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Allgemeiner Anzeiger : 13.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189909131
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990913
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-13
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.09.1899
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Pose». In einer Stube des Hauses Wallischei 26 wurden am 5. d. nachmittags eine männliche und zwei weibliche Leichen gefunden. Es handelt sich nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittelungen um wenig gut beleumdete Personen. Dieselben hatten sich abends zuvor ein. Nachtessen bereitet. Durch den schadhaft ge wordenen Ofen find Kohlengase in die Stube gedrungen, durch deren Einatmen die drei erstickt sind. Ob hierbei Absicht oder Unachtsamkeit vorgewaltet hat, ist noch nicht festgestellt. Eydtkuhnen. Eine Neuerung an der russisch-deutschen Grenze ist kürzlich von russischer Seite eingesührt worden. Zwischen Eydtkuhnen und Kinderweitschen, sowie zwischen Partzkehmen und den Grenzortsch asten Szapten und Störken wurden nämlich Holztürme von etwa zwölf Meter Höhe errichtet, welche den Grenzposten als Ausgucktürme dienen sollen. Die Türme haben telephonische Verbindung mit den benach barten Grenzkordons, sodaß von den Posten alle Wahrnehmungen im Vorgelände sofort den Grenzwachen mitgeteilt werden können. Zur besseren Beobachtung sind die Posten mit Fern gläsern ausgerüstet worden. Dieses Turm system soll nach und nach an der ganzen russisch- deutschen Grenze durchgeführt werdens Wien. Der 36 jährige Pribanicz aus Höflein fuhr kürzlich mit der Bahn von Wien nach Hause. Da entriß ihm, als er sich zum Koupeefenster hinausbeugte, der Wind den Hut. Kurz entschlossen sprang er demselben nach, wobei er den Damm hinabkollerte und dort einige Zeit bewußtlos liegen blieb. Als er das Bewußtsein erlangte, schleppte er sich wieder den Damm hinauf, um — seinen Hut zu suchen. In dem Augenblick, da er nach dem Hut greifen wollte, kam aus der Richtung von Tullu ein Schnellzug, welcher ihn erfaßte und etwa 120 Meter weit mitschleifte. Einige Frauen, die von der Berglehne aus den Vorfall beob achteten, riefen um Hilfe, worauf der Block wächter hinzueilte. Etwa 50 Schritt vom Block hause entfernt fand er die verstümmelte Leiche des Unglücklichen. Der Kopf bildete eine form lose Masse und auch der Körper war fürchterlich verstümmelt. Leitmeritz. In dem nahen Orte Trebnitz, der eine national-gemischte Bevölkerung hat und wo die Tschechen zahlreicher find als die Deutschen, wurde in der Nacht zum 7. d. ein vandalisches Attentat gegen das Denkmal verübt, das dort auf dem Friedhöfe über den Gräbern der 1866 dort im Feldspital gestorbenen verwundeten preußischen Krieger errichtet worden ist. Das Denkmal wurde von den unbekannten Thätern stark beschädigt und der daran befindliche bronzene preußische Adler abgerissen. Das Attentat auf das Denkmal ist offenbar tschechischen Ursprungs. Basel. Von einem bekannten schweizerischen Waffenplatz wird folgendes gemeldet: Kürzlich ist hier einem „idyllischen" Zustand ein plötz liches, trauriges Ende bereitet worden. Der Herr Oberst N. N. hatte schon jahrelang die Pacht der Militärkantine inne, und in dieser Hotelier-Eigenschaft bediente er sich höchst eigen- händig im Verein mit seiner wackeren Frau so wohl Offiziere als auch Soldaten, welche ihre leiblichen Bedürfnisse in seinem renommierten Lokal zu stillen kamen. Da konnte man jeweilig den hohen Herrn in ehrfurchtgebietender militärischer Haltung am Büffelt hantieren oder von Tisch zu Lisch eilen sehen, um Hunger und Durst ganz gewöhnlicher Rekruten zu stillen, die (o Widerspruch der Widersprüche!) un ablässig kommandierten: „Herr Oberst, ein Glas Bier! Herr Oberst, zwei Zigarren! Herr Oberst, eine Suppe! Herr Oberst, eine Wurst! Herr Oberst, eine Portion Käse!" Sie schienen es förmlich darauf abgesehen zu haben, die Dienste des.„Herrn Obersten" recht viel in An spruch zu nehmen; die respektvolle Bezeichnung „Herr Oberst" bei ihren Bestellungen ließen sie schon gar nicht weg. So ging es Jahr für Jahr, bis schließlich jemand Aergernis daran nahm. Plötzlich erhielt nun der „Herr Oberst" eine Verfügung der Militärdirektion, wonach es ihm untersagt wurde, in Zukunst die Gäste der Kantine selber zu bedienen. Damit hatte das „Idyll" ein Ende und die armen Soldaten müssen sich seither zu ihrem größten Leidwesen ihre Bedürfnisse von ganz gewöhnlichen Sterb lichen befriedigen lassen. London. Das älteste noch bewohnte Haus in England, welches über 1000 Jahre alt ist und unter König Offa gebaut wurde, soll jetzt niedergerissen werden. Ursprünglich war das Haus von den Mönchen der Abtei St. Alban als Wohnung für den Fischer bestimmt. An der Front des Häuschens, das einzige Ueber- bleibsel eines großen Besitzes, befindet sich ein Holzschild, auf welchem die Worte stehen: „Das älteste bewohnte Haus Englands." Neapel. Der Advokat Dr. Curci erschien vor einigen Tagen im Gerichtsgebäude, um eine Partei daselbst zu vertreten. Plötzlich stürzte sich der Gegner derselben auf ihn und versetzte ihm mit einem Dolch einen Stich in den Unter leib, so daß er jetzt in Lebensgefahr schwebt. Der Attentäter wurde auf der Stelle verhaftet. Stockholm. Der Krieg gegen die seit einem Jahre in den schwedischen Nadelholz-Waldungen auftretende Nonne, zu dem der Reichstag im vergangenen Frühjahr 175 000 Kronen bewilligt hatte, ist mit großer Mühe und Sachkenntnis geführt worden, und nach Berichten des die Ausrottungsarbeiten leitenden Dr. Sjöstedt ist es gelungen, etwa 380 Mill. Eier des gefähr lichen Insekts zu vernichten. Den menschlichen Anstrengungen ist überdies noch die Natur zu Hilfe gekommen, indem, wie man beobachtet hat, eine verheerende Krankheit unter diesen Insekten aufgetreten ist, welcher nach Schätzungen der Forstleute in den infizierten Distrikten mindestens die Hälfte der diesjährigen Raupen erlegen sein soll. Gerichtsstalle. Chemnitz. Einen „Blick hinter die Kulissen" gewährte eine Verhandlung, welche vor dem hiesigen Landgericht stattfand. Den Grund der Anklage bildete einer jener Vorgänge, wie sie im Leben der fahrenden Künstler nur zu oft sich ereignen. Ais Kind einer ungarischen Sängerin kam die kleine Sidonie Klement mit sechs Jahren in die Schule eines Artisten Bernardo, um von diesem zur Künst lerin ausgebildet zu werden. Damit begann auch die Leidenszeit des armen Kindes. Es kannte den Vater überhaupt nicht und bekam die Mutter nur bei außerordentlichen Anlässen zu Gesicht; die Kleine war also dem Artisten auf Gnade und Ungnade übergeben. Die Behandlung war derart, daß die kleine Sidonie schließlich in andere Hände gegeben wurde, und zwar in die des Gymnastikers August Wilhelm Robert Schmidt in Hartmannsdorf. Damit war die Kleine vom Regen in die Taufe ge kommen. Wie vor Gericht festgestellt wurde, mußte sie von früh 8 bis mittags 12 Uhr und von nach mittags 3 Uhr bis abends 10 oder 12 Uhr probieren, nicht selten dehnten sich die Uebungsstunden bis nachts 3 Uhr aus. Das neunjährige Mädchen mußte den Handstand üben, auf den: Kopf stehen und sollte schließ lich auch Saltomortale springen; das letztere jedoch war eine Uebung, welcher die Kleine nicht gewachsen war. So kam es oft vor, daß der gefühllose Lehr meister nachhalf und mit roher Hand den Körper zusammendrückte. Schließlich griff er auch zum Stock; abends bildeten sich wiederholt vor seiner Wohnung Menschenansammlungen, in welchen das janimernde Kind bedauert wurde. Als die Sache zu arg wurde, legte sich die Gemeindeverwaltung ins Mittel und nahm dem Lehrmeister das Kind weg, um es einem Handschuhfabrikantcn in Pflege zu geben. Hier ent wickelte sich die hübsche Kleine bald außerordentlich prächtig. Ein Arzt, der das Kind nach der Weg nahme von Schmidt untersucht hat, fand, daß die Kleine furchtbar mißhandelt worden war; an ihrem ganzen Körper war kaum ein Stückchen Haut vor handen, welches die normale Farbe zeigte. Vielmehr schillerte die Haut rot, blau und gelb, und besonders die Arme und Beine zeigten sich stark blutunterlaufen. Das Kind mußte demnach andauernd starke Schläge erhalten haben. Das Gericht fand, daß der An geklagte das ihm zustchende Züchtigungsrecht wesent lich überschritten habe und verurteilte ihn zu sechs Wochen Gefängnis. Landau. Zwei Einbrecher standen in dem 29 jährigen Schlosser Endl aus Rieden (Bayern) und dem 29 jährigen Buchbinder Mattern aus Kondel vor der hiesigen Strafkammer. Die beiden Gauner machten im vorigen Frühjahr die ganze Rhein gegend unsicher. Im Januar 1898 hatten sie ihr Handwerk hier und in der Umgegend betrieben und mit einer ausgiebigen Beute an Geld und Wertsachen abge schnitten. Da sie nach jedem ihrer nächtlichen Streif züge sofort nach Zürich abreisten, konnte man an fangs überhaupt keine Spur entdecken. Einem dorti ¬ gen Polizeikoucknissar gelang ihre Entlarvung und Verhaftung. Die wegen ihrer großen Gefährlichkeit während der Verhandlung gefesselten Angeklagten leugneten alles ab. Endls Strafe konnte nicht er höht werden, da er in den letzten Wochen von ver schiedenen andern Gerichten bereits mit 15 Jahr Zuchthaus bedacht worden war. Mattern erhielt zu sieben Jahr noch eine Zusatzstrafe von fünf Jahr Zuchthaus. Ans Maste«. Der Chef des ostafiatischen Kreuzergeschwa ders Prinz Heinrich hat Ende August fast sämt liche Seestreitkräste im Hafen von Hakodate zu sammengezogen, nachdem die Schiffe in den japanisch - fibirischen Gewässern Einzelfahrten unternommen haben. In Hakodate find jetzt die großen Kreuzer „Deutschland", Flaggschiff des Geschwaderchefs, „Hertha", Flaggschiff des zweiten Admirals Kontre - Admirals Fritze, „Kaiserin Augusta", der kleine Kreuzer „Irene", das Stationskanonenboot „Iltis" vereinigt. Dem nach ankern in Hakodate sämtliche Schiffe der ostafiatischen Station mit Ausnahme der „Gefion", die als Wachtschiff vor Tfintau liegt. Die große diesjährige Kreuzfahrt der Schiffe nach den russischen und nordjapanischen Gewässern ist nunmehr als abgeschlossen zu betrachten. Wäh rend Prinz Heinrich deutsche Niederlassungen in Japan und auf Korea besuchte und deutsche Unternehmungen bei Chemulpo und Mensan besichtigte, erhielt das Flaggschiff des zweiten Admirals Befehl, nach den fibirischen Häfen zu dampfen. Die „Hertha" kreuzte mehrere Wochen in den russischen Gewässern, besuchte Wladi wostok, Baracuta, die Wladimirbucht, Decastri und Korssakowsk. Die Fahrten bezweckten in erster Linie eine Förderung der deutschen Handels- Interessen im Amur- und Ufirigebiet, nachdem mit Zustimmung der Reichsregierung vor einiger Zeit die deutsch-sibirische Handelsgesellschaft sich gebildet hat. Es gilt den aufblühenden deutschen Handel in jenen entlegenen Gebieten zu stützen. Bereits im Vorjahr besuchte Prinz Heinrich das Amurgebiet und begab sich sogar von Wladi wostok mit der Usiribahn ins Innere Chinas bis nach Chabarowka. Nach einer Kreuzfahrt in den japanischen Gewässern ging die „Irene" nach Wladiwostok und stieß später in Korssa kowsk zur „Hertha". Beide Kreuzer dampften alsdann nach Hakodate, wo inzwischen Prinz Heinrich mit der „Deutschland" aus Auensan, die „Kaiserin Augusta" aus Jokohama und das Kanonenboot „ Iltis" aus Decastri eingetroffen find. Kannibalismus auf Ser. Es ist noch gar nicht lange her, da wurden nach Kiel vier Matrosen gebracht, die auf offener See schiffbrüchig, tagelang Herumtrieben, bis sie endlich geborgen wurden. Bei ihrer Vernehmung über das Unglück kam es dann zur Sprache, daß sie in der höchsten Not, als sie daran waren zu verschmachten und zu verhungern, einen ihrer Kameraden, der durch das Los dazu bestimmt war, töteten und danach verzehrten. Die Matrosen wurden damals von der Anklage des Mordes freigesprochen Heute liegt eine Meldung über einen ähnlichen Fall vor. In Charleston brachte, wie schon kurz gemeldet, am 2. d. der Dampfer „Woodruff" zwei Matrosen mit, die zu der Mannschaft der norwegischen Bark „Drot", die auf der Fahrt von Pascaloga nach Buenos Ayres Schiffbruch erlitt, gehört hatten. Der Kapitän und acht Mann der Be satzung ertranken, während die beiden Matrosen sich mit noch vier anderen auf einem Floß retteten. Einer von ihnen wurde über Bord gespült, zwei starben in kurzer Zeit infolge der furchtbaren Entbehrungen, und die anderen drei trieben ohne Provision und ohne Wasser auf dem Meere umher. Zuerst stillten sie ihren Durst damit, daß sie das Blut aus den Kadavern der beiden gestorbenen Matrosen aussogen, und als auch diese schauerliche Hilfsquelle versiegte und sie wieder mehrere Tage unsägliche Leiden er duldet hatten, ließen die drei das Los unter sich entscheiden, wer von ihnen sich für die beiden anderen aufopfern sollte. Das Los traf einen Mann, dessen Namen nicht gemeldet wird, der aber ein Deutscher gewesen sein soll. Er fügte sich willig und öffnete selbst die Kleider, um den tödlichen Stoß zu empfangen. Die anderen zwei aßen das Fleisch und tranken sein Blut. Als man sie fand, waren sie in schreck- sicher geistiger und physischer Verfassung. Der eine scheint wahnsinnig geworden zu sein, er hat im Irrsinn versucht, seinen Gefährten auf- zufressen. Den andern fand man mit schweren Bißwunden im Gesicht, auf den Armen und auf der Brust. Beide, mit Namen Moritz Anderson und Goodmund Thomason, wurden in das Hospital gebracht. Als man sie auffand, nagte der Wahnsinnige gerade an einem Stück Fleisch von dem getöteten Kameraden, rings um das Floß schwärmten zahlreiche Haifische. Ueber das Kadelebe« irr Tstnta« schreibt die ,Deutschafiatische Warte': „Die Badesaison ist in vollem Gange. Hier wie dort am Strande, in der großen und kleinen Bucht, sodann in der Klarabucht sieht man fast die gesamte Bevölkerung Tsintaus zu gewissen Tageszeiten im Wasser plätschern. Natürlich nur die europäische Bevölkerung, denn unsere Chinesen haben bis auf wenige rühmliche Ausnahmen nur selten das Bedürfnis nach äußerlicher Be rührung mit dem Wasser. Den Vorzug ver dient und genießt bei den Badenden die Klara bucht. Durch Berge und Felsen abgeschnitten von dem geräuschvollen Treiben der alten und der werdenden Stadt, an einer Stelle gelegen, wo der entzückte Blick weit hinausschweift über die klarblauen Fluten des offenen Meeres und eine kühle Brise mehr noch als in Tfintau die Hitze des Tages beständig lindert, ist die Klara bucht mit ihrem sanft abfallenden Meeresboden wie geschaffen zum Baden. Eitle lange Reihe von Badehütten, meist zu privatem Gebrauch, ist in den letzten Wochen dort erstanden, und damit auch die Strandmusik nicht fehle, wird von jetzt ab jeden Samstag zwischen 6 und 7 Uhr abends die Kapelle des 3. Seebataillons daselbst konzertieren. Ob sich nicht jemand finden lassen wird, der an der Klarabucht ein Badehotel errichtet? Tfintau als der klimatisch bestgelegene Platz der ganzen Küste, als ein Platz, der für Unterhaltung und Zerstreuung schon heute so mancherlei bietet, wird ohne Zweifel in absehbarer Zeit ein oft und gern besuchter Badeort sein, und die Errichtung eines Badehotels wäre sicher keine verfehlte Speku lation. Somit: wer wagt's?" Kuntes Allerlei. Ein neuer National-Park in den Ber. Staaten. Nach einer Meldung des ,Scientific American' besteht die Abficht, im nördlichen Teile des Staates Minnesota, der im Westen des Oberen Sees gelegen ist und nördlich an das große kanadische Waldgebiet grenzt, eine Art von Nationalpark in größtem Umfange zu schaffen. Wild und Urwald sind in den Ver. Staaten in folge der durch keine geregelte Forstwirtschaft be schränkten und ausgewogenen Zerstörung der Wälder in unaufhaltsamem Verschwinden be griffen, so daß sich die Ueberzeugung von der Notwendigkeit wirksamer Maßnahmen nach dieser Richtung hin immer mehr Bahn bricht. Einige der großen Waldkomplexe des Landes sollten unbedingt erhalten bleiben, und dasür muß von Staats wegen Sorge getragen werden, ehe es zu spät ist. Der bezeichnete Distrikt ist in außer ordentlichem Grade für ein solches Schutzgebiet geeignet; er siegt um die Quellwasser des Mississippi herum und enthält einen wundervollen Waldbestand mit vielen Seen von großer Schön heit. Der Wald ist ebenso reich an Wild wie die Seen und strömenden Gewässer an Fischen. Man beabsichtigt, einen Flächenraum von 7 Mill. Acres (rund 2 850 000 Hektar) unter Staats schutz zu stellen samt allem auf ihm befindlichen WUd. Eine besondere Agitation für diesen Plan wird von seiten hervorragender Bürger Chicagos und Minnesotas entfaltet, die eine entsprechende Petition im nächsten Winter an den Kongreß senden wollen. * Die lieben Kleinen. „Nun, wie gefallen dir deine neuen Nachbarn?" — „Sehr gut; ihre Kinder sind so bös, daß uns die unsern jetzt wie Engel vorkommen." """ Stallungen und Remisen erbaut, darüber sollte sich ein Wintergarten, ein Wunderwerk der modernsten Eisenkonstruktion, erheben, der die Verbindung mit der Beletage herstellte, wo die Gesellschaftsräume der künftigen Frau Sno- ward zur Zeit eine Anzahl von Malern, Tape zieren und Schreinern beschäftigten. Die Thor- rinfahrt wurde zu einem imposanten Vestibül erweitert, die Parterrelokalitäten auf der Straßen seite zu zwei Riesenhallen umgemodelt, um nun mehr endgültig die Snowardsche Bankfiliale auf zunehmen, da das Entresol ebenfalls für die Wohnräume des Chefs umgestaltet werden sollte. Bisher hatte er, der für seine eigene Person verhältnismäßig einfachen Lebensgewohnheiten huldigte, nur eine Zimmerflucht im Grandhotel bewohnt, was ihm für eine Junggesellenwirt schaft bequemer erschienen war. Jetzt mußte freilich mit rastlosem Eifer geschaffen werden, denn die Hochzeit sollte schon zu Ende des Karne vals stattfinden, so hatte es der Bräutigam ge wollt, wenngleich es nicht die Ungeduld der Liebe war, die ihn drängte. Und das Kunststück gelang, denn was ver- wögen Menschenhände nicht, die ein Mann von solch' organisatorischem Geiste antrcibt und — vergoldet. Noch vor dem angesetzten Termin war alles fix und fertig; wieder kam eine gaffende Menge, das neue Wunderwerk zu ichauen, das aus den über Nacht gefallenen Ge° Wen entstanden war, und die neue kolossale Fwmentafel über den Geschäftsräumen des , Vgeschosses übte eine noch größere Anziehungs- rratt als die alte aus. Der Excelsiorpalast war wieder in aller Mund und Snoward hatte durch aus nichts dagegen, daß die frühere Bezeichnung sich erhielt: der Name Excelfior simmer höher empor N paßte ihm gerade. Erst knapp zwei Wochen vor der Hochzeit, in den letzten Tagen des Februar, kehrte Baron Ellerich mit seiner Tochter zurück. In Wien, auf der Durchreise, hatten sie aus Zcitungs- Meldungen erfahren, daß dem Doktor Friedrich Schwerdtner auf Grund seines ausgezeichneten philologischen Werkes von einer österreichischen Universität eine außerordentliche Professur an geboten worden sei und der junge, zu hohen Erwartungen berechtigende Gelehrte diese Be rufung angenommen habe. Der Freiherr suchte sofort nach seiner An kunft den Hauslehrer seines Sohnes auf und erwiderte dessen mündliche Bestätigung jener Zeitungsnachricht mit einem aufrichtigen Glück wunsch, dabei nur bedauernd, daß Robert nun dadurch einen so vortrefflichen Erzieher verlieren müsse. „Aber Sie machen einen schönen, m mehr als einer Hinsicht beneidenswerten Weg, lieber Schwerdtner," sagte er, ihm mit einer merk würdigen Herzlichkeit die Hand schüttelnd. „Glück auf! Wandeln Sie ihn guten Mutes!" Friedrich war erstaunt. Gerade durch die neuen Ereignisse in diesem Hause war er dazu gekommen, dem Freiherrn weniger als jemals eine solche Anteilnahme, eine solche Anerkennung der idealen Güter dieser Welt zuzutrauen. Und diesmal war nichts Gemachtes im Wesen des Barons, im Gegenteil, es schien, als schäme er sich sogar dieser plötzlichen Regung; er sah ganz so aus, als ob er zu verraten fürchtete, daß sein Gewissen heimliche Anklage Wider ihn erhob. Im Hinblick auf Robert wurde beschlossen, daß er gleich nach der Vermählung der Schwester in eine vortreffliche Erziehungsanstalt gebracht werden solle, da Schwerdtner nicht länger im Hause bleiben konnte und wollte. Er hatte sich zwar erst zu Beginn des Sommersemesters auf seinen akademischen Lehrstuhl zu begeben, aber sich doch entsprechend vorzubereiten, was er am besten in der Einsamkeit eines entlegenen Ortes, vielleicht in seinem Geburtsstädtchen Berghausen, thun zu können glaubte. Den Hochzeitsfeierlichkeiten konnte er sich allerdings nicht entziehen, so gern er das ge- than hätte; sein Zögling beging ja mit denselben seinen Abschied vom Vaterhause, und es geziemte dem abgehenden Erzieher, ihm dabei zur Seite zu sein. Ueberdies war für Schwerdtner seine An wesenheit bei diesem Fest ein Probestück für die unabwendbare Notwendigkeit, in und mit der Welt zu leben, so sehr man sie verachten mag. Er war überhaupt gesetzter geworden, mehr schweigsamer Zuschauer gegenüber der ungeheuren Tragikomödie des Lebens, der die Lust und die Begeisterung zur Weltoerbesserung verloren hat und min klar und ruhig sich auf den eigenen pflichtgemäßen Weg beschränkt. Die Baronesse Ellerich, die Braut des ameri kanischen Börsenkrösus, hatte er nicht wieder zu Gesicht bekommen. Elvira war die kurze Zeit über, die noch vor ihrer Vermählung lag, derart in Anspruch genommen, daß sie wie in einem Fiebertraum dahinlebte. Da galt es die An ordnungen für die Aussteuer zu treffen, heute die Pferde und die englischen Wagen zu besich tigen, die Snoward ihr zur Verfügung stellen wollte, morgen ihren Geschmack über die Möbel zu äußern, und übermorgen unter den kostbaren Schmucksachen zu wählen. Das gab em Hm und Her, das sie nicht zu Atem kommen ließ. Dieser nervenaufreibenden Hast mußte sich auch das Gefühl von Oede zuschreiben, von dem sie Brust und Kopf nicht befreien konnte. Endlich nahte der große, entscheidende Tag. Mit königlicher Pracht war das freiherrliche Haus geschmückt: der Pomp jvM den geladenen Zeugen verkünden, daß hier Schönheit und Reich tum einen Bund zu schließen im Begnffe waren. Herr v. Rümmel, der in der Hochzeitsgesellschaft natürlich nicht fehlte, bemerkte fEch gegen den nächstbesten „guten Freund m seiner Umgebung, diese vergoldete Herrlichkeit erinnere ihn an ein heidnisches Opferfest, obwohl das Opfer sich hier freiwillig in den Rachen des Moloch stürze. Uebrigens war Rümmel heute, wie überhaupt in letzter Zeit, keineswegs w fidel wie sonst; seine Zunge war vielleicht noch gütiger, noch eifriger im Aussprengen ätzender Bosheitslauge, aber von dem Humor, der früher seine drastischen Randglossen zuweilen doch mit einem versöhn lichen Schimmer umkleidet hatte, war jetzt nicht? mehr zu entdecken. „Mir scheint," sagte hinter seinem Rücken ein Diplomat, „dieser Rümmel hört auf, amüsant zu sem, und fängt an, unangenehm zu werden." DB »0 (Fortsetzung folgt.)
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