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Allgemeiner Anzeiger : 09.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189908097
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- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-08
- Tag 1899-08-09
-
Monat
1899-08
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 09.08.1899
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Volitische Rundschau. Deutschland. *Die Kaiserin mit den kaiserlichen Kindern ist am Freitag von Berchtesgaden nach Wilhelmshöhe übergefiedelt, woselbst auch der Kaiser Wilhelm aus Kiel eintraf. * Der Reichskanzler hat ein neues Verzeich nis der Reichsgrenzstationen, nach denen die Transporte ausgewiesener Ausländer zu leiten sind, aufstellen lassen. Bei Ausweisungen nach Dänemark kommen danach je 4 Stationen zu Lande und zur See in Betracht, bei denen nach Norwegen un mittelbar eine (Hamburg) , mit Berührung Schwedens eine (Saßnitz), über Dänemark mit oder ohne Berührung Schwedens 8, bei denen nach Schweden 3 unmittelbar und 8 mit Berührung Dänemarks, bei Ausweisungen nach Rußland 33, nach Oesterreich-Un garn 39, nach der Schweiz 9, nach den Niederlanden 13, nach Belgien 2, nach Luxemburg 3 und nach Frank reich 4. *Die Auszahlung der 17 Millionen Mark, für welche Deutschland die Karolinen erworben hat, an Spanien soll sofort nach der feierlichen Ueber- gabe des Gebiets an Deutschland erfolgen. Ob die Zahlung in Berlin oder in Madrid ge schieht, steht noch nicht fest. * Die während der jüngsten Unruhen auf Samoa von deutschen Reichs- angehörigen erlittenen Schäden stellen sich jetzt doch als geringer heraus, als anfäng lich angenommen wurde, wenigstens betragen nach der ,Köln. Ztg.' die bisher gemeldeten Fordemngen nur 300 000 M. * DieBörsensteuer hat im ersten Viertel des laufenden Etatsjahres einen Ertrag von 10,1 Millionen M. abgeworfen und damit immer noch ein Mehr von 0,7 Millionen gegen das Vorjahr aufzuweisen gehabt, das bekanntlich gegenüber dem Etatsanschlage gut abgeschnitten hat. Für 1899 ist dieselbe Hoffnung bei der Börsensteuer um so mehr berechtigt, als der Etat nahezu 1V- Millionen Mk. weniger in Ansatz bringt. Es find für die ganze Jahreseinnahme 28,8 Millionen Mk. in Aussicht genommen. Die Einnahme für das erste Jahresviertel würde also bereits mehr als einem Drittel des er warteten Ertrages entsprechen. Es kann schon auf Grund der bisherigen Erträge als wahr scheinlich angesehen werden, daß die Börsen steuer für 1899 den Etatsansatz überschreiten und somit auf die G e st altun g derReichs - finanzen auch diesmal günstig ein- wirken wird. *Das Preuß. Ministerium des Jnnem läßt während der nächsten großen Truppen übungen eine Untersuchung darüber anstellen, ob ein Mißverhältnis zwischen den Leistungen der Quartiergeber und der durch die Militärverwaltung gewährten Entschädigung und in welchem Umfange dasselbe besteht. Veranlassung dazu dürfte u. a. ein Bittgesuch der mittleren und kleineren Städte Badens gegeben haben, welches durch die badischen Kammern dem dortigen Ministerium zum Zweck entsprechender Antragstellung beim Bundesrat überwiesen wurde. * Der Verein der deutschen Zuckerindustrie hatte beim Bundesrat die Anträge gestellt, den Verkauf von S a c ch arin in die Ap o - theken zu verweisen und über die Verwendung von Saccharin zu Nahrungsmitteln von neuem ein Gutachten des kaiserlichen Gesundheitsamtes einzuholen. Der Bundesrat hat, wie in dem soeben veröffentlichten Jahresbericht des Vereins mitgeteilt wird, beschlossen, den Eingaben keine Folge zu geben. * Bayrischen Blättern zufolge suchten bereits 77 Richter wegen der bevorstehenden Einfühmng des Bürgerlichen Gesetzbuches um ihre Pensionierung nach. Frankreich. *Mü welchen Mitteln die Dreyfus- gegner arbeiten, beweist folgende Er klärung des früherenKriegsministers General Mercier. Mercier erklärt seinen Freunden, er werde in Rennes sagen: ,,1894 Der Körsenkönig. 10) Roman von Karl Ed. Klopfer. , IFcitfteung.) Elvira ließ sich sonst keine Vorschriften darüber machen, wer sie geleiten oder sonst eine zeremonielle Gunst von ihr genießen sollte; der Freiherr hatte es auch nicht ge wagt, sie zu einer Begünstigung dieses Ame rikaners zu veranlassen, an dessen Freund schaft ihm so viel lag, und siehe da! jetzt machte sich das Ding von selber. Das ftciherrliche Vaterherz geriet dem sonst so eigensinnigen Kinde gegenüber in eine zärtliche Wallung- Mitten in dem heiteren Wirrwarr eroberte sich Snoward mit eherner Ruhe die beiden Plätze für sich und Elvira. Er bediente sie mit großer Aufmerksamkeit und bedächtige: Ehr erbietung, als verrichte er bannt ein sehr ver antwortungsvolles Geschäft. Und Elvira ließ sich seine Dienste in bester Laune gefallen. Es machte ihr Spaß, alle die erstaunten, neid erfüllten, gekränkten Gesichter derjenigen zu sehen, die auf das Vergnügen ihrer Nachbarschaft ge rechnet hatten. Ja, diese albernen Salon löwen! In Mr. Snoward hätten sie am letzten einen neuen Nebenbuhler vermutet. Und Elvira war davon eigentlich selbst nicht wenig überrascht, hatte sie sich doch unter diesem fabelhaft reichen Jankes, von dem man ihr seit einigen Wochen schon so viel erzählt, nichts weiter vor gestellt als einen „stupiden Geldsack". Und nun? Er war kein gewanoter Formenmensch, aber seine gemessenen Huldigungen hatten doch eure ganz eigene Würde und Anz.chungsktast. sagte mir GrafMünster: Jawohl, T^eyfus spionierte für Deutschland, aber wenn Siesveiter- sagen, daß ich Ihnen dies bekannt habe, so werde ich sagen, daß Sie lügen." Die Mütter knüpfen hieran den sehr überflüssigen Nachweis, daß eine derartige Behauptung Merciers äußerst unwahrscheinlich sein würde, da Graf Münster keinerlei Ursache gehabt habe, Mercier zuerst ein Geständnis abzulegen und ihm dann zu drohen, er werde es öffentlich ableugnen. Es hätte genügt, zu zeigen, daß Mercier entschlossen ist, zu den verzweifeltsten Mitteln zu greifen, um sein erstes Verbrechen zu decken. Italien. * In China scheint Italien mit seiner Kolonialpolitik ebenso wenig Glück zu haben, wie in Abessinien. Es fehlt allerdings der Feuergeist Crispi, der seine Landsleute in Afrika zu kriegerischen Thaten Hinriß, um am Roten Meer festen Fuß zu fassen. Die Sprache der Regierungsblätter ist sehr kleinlaut ge worden, wenn sie auf Erwerbungen an derchinesischenKüstezu sprechen kommen, und selbst der Kommandant des italienischen Ge schwaders in den ostafiatischen Gewässern rät von einer Erwerbung derSanmun- bai ab. Dieser Verzicht ist natürlich durch den Widerspruch der Mächte herbeigeführt worden, und die Begründung des Verzichtes mit der Untauglichkeit der Bai für handelspolitische Zwecke erinnert ein wenig an die Fabel von dem Fuchs und den Trauben. In dem halb amtlichen ,Corriere della Sera' in Mailand wird ausführlich dargelegt, daß Italien in China nicht an Gebietserwerbungen denke, sondern lediglich Handelsvorteile suche. Belgien. *Jn Belgien wird nach dem Molle beige' das neue Ministerium folgendermaßen zusammengesetzt sein: Vorsitz und Finanzen Smet de Naher; Krieg General Dony; Aus wärtiges Chevalier Descamps; Inneres Libaert; Ackerbau Vandenbruggen; Justiz Theodor oder Nenn; Industrie Cooreman. Holland. *Jn Holland haben in diesen Tagen die Gemeindewahlen stattgefunden und nach dem ,Büreau Herold' mit einem großen Sieg für die Sozialisten geendet; die Zahl ihrer Anhänger ist in den Provinzen Friesland- Groningen rc. bedeutend gestiegen. In Arnheim und Harlem haben sie eine große Stimmenzahl erhalten; die Zahl der Stimmen hat sich in Amsterdam für die Sozialisten verdoppelt und in Rotterdam verfünffacht. Spanien. *Jn Spanien ist am Mittwoch die Ver handlung vor dem obersten Kriegs gericht betr. die Uebergabe von SanIago de Cuba beendigt worden. Die Verkündigung des Urteils wurde verschoben. Der Prozeß betr. die Uebergabe Manilas wird am 20. d. seinen Anfang nehmen; ihm folgt die Verhandlung gegen den Admiral Montojo. * Amtliche Nachrichten besagen, daß in ganz Spanien Ruhe herrsche. Dem Vernehmen nach ist die Leitung der karlistischen Partei jetzt drei Führern derselben anvertraut worden. Ruhland. * Der ,Regierungsbote' veröffentlicht eine längere amtliche Mitteilung über die Ergeb nisse der Haager Konferenz. Unter Hinweis darauf, daß einer späteren Zeit die Vollendung des jetzt Angebahnten Vorbehalten bleiben muß, erklärt das amtliche Blatt, daß die Ergebnisse der eben beendeten Konferenz den Erwartungen der Regierung völlig entsprochen haben. Balkanstaaten. *Die,Polit. Korresp.' erfährt aus Belgrad direkt: Oberst Nikolitsch hat nach wieder holter Konfrontierung mitKnetzewitsch unter erdrückenden Beweisstücken ein nahezu uneinge schränktes Geständnis abgelegt. Er soll that- sächlich Knetzewitsch gedungen haben, Milian zu ermorden. Die Aussagen Nikolitsch' und anderer Angeklagten ergeben, daß den Urhebern des Attentats Subfidien vom Auslande zuge flossen sind. (Die Meldung ist natürlich mit aller Vorsicht aufzunehmen.) Amerika. * In den V er. S t a at en wird seit drei Wochen in allen Werbebüreaus die Trommel gerührt, um 10000 Freiwillige für die Philippinen zu rekrutieren — aber die Leute strömen nicht zu, und man ist über diesen geringen Erfolg geradezu entsetzt. Bis jetzt haben sich im ganzen, trotzdem man in der Aufnahme der Leute so nachsichtig wie möglich war, nur wenig über 1500 Mann gemeldet. Dagegen sind die Offiziers stellen für diese nach den Philippinen zu sendenden Regimenter schon vergeben, ja man ist sogar soweit gegangen, denjenigen Offiziers- Patente zu versprechen, die dem Werbebüreau 40 oder mehr Rekruten zuführen. *Noch ist es wegen der Alaskafrage zu keinem Akt offener Feindseligkeit zwischen Kanada und den Ver. Staaten ge kommen. Wenn es aber wahr ist, was aus Ottawa vom 1. August gemeldet wird, so steht Kanada im Begriff, einen Druck auf die Ver. Staaten zu üben, von dem aus es nicht mehr weit bis zu offenem Kampf wäre. Die be treffende Meldung lautet: „Die Regierungs organe kündigen an, daß, falls die Ver. Staaten in der Schiedsgerichtsfrage nicht nach geben, mit dem 15. August das für Britisch- Kolumbia (einschließlich der Goldfelder am Jukon) erlassene Gesetz in Kraft treten werde, wonach nur kanadische und britische Staatsangehörige Besitzer von Bergwerksanlagen und Goldlände reien sein dürfen. Damit würden die Befitztitel von etwa 8000 Bürgern der Ver. Staaten für nichtig erklärt werden." * In San Domingo find zwei an der Ermordung des Präsidenten beteiligte Personen ergriffen und alsbald erschossen worden. Im Lande herrscht jetzt angeblich Ruhe; es finden keine weiteren Truppenbewegungen statt. Dorr der Mulattenrrpublik San Domingo. Die inneren Wirren in der haitianischen Mulattenrepublik San Domingo legen es den auswärtigen Staaten nahe, sich bereit zu halten, Leben und Eigentum ihrer dort ansässigen Bürger zu schützen, und ihre Handelsinteressen wahrzunehmen. Daß die Ver. Staaten zunächst in dieser Hinsicht vorgehen, ist nach Lage der Verhältnisse natürlich. Wie nach New Jork ge meldet wurde, ist das amerikanische Kanonenboot „Machias" bei San Domingo eingetroffen. An Intervention und Annexion braucht man deshalb keineswegs zu denken. Wenn die New Iorker und Washingtoner Jingos zu verstehen geben, daß ein unabhängiges Domingo wegen der un mittelbaren Nachbarschaft Portoricos auf die Dauer von den Amerikanern nicht geduldet wer den könne, daß vielmehr erst nach Einbeziehung dieser Jnselrepublik in die amerikanische Macht sphäre letztere im westindischen Archipel hin reichend fest gegründet erscheine, um die Garan tien ihrer Dauer in sich selbst zu tragen, so ist das eine Argumentierung, die vor den mit dem philippinischen Aufstande gemachten Erfahrungen für ein amerikanisches Ohr bestechender geklun gen haben dürfte als heute, wo die Ver. Staaten von der Verdauung ihrer spanischen Kriegsbeute noch viel zu sehr in Anspruch genommen find, als daß sie schon jetzt auf neue annexionistische Abenteuer auszugehrn geneigt sein könnten. Es müßten sich auf San Domingo durch eigenes Verschulden der dortigen Parteigänger ganz un erträgliche Verhältnisse herausbilden, wenn eine amerikanische Einmischung nicht länger zu ver meiden sein sollte. Einstweilen aber dürste die unoerhüllte Abneigung der dortigen Negerbevöl kerung gerade gegen eine amerikanische Herrschafts begründung hinreichend sein, um allen in dieser Richtung sich bewegenden Machenschaften Washingtoner und New Docker Spekulanten einen starken Damm entgegenzusetzen. Um so weniger liegt vorläufig für andere Staaten Veranlassung vor, sich mit dem Ge danken einer Abwehr amerikanischer Vergröße rungspläne zu beschäftigen, am wenigsten für Deutschland, bezüglich dessen gute Freunde wieder am Werk zu sein scheinen, aufs neue Verstimmung zwischen ihm und der Union zu > säen. Der Pariser ,Matin' fordert in einem Artikel Deutschland auf, den anderen auf San Domingo interessierten europäischen Mächten, Frankreich, Belgien, Holland, Italien und Spanien, mit gutem Beispiel voranzugehen und gegen die von den Ver. Staaten ganz offen be triebene Annexions-Propagandaenergisch Stellung zu nehmen. Der Söldling der Ver. Staaten Jimenes dürfte nicht Präsident werden. Dies zu hindern, sei Deutschland seinen speziell in Puerto Plata, Macoris und San Domingo stark ver tretenen Interessen schuldig. Der ,Matin' deutet an, daß Frankreich, welches bekanntlich ein Spezialkabel nach San Domingo und kampf bereite Schiffe in den Gewässern der französischen Antillen besitzt, einer Koalition der europäischen Kontinentalmächte gegen Amerikas Jmperialpolitik sich sofort anschließen würde. Deutschland wird sich hüten, einemderartigen Rate zu folgen. Wenn Frankreich Verlangen hat, das Gleichgewicht in Westindien aufrecht zuerhalten, so ist es für diese Aufgabe jedenfalls in weit höherem Maße an Ort und Stelle inter essiert, wie gerüstet, als Deutschland, und mag selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Don Nah «nd Fern. Berlin. Das kleinste und doch teuerste Grundstück Berlins hat kürzlich seinen Besitzer gewechselt. Das fragliche „Grundstück" ist nur vier Quadratmeter groß, nämlich zwei Meter lang und zwei Meter breit, liegt zwischen Königs kolonnaden und dem Theater „Kaufmanns VariÄs", früher „Villa Colonna", und besteht in einem winzigen Laden, welcher vor einigen Jahren von einem Zigarretten - Händler für 6100 Thaler erworben wurde. Jetzt hat, dem ,Konf.' zufolge, eine Baugesellschaft das Fleckchen für 50 000 Mark gekauft. Eine Quadratrute käme nach diesem Verhältnis auf 175 000 Mark und ein preußischer Morgen auf 31 500 000 Mk. zu stehen. Burg a. d. Wuppec. Der Kaiser bewilligte aus dem Dispositionsfonds eine weitere Beihilfe von 20 000 Mk. zu den Kosten der Wieder herstellung des Schlosses Burg. Der rheinische Provinzial-Landtag hatte in seiner letzten Tagung zur Wiederherstellung des Schlosses Burg, ins besondere zur Wiederherstellung des Bergfrieds und des Thorhauses eine Beihilfe von 25 000 Mark unter der Voraussetzung genehmigt, daß der Rest der erforderlichen Kosten von anderer Seite aufgebracht werde. Die Gesamtkosten des Bergfrieds sind zu 50 000 Mk. veranschlagt, welcher Bettag jetzt gedeckt ist. Die Gesamt kosten des Thorhauses zu 10 000 Mk. hat der Schloß-Bauverein zu decken, sowie die für Bau schulden vorhandenen Darlehen von 105000 Mk.; ferner erfordert die weitere Ausgestaltung des Schlosses und seiner Umgebung noch bedeutende Opfer, die durch Zuwendung reichlicher Jahres beiträge von den Freunden des bergischen Landes erbeten werden. Das im Bau begriffene Thor- Haus wird noch in diesem Monat vollendet und mit dem Bau des Bergfrieds in diesem Herbst begonnen werden. Marienburg. Nachdem sich die erste Be stürzung über die Brandkatastrophe gelegt hat, beginnen hier die Erörterungen darüber, was nun zu geschehen habe. Selbstverständlich be steht nicht der mindeste Zweifel darüber, daß alle Baustellen wieder ausgebaut werden, und erfreulich ist es, daß die Marienburger Bau ordnung es gestattet, den Häusern ihren eigen artigen Charakter zu bewahren. Die neuen Häuser werden wieder Lauben erhalten. Zwar wird auch hierbei dem neuerlichen Baustile thunlichst Rechnung getragen werden, im be sonderen wird man darauf bedacht sein, den neuen Häusern mehr Licht zu verschaffen, aber die durch die Lauben gebildeten Kolonnaden werden bestehen, Marienburg wird die Lauben stadt bleiben. Mit der Wiederherstellung unseres altehrwürdigen Rathauses soll schon in aller nächster Zeit begonnen werden; man ist bereits mit der Entfernung der Trümmer des Dachstuhles beschäftigt. Emden. In Tergast wurden bei der Reini gung eines Brunnens Goldstücke im Werte von 1010 Mk. gefunden, die von einem Diebstahl herzurühren scheinen. „Vermissen Sie irgend jemand?" fragte Elvira, als Snoward seinen Blick wiederholt wie suchend über die Tafelrunde schweifen ließ. „Nicht doch. Ich dachte zufällig an diesen Henn Doktor — Schwerdtner glaube ich? Es hätte mich verdrossen, ihn vielleicht gar in Ihrer Nähe zu sehen." „Weshalb?" „Ich finde es naseweis von so einem Schul meister, sich wie ein Vollberechtigter an Sie, Baronesse, heranzudrängen. Worüber spricht man denn mit solchem jungen Diann?" In Elviras Augen zockte ein lustiger Spott über diese Frage auf. „Nun, ich dächte, er habe genug gelernt, um manches zu wissen, wovon viele andere keine Ahnung haben." „Der Herr mag seine Weisheit auf dem Lehrstuhl zum besten geben, auf dem man ihn besoldet," sagte Snoward verächtlich. „Jeden falls scheint dieser Herr ziemlich anmaßend zu sein. Ich kenne diese Sorte. Sie glauben, alle Welt mit ihrer Schulweisheit Hofmeistern zu können, und sind im praktischen Leben doch so selten brauchbar. Und von diesem Herrn Schwerdtner sagte mir Ihr Herr Vater, er habe ihn studieren lassen und eigentlich zu dem ge macht, was er ist. Da ziemte ihm doch ein viel bescheideneres Auftreten, als ich an ihm be merkt habe." „Sprechen Sie ihm das Recht auf Stolz ab, weil er — arm ist?" fragte Elvira. „Ah!" lachte Snoward, den Zeigefinger er hebend. „Das macht ihn vor einer durch Luxus verwöhnten jungen Dame vielleicht interessant? Er thäte sich gewiß viel darauf zu gute, wenn er wüßte, welch' eine warme Verteidigerin er in Ihnen besitzt." Elvira rümpfte die Nase und nahm eine hochmütige Miene an. „Keine Ursache! Sie können mir glauben, daß ich nicht zögern würde, Herrn Doktor Schwerdtner in seine Schranken zu weisen, wenn — wenn sich ein Anlaß dazu buten sollte." „Vortrefflich! Jetzt sprechen Sie von dem Ihnen gebührenden Throne herab." Sie machte eine ablehnende Gebärde. „Sie spotten wohl. Oder soll ich glauben, daß Sie äußere Glücksumstände für Verdienst nehmen?" „Gcwiß, wenn Man's recht versteht. Sich diese äußeren Glücksumstände zu verschaffen, ist ein Verdienst starker Geister, und sie mit gutem Anstand zu behaupten, wenn man sie wie Sie ererbt hat, ist gleichfalls Verdienst. Die erbärm lichsten Menschen sind die Schwächlinge, und der Neid ist ihre Anerkennung fremder Kraft und Macht." Elvira lächelte überrascht. Da vernahm sie ja wieder etwas von der Theorie Schwerdtners, der ja ebenfalls behauptet hatte, ein starker Geist schmiede sich selbst sein Schicksal, und wer das nicht vermöchte, der verdiene von den anderen zurückgeschoben zu werden. „Verzeihen Sie mir, Mr. Snoward! Dann wäre bloßer Geldbesitz schon ein Zeugnis morali scher Stärke?" „O, nicht bei denen, deren Geld nur ein Mittel zu den gewöhnlichen Genüssen des Lebens ist, und die sich bei einem gewissen Kapital zur Ruhe setzen, wie man das nennt. Für starke Geister hat das Geld, das vielge- schmähte und vergötterte, nur Reiz und Wert als Machtmittel. Und die Anwendung dieses Machtmittels ist ein Gradmesser für die Intelli genz des Inhabers." „Nicht übel. Das leuchtet mir schon eher ein." Elvira lauschte den weiteren Ausführungen des Amerikaners mit unverhohlenem Interesse. Kraft, Kraft fühlte sie jedenfalls aus seinen Worten, und das imvonierte ihr. Kraft, innere Festigkeit, ausgeprägter Charakter — das war es ja, was sie, wie sie jetzt erkannte, in ihrer Umgebung vermißt hatte, ein Mangel, der ihr die Männer ihrer Bekanntschaft so verächtlich machte. Herr v. Rümmel, der ihr schräg gegenüber am Tische saß und sie die ganze Zeit über be obachtet hatte, schüttelte jetzt ärgerlich den kahlen Kopf. „Was fällt der Baronesse nur ein!" flüsterte er seiner Nachbarin, der koketten Gräfin Gyppen zu. „Sie hat die Laune, ihre Anbeter zu .necken, indem sie sich von diesem Danket zu Tisch führen läßt — aber jetzt geht sie ent schieden zu weit." „Wieso?" fragte die Gräfin. „Nun, sie setzt sich der Gefahr aus, daß man ihr nachsagt, sie angle nach dieser dickvergoldeten amerikanischen Plebejerhand. „Haha! Und wer sagt Ihnen, daß sie am Ende nicht wirklich . - - ?" „Ach, Unsinn!" fuhr dieser sonst so bos hafte Lästerer brüsk heraus, und sein gelbes Gesicht wurde noch um eine Schattierung blässer. „Sie denkt nicht daran. Ich kenne sie
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