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Allgemeiner Anzeiger : 29.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189907296
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18990729
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990729
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-29
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 29.07.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Die „Hohenzollern" mit dem Kaiser an Bord befindet sich bereits auf dem Rückwege und lief am Dienstag in den Nordfjord ein. *Jm Anschluß an die Zusammen kunft zwischen dem Kaiserund dem Zaren, die in Darmstadt am 6. August stattfinden soll, wird, wie der Mainzer Anzeiger' erfährt, der Kaiser am 7. August nach Mainz kommen und in Begleitung des Zaren der Truppenschau auf dem „großen Sande" beiwohnen. *Es heißt, daß in Alt-Aussee nach dem 8. August eine Zusammenkunft zwischen dem Reichskanzler Fürsten zu Hohenlohe und dem österreichischen Minister des Aeußern Grafen Goluchowski stattfinden werde. *Die deutsche Ausfuhr nach den Bereinigten Staaten ist nach dem Be richt der 32 Konsulatsbezirke in dem mit dem 30. Juni endenden Fiskaljahr 1898/99 auf 83 744 791 Dollar gewachsen gegen 74 228 487 Dollar im Vorjahr. * Der .Neichsanzeiger' veröffentlicht die Er gebnisse des Reichshaushaltes für 1898. Danach sind im ganzen an ordentlichen Einnahmen, soweit sie dem Reiche ver bleiben, im Vergleich mit dem Etat 73 150128 Mark mehr aufgekommen, wovon 173 193 Mk. zur Deckung des Mehrbedarfs bei den Ausgaben und 42 400 000 Mk. in Gemäßheit des Gesetzes vom 25. März 1899 zur Verminderung der Reichsschuld verwendet find, so daß als Uebei schuß des Rechnungsjahres 1898 ein Betrag von 30 575 934 Mk. verbleibt. *Ein „Internationaler Verband fortschrittlicher Frauen" hat sich auf Initiative deutscher Frauen nach Schluß des Internationalen Frauenkongresses in London am 4. Juli konstituiert zur Förderung einer inter nationalen Propaganda, insbesondere für die politischen und gesetzlichen Rechte der Frauen, sowie für Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Die Gründung des Verbandes erfolgte durch etwa 20 anwesende radikale Frauen rechtlerinnen aller Länder. Das Generalsekre tariat verwaltet vorläufig Dr. Käthe Schirmacher in Paris; die Zentralstelle für Deutschland re präsentiert Frau Minna Cauer, Berlin. Oesterreich-Ungar«. * Admiral Dewey, der mit seinem Schiff gegenwärtig in Triest wellt, hat die Uebernahme der Präsidentschaftskandidatur ab gelehnt. Bei einem Mahl in Triest brachte Dewey einen Toast auf Mac Kinley aus, der mit den Worten schloß: „Möge er wiederge wählt werden!" * Das tschechische Blatt Mas Naroda' er zählt: „Um den Wünschen der Tschechen zu entsprechen, ist als der einzige ernste Kandidat für das Prager Erzbistum der Bischof von Brünn, Dr. Bauer, in Aussicht genommen. Um aber auch auf die Wünsche der anderen Partei Rücksicht zu nehmen, soll der Prinz Max von Sachsen sein Koadjutor werden. Prinz Max, dessen Fähigkeiten allseitig aner kannt werden, hat schon begonnen, Tschechisch zu lernen." Frankreich. *Die bodenlose Gemeinheit, die gegen Dreyfus begangen worden ist dadurch, daß ihm zwei Jahre nach seinem Eintreffen auf der Teufelsinsel die Niederkunst seiner Frau in einer amtlichen Depesche gemeldet wurde, bestätigt sich wirklich! Die von der Regierung angeordnete Untersuchung ergab, daß das an Dreyfus 1896 abgesandte Telegramm, das die Verdächtigung der Frau Dreyfus enthielt, zwar nichl aus dem Kolonialministerium herrührte, dagegen that- sächlich aus Paris expediert worden sei. Die Nachforschungen nach dem wirklichen Urheber werden fortgesetzt. * Der Kriegsminister Gallifet geht mit neuen Maßregelungen gegen Offi ziere vor. Der,Gaulois' glaubt zu wissen, daß General Pellieux ein Kommando außer halb Paris erhalten und Kapitän Guyot-Villeneuve in Nichtaktivität versetzt werden solle. Schweiz. * Der Bundesrat hat den einstimmigen Be ¬ schluß gefaßt, daß die S ch w e i z der Haager Konvention betr. das Kriegsrecht » ch t bei trete, da der Volkskrieg nicht aner kannt werde. (England wird der Konvention ebenfalls nicht zustimmen.) Italien. *Jn Rom verlautet mit Bestimmtheit, daß alle Vorschläge wegen der Sanmunbai von der chinesischen Regierung schroff abge lehnt seien. Die hiesige Regierung habe des halb dem Gesandten Salvator Raggi den strengen Befehl gegeben, energisch auszutreten unter Androhung der sofortigen militäri sch e n B e s e tz u n g der Sanmunbai. Zu diesem Zwecke wird das italienische Geschwader durch das Panzerschiff „Carlo Alberto" Verstärkung erhalten. Holland. *Das Schlußprotokoll der Frie denskonferenz hebt hervor, daß die Dele gierten beständig von dem Wunsche geleitet waren, in möglichst erschöpfender Weise die hoch herzigen Ideen des erhabenen Urhebers der Konserenz zu verwirklichen. Die Konferenz hat beschlossen, folgende Punkte den Bevollmächtigten zur Unterzeichnung und den Regierungen zur Genehmigung zu unterbreiten: 1) Eine Kon vention für friedliche Schlichtung internationaler Streifigkeiten. 2) Eine Konvention bett. Be stimmungen und Gebräuche für den Landkrieg. 3) Eine Konvention betr. Anwendung der Grund sätze der Genfer Konvention von 1864 auf den Seekrieg. 4) Drei Erklärungen, wonach es ver boten sein soll, Geschosse und Explosivstoffe aus Luftballons herabzuschleudern oder in ähnlicher Weise anzuwenden, wonach es ferner verboten sein soll, sich solcher Geschosse zu bedienen, deren einziger Zweck ist, Stickgase oder giftige Gase zu verbreiten oder solche Kugeln zu gebrauchen, die im menschlichen Körper explodieren. Svanien. *Jn Spanien steht gegenwärtig die kar- liftischeKungebung des Erzbischofs von Sevilla im Vordergrund des Interesses. Der Minister des Innern, Dato, erklärte in der Kammer, der Erzbischof werde zur Rechenschaft gezogen werden, falls er es wage, sich in Ver schwörungen einzulassen. Weiter versicherte der Minister, die Berichte über die karlistischen Kund gebungen in Barcelona seien übertrieben, die Schuldigen würden bestraft werden, die Mehr zahl der Einwohner von Barcelona billigten die Kundgebungen einiger katatonischer Abgeordneten nicht und äußerten, sie seien gewillt, Spanien treu zu bleiben. Rustland. * Am Montag abend ist der Trauerzug mit der Leiche des Großfürsten Georg aus dem Kaukasus in Petersburg eingetroffen. Auf dem reichgeschmückten Bahnsteig waren er schienen außer hohen Militärs und anderen Würdenträgern sämtliche russische Großfürsten mit ihren Gemahlinnen. Sobald der Trauerzug einlief, hielt der Metropolit eine kurze Trauer messe ab, worauf der Zar und die Großfürsten den Sarg aufhoben und zu dem bereitstehenden Trauerwagen trugen. Von da bewegte sich der Zug in programmgemäßer Weise zur Peter- Pauls-Kathedrale. Balkanstaaten. * Sowohl Rußland wieOefterreich- Ungarn haben in Serbien „freundschaft liche Vorstellungen" dagegen erhoben, daß die Attentatsgeschichte allzueifrig gegen eine bestimmte Partei ausgebeutet wird. * Die serbische Regierung hat auf be sonderes Betreiben des Königs Milan mit einer deutfchenWaffensabrik ein Abkommen über Lieferung von 90 000 Repetiergewehren und 50 Millionen scharfe Patronen gegen Bar zahlung getroffen. * Infolge von Grenzverletzungen wird die türkische Grenze gegen Rußland streng überwacht und gesperrt. Die türkischen Grenzbehörden verweigern auch den wie alljähr lich nach dem russischen Grenzgebiet verdungenen armenischen Arbeitern die Rückkehr. Das ar menische Patriarchat erhob deshalb bei der Pforte eindringliche Vorstellung. — Die Vor gänge an der türkisch-russischen Grenze scheinen nach und nach eine gewisse Bedeutung zu ge winnen. * Fürst Ferdinand ist Sonntag früh nach Wien abgereist; er hat den Ministerrat mit der Führung der Staatsgeschäfte während seiner Ab wesenheit betraut. Amerika. * General Roca, der Präsident der argen- tinischen Republik, hat vom Papst den Christus-Orden erhalten für seine Verdienste, die Beziehungen der argentinischen Republik zum hl. Stuhle, die 15 Jahre unterbrochen waren, wieder erneuert zu haben. Asten. *Der .Times' zufolge gibt sich Japan augenblicklich größte Mühe, ein Bündnis mit China herbeizuführen. Mehrere Abord nungen find von Tokio nach Peking abgereist; sie wurden dort am kaiserlichen Hofe mit größter Zuvorkommenheit und Freundschaft empfangen. Es ist jedoch nach der Meinung der.Times' unwahrscheinlich, daß ein dauerndes Abkommen zwischen beiden Ländern geschlossen worden ist. Admiral Dewey in Triest. Ueder die Ankunft des Admirals Dewey in Triest am Donnerstag melden österreichische Blätter: Nach 8 Uhr lief der amerikanische Kreuzer „Olympia" majestätisch im Hafen ein. Eine nach Tausenden zählende Menge Neu gieriger hatte sich auf der Riva angesammelt. Man sah, wie Admiral Dewey, während eine Ehrenkompanie Matrosen bei dessen Ankunft das Gewehr präsentierte, auf dem Deck mit dem Kommandanten der bisher ankernden Jacht des Königs von Griechenland sprach, welcher Dewey einen offiziellen Besuch abstattete. Dewey trug gleich allen seinen Offizieren eine Uniform aus weißem Tuch. Er ist mittelgroß, das Haar ist grau, der Schnurrbart noch stärker mit weißen Haaren gemischt. Der Admiral zeigt in seinen Bewegungen große Lebhaftigkeit und Energie. Sein Aussehen ist absolut nicht das eines Kranken. Nach dem Gespräch mit dem griechi schen Kapitän unterhielt sich dann Dewey ein gehend mit dem schon an Bord befindlichen amerikanischen Konsul und mit dem Gesandten. Ein Interviewer berichtet dann weiter: Der Weg in den Salon des Admirals führt durch ein eichengetäfeltes Schlafzimmer mit dem durch ein Geländer gesicherten Bett. Die in die Wand gefügte Kommode zeigt den Luxus und die Nettigkeit des von Marineleuten bedienten Ad mirals. Eine ganz merkwürdige Ergänzung der Einrichtuug ist sowohl im Schlafzimmer wie im Salon je eine fünfzöllige Maxim-Kanone. An der Schwelle des Schlafzimmers kommt uns ein wunderschöner gelber chinesischer Chowhund ent gegen. „Bob", der Liebling des Admirals, der den ganzen Feldzug mitgemacht hat. Der Ad miral selbst eine prächtige ebenmäßige Gestalt, auf der ein Kopf sitzt, in dem männliche Schön heit mit Intelligenz und Gutmütigkeit um den Rang streiten. Ein schon ergrauter Schnurrbart sticht vom stark gebräunten Gesicht ab, auf dem sofort bei der ersten Begrüßung ein gewinnendes Lächeln leuchtet, mit dem er für die Ovation dankt, die man ihm entgegenbringt. Sich als Helden von Cavite begrüßt zu hören, macht ihn laut auflachen. „Mir war so herzlich schlecht während der Schlacht!" sagte er. „Wir wußten ja alle die ganze Nacht, was bevorstand, und ich wartete auf der Kommandobrücke, bis die feindlichen Schiffe in Sicht kämen. Da fiel mir ein, ein Kaffe wäre das beste Mittel gegen Un wohlsein. Man will sich sehr beeilen und bringt mir ein lauwarmes Geschlader, das ich gierig Hinunterstürze. Noch nie war ich so seekrank, als gerade vor der Entscheidungsschlacht. Trinken Sie nie lauen Kaffee," sagte Dewey, „wenn Sie etwas fertig bringen wollen, worauf es Ihnen ankommt." Der Admiral gesteht weiter, er sei nicht krank; ihm sei es mehr um seine Offiziere und seine Mannschaft zu thun gewesen, die unter dem Klima sehr gelitten haben. Er will sie eine Station von mehreren Monaten in Triest machen lassen, wo es gesund und doch so weit warm ist, daß der Abstand gegen die Tropen nicht zu groß ist. „Ich komme da nicht so viel in Betracht," sagt er. „Ich habe mich schon sehr erholt und setze Fleisch an, aber von meinen Offizieren und Leuten sind viele noch übel dran, und sie waren alle so brav; sie ver dienen schon Rücksicht. Sogar die chinesischen Diener, deren zwanzig an Bord sind, waren in der Schlacht zum Reichen der Munition gut zu brauchen; auch sie waren tapfer." Jetzt kommt die Hauptfrage: „Admiral, Sie kommen bei der Rückkehr gerade recht, um bei der Friedens konferenz ein Wort dreinzureden. Ihnen steht das Recht zu, thun Sie es jetzt." Er schmunzelt und sagt: „Ich halte nichts davon. Wer soll abrüsten? Wer wird zuerst abrüften? Das Versuchskaninchen waren wir. Was hat es uns gekostet, rechtzeitig fertig zu werden, und wie mußte uns vor dem Ausgang bangen! Wir wollen es in Zukunft auch gar nicht mehr darauf ankommen lassen. Wir find zu einer ganz anderen Art zu denken gekommen. Wir bereiten jetzt vierzig Kriegsschiffe vcL. darunter zwölf Panzerkreuzer. Wir wollen nicht über rascht werden und unvorbereitet sein, und es ist schwer zu glauben, daß angesichts unserer furcht baren Anstrengungen andere Mächte den Vorteil aufgeben werden, den sie durch ihre Rüstungen haben." Kon Uah und Fern. Darmstadt. Der kunstsinnige Großherzog von Hessen hat unter Aufbietung persönlicher Opfer für seine Residenz Darmstadt eine Künstler kolonie zur Hebung des heimischen Kunst gewerbes geschaffen. Er läßt ein eigenes Atelier gebäude errichten; bis dies vollendet ist, be ziehen die Künstler ein Palais. Berufen und eingetroffen find schon Prof. Hans Christansen aus Paris, Patriz Huber, ein junger Mainzer, bisher in München, Möbel-Architekt; Paul Bürk aus München, der besonders im modernen Flächenornament Erfolge hat; Rudolf Bosselt, bisher in Frankfurt und Paris, für feine Metalltechnik. Im September treffen weiter ein: Peter Behrens aus München, ein Hamburger, ursprünglich Maler, der sich aber mit großem Erfolg der angewandten Kunst widmete; Joseph Olbrich aus Wien, der rasch berühmt gewordene Erbauer des Ausstellungsgcbäudes der Wiener Sezession, der auch in der Innendekoration großes Können zeigt; Ludwig Habich, ein Darmstädter Bildhauer, bisher in München. Diese Künstler-Gemeinde soll völlig frei und unabhängig schaffen und nach keiner Richtung hin gebunden sein. Sie beziehen vom Groß herzog ein Jahrgehalt. Ihre erste Hauptaufgabe ist die Ausstattung eines feinen bürgerlichen Zimmers ans der Pariser Ausstellung. Auf be sonderen Wunsch des Großherzogs hat der deutsche Kommissar der Weltausstellung es mög lich gemacht, daß den Künstlern ein ent sprechender Raum zur Verfügung gestellt werden konnte. Schöneberg. Ein nach Unterschlagung von 240 000 Mk. aus Pans flüchtig gewordener, in Deutschland geborener Prokurist ist von der hiesigen Kriminalpolizei verhaftet worden. Der jetzt etwa 49 Jahre alte Kaufmann A. war im Jahre 1874 von Berlin nach Paris gegangen und hatte dort auf Grund von Empfehlungs schreiben in dem bekannten großen Bankhause Crödit Lyonais eine sehr gute Stellung erhalten. Hier wurde später festgestellt, daß er durch ge schickte Manipulationen jahrelang das Bank haus betrogen und etwa 300 000 Frank unter schlagen hatte. Er wurde später gefaßt und zu einer sehr hohen Gefängnisstrafe verurteilt, wußte sich aber der Verbüßung der Strafe zu entziehen und zu flüchten. Unlängst wurde sein Aufenthalt durch einen Zufall ermittelt. Man konnte feststellen, daß er in einem Vorort von Berlin wohne. Der Schöneberger Kriminal polizei gelang es, den Flüchtigen in Charlotten burg zu verhaften. Wegen der Auslieferung an Frankreich finden bereits zwischen den maß gebenden Behörden die erforderlichen Verhand lungen statt, welche schon dem Abschluß nahe find. Posen. Die Hagelschäden, die durch die Gewitter in den letzten Wochen in der Provinz Posen angerichtet wurden, betragen schätzungs weise eine Million Mark. Der Körsenkönig. 7^ Roman von Karl Ed. Klopfer. (Fortsetzung., „Ganz richtig, ein Mann, der zum Zeit vertreib — zwischen Frühstück und Mittag essen — Hunderttausende an der Börse umsetzt, mit einem Federzuge ganze Landstriche abgrast und Millionen umherwälzt mit einer Gelassen heit, wie unsereiner „guten Morgen" sagt; jedes Wort, das ihm aus dem Munde geht, bedeutet ein lukratives Geschäft, kurz, er ist die personi fizierte Thätigkeit des ewig rollenden Geldes. Der steckt nie die Hände in die Taschen, das kann ich Ihnen sagen — wenigstens nicht m seine eigenen." „Mein Herr, Sie sprechen doch nicht im Ernst? — Wenn man Sie hörte!" „Aber, lieber Freund, wie kommen Sie mir denn vor? Nein, Sie sind wirklich allerliebst i Glauben Sie denn, es existiert außer Ihnen ein Mensch hier im Saale, der nicht die Ueber- zeugung hätte, daß dieser Mr. Ralph Snoward ebensowenig ein Gewissen besitzt — wie ich .einen Urwald auf meiner kahlen Platte?" „Das ist denn aber doch . . . Aber nein, Sie haben mich zum besten!" „Fällt mir gar nicht ein. Man nennt das einfach „smart" drüben im Lande der Dollars, und daß man diese Eigenschaft auch hierzulande zu schätzen weiß, sehen wir an dem Eifer, mit dem sich hier jeder diesem goldausschwitzenden Ungetüm zu Füßen legt." „Auch der Herr dieses Hauses?" „Auch der Herr dieses Hauses," entgegnete Rümmel gelassen. „Da l" Er zeigte vorwärts, wo sich eben die dichte Gruppe um den Amerikaner löste und m Be wegung geriet Herr von Ellerich führte den ge feierten Gast mit verbindlichem Lächeln in den Damensalon. Schwerdtner konnte jetzt den Mann »m Vor- üderschreiten endlich sehen. Es war eine mittel große, kräftige Gestalt, deren schmuckloser schwarzer Frack von all den übvgen, mit Orden und Bändern gezierten w seiner Umgebung abstach. Das lederne Gesicht war sorgfältig rastert, etwas pockennarbig, jeder Zug wie aus Stein ge meißelt. Die grauen Augen blickten fast kalt nach allen Seiten, und auf den schmalen, blut leeren Lippen lag ein Zug von Weltverachtung, der Friedrich Schwerdtner geradezu schaudern machte. Der Mann mochte vielleicht noch keine Fünfzig zählen, aber man hatte den Eindruck, daß er vor zehn Jahren schon genau so Ms- gesehen haben konnte und auch in künftigen zehn Jahren nicht anders aussehen werde. Das war ein Gesicht, über das die Zeit keine Macht hatte, weil es keiner Seele Spiegel war. -Wie gefällt er Ihnen?" fragte Herr von Rümmel. „Nicht wahr, ein interessanter Mensch?" „O!" murmelte Friedrich, seinem Gedanken unwillkürlich Worte gebend. „Er sieht aus, als ob man ihm das Herz genommen hätte" „Hahaha! Ein so unverfälschter Idealist wie Sie ist eine Rarität. Ich könnte blutige Thränen weinen, wenn ich mir vorstelle, wie Ihnen die lieben Mitmenschen im Lauft der Begebenheiten Ihr schönes Gemüt mit glühenden Zangen zwicken und zwacken werden. Wir müssen beisammen bleiben heute abend, hören Sie? Vielleicht kann ich Ihnen als Führer durch diesen Trubel noch manchen nützlichen Wink geben, und es mach» mir wahrhaftig Spaß, so ein rührend unbeholfenes Küchlern unter meine schützenden Fittrge zu nehmen. Kommen Sie!" Mechanisch überließ Friedrich seinen Arm diesem satirischen Schwätzer und ließ sich davon führen. Er hörte nicht, wie ein paar junge Offiziere, Freunde des Baron Guido, an denen sie vorüberkamen, hinter ihnen lachten und spöttische Bemerkungen austauschten. „Sapperment, jetzt geht der Lump, der Rümmel, wahrhastig mit dem Schulmeisterlein." „Möchte nur wissen, was er ihm vorgaukelt." „Gewiß wieder eine seiner Teufeleien." Rümmel führte „seinen lieben Freund" in den Nebensaal, wo jetzt das größte Gewühl herrschte. Schwerdtner flimmerte es vor den Augen, denn er fand keinen Ruhepunkt für seinen Blick. Was sich die geputzte Menge nur zu sagen hatte! Das quirlte und plätscherte wie ein Wasserfall. Und dieses Lächeln auf allen Lippen, diese Zufriedenheit in allen Mienen' Mußten dies nicht durchwegs glückliche Menschen sein? „Baroneß Elvira strahlt heute wieder in be zaubernder Schönheit!" flüsterte ihm sein Be gleiter zu. „Wo?" rief Friedrich lebhaft. „Da drüben! Sehen Sie nicht die Gruppe von Uniformen und Fracks, von der sie förmlich belagert wird?" Wahrhaftig! Dort leuchtete das eigentüm liche Haar, das er so gut in seiner Gedächt nisse bewahrte, zenel Haar vox de» satten Gold gelb des reifen Getreides „Woller Sie die Baronesse nicht begrüßen?" „Nein," entgegnete Friedrich tonlos von einer schmerzlichen Trauer erfüllt die er sich eigentlich nicht hätte erklären können. Er sah, wie sich Elvira jetzt mit berückendem Lächeln dem Amerikaner zuwandte, dem ihr Vater nur mit Mühe zwischen den sie umschwär menden Herren Platz verschaffen konnte. Und er fragte sich, ob denn seine Begegnung mit dem Mädchen neulich im Gartensalon nur Zufall ge wesen sei? Da hatte sie doch geseufzt und ein gestanden, daß sie eigentlich nicht glücklich sei — und jetzt erschien sie wie die Fee der über sprudelnden Jugendheiterkeit, vollbewußt ihrer sieghaften Schönheit und reichte diesem abscheu lichen amerikanischen Geldsack die Fingerspitzen zum Kuß. Nein, um keinen Preis der Erde hätte sich Friedrich jetzt dieser vollendeten Weltdame ge nähert ; er war gewiß, sie hätte mit hochge zogenen Brauen stolz über ihn hinweggesehen, oder — ihm ins Gesicht gelacht. Unbeweglich stand er da und ließ den Rede fluß dieses Herrn von Rümmel über sich er gehen. „Ja, sie steht heute wieder bestrickend aus. Ein herrliches Geschöpf! Und hat ein Marmor herz in der Brust. Es gibt keinen Mann, der ihr Liebe einflößen kann — und keinen, der ihrem Lächeln widerstände. Sie ist ein Rätsel, dessen Lösung schon manchem vergebliche Pein machte. Auch ihrem Ehegemahl — wenn sie je-
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