sulkowski, Herzog zu Bielitz, ist der älteste von neun Geschwistern. Er wurde 1848 geboren und setzte die Welt bereits in Erstaunen, als er, noch kaum 20 Jahre alt, die um 11 Jahre ältere Erzieherin seiner Schwestern, Fräulein Viktoria Lehmann, heiratete. Die Ehe blieb kinderlos und wurde 1879 geschieden. Schon damals wurde der Fürst kurze Zeit unter Kuratel gestellt, da er mit der als „Fürstin" auch fürst lich auftretenden Gemahlin unglaubliche Summen verschwendete. Am 5. Juli 1881 wurde ihm eine Tochter von Fräulein Ida Jäger, die auch älter war, als der Fürst, geboren, und 24 Tage später heiratete er Fräulein Jäger, von der er aber auch bereits wieder geschieden ist. Neu-Ruppm. Nach 35 Jahren ein un erwartetes freudiges Wiedersehen zu feiern, war dieser Tage einem unserer Mitbürger vergönnt. Derselbe machte 1864 den Krieg gegen Dänemark mit und lag endlich längere Zeit bei einer schleswig-holsteinischen Familie in Quartier. Der Sohn dieser Familie war seiner Zeit zu den Dänen eingezogen. Im Kampfe verwundet, wurde derselbe ausgeliefert und in die Heimat entlassen. Hier nun lernte er seinen feindlichen Kriegskameraden kennen und schätzen. Der Holsteiner, welcher zur Zeit eine bedeutende Fischräucherei in Eckernförde besitzt und auf einer Geschäftsreise durch Deutschland in Berlin weilte, hat die Reise hierher nicht gescheut, um seinen alten Kriegskameraden aufzusuchen und zu über raschen. Dieses ist ihm auch mit Hilfe freund licher Menschen gelungen, und ffo konnten denn die beiden alten Herren ihre Kriegserinnerungen auffrischen und die unter so eigenartigen Ver hältnissen damals geschlossene Freundschaft er neuern. Ariesack. In Michaelisbruch hat sich die 72 jährige Witwe Minna Müller durch ihre 10 jährige Enkelin vergiften lassen. Durch Krank heit schon fest Jahren ans Bett gefesselt, rief sie das Kind heran und ließ sich von ihm Gift, das fie schon lange aufbewahrte, holen. Sie erklärte dem Kinde, es sei Zucker, und ließ es sich in den Mund streuen. Kurze Zeit darauf starb fie unter den größten Qualen vor den Augen der entsetzten Enkelin. Freiberg i. S. In Flöha wurden zwanzig dortige Einwohner unter dem Verdacht schwerer Sittlichkeitsverbrechen an den schulpflichtigen Kindern des Ortes verhaftet. Die Verhaftungen erregen großes Aufsehen. Unter den Verhafteten befinden sich die Ortsvorstände und mehrere hochstehende Beamte. Osnabrück. Auf der Strecke Osnabrück- Bielefeld sind wieder Steine und Holz auf den Bahnkörper gelegt worden. Ein Personenzug kam in Gefahr, konnte aber im letzten Augen blick zum Stehen gebracht werden. — In einem hiesigen Hotel erhängte sich ein seines Amtes entsetzter Beamter, Vater von el Kindern. Bevor er zu der That schritt, richtete er an die Redaktionen hiesiger Blätter Zu schriften, in denen er seine That motivierte. Boppard. Einen grauenvollen Selbstmord beging hier eine anscheinend den besseren Ständen angehörende unbekannte Dame, indem fie sich vor den kurz nach 8 Uhr hier von St. Goar eintreffenden Personenzug warf. Sie wurde ganz entsetzlich verstümmelt. Der Kopf wurde etwa 40 Meter vom Rumpf entfernt gefunden und einzelne Teile bis zu 60 Nieter weit ge schleift. Bekleidet war die Lebensmüde mit seinem Hut mit schwarzer Feder, grünlichem Lodenkleid, weißer Leibwäsche und spitzenbesetztem Unterrock; die Uhr wurde 40 Meter entfernt im Geleise gefunden. In der Börse befanden sich etwa 6 Mk. Bargeld. Ueber die Persönlichkeit der Unbekannten sowie über den Grund der That fehlt jeder Anhalt. Wesel. Ein Unteroffizier der 5. Kom panie des 56. Infanterie-Regiments hatte vor einiger Zeit in Werden mehrere dortige Bürger mit seinem Seitengewehr verletzt. Er wurde deshalb kriegsgerichtlich bestraft. Dadurch er schien ihm seine Laufbahn abgeschnitten zu sein. Der Unteroffizier erschoß sich deshalb am 8. d. in der Kaserne. Emden. In einem Wirtshausstreit in Rechtssupweg bei Norden wurde der Heizer Menengs von drei Arbeitern vorsätzlich erstochen. Die Attentäter find verhaftet. Posen. In Godurowo find 15 Personen nach dem Genuß verdorbenen Kalbfleisches schwer erkrankt. Wien. In Boelten (Mähren) wurde der 24 jährige Schuhmacher Emil Sigorowitz wegen Betrügereien verhaftet. Er gab an, er sei ein Freund Lucchenis und am Tage der Ermordung der Kaiserin Elisabeth in Genf gewesen, habe sich jedoch an dem Verbrechen nicht beteiligt. Der Verhaftete wird auf seinen Geisteszustand untersucht. Budapest. Auf dem Manöverfelde bei Miskolz schlug der Blitz in ein Zelt ein. Vier Soldaten wurden getötet, zehn verletzt. Paris. Aus Rennes wird gemeldet, daß von dort während der Dauer des Dreyfus-Pro zesses rund 10 Mill. Worte telegraphiert worden find, was eine Gesamteinnahme von etwa einer halben Million Frank ausmacht. Nancy. In dem Walde von Liverdun ist ein seltsamer Fund gemacht worden, der zu den aufregendsten Gerüchten und Kommentaren unter der überall Spionage und Verrat witternden Grenzbevölkerung Veranlassung bietet. Ein Spaziergänger fand nämlich in einem Gebüsch mehrere Stücke Artilleriematerial, und zwar recht wichtige: emen automatischen Lader mit Voll- latronen, den Aufsatz einer hydraulischen Bremse rc., sowie eine kleine, bereits krepierte Bombe. Die von dem Funde in Kenntnis ge- etzten Gerichtsbehörden verständigten die Militär- terwaltung, die einen Genie-Offizier beauftragte, sie aufgefundenen Gegenstände zu prüfen. Sie cheinen erst vor einigen Tagen in das Gebüsch geworfen worden zu sein, wo man fie auffand, )a keine Spur von Rost an ihnen entdeckt werden konnte. Luzern. Wofür man heutzutage Lorbeer kränze bekommen kann, zeigt folgende, vom Luzerner Tagblatt' veröffentlichte Mitteilung: „Herr Schweinehändler M. in Appenzell ver- siufte an Herrn I. W. in Sirnach, Thurgau, eine aus 101 Schweinen bestehende Sendung. Der Empfänger war so entzückt über die aus gezeichnete Primaware, daß er dem Verkäufer einen Lorbeerkranz zusandte." London. Im Gebäude des englischen Unterhauses wurde am Donnerstag ein neues Whiskyfaß von ungeheurer Größe feierlich ge tauft. Das Faß enthält 700 Gallonen — Vorrat für Hwei Jahre — und ist im Keller des Hauses unk/gebracht. Das Parlamentsmitglied Mr. Curran hielt die Taufrede, bei der eine Statistik über die „geistigen" Genüsse der Mitglieder des Unterhauses aufgestellt wurde. Im Juli wurde durchschnittlich an vier verschiedenen Ausschank stellen — darunter eine, die auch von Nicht parlamentariern benutzt werden darf — für 70 Pfund wöchentlich Whisky verkauft. Die Unterhändler scheinen also, trotzdem England als die Zentrale der Mäßigkeitsbewegung betrachtet wird, nicht gerade Temperenzler zu sein. Atan erfuhr bei der Gelegenheit, daß sich in den Kellern des Hauses Weine und geistige Ge tränke im Gesamtwert von 8000 Pfund befinden. Nach Beendigung der Rede wurde eine Cham pagnerflasche gegen das Faß geschleudert, das — nach dem Vorsitzenden des Küchenkomitees, Lord Valenta — den Namen Valenta - Faß er hielt. — Die amerikanische Unternehmungslust, die vor nichts zurückschreckt, wenn es sich um ein einträgliches Geschäft handelt, beabsichtigte sich auch des Kapitäns Dreyfus, für den Fall, daß er freigesprochen werden sollte, zu bemächtigen. Donnerstag kam in London der Agent eines amerikanischen Syndikats zur Veranstaltung öffentlicher Vorträge an. Er sollte Unterhand lungen mit Dreyfus anbahnen, der sich sofort nach Beendigung des Prozesses zu einer Vor tragstournee durch Amerika verpflichten sollte. Der Agent war ermächtigt, Dreyfus eine sehr große Summe anzubieten. Sollte Dreyfus verurteilt werden, so beabsichtigte der Agent, Labori ein ähnliches Anerbieten zu machen. Konstantinopel. Ein in das Lazarett in Beirut aufgenommener Pestkranker, ein Grieche, ist gestorben. Die strengsten Vorsichtsmaßregeln find getroffen worden. Gerichtshalle. Nürnberg. Ein interessanter Prozeß ist dieser Tage vor dem hiesigen Landgericht zur Entscheidung gekommen. Auf der Berliner Gewerbeausstellung gab cs auch „Marine-Schauspiele", eine nautische Schau stellung, die sich der ganz besonderen Protektion des Kaisers erfreute. Der Erfinder dieses zum Vor führen des Manöverierens von Kriegsschiffen dienenden Schiffsmodells ist der Ingenieur Leps, der auch hierauf das Patent für alle Staaten erhielt. Im Jahre 1897 brachte nun ein Mechaniker Sch. auf der Leipziger Gewerbeausstcllung eine ge- treuliche Nachahmung dieser Marine-Schauspiele zur Vorführung. Natürlich wurde Herr Leps nun gegen den Plagiator vor Gericht klagbar und der Prozeß zog sich bis jetzt hin. Wider alles Erwarten wurde nun Sch. von der Anklage der Patentverletzung frei gesprochen und die erheblichen Prozeßkosten wurden der Staatskasse auferlegt. Das Urteil des Landgerichts in Nürnberg erfolgte mit Hinweis darauf, daß die Leps- schenKriegsschiffsmodelle überhaupt garnicht schutzfähig seien und nicht hätten patentiert werden dürfen. Nach den diesbezüglichen Gesetzen werden nämlich nur Modelle von Arbeitsgerätschaften oder Ge brauchsgegenständen oder von Teilen derselben als Gebrauchsmuster geschützt. Nun sind aber die frag lichen Schiffe weder Arbeitsgeräte noch Gebrauchs- gegcnstände, da sie keinen technischen Nutzen hatten und durch ihre Kompliziertheit und Größe auch als Spielzeug nicht betrachtet werden können. Wiesbaden. Der „Heilkünstler" F. Jüngling von hier ist wegen Betrug, der in der „Behandlung" einer Frau in der Pfalz gefunden wurde, zu SOO Mark Geldstrafe verurteilt worden. Die Leidensgeschichte riner Misstonnri«. Wie aus San Francisco berichtet wird, langte dort vor kurzem eine Misfionarin au, die gemeinsam mit ihrem Gatten tief in das Innere von Tibet vorgedrungen ist, aber ohne den Lebensgefährten zurückkehren mußte. Mrs. Rynhart betrat das geheimnisvolle Land des Dalai-Lama als blühendes, braunhaariges, unges Weib, im Arm ein rosiges Baby, zur Seite einen stattlichen Mann. Ihr allein gelang es, den grausamen Tibetanern zu entkommen, aber fie ist nur noch ein Schatten ihres früheren Selbst. Das bleiche, hohlwangige Gesicht, die tiefliegenden, trübe blickenden Augen, das er graute Haar und die magere, gebeugte Gestalt erzählen besser als Worte eine unsäglich traurige Geschichte. Und doch ist es dasselbe erbarmungs würdige Schicksal, das schon so manche ihrer Vorgänger erleiden mußten. Mit einer großen Karawane waren fie ausgezogen, nach und nach aber wurden fie von allen Gefährten und Dienem verlassen. Das Entbehrungen und Kälte aus gesetzte zarte Kind starb und wurde von den Eltern eigenhändig in dem fremden, schneebe deckten Boden begraben. Von einem halb wüchsigen, tibetanischen Burschen geführt, über schritt das mutige Paar den Tangla-Paß und gelangte in das bisher nur von vereinzelten tollkühnen Europäern betretene Lhassa-Gebiet. Eines Tages wurden die beiden Fremdlinge aufgegriffen und einige Zeit gefangen gehalten. Dann befahl man ihnen auf das strengste, sofort umzukehren. Der Missionar weigerte sich anfangs, doch sah er schließlich ein, daß ein weiteres Vor dringen auf keinen Fall zu ermöglichen sein würde, und so erklärte er sich bereit, den Rück weg anzutreten, wenn man ihm gestatten wollte, eine andere Route einzuschlagen. Diese Er laubnis wurde ihnen erteilt. Bald gerieten die einsamen Wanderer in die Irre und wußten nicht mehr, wo ein noch aus. „Eines Nach mittags," erzählt Mrs. Rynhart, „als wir in die Nähe eines breiten Flusses gekommen waren, erblickten wir in einiger Entfernung eine Anzahl Zelte. Mein Mann entschloß sich, die dort Lagernden aufzusuchen und fie um Beistand zu bitten. Er wollte vor Dunkelheit zurück sein. Dann ging er und ich sah ihn zum letzten Male. Drei Tage und drei Nächte befand ich mich allein mit Gott. Meine einzige Nahrung war etwas Gerstenmehl, mit Schnee vermischt. Am vierten Tage kreuzte ein Mann mit einigen Ochsen den Fluß, und auf meine Bitten nahm er mich mit hinüber. Von meinem spurlos ver schwundenen Gatten wollte niemand etwas ge sehen haben. Mir blieb nichts übrig, als ohne ihn den unbeschreiblich mühseligen Weg fortzu setzen. Nach vielen unangenehmen Abenteuern erreichte ich endlich die Grenze des tibetanischen Reiches." Gemeinnütziges. Tintenflecke aus Teppichen von Woll stoffen kann man entfernen, ohne daß eine Spur davon zurückbleibt, besonders wenn die Tinte noch feucht ist, wenn man zuerst alle Tinte, die noch nicht in den Stoff eingedrungen ist, mit einem Fließ-(Lösch)papier oder Baum wollwatte vorsichtig aufsaugt, dann ein wenig süße Milch auf den Tintenfleck tröpfeln läßt und mit einem frischen Stück Watte aussaugt. Dies muß man zwei- bis dreimal, jedesmal mit frischer Milch und frischer Watte, wiederholen, und der Flecken wird verschwinden. Feme Lederschuhe werden wieder glänzend und weich gemacht, wenn man fie bisweilen mit Eiweiß anfeuchtet, oder auch, indem man sie mit einer weichen Speckschwarte abreibt. Wenn das Leder weich geworden ist, soll man es ein- oder zweimal mit Eisenvitriol lösung anstreichen, wodurch es wieder seine ge wöhnliche Farbe erlangt. Kunte» Allerlei. Bor falschen silbernen 5-Markstücke» wird wieder amtlich gewarnt. Die Falschstücke zeigen das Münzzeichen 0, die Jahreszahl 1876 und das Bildnis Kaiser Wilhelms I. Die Prägung und namentlich das Kaiserporträt und die Randumschrift sind vorzüglich ausgeführt, doch sind die Falsifikate leichter als die echten Geldstücke und fühlen sich fettig an. Der Verkauf des Haupthaares von jungen Mädchen ist besonders in einigen Teilen Frankreichs ein blühendes Geschäft; die Depar tements, die am häufigsten von Haarhändlern ausgesucht werden, find Corrsze, Creuze, Allier, Lher-Dordogne und Haute-Vienne. Der Durch- chnittspreis für ein volles langes Haar beträgt Z—25 Mk. Die außerordentlich armen Mädchen jener Gegend schneiden in der Regel das Haar nur vorn nicht ab und verhüllen den Hinterkopf ein geschickt drapiertes Tuch. „Wissen Sie," sagte er mit einem Male, sich ganz unvermittelt an seinen stummen Gefährten wenden, „die Elvira ist doch ein liebes Mädcheiy und mir wird das Herz sehr schwer um sie- ^ch habe sie bisher gar nicht so eigentlich gekannt, und nun thut es mir sehr leid, daß sie diesen Amerikaner genommen hat. Aber ich glaube, fie war nicht recht bei Sinnen — und beute hätte fie wohl am liebsten „nein!" gerufen, als fie der Pfarrer fragte, ob sie ihn lieb habe und seine Frau sein wolle." „Sind Sie davon so überzeugt?" meinte Schwerdtner mit erkünstelter Gelassenheft. .Ja, haben Sie denn nicht gemerkt, wie ihr zu Mute war — später, als es schon geschehen war, und fie mich abküßte? Ich wollte anfangs nicht, aber ... ja, was weiß ich, wie es kam! — es war plötzlich, als ob mir das Herz im Leibe zerspringen müßte." Der prächtige kleine Kerl schluckte mit An strengung die neu aufsteigenden Thränen hin unter und griff dann plötzlich zum Tone des Vorwurfs. Aber ich hatte recht damals! Sie, Herr Doktor, Sie hätten ihr die dumme Laune aus- veden sollen. Sie wissen so gut, was ein Mensch soll und muß, um sein Bestes zu er reichen, das er vielleicht selber noch nicht erkennt, Ad Sie verstehen es. einen tüchtig aufzurütteln. Wenn Sie gleich mft Elvira gesprochen hätten — rch kann mich nicht so ausdrücken, aber Sie wissen, was ich meine — dann hätte fie sich Ach noch eines bessern besonnen. Glauben Sie mcht?" .Sie reden so kindisches Zeug ...!" „O nein, nein!" unterbrach ihn eifrig der kleine Philosoph, der nicht umsonst bei seinem Doktor Schwerdtner in die Schule gegangen zu sein schien. „Diesmal lasse ich mir nichts aus- veden. Damals, als Sie durch mich von der Verlobung hörten, waren Sie so furchtbar heftig; ich weiß, Sie waren auf Elvira sehr Ase und glaubten, das viele Geld, das der Mensch besitzen soll, hätte fie angereizt. Aber nun weiß ich's besser und fie verdient nicht, daß Sie, ich oder sonst jemand auf fie schmäht — fie wußte nicht, was fie that. Und fie hat niemand der sich ihrer annimmt, fie hat keinen Freund, so wie ich, und jetzt muß sie für einen unüberlegten Augenblick büßen — viel schwerer, als es das arme Ding verdient hat." In diesem Moment hielt der Wagen vor dem Hause Ellerich. Und Schwerdtner war herzlich froh darüber. Er hätte vor diesem Knaben, aus dem ein höherer Geist zu sprechen schien, seine Ruhe nicht länger behaupten können. 8. Schwerdtner schickte ein Stoßgebet zum Himmel, als der Hauptteil des Hochzeitsbanketts vorüber war und die tanzlustigen Paare der Einladung der Ballmusik folgten. Jetzt konnte man doch die Tafel verlassen. Er hatte zwar ziemlich weit von Elvira ent fernt gesessen, aber sein Blick hatte sich immer und immer wieder ihr zuwenden müssen, wie fie dort zwischen ihrem Gatten und dem Vater saß, ein Steinbild, in das die Züge eines heimlichen Grauens, verzehrend banger Hoffnungslosigkeit gegraben waren. Und als sich ihre Blicke ein mal, bei einem der wohlgedrechselten Toaste aus der Mitte der Gäste, begegnet waren, da hatte er eine stumme Bitte in ihrem Auge ge lesen, ehe fie es wieder auf ihren Teller senkte, eine Bitte um barmherziges Wohlwollen. War das noch die stolze Allsiegerin, die be rühmte Schönheit, die übermütig mit so und so viel Männerherzen gespielt hatte? . . . Schwerdtner mischte sich unter die Herren gesellschaft, die den Speisesaal verließ, um sich in den Nebenräumen, in den Rauch- und Spiel zimmern freiere Bewegung zu verschaffen. Er fühtte sich unendlich elend und wußte nicht eigentlich zu sagen warum. Heute früh, ja vor etlichen Stunden noch, hatte er sich an dem Gedanken gefteut, morgen dies Haus für immer zu verlassen, m dem er sich nie recht heimisch gefühlt hatte. Und jetzt lag die Zu kunft, die er sich voll ersprießlicher Thätigkeit gedacht hatte, so grau und trostlos vor ihm! Es war ein Augenpaar, das ihn bannte; jene merkwürdige Bitte, die ihn daraus angefleht hatte. . . Er konnte es in diesen von grellem Licht und sengender Hitze erfüllten Räumen nicht länger aushalten. Er schlich sich auf sein Zim mer, in die Studierstube, wo er mit so be glückendem Fleiße gearbeitet hatte. Hier wollte er seine Gedanken wieder auf die geliebte Wissen schaft lenken, der er sein ganzes Sein zu weihen gedachte. Als die kleine Stutzuhr auf dem Schreib tisch Zwölf schlug, legte er das Buch hin und machte sich auf, den Zögling mit dem Hinweis auf die frühe Reise am Morgen zu Lett zu rufen. Das sollte also sein letztes Geschäft m diesem Hause sein! Schon auf dem Korridor, der nach den Fest räumen führte, vemahm er den Lärm der äußerst animierten Gesellschaft. Man tanzte eben den Kotillon, den Herr von Rümmel mft seiner be kannten Virtuosität leitete. . „ Schwerdtner trat einstweilen aus dem hell erleuchteten Vorsaal in das anstoßende kleinere Zimmer, das heute zur Garderobe umgewandelt war. Da das Licht gedämpft war, so daß man ihn nicht sehen konnte, wollte er hier das Ende des Kotillons abwarten, um dann Robert aus dem Tanzsaal abzurufen. . In diesem Augenblick wurde drüben auf der dem Eingang zum Hauptsaal gegenüberliegenden Seite eine kleine Thür geöffnet, und gewichtige Männerschritte näherten sich- Friedrich zog sich weiter in das Zimmer zurück — man hätte wohl über ihn gelächelt, wenn man gesehen hätte, daß er sich vor dieser fröhlichen Geseift chaft förmlich verkroch. Aber just vor dem thürlosen Garderoben eingang blieb der Betreffende stehen. Schwerdtner konnte nicht gleich erkennen, wer es war, denn jener kehrte ihm den Nucken. Jetzt hob er den Arm, um sich eine Zigarre an einer der offenen Gasflammen des Kronleuchters im Vorsaal an- zuzünden-. Da ging e? wie ein elektrischer Strom durch Schwerdtners G'ieder. War es möglich? War das denkbar? Diese Silhouette dort, die breiten Schullern, der ganze schwarze Umriß des Kopjes — das alles war schon einmal, in einer verhängnißvollen Stunde vor ihm aufgetaucht. 2^ 2i (Fortsetzung folgt.)
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