Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 19.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189908195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18990819
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990819
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-08
- Tag 1899-08-19
-
Monat
1899-08
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 19.08.1899
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Rundschau. Deutschland. *Der Kaiser wohnte am Montag der Denkmalsenthüllung Kaiser Wilhelms >. in Arolsen bei und kehrte sodann nach Wilhelms höhe zurück. * Kaiser Wilhelm wird im September das südlichste Schweden, die Provinz Schonen, besuchen. Schon im vorigen Herbst hatte der Kaiser, wie die ,Berl. Tid.' aus guter Quelle erfährt, die Absicht, das Jagdrevier Snogeholm zu besuchen, mußte damals aber von der Ausführung des Planes abstehen. Jetzt habe der Kaiser dem Grafen Piper auf Snoge holm offiziell seine Ankunft zum 19. oder 20. September anzeigen lassen. Der Aufenthalt dort wäre auf drei Tage berechnet. Nach dem Besuch auf Snogeholm gedenkt der Kaiser, wie es heißt, den Grafen Thott auf Skabersjö zu besuchen, um dort Rehe zu jagen. * Die .Köln. Volksztg.' will aus glaub würdiger Quelle wissen, daß der Kaiser zu dem Vorschläge, die Entscheidung über die Kanalvorlage „auf gelegenere Zeit" zu vertagen, geäußert habe: „Da könnte ich ja gleich abdanken, wenn ich vor dem Ansturm wiche." Die .Voss. Ztg.' will erfahren haben, der Kaiser habe sich einem Vertrauten gegenüber darüber beschwert, das Ministerium betreibe die Dinge vielfach so, daß er p e r s ö nli ch ein - greifen müsse und das Ministerium decke, während doch die Minister ihn decken sollten. Dadurch entstehe, ganz gegen seinen Wunsch, die Vorstellung, daß er sich in alle Ange legenheiten mische. Die,Pos. Ztg.' kündigt gar den Rücktritt desHerrn v. Miquel mit der Begründung an, seine Anwesenheit in Dortmund sei vom Kaiser nicht gewünscht worden. * Prinz Heinrich wird nach dem ,Hannov. Kour.' bei seiner Rückkehr aus Ostasien den Weg über Amerika nehmen. *Nach Uebernahme der Karolinen-, Marianen- und Palau-Inseln durch daS Reich sollen auf den Karolinen-Inseln Aap und Ponape, sowie auf der Marianen-Insel Saipan deutsche Po st an st alten errichtet werden. Damit erhöht sich die Zahl der in der Südsee vorhandenen deutschen Postagenturen auf zehn. Kaiser Wilhelm-Land ver fügt über drei Postanstalten, nämlich in Berlin hafen, Friedrich Wilhelmhafen und Stephansort; auf Neupommern find zwei, in Herbertshöh und Matupi, und die Marschallinseln besitzen eine in Jaluit. Außerdem befinden sich in Apia auf der samoanischen Inselgruppe eine deutsche Postanstalt. * Die Nachrichten über den Wiederbeginn der Unruhen gegen die deutschenMissionare inSüdschantung, insbesondere in Chining, find bisher von dem deutschen Gesandten in Peking, Baron v. Ketteler, noch nicht be stätigt. Die Untersuchung ist noch im Gange. Die chinesischen Behörden wurden auf die nach Deutschland gelangten Meldungen aufmerksam gemacht und auf die Folgen hingewiesen, welche christenfeindliche Ausschreitungen nach sich ziehen müßten. Es soll noch Hoffnung vorhanden sein, daß die bisher mitgeteilten Nachrichten sich ihrem ganzen Umfange nach nicht bestätigen würden, was die katholischen Blätter, denen die be treffenden Nachrichten ja durch die deutschen Missionare selbst zugegangen waren, allerdings bezweifeln. *Neue Versicherungs-Marken sollen nach Inkrafttreten des neuen Verstcherungs- gesetzes vom 13. Juli d. eingeführt werden. ^Zu den bisherigen vier Lohnklassen wird fortan eine fünfte Lohnklaffe treten. Gleichzeitig sollen für sämtliche Lohnklassen nicht nur Versicherungs marken für eine Woche, sondern auch solche für zwei und dreizehn Wochen zur Ausgabe gelangen. Die neuen Werte werden sodann betragen: für Lohnklasse 1 Woche 14 Pf. für I II III IV 20 , 24 , 30 , 36 „ Es bedeutet dies L Wochen 13 Wochen 28 Pf. 182 Pf. 60 ' 390 " 72 „ 468 „ große Geschäfte eine be ¬ deutende Zeitersparnis, da, wie ja aus der Ein führung der neuen Marken schon hervor^ht, nicht mehr wöchentlich, sondern nur alle Drei zehn Wochen bezw. nach Kündigung des ArMts- zerhältnisses „geklebt" werden braucht. Hier durch aber werden die Quittungskarten längere Zeit brauchbar, so daß auch die Polizeiorgane einer bedeutenden Arbeitslast enthoben werden. *Jn neuerer Zeit wird in Zeitungen und auf anderem Wege der Versuch gemacht, deutsche ländliche Arbeiter nach Schweden anzuwerben. Nach vorliegenden Erfahrungen erklärt es die ministerielle ,Berl. Korr.' für rat sam, solche Anerbietungen mit Vorsicht auf zunehmen ; jedenfalls sollten sich auf ein Arbeits verhältnis in schwedischen Landwirtschaftsbetrieben nur Leute einlassen, mit denen ordnungsmäßige Einzelkontrakte und nicht sogen. Massenkontrakte abgeschlossen sind. Oesterreich-Ungarn. * Die ,Neue Freie Presse' erfährt, daß soeben in Wien ein hoher Staatsbeamter wegen Spionage verhaftet wurde. Es ist dies August v. Mosetig, der Oberrevident der Staatsbahnen im Eisenbahnministerium. Er ent wendete die auf dieMobilisierung bezüg lichen, im Eisenbahnministerium liegenden Akten, die er an Ritter v. Prziboworski verkaufte. Dieser ist seit Februar flüchtig und ließ sich seine Pension bis Juni nach Brüssel bringen. Ver wickelt in die Angelegenheit ist auch ein gewisser Przibitzer, der ebenfalls verhaftet wurde. Die Akten wurden an die französische, wahrscheinlich auch an die russische Regierung verkauft. Frankreich. *Der Dreyfus fall spielt sich wie ein Sensationsroman ab. Die dramatischen Auf tritte zwischen dem General Mercier und Casimir Perier sowie zwischen Mercier und Dreyfus find überboten worden durch das Attentat, das auf Dreyfus'Verteidiger, Labori, verübt worden ist und wobei dieser anscheinend schwer verletzt wurde, ohne daß man bisher des Mordbuben habhaft geworden wäre. *Am Montag wurden vom Kriegsgericht die früheren Kriegsminister Cavaignac, Zurlinden, Chano ine und der Aus wärtige Minister Hanotaux vernommen. Alle Aussagen klingen dahin aus, daß Drey fuß schuldig sein müsse. * Von Paris ist durch die Verhaftung Derouledes und seiner Genossen die dumpfe Ruhe mit einem Schlage gewichen, die seit einer Woche über der Stadt lag. Die französische Kapitale ist in Heller Aufregung. Noch vermag man nicht zu beurteilen, ob die Regierung die Maßregel lediglich aus Vorsicht getroffen hat, um einen möglichen Putsch zu verhindern, oder ob die Verschwörung thatsäch- lich soweit gediehen war, daß man zum Schutz der Republik zur Verhaftung der Führer schreiten mußte. England. * In Irland brechen Aufstände aus. In Londonderry kam es zu ernsten Zusammen stößen zwischen Protestanten und Ka tholiken. Die Polizeibeamten, welche ein schritten, wurden von der Menge verletzt. Es wurde die Aufruhrakte verlesen, und Truppen wurden herbeigerufen. Aus Belfast veröffentlichen Londoner Blätter ein Telegramm, worin Einzelheiten über einen Aufruhr gegeben werden, welcher zwischen der Polizei, Soldaten und der Bevölkerung ftattgesunden hat. Es mußten Truppen geholt werden und nur mit großer Mühe gelang es, die Tumultuanten zu zerstreuen, von denen über hundert ver wundet wurden. Auch von der Polizei und den Truppen wurden viele verwundet. Die Bevölkerung verteidigte sich mit Flaschen und Steinen. Rustland. *Die Blätter veröffentlichen einen neuen Erlaß des Zaren, das eine weitere Ein schränkung der Bewegungsfreiheit der russi schen Studenten bezweckt. Alle Hoch schüler, die sich der Anstiftung, der Begünsti gung oder Beteiligung an politischen Verbindungen oder Unruhen schuldig ge macht haben oder in Zukunft machen werden, sollen ohne weiteres relegiert und hierauf un ¬ verzüglich als Gemeine (mit dreijähriger Dienstpflicht) in das Heer eingestellt werden. * Großfürst MichaelMichailowitsch, welcher durch seine Heirat mit der Tochter des Prinzen Nikolaus von Nassau, der Gräfin Sophie Merenberg, am russischen Hofe in Un gnade fiel und erst vor wenigen Wochen durch Vermittelung seines beim Zaren in hoher Gunst stehenden Vaters, des Großfürsten Michael Nikolajewitsch, seinem früheren Regiment, kauka sischen Jägern, wieder zugeteilt wurde, hat, wie jetzt erst bekannt wird, an den Beisetzungsfeier lichkeiten des verstorbenen Großfürsten-Thron- folgers in Petersburg teilgenommen. Es war dies der erste Aufenthalt des Großfürsten in Rußland seit seiner Verheiratung. Balkanstaaten. *Die Verhaftungen in Serbien dauern fort; am Montag wurden wieder 20, meistens Studenten und Handlungsangestellte, festgenommen. Amerika. *Zrr Lage in San Domingo berichten Pariser Meldungen, daß die Stadt Montechristi umzingelt ist. Die Revolution zu Gunsten von Jimenez, eines Agenten der Ver. Staaten, breitet sich aus. Afrika. *Nach der allgemeinen Stimmung in Transvaal sind die Aussichten wenig beruhigend. Die Bemühungen der Friedens- Partei in Pretoria scheinen fehlgeschlagen zu sein und es laufen Gerüchte um von ernsten militärischen Vorbereitungen; die Verhaftung von Uitlanderführern und andere Aufsehen erregende Vorgänge sollen bevorstehen. * Aus der Delagoabai ist die Nacbricht eingetroffen, daß der deutsche Dampfer „Reichs tag" mit Kriegsbedarf für Trans vaal, worunter sich 15 000 Gewehre befanden, am 12. d. angekommen ist. Die Ladung wurde aber auf Befehl der portugiesischen Be hörden festgehalten. Der deutsche Konsul hat vorläufig Einspruch erhoben und sich um Instruktionen nach Berlin gewandt, worüber be trächtliche Aufregung entstanden ist. (Das ist ein ganz völkerrechtswidriger Eingriff der portu giesischen Behörden, denn Transvaal befindet sich nicht im Kriegszustand mit irgend einem Reiche.) Das Rathaus in Dortmund, das nach der amtlichen Eröffnung des Dortmund- Ems-Kanals feierlich eingeweiht worden ist, wird in der Mln. Ztg.' wie folgt geschildert: Noch vor wenigen Jahren bot das alte Rat haus am Markte einen recht unerfreulichen An blick; häßliche Anbauten, stilwidrige Zuthaten hatten es entstellt, der äußere Schmuck war be seitigt oder verwittert, im Innern war der ur sprüngliche Charakter des Baues vollständig verwischt, waren dunkle Büreauräume für das Landgericht und die Verwaltung, war sogar auch eine Zivilarreststube eingebaut. Der rührige Stadtbauinspektor Kullrich in Dortmund ist es vor allem gewesen, der die Bedeutung dieses alten Baues rechtzeitig erkannt, mit unermüd lichem Eifer opferfreudige und kunstsinnige Gönner für die Wiederherstellung geworben und schließlich im Verein mit gleichgesinnten Dort mundern das alte Baudenkmal zu neuem, frischen Leben hat wieder erstehen lassen. Gegen 250 000 Mk. mögen an freiwilligen Beiträgen von den Söhnen der Roten Erde für diesen Zweck beigesteuert sein; den Rest haben die Stadt Dortmund, die Prozinz Westfalen und das preußische »Kultusministerium bewilligt. Im März 1898 ist die Wiederherstellung in Angriff genommen worden, heute ist sie bis auf die letzten Einzelheiten dank der Thatkraft des Regierungsbaumeisters Jacobi, eines Sohnes des Baurats Jacobi, der dem Wiederaufbau der Saalburg im Taunus seine besten Kräfte widmet, im wesentlichen vollendet. Heute steht der alte Bau wieder vor uns in ungefähr der selben Verfassung, in der er etwa um 1220 als steinerne Verkörperung der Machtfülle städtischer Obrigkeit und der Handelsausdehnung Dort ¬ munds erbaut worden war. An der Vorderseite öffnete sich nach dem Markte eine zweiteilige Vorhalle, eine Laube, von der eine Freitreppe sich zur Tuchhalle emporhob. Ein steiles Dach, vorn und hinten mit einem hochragenden Treppen giebel geschlossen, bildete den oberen Abschluß des Gebäudes. Bauinspektor Kullrich schreibt darüber, daß „diese Rathausgiebel im 13. Jahr hundert das waren, was später die Rathaus türme wurden, eine Schaustellung des Reich tums, der Macht und des Selvstbewußtseins der Stadt als Bauherrin; daher finden wir denn auch unseren Rathausgiebel in prächtigster Weise geschmückt mit Fenstern, Blenden, Nischen, Säulen und anderm architektonischen Zierrat." In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurde noch das „Brothaus" angebaut. Mit besonderer Kunstfertigkeit und Sorgfalt war das Innere des großen Ratssaales, die Wandtäfelungen, Truhen, Kamine, Thüren, Thürbeschläge, Schlösser gefertigt; ein Prunkstück ersten Ranges war der vom kölnischen Meister Antonis Venendal 1872 gefertigte Fayencekachelofen, von dem noch eine Reihe schöner Kacheln und Leisten erhalten ist. Ganz hervorragenden Wert endlich haben die etwa in dem letzten Drittel des 14. Jahr hunderts von einem tüchtigen westfälischen Meister angefertigten Wandmalereien, die am Südgievel des Ratssaales unter dicken Tünchschichten neuer dings wieder aufgedeckt und leidlich wieder her gestellt find. In der Mitte fitzt Christus im roten Mantel mit blauer Tunika und mit goldener Strahlenkrone auf einem Thron, in den Händen ein Spruchband mit der Aufschrift: ,^asto jaäieate Mi dominum", darunter auf schwarzem Grunde ein ruhender Löwe mit dem Spruche: ...suswm Mti(eium)", rechts und links daneben zwei schwer erkennbare Figuren, an scheinend Petrus und Paulus mit gleichfalls unter ihnen angebrachten Tieren, das Ganze im Charakter eines Gerichtsbildes gehalten. Jetzt steht. das alte Rathaus wiederum frisch und schön vor uns, die Sandsteinfronten mit ihren Bogen, Thüren, Fenstern und Nischen find ergänzt und erneuert; von der Höhe leuchtet das Sandsteinstandbild Karls des Großen, des Gründers der Stadt, mit vergoldeter Krone und vergoldetem Schwerte und Reichsapfel herab, in Harnisch und Mantel, während als Träger des Konsols, auf dem der Kaiser steht, ein unter jochter Feind in Ketten sich widerwillig unter seiner Bürde krümmt. Auf dem Nebengiebel über dem Brothause schildert ein Fachrelief die Hantierungen eines Tuchhändlers an der Rats- Wage und des Bäckers über dem Spruch: „Wäget richtig und gleich, so werdet ihr glücklich und reich," während an der Seite die letzte Maus aus dem nunmehr endgültig aufgegebenen Kornspeicher, der ihr keine Nahrung mehr bietet, ins Freie springt. Im Innern aber sehen wir die alle mittelalterliche Herrlichkeit wieder neu belebt, eine prächtige Holzdecke wölbt sich über dem großen Saal, der reich mit bildnerischem Schmuck, mit stilgemäßem Hausgerät, mit farbenreichen Glasgemälden, mit gewaltigen bronzenen Beleuchtungskronen, mit einer holz geschnitzten Mufiktribüne ausgestattet ist. Das Erdgeschoß darunter soll die Kunstschätze des Dortmunder Museums aufnehmen. Im Keller geschoß endlich wird eine Wirtschaft mit stilvoller Ausstattung eingerichtet werden zum Zeichen dessen, daß auch der hohe Rat der Stadt mit der Hochhaltung des Spruches einverstanden ist, daß auf schwere Arbeit fröhliche Feste folgen sollen. Don Uah und Fer«. Schlettstedt. Die Hohkönigsburg im Elsaß ist dem Kaiser im vorigen Jahre geschenkt wor den. Jetzt hat der Gemeinderat von Schlett stedt beschlossen, dem Kaiser zu der Hohkönigs burg auch eine Fläche Wald von 5 Hektar zu zuschenken. Poseu. Die Regierung drohte dem Hotel besitzer Kurczewski in Schmiege! und seinem Bruder, dem Hauptlehrer in Deutsch-Presze, je 150 Mk. Geldstrafe an, wenn sie nicht ihren alten Namen Kurze weiterführen. Der Hotel besitzer Kurze, jetzt Kurczewski, beantragte die gerichtliche Entscheidung. Der Körseukörng. 1Ss Roman von Karl Ed. Klopfer. (F^tsctzung.) Erst nach geraumer Zett schritt John Archer die verkehrsreiche Straße hinab und immer weiter, ohne sich anderswo mehr aufzuhalten. Er ging sehr schnell; es fror ihn wohl in seinem dürfti gen Gewand. Der Winter hatte sich ja unge wöhnlich früh eingestellt. Draußen in der Vor stadt stieg er endlich in eine wenig einladend aussehende Kellerkneipe hinab. Er grüßte die dicke Wirtin, die hinter dem schmutzigen Büffelt saß, mit einem vertraulichen Kopfnicken und warf halblaut die Frage hin: „Ist der Schlosserlude schon da?" Die würdige Dame, die keine Freundin von vielen Worten zu sein schien, bejahte nur mit einem Senken der Augenlider und zeigte mit einer Nadel ihres Strickzeuges nach einer kleinen verhangenen Glasthür im dunkelsten Hintergrund des Schenkzimmers. Als John Archer das kleine Hinterzimmer betrat, fuhr ein athletisch gebauter Mann von der Bank auf, auf der er bisher langgestreckt gelegen hatte. „Ah Kapitän!" flüsterte er, soweit seine rauhe Stimme dies zuließ. „Nun, was hat's gegeben ?" Der Kapitän antwortete erst, nachdem er sich aus der auf dem Tische stehenden Kümmel flasche ein Gläschen eingeschenkt und mit einem Schluck zu Gemüte geführt hatte. „^U rixütl Ich hoffe, das Ding läßt sich machen." Dann rückten sie zusammen und führten Kopf an Kopf eine lange Unterredung mit so ge dämpfter Stimme, daß auch ein im selben Zimmerchen befindlicher Lauscher kaum eine Silbe hätte vemehmen können. * . * Am Abend traf Snoward in dem kleinen Empfangssalon, der zu den Familiengemächern des Hauses gehörte, nur den Freiherrn. Er war als Mann der Pünktlichkeit genau um die angesagte Stunde gekommen, und das war nach der vornehmen Sitte — zu früh. Herr von Ellerich schien aber darüber sehr erfreut zu sein. Er führte den Gast wie von ungefähr in sein Arbeitszimmer hinüber und zog ihn in eine leb hafte Unterhaltung, — um ihm die Zeit nicht lang werden zu lassen. Selbstverständlich lenkte sich das Gespräch bald auf das Geschäftliche. Worüber hätte man mit einer Persönlichkeit wie dieser Amerikaner auch reden sollen? Der Baron versicherte, daß er sich für die gewaltigen Pläne Mr. Sno- wards ungemein interessiere, ließ feine Schmeicheleien einfließen und fragte plötzlich: „Sagen Sie 'mal, ich höre von einem Ver waltungsrat der Lombard- und Kreditgesell schaft, daß Sie die Bildung einer Aktiengesell schaft zur Errichtung einer neuen Binnenschiff fahrt planen. Ich könnte Ihnen da — durch die Landesbank nämlich — wohl an die Hand gehen." „Sehr verbunden." „Und Sie wissen, so gut ein Unternehmen auch fundiert sein mag, an dessen Spitze Mr. Snoward steht, — das letzte Wort in der Sache hat der Handelsminister zu sprechen. Sie kennen nun den Einfluß, den unsere Bank hier geltend machen könnte . . ." Ellerich brach ab und sah den Amerikaner fragend an, aber der schien nicht zu verstehen oder — wollte nicht verstehen. Der Baron mußte sich also entschließen, klarer zu werden. Er schob seinen Stuhl dicht an den Mr. Sno- wards heran und entwickelte ihm nun eine über aus geistvolle Kombination. Snoward hörte ihn ruhig an und nickte nur zuweilen zum Zeichen der Zustimmung. „Ganz recht," sagte er dann in seiner eisigen Art; „wenn ich Ihren Namen unter den Einzeichnungen zum Garantiefonds auf führe, ohne in Wirklichkeit die subskribierte Summe zu empfangen, so ist das zwar — inkorrekt, aber wir folgen damit nur einer längst bestehenden Praxis, die sich über lästige For malitäten hinwegzusetzen gelernt hat." Ellerich verzog ein wenig das vornehm durch geistigte Gesicht. „Ich hoffe, Sie hegen keine Bedenken. Sie wissen ja, wenn mir durch meine vielverzweigten Engagements und durch die momentane Konstellation der Börse auch keine flüssigen Kapitalien zur Verfügung stehen, so hafte ich doch mit meinen Liegenschaften hier in der Residenz und draußen im Lande." „Die allerdings auch nicht mehr Wert haben als jene nominelle Beteiligung an einem imagi nären Garantiefonds." Ellerich fuhr auf. „Wer sagt das!" „Die verschiedenen Hypothekengrundbücher," erwiderte Snoward trocken. „Ah! Ich — ich fürchte, Sie — sind doch nicht ganz richtig informiert ..." „O doch, Herr Baron! — Verzeihen Sie, Sie werden aber begreifen, daß ich mich über alle in Betracht kommenden Momente und — Persönlichkeiten unterrichten mußte. Die beiden größten jener Unternehmungen, bei denen Sie wirtlich mit Ihrem Vermögen beteiligt find, stehen so gut wie vor dem Bankrott." Ellerich erbleichte, der Amerikaner aber fuhr gelassen fort: „Ihre Ehrenstellung an der Spitze der Landesbank kommt nur insofern in Be ttacht, als sie Ihnen einen gewissen Halt nach Außen hin gibt und dazu behilflich ist, jenen erwähnten gefährlichen Unternehmungen einen täuschenden Schleier umzuhängen. Wie lange aber noch?" „Mr. Snoward, ich — ich bin fassungslos darüber, wie Sie — so — wie soll ich sagen? — so — pessimistisch über ..." „Vergeben Sie mir meine Offenheit! Aber jetzt zwingen Sie mich dazu. Ich wollte Ihnen heute, als Sie bei mir waren, meine Ansichten noch verschweigen. Allein es ist gewiß besser, wenn wir uns ohne Rückhalt aussprechen." Sno ward stand auf und legte die ausgebrannte Zigarrette in den Aschenbecher. „Wenn cs auch noch nicht offenkundig ist, so weiß ich es doch durch meine Beziehungen und eingehenden Be rechnungen: Sie sind ruiniert, Herr Baron!" Ellerich wollte sprechen, seine Lippen er bebten, jedoch nur wortlos unter einem krampst haften Lächeln. Mit nervöser Hand wischte er sich den Schweiß von der hohen kreideweißen Stirn. Der Amerikaner trat dicht an ihn heran.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)