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Allgemeiner Anzeiger : 16.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189908167
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18990816
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990816
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-08
- Tag 1899-08-16
-
Monat
1899-08
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.08.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Bei der Feier der Hafen- undKanal - Einweihung in Dortmund richtete Ober bürgermeister Schmieding eine Ansprache an den Kaiser, in der er unter Hinweis auf die einmütige Begeisterung der Bevölkerung der Hoffnung auf den Schutz des Staates bei der schwierigen Lage der Kanalverhältnisse Ausdruck gab. Der Kaiser erwiderte hierauf, er wäre gern früher gekommen, die Sorge um seine hohe Gemahlin habe ihn zurückgehalten. Der eben be sichtigte Kanal erscheine als ein Teilwerk; er und die Regierung seien festundunerschütter- lich entschlossen, weiterzugehen, er hoffe, daß die Volksvertretung noch in diesem Jahre ihn in die Lage versetzen werde. * Einer amtlichen Mitteilung an den Stadt vorstand zufolge kommen der Kaiser und der Großherzog von Hessen am 21. August zur Truppenschau nach Mainz; im Palais findet Militärtafel statt, nachher Besuch bei der Großherzogin auf Schloß Wolfsgarten bei Darm stadt, von wo die Rückreise nach Kassel erfolgt. * Ueber den Zeitpunkt des Besuches des Kaisers in England find in der englischen Presse verschiedene Angaben verbreitet. Nach der neuesten Version wird sich der Kaiser im November nach England begeben. Dem .Daily Graphic' wird diese Zeitangabe aus Windsor als richtig bezeichnet und dabei ergänzt, daß der Besuch des Kaisers bei der Königin Viktoria eine Woche dauern werde. * Die dem Reichs - Versicherungsamt vor liegenden Nachweisungen der Rechnungsergebnisse der Berufsgenossenschaften auf das Jahr 1898 weisen wieder vielfach eine Zu nahme der entschädigungspflichti ge n Unfälle gegen das Vorjahr auf. Für diese Zunahme find die verschiedensten Gründe maßgebend, einer der wichtigsten ist indessen die infolge des wirtschaftlichen Aufschwunges der Industrie notwendig gewordene Einstellung un geübter Arbeiter. Wie sehr gerade dieser Umstand gewirkt hat und noch wirkt, wird recht deutlich und zahlenmäßig in dem Geschäftsbericht der rheinisch-westfälischen Hütten- und Walzwerks- Berufsgenossenschaften dargelegt. Die Zahl der ständigen Arbeiter im Bezirk der ganzen Ge nossenschaft ist von 58 Prozent im Jahre 1896 auf 54,2 Prozent im Jahre 1898 gesunken, am tiefsten in der Sektion II der Genossenschaften, und zwar von 52,7 auf 48,2 Prozent. Hier fand also der größte Arbeiterwechsel statt und in ihr ist denn auch die Zahl der Unfälle von 10,3 auf 13,3 für je 1000 Arbeiter gestiegen, während in der ganzen Genossenschaft die Un fälle sich von 10,2 auf 10,9 pro Mille gesteigert hatten. *Eine erweiterte Zulassung von Stadttelegrammen bestimmt eine Ver fügung des Staatssekretärs des Reichspostamts. Nach einer Verfügung vom Juni v. find Stadt- telegramme in Orten mit nur einer Telegraphen anstalt und ferner Telegramme nach dem Land bestellbezirke des Aufiieferungsorts an Empfänger zugelassen, welche das Zusprechen der für sie eingehenden Telegramme mittels Fernsprechers beantragt haben. Diese zunächst versuchsweise getroffene Einrichtung hat sich bewährt und soll deshalb dauernd beibehalten werden. Die Be schränkung hinsichtlich der Telegramme nach dem Landbestellbezirk fällt weg, so daß also von jetzt an die Aufgabe vom Stadttelegraphenamt nach dem Landbestellbezirke der Aufgabeanstalt allge mein zulässig ist. Für die durch Boten nach dem Lande abzutragenden Telegramme sind neben der Gebühr für Stadttelegramme die wirklich entstehenden Weiterbeförderungskosten bei der Auflieferung zu erheben. Sind diese Kosten nicht bekannt, so ist die Hinterlegung eines angemessenen Betrages vom Auflieferer zu fordern. *Eine einheitliche Warenhausfteuer ist auch für Sachsen geplant. Wie Dresdener Blätter berichten, wird dem im Herbst zu sammentretenden sächsischen Landtage seitens der Staatsregierung eine Vorlage betr. eine Umsatz steuer auf Warenhäuser und Konsumvereine zu gehen. Aus diesem Grunde hat der Rat zu Dresden sowie zahlreiche andere Stadtgemeinden die Beratungen über diese Frage vorläufig aus gesetzt. Oesterreich-Ungar«. * Die Altkatholiken von Graz be schlossen, samt und sonders zum Prote stantismusüberzutreten. Die Ursache des Uebertritts ist, daß die Statthalterei sich weigerte, ihre Konstituierung zu einer altkatholischen Filialgemeinde von Wien zur Kenntnis zu nehmen, weil die Altkatholiken ohne vorherige Genehmigung des Ministeriums vorgingen. Von Wien war für die neue Filialgemeinde der Hilfsprediger Joseph Ferk nach Graz gesendet worden. Dieser mußte auf Begehren der Statt halterei sofort abberufen werden. Frankreich. * Sonderbarerweise ist über die viertägigen Geheimverhandlungen des Kriegs gerichts in Rennes nichts Besonderes an die Oeffentlichkeit gekommen. Beide Parteien aber tragen große Siegesgewißheit zur Schau. Am Montag endlich sollten die öffentlichen Verhandlungen beginnen. Balkanstaaten. *Der wegen Mitschuld an dem Atten tate gegen König Milan verhaftete russische Chemiker Sadomski ist auf freien Fuß gesetzt, jedoch aus Serbien ausgewiesen worden. Sadomski erklärte, er werde in einer Audienz beim Zaren über die grausame Behand lung während seiner Kerkerhaft Klage führen. Die Gefängniswärter mißhandelten den Ge fangenen, um Geständnisse zu erpressen. *Jn Serbien macht es der Regierung doch viele Mühe, Beweise gegen die der Ver schwörung Angeklagten zu sammeln. Nament lich gegen den Gesandten Pasitsch scheint so gut wie garnichts vorzuliegen. Außer seiner persönlichen Bekanntschaft mit dem angeblich arg bloßgeftellten Obersten Nikolitsch wird gegen ihn nur ein in seiner Wohnung vorgefundenes Photogramm jenes Briefes Milans an den ver storbenen Kaiser Alexander III. ins Treffen ge führt, in dem sich ersterer nach Empfang der vielbesprochenen zwei Millionen Rubel unter Ehrenwort feierlich verpflichtete, niemals in seinem Leben nach Serbien zurückzukehren. Diesen Brief scheint Pasitsch seiner Zeit in Petersburg, wo er damals Gesandter war, photographiert zu haben; zur Begründung seiner Teilnahme an der „Verschwörung" ist dies nun offenbar ein sehr magerer Beweis. Amerika. * Der Plan der Gründung eines südameri- kanischen Staatenbündnisses scheint bisher noch nicht fallen gelassen zu sein. Nach einer in New Dork aus Rio de Janeiro einge troffenen Depesche wird dort trotz gegenteiliger Meldungen versichert, der Präsident der argen tinischen Republik General Roca wolle über ein Bündnis zwischen Argentinien, Brasilien und Chile verhandeln, und die Präsidenten der ge nannten drei Länder würden im September in Buenos Ayres eine Zusammenkunft haben. Afrika. *Die Regierung von Transvaal sucht die Entscheidung über den Vorschlag der englischen Regierung in betreff Einsetzung einer gemischten Kommission möglichst hinaus zuschieben. Das .Reutersche Büreau' be richtet aus Pretoria vom Mittwoch, die Antwort der Regierung von Transvaal auf die Depesche des Ministers Chamberlain sei noch nicht ab gegangen. Die Regierung sähe die Angelegen heit als so wichtig und weittragend an, daß sie es für rätlich halte, den Gegenstand in weitere reifliche Erwägung zu ziehen. Es würde mög licherweise eine Woche vergehen, bis eine end gültige Antwort abgehe. Australien. * Ueber die Friedensversammlung zwischen den beiden feindlichen Parteien auf Samoa wird abschließend berichtet: Nahezu 400 Häuptlinge der Mataafa- und der Malietoa- Partei waren anwesend. Es waren strenge Maßregeln getroffen, um die Weißen fernzu halten; nicht einmal die Mitglieder der vor läufigen Regierung durften zugegen sein, und nur der Sekretär der Kommission sowie die Kapitäne des „Badger" und des „Cormoran" waren zugelassen. Man war über diese Ge heimhaltung einigermaßen überrascht, da die Einzelheiten des neuen Regierungssystems berefts seit Wochen allgemein bekannt waren. Tripp, der amerikanische Kommissar, gab eine klare Darlegung der Aenderungen, welche die Kom mission zu dem Berliner Vertrage Vorschlägen will, und äußerte die Hoffnung, daß von nun an Friede auf Samoa herrschen werde. Mataafa war wegen Unwohlsein abwesend, ließ aber brieflich seine Unterwerfung unter die Wünsche der Kommission kundgeben. Das Schreiben machte einen großen Eindruck. Ehe die Ver lesung zu Ende war, gingen die Mataafaleute auf die Gegner zu und wechselten mit den leitenden Häuptlingen der letzteren warme Hände drücke. Am andem Tage kamen 26 Häuptlinge und Vertreter beider Parteien mit den Kom missaren an Bord des „Badger" zusammen und unterzeichneten eine Erklärung, daß sie das neue Regierungssyftem unterstützen würden. Ueber dir Stimmung de» Zaren wird der,Jntemat. Korrespondenz' aus Kopen hagen geschrieben: „In allen dem Hofe und der Regierung nahestehenden Kreisen bilden die Gerüchte über die angeblichen Abdankungspläne des Zaren und die Reise Delcassös nach Peters burg den ausschließlichen Unterhaltungsstoff. Die vielleicht das Richtige treffende und zumeist verbreitete Beurteilung ist dabei folgende: Daß sich der Zar mit den Gedanken der Thron entsagung trage, ist als ausgeschlossen anzu sehen; dagegen ist es eine unbestreitbare That- sache, daß Kaiser Nikolaus im höchsten Grade verstimmt und hinsichtlich des bisherigen Ganges der auswärtigen Politik sehr enttäuscht ist. Und aus diesem Grunde dürfte sich sehr bald ein tiefgehender Wechsel in der russischen Politik vollziehen. Der Zar ist ebenso empfindlich als mißtrauisch, was man ganz besonders in Kopen hagen erfahren hat. An regelmäßige Besuche desselben am dänischen Hofe denkt niemand mehr, und das Verhältniß zwischen dem Zaren und seinem Oheim, dem dänischen Kronprinzen, hat jede Herzlichkeit verloren. Den Grundzug der augenblicklichen Stimmung des Kaisers Nikolaus kennzeichnet man dahin, daß derselbe jede Bündnispolitik Rußlands als zwecklos an- fieht, gleichviel ob ein Bündnis auf einer dynastischen oder politischen Interessengemein schaft beruhen würde. Seine bisherige Politik beruhe auf den Gedanken, die Gegensätze der europäischen Feftlandsmächte zu mildem, um gemeinsam die Uebermacht Englands zur See in Schranken halten zu können. Dieses Be streben erwies sich jedoch als völlig aussichts los, da sich ein aufrichtiges Zusammengehen der festländischen Großmächte als unmöglich heraus stellte. Deshalb will der Zar auf derartige Vereinbarungen oder Bündnisse gänzlich ver zichten und die russische Politik einzig auf Ruß land selbst stützen. Dasselbe werde sowohl am Balkan, als auch in Vorder-, Mittel- und Ost- afien seine Interessen durch die eigenen Macht mittel allein und genügend stutzen. Die Schwen kung des Zaren bedeute somit eine Absage des französischen Bündnisses, ohne daß jedoch da durch eine andere Macht irgend etwas gewinnen könne. Anderseits würde die russische Politik bald wieder einen stark-panslawistischen Zug zeigen, wie dies bereits durch das Eingreifen des Zaren in die Leitung der slawischen Wohl- thätigkeitsgesellschaft angekündigt sei." Wir reproduzieren die obige Auslassung mehr der Kuriosität halber, als weil wir derselben eine weitere Bedeutung beimessen. Der Inhalt derselben hat bereits durch die Art und Weise, wie der Besuch Delcassös in Petersburg im politischen Sinne ausgebeutet wird, eine ebenso gründliche, wie überzeugende Widerlegung ge funden. Kon Uah «nd Fern. München. Der Geburtstag des Herzogs Karl Theodor in Bayern wurde am 9. d. im Schloß Pfaffenhofen in aller Stille begangen. Die Mitglieder des Königlichen Hauses, voran der Prinz-Regent, hatten telegraphische Glück wünsche gesandt. Solche waren auch vom deutschen Kaiserpaare und anderen Fürstlichkeiten eingelaufen. Briefe und Telegramme in großer Zahl aus den verschiedensten Kreisen und zum Teil aus weiter Ferne bekunden die freudige Teilnahme, die dem Herzog überall entgegen gebracht wird. Bad Nauheim. Der Fürst von Bulgarien ist mit großem Gefolge zum Kuraufenthalt hier angekommen. ' Königsberg. Die Bernsteinwerke an der ostpreußischen Küste in Palmnicken find am '1. Juli in den Besitz des Staates übergegangen. Wie die bisherigen Inhaber im Jahresbericht der Königsberger Kaufmannschaft mitteilen, wur den auf den Werken 1898 im ganzen 1150 Per sonen beschäftigt. Es wurden 1898 gewonnen 4000 Zentner Bernstein aus dem Bergbau, daS find 100 Zentner weniger als im Vorjahr, und 100 Zentner Bernstein durch Stechen, Schöpfen und Lesen, d. h. genau ebenso viel wie im Vorjahr. Braunschweig. Gegen 100 Soldaten, meist 92 er, find, laut ,Magdb. Ztg.', unter fieberartigen Erscheinungen erkrankt. Bis auf weiteres wurde das Baden verboten. Nahrungs» und Okerwasser-Untersuchungen find angeordnet worden. Dresden. Das Meißener Porzellan wird auf der Weltausstellung in Paris in zahlreichen kostbaren Prunkstücken, sowohl aus dem vorigen Jahrhundert wie aus der Gegenwart, ver treten sein. Heidelberg. An der hiesigen Universität legte die frühere Lehrerin Fräulein Bertha Kipf- miller aus Nürnberg das Doktorexamen ab. Sie erlangte nach einem Studium von sechs Semestern den Doktortitel eum lauäe in Ger manistik, Sanskrit und vergleichender Sprach wissenschaft. Ihre Dissertation behandelte „Iffland und seine Lustspieltechnik". Dessau. Den Tag ihrer Rückkehr aus dem dänischen Kriege begingen die hiesigen noch lebenden Kriegskameraden am Montag nach mittag im Restaurant „Askania" durch eine ge mütliche Familienzusammenkunst. Es hatten sich dazu 15 der 70 jährigen Kämpfer, die vor nun mehr 50 Jahren mit dem preußischen Heer im Bataillon Anhalt zur Befreiung Schleswig- Holsteins ausgezogen waren, vereinigt. Groh-Lichterfelde. Zwei Einbrüche find in der Nacht zum Donnerstag hier in der Bäke straße verübt worden. Der Dieb suchte zu nächst den Gastwirt Friedrich heim, that sich gütlich an saurem Aal, Oelsardinen und Eier kognak, erleichterte die Ladenkasse um 22 Mark und erbrach und plünderte dann noch die Auto matenkasse. Nachdem er hiermit fertig war,v schnitt er an der gegenüberliegenden Badeanstalt " von Schultz ein Gazefenster aus, stieg mit einer Leiter in das hohe Erdgeschoß ein und stahl aus einer Stube, in der Frau Schultz schlief, eine goldene Uhr. Bevor er sich auf demselben Wege wieder entfernte, leerte er noch eine Schüssel Blaubeeren. Bremen. Der 20jährige Sohn einer hie- figen Familie litt an dem Wahn, daß er einen Vogel im Nacken hätte. Er war darum längere Zeit in einer Nervenheilanstalt, wo die Aerzte auf die Idee verfielen, auf diese Wahnvorstellung einzugehen, um so eine Heftung zu versuchen. Das gelang auch über Erwarten gut. Sie brachten dem eingebildeten Kranken eine Schnitt wunde im Nacken bei und badeten in dem Blut einen eingefangenen Vogel, den sie dann dem Kranken als seinen Vogel zeigten. Zusehends besserte sich nun der Zustand des jungen Diannes, schon nach einiger Zeit konnte er als geheilt entlassen werden. Volle zwei Jahre lebte er nun als ruhiger Mensch bei seinen Ange hörigen. Ms aber dieser Tage in fröhlicher Gesellschaft dem jungen Mann der wahre Sach verhalt der Operation mitgeteilt wurde, verfiel er wieder in seinen früheren Wahn und mußte abermals einer Nervenheilanstalt übergeben wer den. (Hundstagsphantafie?) Tondern. In Leck hat sich am Sonntag ein 83jähriger Mann mit einer 62jährigen Witwe verlobt. Der Börsenkönig. 12j Roman von Karl Ed. Klopfer. Ns-'rti-tzimg.i „Getroffen, mein lieber Johnny, aufs Haar getroffen," war die ruhige Entgegnung. „Du wirst dir doch nichts anderes einbilden?" „Na siehst du, jetzt kommst du doch endlich in die richtige Tonart!" „Wenn du mich noch einmal duzest, du Lump, so schlage ich dir dies Lineal um die Ohren," sagte Snoward so einfach wie möglich. Jetzt erschien wieder die Zahnlücke im fletschen den Gebiß des Mulaten. „Ja wie denn? Ich dachte, du oder Sie wollten sich wieder an unser altes Verhältnis erinnern, an die liebe Zeit, wo wir in Kali fornien unter einem Zelt geschlafen haben. Nannten Sie mich da nicht Ihren guten Freund? Und habe ich Ihnen nicht viele Dienste er wiesen ?" „Für die ich dich früher oder später auch immer gut bezahlt habe." „Meinen Sie? — Nun, auf jeden Fall glaube ich, daß Ihnen diese alte Freundschaft noch so viel wert sein wird, um mir jetzt, wo ich im Pech fitze, auf die Strümpfe zu helfen." Bei der Betonung der „alten Freundschaft" blinzelle der Bursche gar schlau. Aber auf Sno- ward schien dieser vertrauliche Wink keinerlei Eindruck zu machen. „So ? Und eben hast du dich gebärdet, als wäre es dir nicht darum zu thun. Ich wußte es ia, du willst Geld." „Ja, aber nicht ein lumpiges Almosen, wie Sie es dem nächstbesten Bettler hinwerfen." „Sieh' da! Kann ich Ihnen vielleicht mit einem Check auf Rothschild dienen, Herr Kapitän?" Die Ruhe des Amerikaners schien den Mulaten zu ermuntern. Er ließ sich gemütlich in einen Sessel nieder und bettachtete die Ein richtung des Zimmers, die im zierlichsten, elegantesten Rokokostil gehalten war. „Sie find ein schauderhaft reicher Mann ge worden, wie man mir sagte. Bei Ihnen fieht's aus wie bei einem Fürsten. Na ja, ich habe Ihnen so 'was auch immer zugetraut. Sie hatten von jeher einen anstelligen Kopf und ein — Schweineglück. Dem armen Johnny aber war's anders beschieden. Na, ich will Ihnen die Erzählung meiner wechselvollen Schicksale ersparen." „Ich danke für diese Rücksichtnahme." Sno ward putzte sich die Nägel. Man sah, daß er nach diesem letzten Toilettengeschäft entschlossen war, der Szene ein Ende zu machen. John Archer beeilte sich daher, auf den Kern seiner Eröffnung zu kommen. „Vor zehn Tagen ist uns der Impresario durchgebrannt. Mir blieb er eine ganze Monats gage schuldig. Ich habe keinen Kredit mehr — kurz ich bin fertig, denn der Wirt hat mir meine Instrumente und Kostüme gepfändet, ohne die ich mir auch nichts mehr verdienen kann. Da führte mir ein glücklicher Zufall in der Zeitung Ihren Namen vor Augen. Und — da bin ich." Pause. Snoward feftte sorgsam an seinen Fingerspitzen und that von Zeit zu Zeit einen Blick aus dem Fenster. „Wissen Sie, Mr. Snoward," flüsterte Johnny elegisch und so zart, als enthülle er nur widerstrebend ein Geheimnis, „wissen Sie, daß ich beim buchstäblichen Verhungern angekommen bin und schon — an Selbstmord gedacht habe ?" Snoward gähnte. „Sie langweilen mich, Herr Kapitän. Möchten Sie nicht machen, daß Sie hinauskommen?" „Ich — ich war nahe daran — zu stehlen," ächzte Johnny verzweifelt. „Schade, daß du's nicht gethan hast, mein Junge, und es nicht schon drüben gethan hast, denn da hätte man dich vielleicht kurzerhand aufgehängt." Der Mulatte sprang mit einem wütenden Hohnlachen auf. „Ja, ich begreife, daß Ihnen das wohl ge paßt hätte! Sie wissen wohl, ich könnte Ge schichten erzählen..." „Sie Dummkopf, Sie werden doch nicht glauben, daß ich mich vor Ihnen fürchte?" „Na, Sie haben doch da drüben nicht immer reine Hände gehabt?" rief Archer, immer leiden schaftlicher werdend. „Und wenn Sie auch so weit mit allen Hunden gehetzt waren, daß Sie der Sheriff-nicht geradezu beim Kragen nehmen konnte, so dürfte es Ihnen hier, in diesem Lande, wo Sie als Gentleman auftreten und als Kauf mann von absolutem Ruf, und wo Sie auf das Vertrauen des ganzen Volkes spekulieren — so sage ich, wird es Ihnen hier doch Schaden thun, wenn man erfährt, was für reelle und ange sehene Geschäftszweige Sie schon abgegrast haben, ehe Sie als Millionär den Ehrenmann spielen konnten." Jetzt erschien ein Lächeln auf den schmalen Lippen des Bankiers ein unbeschreibliches Lächeln. „Was glauben Sie, mein Ritter vom ehren vollen Gewerbe, was würde das für eine Wir kung hervorbringen, wenn Johnny Archer, der schmutzige Negerjunge, der es vom Auswärts- eines Arbeiterkosthauses und vom Goldgräber und — Gelegenheitsdieb in Kalifornien bis zum — Hanswurst eines Tingel-Tangels ge bracht hat, wenn diese edle Seele unter der Hand allerlei Verdächtigungen gegen Ralph Tobias Jefferson Snoward ausstreuen wollte?" „O ! Ich thäte das nicht so unter der Hand, am Wirtshauslische. Es gibt ja noch Zeitungen, für die man schreiben kann." „Seit wann kannst du denn schreiben, d« Aufschfleider? Du hast nie etwas anderes gelernt, als die Finger krumm zu machen: zum Klimpern, zum Tellertragen, zum Trinkgeld nehmen oder — zum Mausen. Und glaubst du, auch der skandalsüchtigste Winkeljournalist wäre so albern, aus einer so vertrauenerwecken den Quelle zu schöpfen, wie es dein schmutziges Mohrenmaul ist? Du hältst mich wohl für einen Strohkopf, der nicht wüßte, daß du viel mehr alle Ursache hast, dich hier auf dem frem den Boden still zu verhalten und dünn zu machen, wenn du nicht Gefahr lausen willst, daß man dich als einen Tagedieb und Vaga bunden nach Amerika zurückbefördert." Johnny schlug im Nu um, von seiner drohen den Haltung war keine Spur mehr zu sehen. „Na, sehen Sie," wimmerte er kläglich, „wie bedauernswert ich bin!" „Scher' dich zum Teufel!"
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