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Allgemeiner Anzeiger : 13.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189909131
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990913
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-13
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.09.1899
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Politische Rundschau. Teutschland. * Der Kaiser ist am Freitag in Karls ruhe eingetroffen und hat daselbst am Nach mittag die Parade abgenommen. Der Empfang seitens der Bevölkerung war enthusiastisch. *Jn Kiel ist das Gerücht in Umlauf, daß das russische Kaiserpaar auf der Reise von Kopenhagen nach Darmstadt über Kiel fahren und der Prinzessin Heinrich einen Besuch abstatten werde. Man bringt auch die Neuausschmückung der kaiserlichen Jacht „Hohenzollern", deren Außendekorationen neu vergoldet werden, mit dem russischen Besuch in Verbindung. * In letzter Stunde noch ist die deutsche Reichsregierung wie bisher fürDrey - fus eingetreten. Der amtliche Teil des ,Reichsanz.' vom Freitag wiederholt nochmals die 1894 vom Grafen Münster an die damaligen französischen Gewalthaber abgegebene Erklärung, daß die kaiserl. Botschaft in Frank reich niemals, wederdirekt noch indirekt, irgendwelche Beziehungen zum Hauptmann Dreyfus unterhalten hat. Auch die Erklärung des Staatsministers v. Bülow, die derselbe 1898 in der Reichstags-Budgetkommisfion ab gegeben hat, wird wiederholt, „daß zwischen dem gegenwärtig auf der Teufelsinsel befindlichen französischen Exkapitän Dreyfus und irgend welchen deutschen Organen Beziehungen oder Verbindungen irgend welcher Art niemals be standen haben." "Die Neubesetzung der Aemter der zur Disposition gestellten Verwaltungs beamten in Preußen soll, wie die ,Posener Neuesten Nachr.' hören, vor dem 1. Januar 1900 nicht erfolgen. Es sei nämlich nachträglich noch eine Verfügung eingetroffen, wonach den disziplinierten Beamten bis zu dem oben er wähnten Zeitpunkt das volle Gehalt ausgezahlt werden soll. *Jn nächster Zeit sollen, der Host' zufolge, nach einem vom Finanzminister v. Miquel skizzierten Plan namentlich in den Provinzen Sachsen undHannoverDomänen ver äußert werden. Auch in Vorpommern sollen die Domänen, wo sie zu dicht bei einander liegen, an Zahl und Umfang verringert werden. Je nachdem die örtlichen Verhältnisse günstig find, sollen Rentengüter angelegt werden. *Wie amtlich festgestellt ist, find im Jahre 1898 anAlters - undInvalidenrenten 62,3 Mill. Mark gezahlt worden. Davon ent fielen auf die Altersrenten 27,5 und auf die Invalidenrenten 34,8 Mill., die Jnvalidenrenten- zahlungen betrugen demnach im Jahre 1898 etwa 56 Prozent gegenüber 50 Prozent im Vorjahre der Rentenzahlungen überhaupt. Das Jahr 1898 ist also das erste Jahr, in welchem die Kosten der Invalidenversicherung diejenigen der Altersversicherung überstiegen haben. * Neueren Nachrichten zufolge kann mit Be stimmtheit darauf gerechnet werden, daß die durch das Handwerker-Organisationsgesetz neu begründeten Handwerkerkammern am 1. April k. ihre Thätigkeit beginnen werden. In Preußen sind die Statuten bereits vom Minister für Handel und Gewerbe erlassen und die Wahlen zum November angeordnet. Nun mehr läßt sich auch ein Ueberblick über die künftige Organisation in Preußen gewinnen. Im allgemeinen ist an dem Grundsatz sestge- halten, daß für jeden Regierungsbezirk eine Handwerkskammer mit dem Sitze in der Regie rungshauptstadt errichtet werden soll. Aeketwcich-Ungttktt. * Tschechischen Blättern zufolge soll der österreichische Botschafter in Petersburg, Baron Ehrenthal, zum Nachfolger des Grafen Thun ausersehen sein. Graf Goluchowsky soll eisrig dessen Ernennung unter stützen. Bemerkenswert ist, daß da? angesehenste polnische Blatt, der ,Czas', erklärt, die große Mehrheft des Polenklubs werde auch künftig mit den Tschechen gehen. Das .Vaterland' meldet, der Reichsrat werde wahrscheinlich erst zum 24. Oktober einberufen. Thun habe für die spätere Einberufung volle Gründe, denen sich Szell -nd Goluchowski unterwerfen müßten. Frankreich. *Die Beweisaufnahme im Dreyfus- prozeßist unerwartet schnell geschlossen worden, nachdem der Gerichtshof selber in letzter Stunde die Vernehmung v. Schwartzkoppens und Panizzardis abgelehnt hatte. Der Regierungs vertreter Carriere hielt bereits am Donnerstag sein Plaidoyer, in dem er die Schuldig sprechung Dreyfus' und seine dauernde Einschließung in einem befestigten Platze fordert. * Gibbons vom Londoner ,Black and White' überbrachte noch am Mittwoch abend nach Rennes eine von Esterhazys Hand geschriebene und von mehreren Londoner Notaren beglaubigte Abschrift des Bordereaus. Esterhazy bestätigt damit neuerdings, der Urheber des Dreyfus zugeschriebenen Borde reaus zu sein. England. *Das .Reutersche Büreau' erfährt, daß als Ergebnis der Beratungen im Ministerrat eine in entschiedenen Worten abgefaßte Depesche nach Transvaal gesandt worden sei, welche auch in London veröffentlicht werden wird, sobald sie in Pretoria eingetroffen sein wird. Aus anderen Quellen verlautet, daß weder da? Parlament einberufen wird noch Reservemannschaften einge zogen werden; daß jedoch 10 000 Mann nach Südafrika abgehen sollen. * Eine Anzahl vonenglischenFirmen, die sich an der Pariser Welt-Aus stellung beteiligen wollten, haben dem Aus stellungskomitee angezeigt, daß sie ihre An meldungen zurücknehmen. Sie be gründen ihren Schritt damit, daß dem britischen Handel in der Ausstellung ein Raum zugewiesen worden sei, der der wahren Ausdehnung des Handels in Großbritannien nicht entspreche. Außerdem fühlen sie sich auch dadurch verletzt, daß „deutsche Firmen in London, die nur mit deutschen, vom Festlande eingeführten Waren handeln, in der Ausstellung als Vertreter des britischen Handels auftreten sollen." Der Rück tritt englischer Firmen von der Beteiligung an der Ausstellung ist nach Ansicht des Kommissars hauptsächlich auf politische Beweggründe zurück- zusühren. Dänemark. * In wohlinformierten politischen Kreisen wird davon gesprochen, daß in Kopenhagen eine vollständigeVersöhnung zwischen dem Zaren und dem König von Griechen land stattfinden wird und daß Rußland Griechenland in den finanziellen Schwierigkeiten, die durch den Krieg mit der Türkei entstanden find, unterstützen wird. Spanien. *Der spanische Kriegsminister Polavieja versichert jetzt, die Filipinos hätten endlich in die Uebergabe der von ihnen gefangen gehaltenen Spanier gewilligt. Hoffentlich erweist sich diese Freudenbotschaft nicht wieder als eine Täuschung. Rußland. *Die Bären in sei, auf die Theodor Lerner Ansprüche geltend machte, wird von Rußland fcstgehalten. Nach dem amtlichen russischen.Regierungsboten' gibt Rußland seine Rechte auf dieses Polareiland nicht auf. Der Kommandant der „Swetliana" hat die rus- sischeHandelsflagge gehißt und eine Tafel mit der Inschrift: „Russischer Besitz" auf der Bäreninsel aufgerichtet. Auf der Tafel wird außerdem in drei Sprachen die Bedeutung der Flagge erläutert. Balkanstaaten. * Zwischen dem Sultan und dem Fürsten von Montenegro finden Verhandlungen statt über den Abschluß eines Bündnisses bei etwaigen Vorkommnissen auf dem Balkan, * Fünf Offiziere des Artillerie-Departements in Konstantinopel gingen am Donnerstag mit dem Orient-Expreßzug nach Deutschland ab. Die ersten drei Offiziere sind beauftragt, sämt liche Maschinen und die innere Ein richtung für die Geschoßfabrik in Zeftun-Burnu in Deutschland zu kaufen, während den übrigen Herren der Auftrag geworden ist, ebendaselbst Kriegs material zu bestellen. Amerika. *Jn Venezuela find wieder einmal politische Unruhen entstanden. Wie es heißt, ist der Sitz derselben La Guayra. (Dies ist der Hafenplatz der Landeshauptstadt Caracas.) Bestätigt sich die Meldung, so ist die gegen wärtige Regiemng ernstlich gesährdet. Afrika. *Der Gegensatz zwischen England und Transvaal spitzt sich anscheinend weiter zu. Transvaal soll über die Mobilisierung britischer Truppen an der Grenze der Republik Er klärungen gefordert haben, und England setzt seine Rüstungen fort. Indessen hat England sckon öfter mit dem Säbel gerasselt, ohne los zuschlagen, so daß die Hoffnung auf Erhaltung des Friedens noch keineswegs aufgegeben zu werden braucht. Asten. *Aus Aden wird berichtet, die Bedeutung des Aufstandes in Demen (Arabien)' sei in der letzten Zeit durch den Umstand erhöht worden, daß diese Bewegung auch außerhalb der genannten Provinz Unterstützung findet. Mitteilungen aus Syrien, Indien, Aegypten und anderen Gebieten heben hervor, daß unter der muselmanischen Bevölkerung die Sympathien für die revolutionären Bestrebungen in Demen zu nehmen und nicht bloß in Worten zum Aus druck gelangen. Diese Erscheinung werde von der Pforte, welche sich überhaupt bezüglich der Lage in Demen Täuschungen hingebe, nicht ge nügend gewürdigt. Gin «euer Kiswarckbrirf. Bekanntlich ist der Nachlaß des Feldmarschalls Frhrn.v. Manteuffel unter den Hammer gekommen. Dieser Umstand erklärt es, daß die .Voss. Ztg.' einen bisher nicht bekannten Brief des Fürsten Bismarck an den Feldmarschall veröffentlichen kann. Die näheren Freunde des früheren Ministerpräsidenten Otto v. Manteuffel feierten am 9. November 1873 den 25jährigen Gedenk tag der Uebernahme des Ministerpräsidiums. Aus diesem Anlaß hatte sich Edwin v. Man teuffel auch an den Fürsten Bismarck gewandt. Dessen Antwort lautete folgendermaßen: „Varzin, 8. November 1873. Ich danke ver- bindlichst für die Erinnerung an morgen, und obiges Datum zeigt, daß ich ihrer eingedenk bin. Aber ich habe hier die Reden Ihres Herrn Vetters im Herrenhause gelesen. Einem Mann, der selbst ausreichend die Schwierigkeit des Negierens in Preußen kennen gelernt hat und dennoch so reden konnte in seinem hohen Ehren alter, dem kann ich keinen Gruß senden. Ich habe seine Politik, ich meine die auswärtige, niemals öffentlich berührt, obwohl ich seit der Zeit, wo ich unter ihm diente, viel Stoff dazu hätte, und finde es mehr als geschmacklos, wenn ein Vorgänger, der die Geschäfte doch hin reichend kennt, so sie dem Nachfolger zu er schweren sucht. Der Grund, warum ich mich zu Ihnen, Exzellenz, mit persönlicher Zuneigung und Verehrung hingezogen fühle und das Be dürfnis habe, Ihnen obiges zu sagen, mag ein breiterer sein; aber wesentlich ist an ihm die Sicherheit, mit welcher Sie unter allen Umständen, auch wenn Sie mir und andern Machthabern gram wären, dem Kompaß der Pflicht und Liebe für Dynastie und Vaterland folgten und niemals persönliche Verstimmungen den Staat entgelten ließen; das fehlt Ihrem Vetter. Er ist von der europäischen Höhe nicht in würdige Zurückhaltung, sondern in die Fraktion der malkontenten Velleitäten herabgest'egen, wie Kleist- Retzow und alle die ehemaligen Präsidenten und Staatssekretäre, die, wenn sie einen Stein brauchen, um den Gegner zu treffen, die olsts äs vöuts (Gewölbe-Schlußsteine) unseres Staats gebäudes nicht schonen und ihrem Unmut auf Kosten der Zukunft des Landes und des Thrones unbedenklich die Zügel schießen lassen. Ich kann meinem früheren Chef weder brieflich noch persönlich die Hand reichen, nachdem ich seine Herrenhausrede gelesen habe. Ihnen aber, ge ehrter Feldmarschall, bleibe ich stets von Herzen ergeben. v. Bismarck." Der Brief enthält eine interessante Be leuchtung des Verhältnisses, in dem Fürst Bismarck zu dem Frhrn. Otto v. Manteuffel und dessen näheren politischen Freunden stand. Uon Nah ««d Fern. Bonn. Zur Entmündigung des Fürsten v. Sulkowski wird noch mitgeteilt, daß der Ent mündigte der Chef der zweiten Linie dieses Fürstenhauses ist und als Besitzer der umsang reichen Fideikommißherrschast Reisen in der Provinz Posen als erbliches Mitglied dem preußischen Herrenhause angehört. Die Ent mündigung erfolgte durch die hiesige Gerichts behörde wegen Verschwendung. Natürlich darf Fürst Sulkowski während der Dauer seiner Ent mündigung an den Sitzungen des preußischen Herrenhauses nicht teilnehmen. München. Die ,N. Bayr. Ztg.' schreibt: „Als jüngst Se. königl. Hoheit der Prinz- Regent über Urfeld am Walchensee nach Linder hof fuhr, waren die Dörfer Urfeld u. s. w. fest lich geschmückt, die Bewohner begrüßten den Regenten aufs herzlichste. Auch die Villa des Herrn v. Vollmar hatte Fahnenschmuck ange legt, an der Front des Hauses waren blau weiße Fähnchen gekreuzt angebracht, Frau von Vollmar entbot am Thor der Villa dem vor« überfahrenden Regenten respektvoll den Gruß und dasselbe that Herr v. Vollmar von der Veranda des Hauses aus." Düsseldorf. Die hiesige Freie litterarische Vereinigung wird den hundertsten Geburtstag Heinrich Heines durch eine größere öffentliche Gedenkfeier festlich begehen. Kassel. Ein dreitägiger Kongreß sämtlicher Touristen - Vereine Deutschlands findet in den nächsten Tagen in Kassel statt. Vertreten werden alle größeren Bergvereine, wie Harzklub, Rhön klub, Vogesenklub, Schwarzwald-, Erzgebirgs-, Teutoburger, Voigtländischer, Schwäbischer und Thüringer Waldverein sein. — Ein achtzehnjähriger Schüler, der Sohn eines höheren stäbtischen Beamten, erschoß sich am Dienstag, nachdem er am Abend vorher noch einer fröhlichen Kneipe beigewohnt. Das Motto der That ist darin zu suchen, daß der junge Mann, knabenhafter Streiche halber, aus der höheren Privat-Lehranstalt, welche er besuchte, entlassen werden sollte und die Strenge seines Vaters fürchtete. Neu-Ruppin. Der Former Kühl, der seiner Zeit die Näherin Elisabeth Wolff ermordete und deshalb vom Schwurgericht zum Tode ver urteilt war, ist zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden. — Ganz merkwürdiges Pech scheint, so schreibt die ,Märk. Zeitung', ein Liebespaar aus der Heinrichstraße zu haben. Zweimal wollte die Braut sich auf dem Standesamte mit ihrem Schatze trauen lassen, beide Male aber fehlte der Bräutigam. Vor ein paar Tagen ist ihr die Geschichte zum dritten Male widerfahren. — Zum Heiraten gehört eben Ausdauer! Dresden. In eine unfreiwillige Gefangen schaft geriet eine Dame, welche in einem Ab teil zweiter Klasse den Schnellzug von Leipzig nach Dresden benutzte. Die Dame begab sich während der Fahrt in die Toilette ihres Abteils, vermochte diese jedoch nicht wieder zu verlassen, da das Schloß versagte. Auf dem Bahnhofe Wurzen versuchte zwar das Schaffnerpersonal die Thür zu sprengen, doch erwiesen sich alle Bemühungen dieserhalb als vergeblich. So war denn die Dame gezwungen, bis Dresden in dem engen Raume zu verweilen. Hier endlich ver anlaßte der Bahnhofsvorsteher die Hinzuziehung von Werkftättenarbeitern, von denen zwei Mann durch das Außenfenster in die Toilette Hinein stiegen und durch Aussagen der Thür die Dame aus ihrer peinlichen Lage befreiten. Der Schnellzug erlitt hierdurch eine kleine Ver spätung. Pforzheim. Die Typhus-Epidemie hat hier einen derartigen Umfang angenommen, daß ärztliche Hilfe aus benachbarten Städten geholt werden mußte. Der Korsenkönig. 20) Roman von Karl Ed. Klopfer. <?orMeu,!g.> Schwerdtner hatte vom Freiherm seine Ent lassung nehmen wollen, aber sein Zögling hatte ihn so dringend und herzlich zum Bleiben ge beten, daß er den Entschluß wieder aufgegeben oder doch wenigstens seine Ausführung ver schoben hatte. Es waren freilich keine an heimelnden Weihnachten, welche er mit seinem Schüler in dem verödeten Hause verbrachte, aber die neue Lebensweise war trefflich dazu angethan, ihn auf seine Wissenschaft zu lenken. Nach Neujahr machte er sich an die Ausführung eines philologischen Werkes, zu dem er schon fest langem auf der Grundlage seiner Doktor dissertation die Vorbereitungen entworfen hatte. Es wurde rasch vollendet und errang in Fach kreisen einen so bedeutenden Erfolg, daß Friedrich hoffen durfte, sich daraufhin als Privatdozent an einer Universität niederlassen zu können. Snoward schien sich in seinen Hoffnungen, die er in die Verbindung mit dem vielbewunder- ten Freifräulein v. Ellerich setzte, nicht täuschen zu sollen. So sehr man auch über die Baronesse die Achseln zuckte, ihm selber erwuchs aus dieser Verlobung eine mächtige Verstärkung der Le gende, die sich bereits um seine Erfolge gebildet hatte. Scharenweise kamen die großen und kleinen Kapitalisten zu ihm, sein Name war ihnen zum Losungswort geworden, mit dem sie die Schätze eines neuen Goldlandes zu erringen gewiß waren. Das Programm der berühmten argen tinischen Anleihe war den wohlhabenden Klein bürgerkreisen ebenso geläufig, wie den großen „Faiseurs" der Börse, an deren Spitze der Amerikaner eine ungeheure Haussebewegung in dem populärsten aller ausländischen Spekulations- Papiere leitete. Aber der vielseitige Mann lenkte seinen Feldherrnblick nicht allein auf die „Argen tinier", die ihm im Lande das fabelhafte Re nommee begründet hatten; er operierte auf den verschiedensten Linien. Ein Hauptmanöver, unter dessen Opfern auch Baron Ellerich figuriert hätte, wenn ihn nicht Elviras Verlobung vor dem endgültigen Ver derben bewahrt hätte, war Snoward mit dem Projekt seiner „Binnenschiffahrt" geglückt. Der Zauder seines Rufes und seiner Millionen hatte diesem Vorhaben schon im ersten Entwürfe einen großartigen Anhang verschafft. Vergeblich wies man von besonnenerer Seite darauf hin, daß die geplante Gesellschaft kaum die ministerielle Konzession erlangen werde; die bloße Thatsache, daß Snoward die Sache in die Hand genommen hatte, wie es hieß, obwohl er das mit diplo matischer Feinheit stets leugnete, genügte schon, um der bereits bestehenden „Dampfer-Gesellschaft auf Aktten" furchtbaren Abbruch zu thun. Jeder mann entledigte sich der betreffenden Papiere, der Kurs der Dampfcraktien sank mit täglich zu nehmender Geschwindigkeit — und Snoward ließ von zahlreichen Hintermänner, die ihren eigentlichen Auftraggeber gar nicht kannten, auf fremden Börsenplätzen davon aufkausen, was nur zu haben war, machte sich dadurch zum geheimen Herrn der Gesellschaft, und nun „klappte die Falle zu" — das Projekt der neuen Gesellschaft, das seine Schuldigkeit als Popanz gethan hatte, wurde mit einem Fußtritt begraben, die Aktien des betreffenden Unternehmens schnellten durch gleichzeitige Operation auf auswärtigen Plätzen wie auf ein gegebenes Signal in wahnsinnige Höhe und die verlorenen Gelder der abgesprengten früheren Aktionäre flossen durch alle die kunstvoll angelegten Kanäle in den großen Strom, der in die riesigen Kassen des Bankhauses „Ralph T. I. Snoward" mündete. Mit demselben Resultat „arbeitete" der gewitzte Finanzmann auf in- und ausländischen Börsen. In Rio de Janeiro lockte er die Spekulanten mit kor- dovanischen Goldminen auf den Leim, in New Dork verkaufte er mexikanische Immobilien, die er in Montevideo von verkrachten Agenturen um ein Butterbrot erhandelt hatte und die auch nicht mehr wert waren; ja, es gab auf dem gegen wärtigen Weltmarkt kaum einen großen Auf schwung oder Krach, aus dem Snoward nicht irgendwie einen größeren oder geringeren Profit herausgeschlagen hätte. Das Gesetzbuch, das ihn für diese Raubzüge zur Verantwortung ziehen konnte, hätte erst geschrieben werden müssen, und wenn ihn auch Tausende insgeheim einen Spitz buben nannten, so klatschten Hunderttausende Beifall in Bewunderung seiner ungeheuren Um sicht und Verschlagenheit, und der größte Teil der „guten Gesellschaft" der Residenz beugte sich vor seinen Erfolgen und nannte ibn ein Genie. Zwischen allen diesen weitverzweigten Ge schäften fand Snoward aber jetzt auch noch Zeit, sich für seinen künftigen Ehestand eine glänzende Stätte zu errichten. Doch eigentlich gehörte es ja mit zu seinen Geschäften, da es den ihn um gebenden Nimbus erhöhen sollte, der ihm die Leute zutrieb, wie der Schein die Motten in die Flamme. Auch hier bewies sich wieder, was er seiner Braut einmal vom Geld als gemünztem Machtmittel gesagt hatte, während es doch nur Verkehrsmittel sein soll. Er, der bei einer ihm nutzlosen Sache mit dem Pfennig geizte, kannte Hunderttausende hinwerfen, wenn ihm Freigebig keit von Vortheil schien; und hier wollte er ein mal verschwenden, hier wollte er blenden und die teils neidische, teils verzückte Zuschauermenge sollte wieder einmal den Zauberstab des Hexen meisters anstaunen. Er kaufte von dem Gläubigerkonsortium deS einstigen Excelfiorrestaurants das Gebäude, itt dem er seine Büreaus untergebracht hatte, und während im Entresol der Riesenmechanismus seiner Bankgeschäfte nicht die geringste Störung erlitt, wurde das Haus vom Speicher bis zum Keller, von der Fassade bis zur Hofmauer ver wandelt. Die Mietsparteien wie die Geschäftslokal inhaber waren binnen achtundvierzig Stunde» ausgemietet — wo es notwendig war, mit ver schwenderischen Abstandssummen sür ihre noch laufenden kontraktlichen Rechte, und über hundert Arbcitshände wurden vom Morgen bis zum Abend, zum Teil sogar bis in die späte Nacht in Bewegung gesetzt, das einstige Restaurant zum prunkenden Heim eines Geldfürsten zu machen. Im Hofe, der durch ein erkleckliches Teil des Nachbargrundstücks vertieft worden war, wurden unter einem impro visierten Holzdache, das den Schnee abhieü,
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