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Allgemeiner Anzeiger : 23.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189908233
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990823
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-08
- Tag 1899-08-23
-
Monat
1899-08
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 23.08.1899
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Politische Rundschau. Teutsckland. * Der Kaiser wohnte am Freitag der Ent hüllung des Denkmals der Gefallenen des 1. Garde-Regiments zu Fuß bei S t. Privat bei. Am nächsten Tage begab sich der Monarch nach Diedenhofen zur Truppenschau. * Der Kaiser hat, wie aus Mainz ge meldet wird, einen feierlichen Empfang durch Ansprache und Ehrentrunk bei seinem bevor stehenden Besuche dankend ab gelehnt, da derselbe einen rein militärischen Charakter trage. Für die Ausschmückung der Straßen hat der Stadtrat 4000 Mt. bewilligt. *Jn diesem Frühjahr weilten Prinz Albrecht von Preußen und die ver witwete Königin Marie von Han nover gleichzeitig zur Kur in Karlsbad. Von neuem taucht nun das Gerücht auf, daß eine Heirat zwischen dem ältesten Sohne des Prinzen Albrecht, dem Prinzen Friedrich Heinrich, der 25 Jahre alt, als Rittmeister im Garde-Dra- goner-Regiment steht, und der Enkelin der Königin, der Prinzessin Marie Luise von Cumber land, welche am 11. Oktober ihr 20. Lebens jahr vollendet, geplant sei. * Auf unseren neuenSüdsee-Jnseln wird die Fl a g g e nh i s s un g voraussichtlich Ende September stattfinden. Eine Madrider Nachricht der ,Köln. Ztg.' besagt, daß am 22. d. der K iegsdampfer „Alava" von Manila nach den Karolinen abgeht, um die spanischen Be satzungen zurückzuziehen und die Inseln dem dorthin gesandten deutschen „Kormoran" zu übergeben. Der spanische Kommandant ist er mächtigt, denjenigen Soldaten, die dies wünschen sollten, den Uebertritt in deutsche Dienste zu ge statten; sie gehören meist dem Macabebastamm an. Die „Alava" hat nebenbei den Auftrag, so dicht wie möglich an der Küste von Luzon entlangzufahren, um zu sehen, ob sie bei der Gelegenheit vielleicht noch einige Spanier, die aus der Gefangenschaft der Tagalen entflohen find, an Bord nehmen oder unterstützen kann. * Angesichts der Möglichkeit der weiteren Ausbreitung der Pest von Portugal aus find zwischen den beteiligten Reichsbe hörden Verhandlungen wegen Maßnah men gegen die Einschleppung der Seuche in das Reichsgebiet eingeleitet worden. * Wie über die anderen Einzeletats des Reichshaushalts für 1900 finden jetzt auch kommissarische Beratungen über den Reichs- marine-Etat statt. Im Flottengesetz find für Schiffsbauten und Armierungen 356,7 Mll. Mk. bewilligt. In der ungefähren Höhe von 62 Millionen wird man die Forde rungen für 1900 beim ordentlichen Etat der ein maligen Ausgaben der Marineverwaltung zu erwarten haben. * In parlamentarischen Kreisen wird ange nommen, daß das preußische Abge ordnetenhaus Mitte nächster Woche das vorliegende Material erledigt hat. Alsdann soll wieder eine Pause eintreten, bis vom Herren hause die abgeänderten Vorlagen eiugegangen find. Das Herrenhaus wird seine Arbeiten am 29. August wieder aufnehmen. Oesterreich-Ungar«. *Die Zusammenkunft des Grafen Goluchowskimit dem Fürste n Hohen lohe soll noch in den letzten Tagen des August erfolgen. Der Reichskanzler kehrt am 26. d. nach Aussee zurück. Graf Goluchowski trifft am 28. d. im kaiserlichen Hoflager in Is chl ein und erstattet dem Kaiser Bericht. Der Graf begibr sich dann zum Fürsten Hohenlohe nach Aussee. Frankreich. * Am Donnerstag kam Oberst Picquart als Zeuge im DreyfuSprozeß zu Worte. Picquart ist bekanntlich überzeugt, daß Esterhazy das belastende Bordereau geschrieben hat und sucht dies in seiner Aussage nachzuwcisen. Interessant ist, daß sich abermals ein Schrift stück, auf das sich General Mercier bezog, als Fälschung herausgestellt hat. Es ist das ein Brief des österreichischen Militär-Bevollmächtigten Oberst Schneider, der von Ems aus in einer Depefche an den ,Figaro' die' Fälschung auf deckte. * Freycinet telegraphierte an den,Demps', er werde, falls er nicht als Zeuge in dem Renner Prozeß vorgeladen werde, über die ihm von Mercier zugeschriebene Aeußerung, daß aus Deutschland und England 35 Mil lionen für die Dreyfuskampagne ge kommen seien, anderweitig Aufklärung geben. * Der Eigentümer des kürzlich von den Eng ländern aufgebrachten französischen Fischerbootes „Seestern" hat jetzt dem Marineamt in Boulogne seinen Bericht erstattet. Er erklärt, wie der,Post' gemeldet wird, daß an dem unglücklichen Verlauf des Vorfalls nur die Brutalität der Engländer schuld sei, und daß das Boot auch ganz gut ohne den Verlust eines Menschenlebens hätte gekapert werden können. Portugal. * Das Auftreten der Pest in Portugal muß Besorgnisse erwecken, da die Krankheit sich auch nach der Hauptstadt verbreitet hat. Nach einer in Washington eingegangenen Depeiche des Konsuls der Vereinigten Staaten in Lissabon find daselbst sünf Fälle von Pest vorgekommen. Rußland. * Der Petersburger Korrespondent des »Daily Telegraph' meldet, die Kaiser von Ruß land, Deutschland und Oesterreich würden im Oktober in Skiernewice in Russisch-Polen zusammentreffen. (An anderen Stellen weiß man davon nichts.) Amerika. *Dem Vernehmen nach ist ein Vertrag zwischen Brasilien, Argentinien und Chile abgeschlossen worden, nach welchem alle Meinungsverschiedenheiten zwischen den drei Staaten durch Schiedsspruch erledigt und die Landesverteidigungskosten der drei Länder herabgesetzt werden sollen. Asien. *Von den Philippinen war kürzlich schon eine Meldung eingetroffen, die von einer Wiederaufnahme der Operationen durch die Amerikaner hinwies. Jetzt wrrd weiter be richtet, daß Oberst Smith mit 10 Kompanien Infanterie und 2 Kanonen 25000 Filipinos an griff, die unweit Angeles eine starkverschanzte Stellung innehatten. Die Insurgenten wurden nach heißem Kampfe geschlagen. Die Amerikaner besetzten die Stadt. Zwei Amerikaner wurden getötet, 12 verwundet. Der Verlust der Filipinos wurde auf 200 Tote und Verwundete geschätzt. — Derartige „siegreiche" Gefechte der Amerikaner find freilich nach dem schließlichen Ausgange der früheren Kämpfe mit starker Vorsicht aufzunehmen. Preußischer Landtag. Am Donnerstag beendete das Abgeordnetenhaus die zweite Lesung der Kanalvorlage. In der Dis kussion polemisierte Minister Thielen gegen die gestrigen Ausführungen des Abg. Grafen Ballestrcm und führte aus, daß, wenn der Kanal jetzt abgelehnt werde, er später doch, aber teurer, gebaut werden müsse. Man habe dem Lande dann nur die Vor teile des Kanals ungebührlich lange vorenthalten. Das Haus trage für das Scheitern die Verantwortung, nicht er, er habe seine Schuldigkeit gethan. Das ablehnende Votum der Polen begründete Aba.w. Jazdzewski mit der schlechten Behand le der polnischen Landesteile durch die Regierung uuo mit dem Mangel an Kompensationen, wie man sie Schlesien gewähren wolle. An sich werde die Bedeutung des Kanals von seinen Parteifreunden anerkannt. Landwirtschaftsminister Frhr. v. Hammerstein betonte die absolute Einmütigkeit im Staatministerium und legte dar, daß die Landwirtschaft vom Kanal keine Schädigung, sondern eher eine Förderung er fahren werde Als letzter Fraktionsredner trat für die freisinnige Volkspartei der Abg. Wiemer für den Kanal ein. Finanzminister v. Miquel trat in Form einer „Nachlese", wie er sagte, für die Vorlage ein, um den Konservativen zu Gcmüte zu führen, daß sie bisher ohne Rücksichtnahme auf die Finanzen für die Regulierung der Flußläufe eingetrcten seien. Den Darlegungen des Eisenbahn-Ministers, daß der Kohlenverkehr im Ruhrgebiet von den Eisen bahnen nicht mehr bewältigt werden könne, und der Militärverwaltung über die militärische Bedeu tung des Kanals, sollte man doch mehr Beachtung schenken. Ein Unternehmen, an dem jahrelang ohne Widerspruch des Landtages gearbeitet worden sei, könne nicht aufgegeben werden: die Entscheidung des Hauses sei somit eine hochwichtige und ernste Sache und könne nicht ohne Folgen bleiben. Selbstver ständlich könne die Entscheidung über das „Was nun?" erst nach dem Votum des Hauses getroffen werden. Abg. Schmieding (nat.-lib.) hoffte, es werde nicht ein Teilstück, sondern der ganze Mittellandkanal angenommen werden. Darauf wurde die Diskussion geschlossen. In namentlicher Abstimmung wurde nicht nur der Mittel landkanal, sondern auch der Rhein-Dortmund-Kanal abgclchnt, letzterer wider Erwarten mit 212 gegen 209, also nur mit drei Stimmen. Der Mittelland kanal (vom Dortmund-Ems-Kanal bis zur Elbe) wurde bei 65 Stimmenthaltungen mit 228 gegen 126 Stimmen ebenfalls abgelehnt. Zur Annahme gelangte nur ein neuer vom Abg. Graf Strachwitz beantragter, vom Minister Thielen empfohlener 8 6a (Kompensationen für Schlesien) im Wege des „Ham melsprungs" mit 217 gegen 180 Stimmen, und der Schlußparagraph 8, der bestimmt, welche Minister das Gesetz durchführen sollen. Die Annahme der beiden Paragraphen, durch welche die dritte Lesung ermöglicht wurde, wurde von großer Heiterkeit be gleitet. Auf eine Anfrage des Abg. v. Kardorff erklärte der Präsident, daß die dritte Lcsnng der Kanalvor lage bereits am 19. d. stattfinden solle, vorausgesetzt, daß Freitag die Beratung der wegen der Kanal vorlage und der Weser-Regulierung mit Bremen, Lippe und Braunschweig abgeschlossenen Staatsverträge beendet werde. Im Abgeordnetenhause wurde am Freitag auf An trag des Abg. Bachem (Ztr.) oie zweite Beratung der Staatsverträge zwischen Preußen, Bremen, Braun schweig und Lippe wegen Kanalisierung der Weser von Hameln bis Bremen von der Tagesordnung abge setzt, da man über diese Verträge erst verhandeln könne, wenn das Schicksal der Kanalvorlage fest- stehc. Auf die Interpellation der Abgg. Ning (konf.) und Gen.: „welche Maßnahmen gedenkt die königl. Staatsregicrung zu ergreifen, um dem durch die Ueberschwemmungen der Spree eingetretenen Notstand abzuhclfen?" erklärte der Landwirtschaftsminister Frhr. v. Hammerstein, ebenso wie schon im Herrenhanse, daß die Regierung Maßnahmen gegen den Notstand iw. Spreegebiete teils bereits getroffen, teils vorbe reitet habe. Es dürfte bereits dem nächsten Landtage eine Vorlage zugeben, durch welche den betr. Miß ständen dauernde Abhilfe geschaffen werden würde. Der Minister teilte auch mit, daß bereits ein Projekt zur Regulierung der unteren Havel ausgearbcitet vorliege. Eine Bemerkung des Abg. Schall (kons.) „ehe man Hunderte von Millionen für einen Kanal fordere, sollte man doch das Näherliegende mit einigen hunderttausend Mark berücksichtigen", veranlaßten den Abg. Goldschmidt (frs. Vp.), zu sagen, daß er aus der Debatte den Eindruck gewonnen habe, „als wollten die Konservativen diese Interpellation nur dazu benutzen, um Stimmung gegen den Mittellandkanal zu machen." Nach Erledigung der Interpellation folgte die Beratung des in abge- Snderter Fassung aus dem Herrcnhause zurückge langten Gesetzes betr. Schutzmaßregeln im Quell gebiete der linksseitigen Zuflüsse der Oder in der Provinz Schlesien. Das Abgeordneten haus hatte die Kosten zu je einem Drittel auf Ge meinde, Provinz und Staat verteilt. Das Herren haus hat die Provinz bei der Kostenverteilnng frei gelassen und ein Drittel der Kosten der Gemeinde, zwei Drittel dem Staate auferlegt. Nachdem Münster Frhr. v. Hammerstein erklärt hatte, die Beschlüsse des Herrenhauses würden für die Regierung unan nehmbar sein, wurde auf Antrag des Abg. Sehdel (nat.-lib.) die Wiederherstellung der Fassung des Abgeordnetenhauses beschlossen. Die Vorlage muß nun an das Herrenhaus zurückgehen. Schließlich Wurde noch das Gesetz betr. die Landesbank in Wiesbaden debattelos in erster und zweiter Lesung angenommen. Krim Heinrich in Maße«. Die bevorstehende Heimkehr des Prinzen Heinrich gibt Anlaß, durch einen Rückblick auf die Ereignisse in Ostafien während der letzten zwei Jahre die Bedeutung der prinzlichen Mission zu würdigen. Vor der Ankunft des Prinz- Admirals war das Ansehen des deutschen Namens, die Anerkennung deutscher Thätigkeit bei Japanern und Chinesen im Steigen; un verkennbar hat der seeerfahrene Hohenzollern- prinz wesentlich zur Stärkung des deutschen Prestige, zur Förderung der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands beigetragen. Das neue Pachtgebiet Kiautschou bildete den Ausgangs punkt aller Kreuzfahrten und Unternehmungen. Die „Deuschland", die mit wenigen Ausnahmen auf den Fahrten des Prinz-Admirals als Flagg schiff diente, lief stets von Tsintau aus und kehrte dorthin zurück. Es ist geradezu erstaun lich, welchen unermüdlichen Eifer der Prinz be kundete, um nicht nur die Repräsentationspflichten an den Höfen in Peking, in Chemulpo, in Tokio zu erfüllen, sondern vor allem die Plätze kennen zu lernen, wo deutscher Handel und deutsche Industrie blühen, und die deutsche Flagge auch dort zu zeigen, wo sich für deutsche Unter nehmungen günstige Aussichten eröffnen. In dieser Beziehung war die Fahrt nach dem Amurgebiet im August 1898 von hervor ragendster Bedeutung. Nach dem Besuch von Karssokowsk und Alexandrowsk auf der Insel Sachalin dampfte Prinz Heinrich nach Chabo- rowsk und Wladiwostok. Im Amurgebiet ist die deutsche Schiffahrt in gedeihlichem Auf schwung. Von ähnlicher Bedeutung war die Reise nach der deutschen Kronkonzesfion Hankow am Ianksekiang. An Bord des „Gefion" be gab sich der Prinz 584 Seemeilen landeinwärts, um den wichtigsten Handelsplatz kennen zu lernen, wo deutsche Männer und deutsche Tüchtigkeit bereits Anerkennung gefunden haben, und um der deutschen Flagge auf dem Jangt sekiang die ihr gebührende Stellung zu ver schaffen. Vor und nach diesen bedeutsamsten Expedi tionen des Prinzen fanden Besuche im Hinter lande Schantungs, auf Korea, in Japan statt. Der Prinz hat sämtliche Häfen Chinas, Koreas, Japans und Sibiriens angelaufen, in denen deutsche Interessen in Frage kommen, oder sich für die deutsche Kaufmannschaft günstige Aus sichten eröffnen. Alle mündlichen und brief lichen Mitteilungen aus Ostafien bekunden, daß durch die prinzliche Mission das Ansehen Deutschlands in jenen Gebieten gestiegen ist, der Absatz deutscher Waren sich vermehrte, und der deutsche Schiffsverkehr außerordentlich zuge nommen hat. Der Prinz-Admiral ist den ge waltigen Anstrengungen in jeder Beziehung ge wachsen gewesen. Die Kopfverletzung, die der Prinz in Schanghai bei dem Stapellauf der „Bremen" im Old Dock durch einen herab- fallenden Holzkeil erlitt, war ohne jeglichen Nachteil für den unermüdlichen Seefahrer. Die kaiserliche Anerkennung erfolgte im Frühjahr durch die Ernennung zum Chef des Kreuzer geschwaders. Dank dem persönlichen Ansehen hat Prinz Heinrich zum Ausgleich mancher Gegensätze in Ostasien beigetragen. Die prinz liche Expedition wird für die deutschen Inter essen im fernen Osten von bleibendem Erfolge sein und auf lange Jahre hinaus gute Früchte zeitigen. Kon Uaß «ad Fern. Primkenau. Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein hat mit Rücksicht auf die günstige Entwickelung seiner beiden Eisenhütten werke, „Henriettenhütte" und „Friedrich Christian hütte" Anweisung gegeben, den Hüttenbeamten für den Monat August das doppelte Gehalt, sämtlichen Hüttenarbeitern aber und den auf den Hütten beschäftigten Frauen 10 v. H. des Monatsverdienstes am 9. September auszu zahlen. Drofsen. Der Unfall während einer Artillerieschießübung in der Gegend von Drossen, wo durch vorzeitiges Zerspringen von Granaten mehrere Artilleristen vom Fuß-Artillerie-Re giment Nr. 4 verwundet wurden, wird in mili tärischen Kreisen lebhaft besprochen. Es handelte sich um eine kriegsgemäße Uebung, weshalb der Vorfall um so schwerer ins Gewicht fällt. Die beteiligten Generale ließen bekanntlich das Schießen sofort abbrechen, obwohl nur erst wenige Schuß gefallen waren. Aus den danach aufgesammelten Bruchstücken ersah man, daß die Geschosse aus Spandau stammten. Es wird eine strenge Untersuchung darüber eingeleitet, wie es möglich war, daß derartige Geschosse von den Werkstätten zur Benutzung herausgegeben werden konnten. Naumburg. In der sogenannten „Teufels höhle" südlich von der Stadt wurde eine starke Soolquelle in 623 Meter Tiefe erschlossen. Der Korsenkönig. 14) Roman von Karl Sd. Klopfer. IFrrNqung.) Ellerich seufzte mehrmals hinter seiner Ser viette und seine Bemühungen, die peinvolle Stimmung dieses Familiensoupers zu heben, erhielten immer mehr den Anschein des Krampf haften. Snoward aber schien alles mit Gleichmut hinzunehmen; er sah aus wie immer, ebenso entfemt vom Wohl- wie vom Mißbehagen. Für sein nervenloses Gleichgewicht gab es keine Störung. Er scheute sich sogar nicht, beim Dessert ganz unumwunden zu fragen, warum die Baronesse in so übler Laune sei. Elvira zeigte sich erstaunt; sie wisse nicht, daß sie irgendwie verändert sei. „Was hätte ich auch für Ursache?" lachte sie spöttisch. „Ich bin so wohl wie immer und vollbringe mein gewohntes Tagewerk. Vor mittags Ausfahrt, ein paar Besuche bei Damen, die ich nicht ausstehen kann, nachmittags ein wenig Spazierenreiten unter dem einförmig grauen Herbsthimmel, kurz alles wie gewöhn lich ; dieselben lächelnden Gesichter, dieselben faden Komplimente und die alten Gedanken über das Ganze." Ellerich biß sich verzweifelt auf die Lippe. Was sie da sagte, war gegen einen Gast ja geradezu ungezogen. „Ich begreife Sie, Baronesse," sagte Sno ward langsam; «es fehlt Ihnen an eigentlicher Bewegung." Elvira lehnte sich mit ironischer Miene in ihrem Stuhl zurück. „Sie begreifen — was mir fehlt?" Sie hätte hinzusetzen können: „Dann find Sie allwissend, denn ich weiß selber nicht, wo nach ich verlange." Zugleich legte sie sich in Gedanken auch schon die Frage vor: „Habe ich überhaupt ein Verlangen? Gibt es etwas, wonach ich mich sehnte?" Und ihre Lippen legten sich im Trotz aufeinander, in ihren Mundwinkeln erschien etwas wie finstere Gehässigkeit. Der Freiherr, der sie besorgt im Auge behielt, fürchtete, sie würde eine weitere bittere Aeußerung thun, und beendete das so wenig heitere Mahl, indem er sich erhob. „Ah, mein Kind! Willst du uns nicht ein wenig — durch Musik erfreuen? Das wird dich auf angenehmere Gedanken bringen, und ich habe dich schon so lange nicht spielen hören." Die Bitte war so dringlich, daß Elvira nach kurzem Zögern ihr nachzugeben beschloß. Viel leicht war es ihr auch selbst lieb, sich auf andere Gedanken zu führen. Sie eilte ins Nebenzimmer, und gleich darauf hörte man durch die Portiere die rauschenden Klänge eines wilden Marschmotives. Ha, wie das schmetterte und dröhnte! Man merkte, daß dieses virtuose Spiel keinen Noten gehorchte, daß es der Ausdruck eines erbitterten Gemütes war. So wie die Hände über die Tasten stürmten, hätten sie wohl eine ganze Welt zer trümmern mögen. Snoward folgte der Baronesse alsbald. Die Musik schien ihn zu interessieren. Auch der Baron schickte sich an, das Neben zimmer aufzusuchen, und lud seinen Sohn mit einer Handbewegung ein, dasselbe zu thuu. Doch der Husar schüttelte den Kopf und hielt sich mit einer Grimasse die Ohren zu. „Nein, Papa, ich habe nicht Lust, mein Trommelfell die üble Laune des Schwesterchens büßen zu lassen. Uebrigens ist es spät genug — ich muß ins Kasino." „Aber wenn ich dich ersuche, zu bleiben? Die Rücksicht auf unseren Gast . . ." „Ist doch für mich nicht vorhanden! Ich habe den Herrn nicht geladen, und du siehst, er kann auch ohne mich fertig werden. Und über haupt sehe ich nicht ein, warum ich eigentlich mit diesem protzigen Plebejer viel Umstände machen soll . . ." „Schweig!" zischte Ellerich, einen Blick nach dem Vorhang werfend, der das Nebengemach vom Speisezimmer trennte. „Ich sehe mit Be dauern, daß du für mich nicht einmal deine Kartenpartie opfem willst. Du bist durch und durch ein Egoist." Guido zuckte mit einem häßlichen Lächeln die Achseln. „Ach Papa, nur keine sentimentalen Tirade»! Hältst Du es, aufrichtig gesagt, nicht ebenso wie ich? Kümmerst du dich dämm, ob mir dies oder jenes in unserem Hause paßt? Wir leben doch jeder ganz auf eigene Faust, du hast mir neulich sogar die Bezahlung des kleinen Wechsels von dem — Dingsda verweigert, indem du dich darauf beriefst, daß ich von meinem mütter lichen Erbteil genug Rente beziehe, um meine Ausgaben selbst bestreiten zu können. Und ich mußte mich kümmerlich behelfen. War das von dir väterlich gehandelt?" Ellerich wandte sich mit einer zornigen Be wegung ab, und Guido verabschiedete sich durch ein nachlässiges Kopfnicken, sich im Hinausgehen eine Zigarrette anzündend. Als der Baron allein war, ließ er sich mit einem leisen Stöhnen wieder auf seinen Stuhl nieder. Da drinnen besänftigten sich jetzt die Tonwellen und gingen allmählich in ein zer streutes Phantasieren über. Das war so recht dazu angethan, einen unmhigen Geist in aller lei düstere Winkel zu locken. Ellerich hörte nur unbewußt auf die Musik, er vergaß, daß er Ge sellschaftspflichten hatte; den Ellbogen auf dem glänzenden Tisch, die Stirne müde in die Hand gestützt, brütete er mit finsterem, starrem Blick vor sich hin. Dies kostbare Silberzeug, auf dem sein Auge ruhte, diese ganze Pracht hier im Zimmer, im Hause, draußen auf den Herrensitzen, die mit ungeheuren Schulden belsistet Waran — wozu das Alles ?" Geschaffen und zusammengetrugen, um das Leben behaglich und üppig zu machen, diente der Prunk jetzt nur noch dazu, die Welt über die wahre Lage des Freiherrn v. Ellerich zu täuschen. Und wie war es denn nur so weit gekommen? War es nicht eigentlich unbegreif- wie er in dies schlimme Fahrwasser geraten war, während er doch stets seinem Glück entgegenzu segeln glaubte? — Glück? Ja, hatte er es nötig gehabt, ein materielles Glück noch zu suchen? Er hatte von jeher Ansehen genossen, der Erbe eines alten Namens und eines respektablen Vermögens. Als seine Frau noch gelebt, da
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