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Allgemeiner Anzeiger : 14.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189906146
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-06
- Tag 1899-06-14
-
Monat
1899-06
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 14.06.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Vor dem Kaiser fand am 10. d. auf dem Tempelhofer Felde ein großes Kavallerie- Gefechtsexerzieren statt, woran außer den Berliner Regimentern auch die Potsdamer, sowie die Brandenburger Kürassiere, Schwedter Dra goner, Fürstenwalder Ulanen und Rathenower Husaren teilnahmen. *Die Befürchtung, daß im Zusammenhänge mit dem ErwerbderKarolinen politische Zugeständnisse an England in Afrika gemacht sein könnten, wird in den ,Hamb- Nachr/ ausgesprochen. Die,Nordd. Allg. Ztg/ erklärt offiziös, daß die Vermutung von Kon zessionen an England jeder Begründung entbehre. *Der Münchener ,Allg. Ztg/ wird aus Madrid gemeldet, daß die deutsche Reichsregierung Unterhandlungen wegen Ankaufs der spanischen Besitzung Fernando Po angeknüpft habe. Deutschland erwarb bereits 1882 das Recht zur Anlage einer Kohlenstation auf dieser Insel. (Dieselbe ist unserem Kamerungebiet vorgelagert.) * Zwischen dem preußischen Kriegs- ministerium und der Reichspostver waltung schweben zur Zeit noch Verhand lungen darüber, ob Zeitungen und sonstige Drucksachen als Einlagen in Soldaten- briefen portofrei befördert werden dürfen. Es ist Aussicht vorhanden, daß auch diese Ver günstigung den Militärpersonen vom Feldwebel abwärts zugestanden werden wird. Nach den bestehenden Bestimmungen genießen unter Kreuz band an Soldaten gesandte Zeitungen und sonstige Drucksachen, da sie nicht als eigene An gelegenheit des Empfängers gelten, keine Porto freiheit. *Jm koburg-gothaischen Land tag erklärte Staatsminister v. Strenge am Freitag, daß dem Staatsmmisterium von feiten des Herzogs von Connaught weitere Mitteilungen als die dem Landtag bekannten bisher nicht zu gegangen sind. Wenn Schwierigkeiten entstanden find, so sei eine endgültige Entscheidung jeden falls in allerkürzester Zeit zu erwarten. Daß dies ohne Wisfen und Mitwirkung der Staats regierung und auch nach Umständen ohne Wissen und Mitwirkung dieses Landtages erfolgen werde, sei ausgeschlossen. *Bei der Beratung des Eisenbahnetats in der württembergischen Kammer teilte der Minister präsident mit, in der letzten Zeit hätten auf Ver anlassung und unter Teilnahme des Reichs eisenbahnamtes Verhandlungen statt gefunden zwischen Bayern, Württem berg, Baden und den Reichslanden über die Einführung eines einheitlichen Personentarifs. Oesterreich-Ungar«. *Der ungarische Ministerpräsident Szell und der österreichische Ministerpräsident Graf Thun haben nun ihren Frieden geschlossen. Thun hat in allen Punkten nachgegeben, der Ausgleich mit Ungarn ist wieder zu- standegebracht, ohne daß Thun sein Amt nieder zulegen genötigt war und Thun kann nun in Oesterreich mit dem Notparagraphen 14 weiter regieren, so lange es eben geht. Frankreich. * Das Beispiel der Raufbolde vonAuteuil ist auf die gleichgesinnten Elemente in den fran zösischen Provinzen nicht ganz ohne Nachwirkung geblieben. So fanden, wie aus Lyon ge meldet wird, dort infolge der Zwischenfälle in Auteuil Kundgebungen und Zusammenstöße statt, welche die Polizei zum Einschreiten veranlaßten. Gegen 15 Verhaftungen wurden vorgenommen. Bezeichnend ist ferner eine Meldung, wonach die Maires einiger Ortschaften in dem Departe ment der Saone und Loire ihrem Präfekten mitteilten, daß sie sich dem öffentlichen An- schlagdesRevisionsurteilswider- setzen. * Das Journal' will wissen, die Unter suchung gegen du Paty de Elam werde nur vom militärischen Gesichtspunkt aus geführt werden, und zwar nach Beendigung des Pro zesses Dreyfus vor dem neuen Kriegsgericht. In der Verhandlung soll die Rolle feftgestellt Der Polizei verfallen. Lj Erzählung von Philipp Galen. (Fortt tzungy „Guten Tag, meine Herren!" sagte der Mann mit einer höflichen Neigung seines großen und mir von Augenblick zu Augenblick mehr imponierenden Kopses. „Nicht wahr, ich habe das Vergnügen, in einem von Ihnen den Herrn stackiosno msäieinao M ... vor mir zu sehen, wenigstens habe ich diesen Namen draußen auf der Karte an der Thür gelesen?" „Ja, ich bin Wilhelm M. . .," sagte mein Freund, „was steht Ihnen zu Diensten und mit wem habe ich die Ehre zu reden?" „Das werde ich Ihnen sogleich sagen," sprach der Fremde, in harmloser und ruhigster Weise mit dem Kopf freundlich nickend, „aber da ich sehe, daß Sie da bei fleißiger Arbeit sind, ob gleich es ein schöner Sommertag ist, bin ich ge- nötiat, gleich von vornherein zu erwähnen, daß ich Sie leider bei dieser Arbeit stören muß. Das läßt sich aber nun einmal nicht ändern, und da ich gern jeden Genuß mitnehme, den mir das Leben bietet, und bemerke, daß Sie eben Kaffee kochen, so lade ich mich zu einer Tasse bei Ihnen ein, und da Sie auch rauchen, und zwar einen ziemlich gmen Kanaster, so erlauben Sie mir wohl, daß ich Ihnen auch dabei Gesellschaft leiste und mir eine nicht minder gut duftende Zigarre anbrenne, sobald wir nur erst etwas genauer miteinander bekannt geworden sind, was meinem Wunsche und meiner Erfahrung nach gewiß nicht lange dauern wird." Mein Freund und ich sahen uns, schon werden, welche er im Jahre 1894 und später im Jahre 1898 mit Esterhazy gespielt hat. Du Paty de Elam werde gewiß vor dem Kriegsgericht in Rennes erscheinen. * Oberst Picquart ist am Freitag nach mittag freigelassen worden. Er reiste sofort nach Ville d'Avray. * Dreyfus wurde am Freitag früh auf dem Dampfer „Sfax" in Cayenne nach Frank reich eingeschifft. England. * Die Beziehungen zwischen England und Transvaal geben fortgesetzt zu gespannter Aufmerksamkeit Anlaß. Besonders bemerkenswert erscheint, daß in London selbst seitens offizieller Persönlichkeiten die Konferenz in Bloem fontein als erfolglos geblieben bezeichnet wird, während man in Pretoria sich nicht nur viel vorsichtiger ausdrückt, sondern auch die er zielte Verständigung als ziemlich weit gediehen bezeichnet. Holland. *Auf der Friedenskonferenz hat der Unterausschuß der ersten Kommission (Ab rüstung) am Montag die Beratung des russischen Antrags begonnen, der dahin zielt, während einer Frist von 10 Jahren die Herstellung von neuenSchußwaffen zu untersagen, jedoch mit der Maßgabe, daß die Staaten ihre Rüstungen so vervollständigen können, daß sie mit den am besten ausgerüsteten auf gleicher Stufe stehen. Der niederländische Militärver treter beantragte, diese Frist auf Mrs Jahre zu beschränken. *Jn den letzten Tagen hat zwischen den Regiemngen der Großmächte und deren Bevoll mächtigten eine lebhafte telegraphische Korrespon denz über die Frage der Einrichtung eines permanentenSchiedsgerichtes statt gefunden, wobei sich, wie es heißt, bei diesen Mächten übereinstimmend die grundsätzliche Ge neigtheit zur Annahme dieser Institution kund- gegeben habe. Spanien. *Wie der Ministerpräsident Silvela ge äußert haben soll, hat Spanien für seine Inseln anfangs 40 Millionen Pesetas haben wollen. Das sei aber nicht zu erreichen ge wesen. Rußland. * Auf diedeutsch-russischeFreund- schäft hat der Z ar m einem Schreiben an den General-Adjutanten Graf Paul Schuwa low zu dessen 50 jährigen Offiziersjubiläum hingewiesen. Es heißt darin: Mein unvergeß licher Vater, der Ihre schönen Talente hochschätzte, ernannte Sie zum Botschafter bei dem deutschen Kaiser. In dieser hervorragenden Stellung er warben Sie die allgemeine Sympathie und trugen viel dazu bei, die auf gegenseitiges Ver trauen gegründete Freundschaft mit der benach barten Großmacht fester zu gestalten. Balkanstaaten. * Die massenhafte Auswanderungder Mohammedaner aus Kreta hält an. Nach amtlichen Mitteilungen haben bisher 17000 Personen der mohammedanischen Bevölkerung Kretas die Insel verlassen. Der Sultan hat sich mit großem Nachdruck dagegen ausgesprochen, die Leute zwangsweise nach Kreta zurückzu schaffen. Der Ministerrat hat dagegen genaue Anordnungen zur Ansiedelung der Auswanderer in den verschiedenen kleinafiatischen Vilajets ge troffen, wozu seitens des Sultans eine Unter- stützungssummc von 10 000 türkischen Pfund an gewiesen wurde. Dieses Vorgehen wird voraus sichtlich die Auswanderungslust der mohamme danischen Kreter noch weiter steigern. Ans dem Reichstage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die zweite Lesung der Vorlage über die Jnvaliditätsversicherung fort und genehmigte die 88 67—130 größtenteils in der Fassung der Kommission. Angenommen wurde eine Resolution zu Gunsten eines einfacheren Ver fahrens bei der Auszahlung der Renten. Dagegen wurden die von der Kommission eingefügten Be stimmungen, nach denen die Versicherungsanstalten befugt sein sollten, für ihre Bezirke oder für be stimmte Berufszweige oder Betriebsarten Vorschriften zum Schutz der Arbeiter gegen gesundheitliche Ein ¬ während diese Worte mit dem behäbigsten und freundlichsten Lächeln gesprochen wurden, über aus verwundert an. Wir konnten den Mann, der sich so ohne weiteres und in der unge zwungensten Weise zum Kaffee bei uns einlud und schon auf eine Zigarre Anspruch machte, noch bevor wir wußten, wer er war und was ihn zu uns führte, nicht recht begreifen, und das mochte er ziemlich deutlich auf unsern Gesichtern lesen, denen ein solcher Mann noch niemals gegenübergestanden hatte, denn er fuhr sogleich zu reden fort und sagte: „Doch, ich sehe, Sie sind über meinen un erwarteten Besuch und die Art und Weise, wie ich mich bei Ihnen etwas unzeremoniös einführe, einigermaßen verwundert und über meine Person in völliger Ungewißheit. Dieser immer unbe quemen Situation will ich nun ein Ende machen und Ihnen sagen, wer ich bin und was mich zu Ihnen führt, wobei ich voraussetze, daß Sie mir bei meinem Anliegen entgegcnkommen, ja, mich darin nach besten Kräften unterstützen werden. Ich bin nämlich ein königlicher Polizeirat und heiße Duncker. — Ah," fuhr er nach kurzer Pause und mit einem ungenierten halblauten Auflachen fort, welches mir förmlich durch die Seele schnitt, „Sie haben wohl schon etwas von mir gehört, wenigstens glaube ich, ohne daß ich mich dabei besonders anstrenge, auf Ihren Gesichtern zu lesen, daß mein unbe deutender Name,, wenn auch nicht vom Katheder herab, bereits zu Ihren Ohren gedrungen ist." Mein Freund Wilhelm und ich, wir waren beide nicht nur verwundert und erstaunt, sondern, ehrlich gesagt, im höchsten Grade erschrocken, als flösse zu erlassen und deren Ausführung zu über wachen, nach längerer Debatte gegen die Stimmen des Zentrums und der Sozialdemokraten gestrichen. Am 9. d. wird die zweite Beratung des Invalidenversicherungs-Gesetzes fort gesetzt. Die Paragraphen 135 bis 142 werden ohne Debatte mit einer redaktionellen Aenderung des 8 141b, nach einem Anträge Roesicke, ange nommen, ebenso der Rest des Gesetzes. Nur zum Z 143 wird noch ein Antrag v. Salisch ange nommen, der die Strafandrohung gegen Arbeitgeber auf die Nichtbeachtung von Vorschriften der Ver sicherungsanstalt ausdehnt. Als Art. II beantragen die Abgg. Albrecht und Gen. (soz.) eine Anzahl von Aenderungen zu dem Krankenversicherungsgesetze. Präs. Graf Ballestrem erklärt, es scheine ihm zweifelhaft, ob dieser Antrag überhaupt hier zulässig sei, da er sich nicht mit der Invalidenversicherung, sondern mit der Krankenversicherung beschäftige. Wenn jedoch aus dem Hause kein Widerspruch er folge, wolle er in der Voraussetzung, daß damit kein Präzedenz geschaffen werde, den Antrag zur Beratung zulassen. — Da Widerspruch nicht erhoben wird, begründet Abg. Stadthagen (soz.) den Antrag, der die Ausdehnung des jttankenversicherungsgesetzes auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe, falls den Arbeitern nicht durch landesgesetzliche Vorschriften niindestens die in 8 6 und 7 des ReichS-Kranken- Versicherungs-Gesetzes vorgesehenen Leistungen ge währt werden, verlangt. Der Notlage, in welche vielfach die ostelbischen Arbeiter in Krankheitsfällen geraten, müsse ein Ende gemacht werden. Man habe ja es erst jetzt wieder gehört, daß die Viehställe häufig besser sind als die Arbeiterwohnungen. Auch die Löhne seien erbärmlicher als diejenigen in den Zuchthäusern. Es sei eine wahrhaft nationale Auf gabe, dieser Notlage im Osten einen Riegel vorzu- schieben. Abg. Graf Klinckowström (kons.) lehnt es ab, dem Abg. Stadthagen ausführlich zu antworten. Schlechte Wohnungsverhältnisse gebe es nicht nur im Osten, sondern auch hier in der Nähe von Berlin, wie in den Zeitungen erst in diesen Tagen festgestellt worden sei. Abg. Stadthagen bemerkt, es sei bezeichnend, daß Graf Klinckowström zu Gunsten der Agrarier im Osten geltend mache, daß es auch bei Berlin schieche Wohnungen gebe. Das klinge wie die Aus rede jenes Spitzbuben, der erklärte: Es ist wahr, daß ich gestohlen habe, aber Schulze hat ja auch gestohlen. Abg. Bräsicke (frs. Vp.) stellt fest, daß die Arbeiicr in Ostpreußen sich gut ständen und gut behandelt würden. Ausnahmen kämen ja vor, aber das seien eben Ausnahmen. Die Schilderungen der Sozialdemokraten seien entschieden übertrieben. Abg. Graf Klinckowström gibt seiner Ge- nugthuung darüber Ausdruck, daß auch ein Lands mann aus Ostpreußen von der freisinnigen Partei die sozialdemokratischen Darstellungen zurückgewiesen hat: Redner knüpft daran die Hoffnung, oaß die beiden Parteien in Ostpreußen ihre kleinen Zwistig keiten begraben und Hand in Hand dem groben Un fug der sozialdemakratischcn Agitation kräftig ent- gcgentrcten werden. Abg. Haase (soz.) gibt zu, daß Abg. Bräsicke seine Arbeiter gut behandle und daher auch nicht besonders unter Leutenot zu leiden habe. Graf Klinckowström beschäftige dagegen in großer Zahl russisch-polnische Arbeiter und cs gelinge ihm sehr schwer, einheimische Arbeiter heranzuziehen. Abg. Graf Klinckowström findet es gerecht fertigt, daß die Stimmung gegen ihn unter den Sozialdemokralen gereizt sei, diese fürchteten ihn eben. Diejenigen Leute, die nicht zu der Partei des Abg. Haase gehörten, wüßten ganz genau, was er für seine Leute gethan habe, wie seine Frau Kranke und Alte fast täglich besuche, sogar nachts aufstehe, um ihnen den Arzt zu holen. Ein sozial demokratischer Gutsbesitzer werde schwerlich seinen Leuten ähnliche Wohlthaten erweisen. Abg. Hase erwidert, er habe nur von dem Grafen Klinckowström selbst gesprochen, zu dessm Gemahlin habe er keine Beziehungen. Den Arbeitern Wohlthaten zu erweisen, überlaste er gern dem Herrn Grafen und dessen Parteigenossen. Seine Freunde wollten den Arbeitern zu ihrem Recht ver helfen. Der sozialdemokratische Antrag wird darauf ab - gelehnt. Die von der Kommission vorgeschlagene Resolu tion, welche Vorlegung einer Novelle zum Kranken versicherungs - Gesetz unter 'Verlängerung der Unter stützungszeit von 13 auf 26 Wochen fordert, wird angenommen. Die Beratung einer weiteren Resolution der Abgg. Schädler u. Gen. betr. Vorlegung eines Gesetzes über die Witwen- und Waiscnversorgung, im Anschluß an die Invalidenversicherung wird bis zur dritten Lesung ausgesetzt. wir diesen in ganz Berlin bekannten und seit vierzehn Tagen auch uns geläufigen Namen hörten und nun den in seiner Beamtenmacht und Thatkraft so viel berufenen Mann in höchst eigener Person vor uns sahen. Natürlich mußten wir augenblicklich an den guten Adalbert denken, der eben erst seinen Händen entschlüpft war, und den Besuch des bedeutsamen Polizisten bei uns mit ihm in Ver bindung bringen. Indes half uns der scharf sichtige und schlaue Mann bald selbst über unsere nicht von Schreck freie Verlegenheit fort, indem er mit seltsamer Offenheit und ohne im minde sten von der ihm von der Natur verliehenen Ruhe abzuweichen, zu sprechen fortfuhr, und sagte: „Aha, ja, ich sehe, Sie haben meinen Namen schon nennen gehört und verwundern sich, wie ein so allgemein nicht gerade gefürchteter, aber doch von jungen und unerfahrenen Leuten mit einer gewissen Besorgnis betrachteter Mann zu einem durchaus unbescholtenen und fleißig studierenden Musensohn kommt. Nun ja, das sollen Sie auf der Stelle von mir erfahren, aber fürs erste setzen Sie sich wieder, zünden Sie Ihre vor Verwunderung ausgegaugenen Pfeifen wieder an, und auch ich werde mir nun meine Zigarre anbrennen, — ah, da ist ja schon ein Fidibus." Mit diesen Worten biß er von einer schon hervorgeholten Zigarre mit seinen scharfen Zähnen rasch die Spitze ab, zündete sie an dem brennen den Spiritus unserer Kaffeemaschine an und trat dann an eins der Fenster, dessen einen Flügel er behutsam öffnete, was er, wie wir anfangs Damit ist die zweite Beratung des Jnvaliden- Versichcrimgsgesetzes beendet. Das Gesetz betr. die Verwendung von Mitteln des Reichs-Jnvalidenfonds wird in zweiter Lesung ohne jede Diskussion angenommen. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzes betr. den Gebührentarif beim Kaiser Wilhelm- Kanal. Abg. Brömel (steif. Vgg.) beantragt, die Voll macht des Bundesrats zur Tariffestsetzung nicht um fünf, sondern um drei Jahre zu verlängern. Der Reichstag müsse in der Lage sein, schon früher, als die Vorlage es in Aussicht nehme, ein Wort mitzu sprechen. Staatssekretär Graf Posadowsky bittet, es bei der fünfjährigen Frist zu belassen, da diese unbe dingt noch erforderlich sein werde, um die für die definitive gesetzliche Festsetzung der Gebühren nötigen Erfahrungen zu sammeln. Abg. Gröber (Zentr.) will, um den Reichstag nicht zu lange zu binden, dem Antrag Brömel den Vorzug zu geben. Abg. Graf Limburg-Stirum (kons.) warnt vor zu billigen Tarifen; man mache schon mit den jetzigen ein schlechteres Geschäft, als man gedacht. In der Friststage halte er es für richtiger, die Bewilli gung auf fünf Jahre auszusprechen. Abg. Möller (nat.-lib.) spricht sich für den An trag Brömel aus. Der Antrag Brömel wird darauf ange nommen. Im 8 8 wird nach kurzer Debatte auf Antrag des Abg. Kirsch (Zentr.) die daselbst festgesetzte Geldstrafe auf das Vierfache des hinterzogenen Be trages festgesetzt, also nicht auf das Vier- bis Zehn fache, wie die Vorlage vorschlug. Der Nest wird unverändert angenommen. Debattelos wird in dritter Lesung der Gesetzent wurf über das Flaggenrecht der Kauf fahrteischiffe angenommen. Endlich folgen Wahlprüfungen. Das Mandat des Abg. Rother wird für gültig erklärt, die der Abgg. Graf Carmer und Hennings beanstandet. Das Mandat des Grafen Dönhoff-Friedrichsstein beantragt die Kommission für gültig zu erklären. Auf Antrag Haase beschließt das Haus Rückverwei sung an die Kommission. Beanstandet werden ferner die Mandate der Abgg. Harriehausen, v. Staudy, Hasse, Hilbck, Pauli, Dittrich. Die Wahl des Abg. Lotze-Pirna beantragt die Kommission für ungültig zu erklären. Einen Antrag Liebermann v. Sonnen berg, den Gegenstand von der Tagesordnung ab zusetzen, lehnt das Haus ab. Derselbe Abgeordnete beantragt sodann die Rückverweisung an die Kom mission. Die eine verhinderte Wählerversammlung in Hohnstein sei keinesfalls Grund genug für Kassie rung der Wahl. Im gleichen Sinne äußern sich die Abgg. Oertel- Sachsen, Zeidler, Brockhauscn, wogegen der Antrag der Kommission empfohlen wird durch die Abgg. Lenzmann und Spahn. Der Antrag Liebermann wird schließlich abge lehnt und das Mandat Lotzes für ungültig erklärt, da von Liebermann eine von ihm vorher angedrohte Anzweiflung der Beschlußfähigkeit nicht rechtzeitig an- bringt. — Nächste Sitzung Montag. PrruSnch-r Kandiaa. Am Donnerstag beschäftigte sich das Abgeordneten haus mit Initiativanträgen. Der Antrag des Frhrn. v. Plettenberg betr. Vorlegung einer Novelle zum Jagdgesetz wurde an eine Kommission verwiesen. Der Antrag des Abg. v. Pappenheim (kons.), der die Vorlegung eines Gesetzentwurfs betr. die Für sorge für Arbeitslose verlangt in der Form einer Beteiligung des Staates, der Provinzen und Kreise durch Einführung von Arbeitsnachweisen rc., wurde einer besonderen Kommission überwiesen, und der Antrag des Abg. v. Arnim betr. Vorlegung eine- Gesetzentwurfs zur Beseitigung der Ueberschwemmungs- gefahr insbesondere an der unteren Oder, ging an die Budgetkommission. Im Abgeordnetenhause wurde am Freitag der Gesetzentwurf betr. die Bildung der Wählerabteilun gen bei den Gemeindewahlen in erster Lesung be raten und einer Kommission überwiesen. Minister Frhr. v. d. Recke führte aus, die Vorlage bezweckt einen Ausgleich für die Verschiebungen, die durch die neue Steuergesetzgebung hervorgerufen seien. Man habe als wirksamstes Mittel dm Vorschlag erkannt, die in der dritten Klasse befindlichen, aber mehr als den Durchschnitt zahlenden Steuerpflichtigen der zweiten bezw. ersten Klasse zuzuwcisen. Die Regie rung lege den größten Wert darauf, daß die Vor lage noch in dieser Session zur Verabschiedung gelange. Uon Nah «nd Fern. Glogau. Der jüngst verstorbene Pfarrer Majunke hat in seinem Testament die Armen der Gemeinde Hochkirch zu Erben seines be trächtlichen Vermögens eingesetzt. glaubten, nur deshalb that, um den etwas reich lich im Zimmer schwebenden Rauch ins Freie hinauszulassen, obgleich es, wie wir sehr bald erfuhren, aus einem ganz anderen Grunde geschah. Nachdem er aber einen hastigen Blick nach dem gegenüberliegenden Hause geworfen, kehrte er sich wieder, immer heiter und vertrauensvoll lächelnd, zu uns um, nahm, als ob er schon völlig bei uns zu Hause wäre, einen Stuhl und setzte ihn etwa zwei Schritte vom Fenster ent fernt so hin, daß er, darauf sitzend, sehen konnte, was an den Fenstern des gegenüberliegenden Hauses etwa vorgehen möchte. Kaum aber hatte er sich, uns, die ihn immer verwunderter betrachteten, auf diese Weise den Rücken zukehrend, auf den Stuhl niedergelassen, so sagte er mit unbeschreiblicher Gelassenheit und keinen Blick von der anderen Straßenseite ab wendend : „So, jetzt bin ich fürs erste befriedigt, wenn Sie mir bald eine Tasse Kaffee reichen, und nun kann ich Ihnen in aller Ruhe erzählen, was mich hierhergesührt hat und warum ich gerade Ihnen meinen Besuch zugedacht. Sie verdanken denselben dem Ihnen gegenüberliegenden Hause, und wie ich stets meinem guten Glück vertraue, überall und immer vernünftige Leute zu finden, die mich bei meinen oft schwierigen, immer aber interessanten Unternehmungen gern unterstützen, so that ich es auch diesmal und fand hier auch glücklich einen jungen Mann in Ihnen, noch dazu einen Studenten, die ich über alles liebe, dessen gemütliche Kneipe — Sie entschuldigen diesen studentischen Ausdruck, — überaus günstig gelegen ist, um mir bei meinem heutigen Vor-
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