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Allgemeiner Anzeiger : 01.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189907016
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990701
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-01
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.07.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. *Kronprinz Wilhelm, sowie seine beiden Brüder, die Prinzen Eitel Friedrich nnd Adalbert, welche bekanntlich wegen der im Plöner Kadettenhause vorgekommenen Scharlacherkran- kungen vor einiger Zeit mit sechs Studien genossen nach Schloß Wilhelmshöhe über siedelten, werden daselbst bis 4. Juli verbleiben. Am 5. Juli, dem Beginn der großen Sommer serien, reisen die kaiserlichen Prinzen in Be gleitung ihrer militärischen Erzieher vonWilhelms- höhe direkt nach Berchtesgaden, wo dann die gesamte kaiserliche Familie, mit Ausnahme des auf der Nordlandreis e be findlichen Kaisers, anwesend sein wird. * Das Befinden des Großherzogs von Hessen hat sich nach den letzten Krank heitsberichten sehr gebessert. Lie Kräfte haben so zugenommen, daß der Großherzog bereits einen großen Teil des Tages außer Bett zu bringen kann. *Der Bundesrat hat den Landes regierungen anheimgegeben, überall da, wo erforderlich, im Verordnungswege örtliche Bäckereiverordnungen, die sich auf die Beschaffenheit der Schlafstätten der Gesellen und Lehrlinge, sowie die sanitär-hygienischen Einrichtungen in den Betrieben beziehen, zu er lassen. Der Hamburger und Lübecker Senat haben bereits früher, in letzter Zeit auch die großherzogl. Weimarer Regierung für die Stadt Weimar eine solche Spezial-Bäckereiverordnung erlassen. *Die Einführung des Post-Check- verkehrs und die Errichtung von Post- Checkämtern zum 1. Oktober d., ist durch die Vertagung des Reichstags bis zum November unmöglich geworden. Die betreffende Etats vorlage liegt zur Zeit noch dem Bundesrat vor, bei dem noch verschiedene Einzelheiten der Ein richtung festzusetzen find. Nach dem jetzigen Stand der Vorarbeiten dürfte die Vorlage in den Reichshaushaltsentwurf für das Rechnungsjahr 1900 ausgenommen werden und mit dem Inkraft treten des Etatsgesetzes am 1. April 1900 ihre Verwirklichung finden. * Nach einer Meldung der .Zentral News' aus Schanghai hätte in Kiautschou eine Revolte stattgefunden. Ungefähr tausend Chinesen, welche mit allerhand Waffen versehen waren, griffen die deutsche Bahn so heftig an, daß die deutschen Beamten das Bahnhofsgebäude verlassen mußten. Ein Detachement deutscher Jnsanterie begab sich an Ort und Stelle, und da der Mob sich nicht zerstreuen wollte, feuerte das Detachement und tötete neun Chinesen. Die sofortige Wiederherstellung der Ord nung ist zu erwarten. Oesterreich-Ungarn. *Der Kaiser Franz Joseph ist von seinem Hexenschuß wieder völlig genesen, hütet aber schonungshalber noch einige Tage das Zimmer. * Der Sonntag nachts verstorbene Kardinal- Fürst-Erzbischof von Prag, Graf Schön born, hat ein Alter von nur 55 Jahren er reicht. Ursprünglich Offizier, widmete er sich seit 1869 der Theologie und war seit 1885 Erz bischof von Prag. In ihm ist einer der Führer der Klerikalen und Feudalen Oesterreichs, vor allem aber Böhmens dahingegangen; als Feudal- Klerikaler war er den hussitischen und angeblich freisinnigen Bestrebungen derJungtschecheu wenig geneigt und deshalb bei diesen nicht gerade beliebt. Frankreich. * Paris hatte am Montag eine stürmische Kammerfitzuug. Waldeck-Rousseau und seine Kollegen stellten sich den Volksver tretern vor und verlas das Programm des neuen Kabinetts. Besonders Gallifet hatte heftige Anfeindungen seitens der Sozialisten zu bestehen. Schließlich nahm dieKammer aber doch mit 262 gegen 237 Stimmen eine vom Ministerium gebilligte Tagesord nung an, welche den Erklärungen und Hand lungen der Regierung zustimmt. *Die Kammersitzung vom Dienstag verlief sehr stürmisch. Zur Beratung stand der Antrag Der Polizei verfallen. ILj Erzählung von Philipp Galen. (Fortsetzung.) Kaum aber waren wir in diesen weiten, nur bis zu seinem Winkel überschaubaren Raum ge treten und der Polizcirat hatte nur einen raschen Blick in die Feme geworfen, so blieb er stehen und sagte flüsternd zu mir, während die in dem Saal weilenden Kranken an ihre Lagerstellen eilten: „Ah, das ist schön l Der Kerl ist hier, ich habe ihn da unten sofort erkannt; obgleich er sich die Haare wirklich, wie ich vermutet, kurz geschnitten und den Bart völlig abrasiert hat. Haha! Aber seine athletische Gestalt hat er nicht kleiner machen können, und sein infames Gaunergesicht, — es liegt eine ganze Welt von Frechheit und Gemeinheit darauf, — ist auch nicht zu verkennen, wenn man es einmal ge sehen. Na, nun kommen Sie mhig weiter, halten Sie Ihre Miene im Zaume und lassen Sie sich nicht die geringste Erregung anmerken. Sprechen Sie auch nicht mit und lassen Sie mich still gewähren, ich bin am Ziele, und nun kann die Komödie zwischen einem der ver brecherischsten Schurken Berlins und dem Polizei rat Duncker beginnen. — Aber Ruhe, Ruhe, lieber Freund!" fügte er hinzu, als er sich schon wieder langsam weiter bewegte, „Sie sehen viel zu aufgeregt und gespannt aus. Einem solchen Kerl kann man nur mit der größten Gelassen heit imponieren, und das will ich, bei Gott! Und Sie werden Ihre Freude haben. Haha!" sprach er noch leiser, wie zu sich selbst. „Der Tiger hat den Löwen gewittert, — der Böse Deroulede auf Revision der Ver fassung; derselbe wurde schließlich mit 397 gegen 70 Stimmen abgelehnt,, *Der italienische Spion General Gi- letta ist am Montag vom Kriegsgericht in Nizza zu 5 Jahr Gefängnis und 5000 Frank Geldstrafe verurteilt worden. Belgien. *Jn der belgischen Kammer wird die Sache immer ungemütlicher. Die Sozialisten riefen am Dienstag mitten in der Sitzung: Hoch die Revolution! Es lebe die Republik! und sangen dreimal im Chor die Marseillaise. Vander velde, Furnemont und Smeets kündigten eine blutige Straßenrevolution an und for derten die Soldaten auf, die Waffen gegen ihre Vorgesetzten zu kehren. Unter furchtbarer Er regung wurde die Sitzung geschlossen. Die Lage erscheint sehr ernst. Holland. * Für denAbrüstuugsvorschlag auf der Friedenskonferenz sollen nur sieben kleine Mächte zu stimmen bereit sein. Die Be ratung des Abrüstungsvorschlages dürfte deshalb vertagt werden. Svanien. * Diebeabfichtigten finanziellenMaß- nahmen des Kabinetts Silvela, wie sie in dem den Cortes vorgelegten Budget zum Aus druck kommen, haben unter der handel- und ge- werbtreibenden Bevölkerung Spaniens leb hafte Unzufriedenheit erzeugt, die sich schon in vielfachen Kundgebungen kaufmännischer Vereine geäußert hat. Am Montag hat nun in Madrid der Protest gegen das Budget eine neue Form angenommen, indem vormittags 11 Uhr die Läden der Stadt geschlossen wurden. In den Straßen herrschte lebhaftes Treiben. Die Schaufenster eines Lotterie geschäfts, welches offen geblieben war, wurde mit Steinen eingeworfen. Vor dem Ministerium des Innern fand eine Kundgebung statt; die Polizei zerstreute die Gruppen. Rußland. * Die Hoffnung des Zarenpaares auf einen direkten Thronerben hat sich nicht erfüllt. Die Kaiserin hat am Montag abermals einer Tochter das Leben gegeben, die den Namen Maria erhielt. * Der Zar verfügte, daß Posten besonderer Bevollmächtigter des Landwirtschaftsministeriums geschaffen werden sollen zur Wahrnehmung der lokalen Interessen der Landwirtschaft und zur Vereinheitlichung der Maßnahmen, welche im Interesse der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Gewerbe zu ergreifen sind. Zu den Obliegenheiten dieser Bevoll mächtigten gehört u. a. die Untersuchung und Förderung der von der Regierung sowie von Vereinen oder Privatpersonen im Interesse der Landwirtschaft getroffenen Maßnahmen, die Aus führung der vom Minister zur Hebung der Landwirtschaft erlassenen Verfügungen, die Aus findigmachung zweckentsprechender Maßnahmen zur Hebung der Landwirschaft und die Vermitte lung von Darlehen zu landwirtschaftlichen Meliorationen. * Das Marineministerium hat zur Erweiterung und zur Verbesserung des Kriegshafens in Wladiwostock 13 611 300 Rubel ange wiesen, von denen in diesem Jahre zwei Millionen zu verwenden find. *Der Unterrichtsminister verfügte die sofor tige Schließung sämtlicher in den balti schen Provinzen bestehenden Kon firmationsschulen, die von Pastoren für schulpflichtige Kinder ohne Erlaubnis und Oberaufsicht der zuständigen Schulbehörden ein gerichtet worden sind. Balkanstaaten. * Von türkischer Seite wurden zwei Bataillone an die serbische Grenze vorgeschoben. *Die griechische Kammer hat die Ausschließung der Offiziere von der Kammer bis zum Grade des Oberstleutnants in erster Lesung beschlossen. Afrika. * Die Krise inSüdafrika dürfte nun mehr völlig gelöst werden, wenn sich die Mel wicht hat mich erkannt, — und wahrhaftig, er ist so dumm und versteckt sich hinter dem Pfeiler, wo er sich an seinem Bett zu schaffen macht. Sehen Sie, ich irre mich nicht, er sucht sich un sichtbar zu machen, ha! Das bestärkt meinen gerechten Verdacht nur noch mehr, und — geben sie acht: in zehn Minuten habe ich ihn fest." Langsam, immer langsam, aber dis Äugen überallhin gleichsam wie weitreichende Fühlhörner vor sich vorausschickend, schritt der Polizeirat und ich an seiner Seite vor, unmittelbar von dem Wärter Krause gefolgt, der sich durchaus nicht wunderte, daß seinem großmütigen Gönner hier so viele Ehre erwiesen wurde; denn auch in diesem Saale wiederholten sich die ehr erbietigen Verbeugungen meiner Pattenten, oft mit einer Verlegenheit auf den stumpfen oder listigen Gesichtern gepaart, die keinem aufmerk samen Beobachter entgehen konnte. Denn daß der Polizeirat heute und hier bei seinem seltenen Besuch etwas Ernstliches be zwecke, erkannte ein jeder, wen es aber betreffen und Ms wessen Haupt der vernichtende Strahl seiner Macht niederfallen würde, ahnte wohl niemand, wenn nicht der, dem das ganze heutige Unternehmen galt. Und dem Polizeirat entging so wenig wie mir, daß er diese Ahnung wirklich hatte oder daß ihm wenigstens das Gewissen auf sehr be merkenswerte Weise schlug, so daß der sonst so schlaue Mensch sogar eine Zeitlang seine Geistes gegenwart verlor und etwas that, was ihn einem scharfen Beobachter gegenüber durchaus verdächtig erscheinen lassen mußte. Denn je näher wir seinem Bette kamen, — di g des ,Reuterschen Büreaus' aus Prätoria br ahrhcitet, daß die Regierung der Süd afrikanischen Republik im Begriff stehe, dem Gouverneur Milner einen neuen Vorschlag zu unterbreiten. Hiernach soll den Ausländern nach einem sechsjährigen Aufenthalt imLande das Wahlrecht gewährt werden, diese Bestimmung rückwirkende Kraft haben und die jetzige Naturalisationsklausel abgeschafft werden. * Ueber die Lage des in Kordofan befindlichen Kalifa waren neuerdings Nachrichten einge laufen, die sie als sehr bedrängt "erstellten. Diese werden jetzt bestätigt durch ein Telegramm aus Kairo, wonach der Kalifa mit seinen Leuten nach Khorbuda gegangen ist, um sich dort zu ver proviantieren. Die Derwische verließen ihn immer mehr. Seine Stellung sei auf allen Seiten von Arabern eingeschlossen. Asten. * Der Plan eines japanisch-chinesi schen Bündnisses, der eifrig gefördert wurde, gilt jetzt als gescheitert. Der vom Grafen Ito in allen Teilen sorgfältig aus gearbeitete Entwurf für diese Allianz hatte dem Einfluß Japans auf die innere Reformpolitik Chinas einen unmäßig großen Raum gesichert, daß die Vorherrschaft Japans in Ostafien eine feste Grundlage gewonnen hat. Es soll jedoch der großen Partei der Kaiserin-Regentin am Pekinger Hof hart vor der Beendigung der Ver handlung gelungen sein, diese zuerst zum Still stand und dann zum Scheitern zu bringen. vriuki scher Landtag. Das Abgeordnetenhaus begann am Montag die zweite Beratung des Ausführungsgesetzes zum Bür gerlichen Gesetzbuch. Justizminister Schönstedt sprach der Kommission, welche die Justizgesetze vorberaten hat, den Dank der Regierung für ihre Gründlichkeit, Sachlichkeit und Liebe zur Sache aus, aber vor allem für ihre Selbstbeschränkung, der zu folgen er das Haus bat. Dieser Bitte des Ministers wurde auch stattgegeben, da eine große Anzahl von Artikeln der umfangreichen Vorlage nahezu debattelos erledigt wurde. Die Beratung des Art. 72, der die Vor schriften über die Mündelsicherheit enthält, wurde noch nicht zum Abschluß gebracht. Das Abgeordnetenhaus beendete am Dienstag die zweite Lesung des Aussührungsgesetzes zum Bür gerlichen Gesetzbuch. Zu Art. 72 hatte die Kommission beschlossen, auch die Pfandbriefe der Aktienhypolheken- banken für mündelsicher zu erklären. Justizminister Schönstedt erklärte, daß für die Regierung die Kom missionsbeschlüsse unannehmbar seien. Die schweren Folgen, welche verschiedene Redner für die Hypo thekenbanken aus der Ablehnung der Kommissions beschlüsse befürchteten, würden nicht eintreten. Auch Minister v. Miquel hob hervor, daß, wenn die Re gierung ein Bedürfnis nach der Mündelsicherheit der in Rede stehenden Pfandbriefe nicht anerkenne, damit keinerlei Mißtrauen gegen die Hypothekenbanken aus gesprochen werde. In namentlicher Abstimmung wurde dann der Kommissionsbeschluß, der den Hypo thekenpfandbriefen die Mündelsicherheit zusprach, mit 150 gegen 127 Stimmen abgelcbnt. Zn de« Ergebnissen der Kriminal- statistik wird einem Berliner Blatte aus juristischen Kreisen geschrieben: Die soeben herausgekommene Kriminalstatistik für das Deutsche Reich für das Jahr 1897 ist darum von besonderem Interesse, weil sie drei unwiderlegliche Beweise für die Verfehltheit unseres Strafsystems liefert. Diese Beweise sind 1) die abnorme Höhe des Prozentsatzes der bestraften jugendlichen Personen; 2) die ständige Zunahme der Zahl der rückfälligen Verbrecher; 3) die ständige Zunahme der Roheitsverbrechen. Der Prozentsatz jugendlicher Missethäter hat in dem letzten halben Jahrzehnt allerdings nicht zugenommen, denn er bewegt sich seit dem Jahre 1893 zwischen 10,2 und 9,7 Prozent aller Verurteilten; er ist also ziemlich stabil. Es ist aber ein sehr geringer Trost, daß man von einer Zunahme nicht eigentlich sprechen kann; es ist schon erschreckend genug, daß durch schnittlich 10 Prozent aller bestraften Personen sich in dem jugendlichen Alter zwischen 12 und 18 Jahren befinden, in einem Alter also, in dem diese Personen noch vielfach der Aufsicht des Elternhauses und der Schule unterstehen. ich hatte ibn längst an der mir bezeichneten athletischen Gestalt erkannt, — um so mehr wich er, ganz leise ivcgschleichend, gleichsam gleitend vor uns zurück, bis er hinter dem Pfeiler war. Natürlich hatten wir beide dies dummschlaue Manöver sogleich bemerkt und uns schnell durch einen Augenwink darüber verständigt. Als wir nun aber dem Pfeiler ganz nahe gekommen waren, schritten wir um denselben herum, und nun bot sich uns ein neues Schauspiel dar. Der so leicht aufgefnndene verbrecherische Kranke, der wirklich der Mann war, ans den der Polizeirat fahndete, hatte sich, als suche er etwas unter dem Bette, tief niedergebückt, so daß sein Kopf und Gesicht nicht zu sehen waren, auf diese Weise dem Vogel Strauß nacheifernd, der da glaubt, von seinem Nachfolger nicht ge sehen zu werden, wenn er ihn mit verstecktem Kopfe selbst nicht sicht. Und nun begann die mir von meinem Begleiter verheißene Komödie, und alles, was jetzt geschah und was ich beob achtete, zwang mich zu einem staunenden Lächeln, obgleich mir alles in allem doch ziem lich ernst zu Mute war. Der Polizeirat nämlich, der mit mir un mittelbar hinter den sich fortgesetzt Bückenden und unter dem Bette scheinbar etwas Suchenden getreten war, blieb unbeweglich auf der einge nommenen Stelle stehen, geduldig wartend, bis es dem menschlichen Vogel Strauß gefallen würde, sich aus seiner niedergebcugten Stellung aufzurichten. Dabei sah er mich mit einem un beschreiblich zufriedenen Lächeln an, und auf seinem sprechenden Gesicht lag der unverkennbar leserliche und mit einer unendlichen Gemütlich Diese Thatsache zeigt, daß die bisherigen Strafmittel für jugendliche Personen völlig un zureichend, vielleicht sogar schädlich sind. Hier und in dem unter 3) angeführten Falle (Zu nahme der Roheitsdelikte) sollte der Mißerfolg des bestehenden Strassystems dazu führen, einen Versuch, wenn auch nicht mit der Wiederein führung der Prügelstrafe, so doch mit Strafen zu machen, die als ein starkes körperliches Uebel empfunden werden, beispielsweise Nahrungsentziehung, hartes Lager, Dunkel kammer, besonders harte und ermüdende Arbeit. Selbstverständlich müßte von diesen Mitteln nur insofern Gebrauch gemacht werden, als nicht eine dauernde körperliche Schädigung dadurch hervorgerufen wird; es müßte also in jedem Falle der Gefängnisarzt hinzugezogen werden. Am deutlichsten aber zeigt sich das völlige Ver sagen der gegenwärtig bestehenden Strafmittel bei der starken Steigerung der vorbestraften Personen. Der Prozensatz dieser Personen ist vom Jahre 1893 bis zum Jahre 1897 unab lässig gestiegen und zwar von 35 Prozent im erstgenannten Jahre auf 39,7 Prozent im Jahre 1897. Danach betrug im letzten Berichtsjahre die Zahl der bereits vorbestraften Personen volle Vs der gesamten bestraften Personen, eine geradezu ungeheuerliche Ziffer. Wenn aber eine Person, die bereits einmal eine Strafe erlitten hat, sich wiederum dem Verbrechen in die Arme wirft, so geht doch daraus mit Deutlichkeit her vor, daß die erste Strafe eine bessernde Wir kung nicht ausgeübt hat. Abgesehen von den Delikten, für die im Rückfalle die Zuchthaus strafe vorgesehen ist (Diebstahl, Betrug rc.), ist im Gesetz, einerlei ob die Person schon vor bestraft ist oder nicht, dieselbe Strafart vorge sehen, und die ganze Weisheit des Richters kann sich nur darauf beschränken, bei jedem neuen Rückfall eine immer längere Strafzeit derselben Strafart festzusetzen. Einer der am häufigsten anzuwendenden Strafgesetz - Para graphen, ein Paragraph zugleich, bei dem Wieder holungen desselben Delikts sehr häufig sind, ist 8 223» (gefährliche Körperverletzung). Wenn nun jemand sich dieses Delikts schuldig macht, so ist, vorausgesetzt daß mildernde Umstände fehlen, schon bei der ersten Bestrafung Ge fängnisstrafe und zwar nicht unter 2 Monaten zu verhängen. Beim zweiten Mal wird der Richter vielleicht dem Angeklagten ein halbes Jahr zuerkennen, Leim dritten Mal ein ganzes, beim vierten Mal vielleicht 2 Jahre, und schließlich, „weil der Angeklagte unverbesserlich ist", das Höchstftrafmaß von 5 Jahren. „Weil der Angeklagte unverbesserlich ist!" das ist eben die Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Denn darüber find sich alle Praktiker klar, daß lange Freiheitsstrafen der sittlichen Besserung des Angeklagten lediglich abträglich sind. Darüber ist sich natürlich der erkennende Richter klar, aber er hat nach dem Gesetz eben kein anderes Mittel, dem vorbestraften Missethäter die unbuß- fertige Gesinnung vor Augen zu führen. „Kurze, aber strenge Freiheitsstrafen", das ist das Feld geschrei der Strafrechtspolitiker; dabei graduelle Steigerung der körperlichen Unbequemlichkeit bei Freiheitsstrafen für Roheitsverbrechen und Ge wohnheitsverbrechen. Das Fiasko des gegen wärtigen Strafsystems, wie es aus den trockenen Ziffern der Statistik für 1897 hervorgeht, wird hoffentlich dazu führen, der vollkommenen Stagnation des Strafverfahrens ein Ende zu machen. Don Nah und Fern. Friedrichshafen. Es verlautet, der Kaiser werde im Anschluß an die Herbstmanöver als Gast des Königs von Württemberg hierher kommen und auch der Großherzog von Baden werde eintreffen, um dem Unternehmen des Grafen Zeppelin mit seinem lenkbaren Luftballon beizuwohnen. Bochum. Ein teilweiser Streik unter den Bergleuten in Herne hat einen bedrohlichen Charakter angenommen und zu blutigen Zu sammenstößen zwischen den Streikenden und der Gendarmerie geführt. Mehrere der Streikenden find durch Revolverschüsse tödlich verwundet worden. keit gepaarte Ausdruck des ihn jetzt allein be schäftigenden Gedankens: „ich warte, denn ich habe viel Zeit, so viel wie du, mein dummer, tölpel hafter Spitzbube!" Endlich aber mußte dem sich so lange und tief Bückenden die gezwungene Stellung lästig werden, und den Kopf mit dem von Blut über füllten Gesicht etwas zur Seite wendend und einen scheuen Blick um sich werfend, um zu er spähen, ob wir vielleicht an ihm vorüberge schritten, sah er uns wider Erwarten dicht hinter sich stehen. So also mußte er sich wohl oder übel endlich aufrichten, und er that es, langsam, schwerfällig, als besinne er sich dabei, was nun wohl am besten zu thun, und wie dem so nahe drohenden Unheil zu entrinnen sei. So stand er zuletzt kerzengerade vor uns, und nun erst sah ich, welche hünenhafte Gestalt und welches ab gefeimte Böscwichtgesicht ich vor mir hatte. Der Mensch war wenigstens, sechs Fuß groß, breitschulterig, kräftig gebaut und zeigte ein Paar Arme, die eher einem herkulischen Schmied als einem Schneider anzugchüren schienen; denn die für ihn ausgesuchte weiteste Krankenjacke umspannte sie so fest, daß er gewiß nur mit Mühe hatte hineinfahren können. Aber das Gesicht dieses Schneiders, — o, daß es solche Menschengesichter geben muß! — war abscheulich mit einem Worte. Jedoch war es nicht gerade übermäßig häßlich, o nein; wenn ein solcher Geist in diesem Kopfe gewohnt, hätte es sich sogar ganz leidlich ge stalten und entwickeln können, aber der Ausdruck, der auf allen seinen Zügen unter der niederen, jetzt kahlen Stirn, in den weit auseinander-
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