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Allgemeiner Anzeiger : 05.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189907051
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990705
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-05
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 05.07.1899
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Kuxhaven. Seit geraumer Zeit stellen hier mehrere Gelehrte der Straßburger Universität Lersuche mit Professor Brauns Telegraphie ohne Draht an. Diese Erfindung unterscheidet sich wesentlich von der Marconis und soll vor allem ausdehnungsfähiger sein. In anbetracht ihrer Wichtigkeit besonders für die See und die Küsten hat der Hamburger Staat den hier weilenden Experimentoren, welche unter Leitung des Trivat- dozenten Dr. Cantor arbeiten, den Leuchtiurm, die Kugelbake und andere Punkte für ihre Zwecke zur Verfügung gestellt, und es soll gelungen sein, Nachrichten in vollkommen tadelloser Weise auf sehr weite Entfernungen zu übermitteln, ^n nicht zu ferner Zeit dürste es gelingen, die wer in der Elbemündung verankerten Leuchtschiffe mittels der Braunschen Telegraphie mit dem Lande zu verbinden, was bisher unausführbar war. Bremerhaven. Der Dampfer „Forest Holme" ist mit zertrümmertem Bug und sonstigem erheblichen Schaden von Montreal hier an- gekommen, nachdem er auf den Banken von Neufundland während dichten Nebels mit einem ungeheuren Eisberg kollidiert hatte. Zum Glück fuhr der Dampfer des Nebels wegen sehr lang sam, sonst wäre er, wie der Kapitän berichtet, wahrscheinlich unter den Eismaffen begraben worden. .Darmstadt. Die hiesige Burschenschaft „Teutonia" ist suspendiert worden, weil die Mitglieder in demonstrativer Weise mit ihrem ehemaligen ersten Chargierten Kopf, der unlängst wegen Mißhandlung zu acht Monat Gefängnis verurteilt wurde, nach seiner vorläufigen Haft entlassung in der Stadt herumgezogen find. Halle a. S. Am Mittwoch wurde ein hiesiger Uhrmacher in Haft genommen, weil er im Verdacht steht, Helfershelfer einer sogenannten schwarzen Bande zu sein. Es wurden nämlich bei der Haussuchung eine Partie Goldwaren im Aschenkasten gefunden, die von einer Dresdener von welcher sich die v. Glan und ein gewisser AA und Silberwaren von sehr hohem zu verschaffen wußten. Diese Waren hier an den Mann zu bringen. Bei «two Uhrmacher wurde an Goldwaren, Au ^00 Mk. an Wert, für 450 Mk. ver- -fandet. Ein hiesiger Barbier vertrieb Waren An- F^Alhaften Quelle, was ebenfalls besten SZS Folge hatte. Auch die n (Dchtvlndler v. Glan und Nndn sink sasj -sr-LE-sE Koblenz. Einen verwegenen Flucbtversucb machte der Dachdecker Kaiser aus Solingen der wegen einer Reihe Einbrüche, die er als angeblicher Telephonarbeiter mit Dienstmütze durch Elnsteigen von den Dächern verübte, zu drei Jahr Zuchthaus verurteilt ist. Aus dem Arreftaus vorgeführt, um als Zeuge in einer Sache vernommen zu werden, schwang er sich über das Treppengeländer und sprang ein Stock- Werk hoch hinab, erreichte auch das Freie, wurde aber in der nächsten Seitenstraße von mehreren Zivilpersonen ausgehalten und wieder ins Ge fängnis gebracht. Jüterbogk. In einem Anfall von Geistes störung hat die Frau des Steuerkontrolleurs Winzer ihrem Manne etwa fünfzig Stiche in Kopf und Hals beigebracht. Der Schwerver wundete wurde in das Krankenhaus gebracht, wo er seinen Verletzungen erlag. Dresden. Als das vierjährige Söhnchen Les Restaurateurs Büttner m Potschappel vom Fenster der Gaststube aus vorübermarschierenden Soldaten zuschaute sauste der schwere Rollladen hernieder und zerschmetterte dem Kinde den Kopf. Es war sofort tot. Osnabrück. Infolge Genusses verdorbener Wurst sind beim l. Bataillon des 78. Regiments gegen 90 Mann erkrankt. Ouakenbrück. Durch Feuer wurde hier ein großes Geschäftshaus vollständig einge- Lschert; ein im Dachraum des Hauses unter gebrachtes Patronenlager gab zu mehrfachen Explosionen Anlaß. Die Mutter des Geschäfts- Inhabers ist vor Schreck gestorben. Stormarn. In der Kirchengemeinde Sande waren vor einigen Monaten zwei Sozialdemo kraten in den Kirchenvorstand gewählt worden. Der Synodalaurschuß der Propstei Stormarn hatte aber die beiden Kirchenältesten nicht be stätigt, weil, wie es in dem Bescheide heißt, „durch deren thatsächliche und ausgesprochene Zu gehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei deren Stellung zur Kirche und dem Christentum an erkanntermaßen eine feindliche ist, es ausge schlossen erscheint, daß die betreffenden Herren die Pflichten der Kirchenältesten in einer dem Besten der Gemeinde und dem kirchlichen Frieden dienenden Weise erfüllen können". Jetzt aber hat das Konsistorium in Kiel diese Entscheidung des Synodalausschusses aufgehoben und erklärt, „daß die Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei an sich kein Grund sei, jemand die Fähigkeit zur Bekleidung eines kirchlichen Amtes abzu sprechen". Strelno. Im Schlamme des ausgetrockne ten Teiches in Siedlimow fand man zwei Kasten mit alten Münzen aus dem 15. und 16. Jahr hundert. Die Münzen, von denen einige den Wert von 10 Mark haben, wiegen im ganzen zwei Zentner. Braunsberg. Die 38jährige Hofmann witwe Marie Lau und der 30jährige Dienstknecht Gottfried Wiebrodt, welche am 23. November v. vom Schwurgericht zu Braunsberg zum Tode verurteilt wurden, weil sie den Ehemann der Lau durch Arsenik vergiftet hatten, wurden am Donnerstag durch den Scharfrichter Reindel hin gerichtet. Jnowrazlaw. Der Heizer des in der Nacht um 1 Uhr hier eintreffeuden Güterzuges bemerkte kürzlich hinter Güldenhof beim Scheine der Laterne, daß ein Mensch vor dem Zuge im Geleise lag. Es wurde sofort gebremst, doch konnte erst der Zug zum Stillstand gebracht werden, als er schon eine Strecke weitergefahren war. Die Beamten eilten herbei, leuchteten den Zug ab und fanden endlich am Ende des Zuges einen Arbeiter — im festesten Schlafe; nicht einmal das Gepolter des über ihn hinweg fahrenden Güterzuges hatte ihn zu erwecken ver mocht. Wien. Der schöne Kurort Baden bei Wien beschloß in diesem Frühjahr, eines seiner Bäder, das „Josephsbad", zu reinigen und zu ver größern, was gewiß sehr löblich war. Was soll man aber mit der Quelle thun, die bei solchen Arbeiten recht störend ist? Ganz einfach, man vermauert sie mit Zement. So geschah es auch, und die Reinigung und Vergrößerung wurden vollendet. Jetzt sollte die Quelle wieder er schlösse-'. werden. Was hatte aber diese in ihrem Zorn über die zementene Fessel gethan? Ganz einfach, sie hatte sich verlaufen und war trotz eifrigen Suchens nicht mehr aufzufinden. Die Badener waren in Verzweiflung und ließen sich Geologen aus Wien kommen. Nach langen Bohrungen wird tief drunten der Flüchtling wieder gefunden. Jetzt muß die Quelle, die früher ganz ohne Spesen ihre Wasser spendete, Mit großen, kostspieligen Maschinen in das Bassin gehoben werden. Das kommt davon, wenn man einer Quelle mit Zement den Mund verstopft. ^kmütz. Dem hiesigen Pferdehändler Haus ner ist eine Taube zugeflogen, welche am rechten einen Metallring trägt mit der Aufschrift: „1897 Nr. 325 . Das Tier ist groß und stark, hat braune, graumelierte F-dern, ist jedoch sehr herabgekommen und hat den Hals von Federn ganz entblößt. Es wird die Frage aufgeworfen, ob diese Taube nicht eine Taube Andrees sei, da die Jahreszahl mit jener der Auffahrt Andrees stimmt. Paris. Der sonderbare Krankheitszustand eines Mädchens im hiesigen Krankenhause be schäftigt die Aufmerksamkeit der Aerzte schon seit langer Zeit. Mehr als 16 Jahre find vergan gen, seit Marguerite Boyenval, aus dem De- -artement de l'Aisne gebürtig, ununterbrochen chläft. Als Tochter nervöser und dem Alko- jolismus ergebener Eltern hatte sie eine in hohem Maße hysterische Anlage erhalten, die sie schweren Zufällen aussetzte. Im Alter von 19 Jahren verfiel sie in einen hysterischen Zu stand, in dessen Verlauf sie einschlief. Sie ist seitdem nicht mehr aufgewacht, und man hält es nunmehr für wahrscheinlich, daß sie ihre ganze übrige Lebenszeit in demselben Schlafzustande verbringen wird.. Sie wird durch eine Sonde mit Bouillon, Mich, Fleischextrakt und Pepton ernährt und die Manke hat dabei nur wenig an Körpergewicht verloren. Dieser Umstand erklärt sich daraus, daß ein Mensch im lethargischen Schlafe und überhaupt in allen hysterischen Zu ständen nur sehr wenig Nahmng braucht, weil die körperlichen Funktionen bedeutend verlang samt find, was sich auch in der geringen Menge der ausgeatmeten Kohlensäure ausdrückt. Brüssel. Ein wunderbares Schauspiel hatte kürzlich der Vorort Kockelberg. Um einer bür gerlichen Trauung beizuwohnen, die im Rathause vollzogen werden sollte, fuhr ein Möbelwagen vor dem Rathause vor. Dem Wagen entstiegen das Brautpaar, die Eltern und sechzig Hochzeits gäste, alle in festlichen Gewändern. Nach voll zogener Trauung bestiegen alle wieder den Möbelwagen und fuhren nach der Sitte der Brüsseler Volkskreise von Ausschank zu Aus schank. Da die Beschaffung der vielen Wagen für die ganze Hochzeitsgesellschaft gar zu kost spielig gewesen wäre, so zog man es vor, einen großen Möbelwagen für einen Tag zu mieten. Gerichtslfalie. Berlin. Als Opfer der Briefmarkensammelwut standen am Mittwoch zwei ältere Postbeamte vor der dritten Strafkammer des Landgerichts, um sich auf die schwere Anklage der Amtsunterschlagung zu ver antworten. Die Anklage richtete sich gegen den seit über 30 Jahren im Postdienste stehenden Postsekretär Karl Laqua und den seit 15 Jahren angestellten Post schaffner Karl Ulbrich. Beide Angeklagte waren auf dem Briefpostamt 2 bei der Entkartung beschäftigt, wo die vom Auslande eingehenden Briefsendungen darauf hin zu prüfen sind, ob sie mit richtigen undausreichenden Wertmarken versehen sind. Laqua war seit 20 Jahren, Ulbrich seit 3 Jahren daselbst beschäftigt. Zur Ein leitung des Strafverfahrens hat der Umstand ge führt, daß seit Jahren massenhafte Beschwerden dar über einliefen, daß von Briefen, die vom Auslande eingingen, Briefmarken und namentlich solche, die einen höheren Wert hatten, abgelöst und verschwun den, bezw. durch andere Marken ersetzt waren. Es wurden von der Obcrpostdireklion Ermittelungen an gestellt, durch welche sich der Verdacht auf den An geklagten Laqua lenkte. Bei der verantwortlichen Vernehmung durch die mit der Untersuchung betrauten Postbeamten hat Laqua zunächst ein Schuldbekenntnis abgelegt, daß er in wenigen Einzelfällen solche Postmarken abgelöst habe. Er hat später dies Zugeständnis vor Gericht wider rufen und behauptet, daß er nur aus dem Grunde zugestanden habe, weil ihm versichert worden sei, daß in diesem Falle die ganze Sache durch eine Disziplinarstrafe abgethan werden solle, und weil er aus Gesundheitsrücksichten jede Aufregung ver meiden wollte. Die Verdachtsmomente gegen den An geklagten Laqua, der eine bis dahin makellose Ver gangenheit hat, haben sich gehäuft. Der Angeklagte ist Mitglied des Philatelistenvercins gewesen, behauptet aber, daß er selbst kein Interesse für Briefmarkensammeln gehabt habe, sondernnur für seine verstorbene Tochter, die Sammlerin war, Austauschgelegenheit haben wollte. Mehrere Postschaffner wollen gesehen haben, daß Laqua sich mit verschiedenen Briefen verdächtig zu schaffen gemacht habe. Es steht auch fest, daß nach Einleitung der Untersuchung der Angeklagte ein kostbares Briefmarkenalbum mit etwa 3000 wert vollen Briefmarken verbrannt hat. Er behauptet, daß dies Album seiner verstorbenen Tochter gehört und er es aus Pietät gegen seine Tochter ver brannt habe, damit deren Sammlung nicht in fremde Hände gelange. — Der Angeklagte Ulbrich, der selbst kein Sammler ist, wurde beschuldigt, dem Laqua Beihilfe geleistet zu haben, derselbe bestritt aber jede Schuld. Neber die postalische Behandlung der in Frage stehenden Briefsendungen, namentlich der für den Kaiser bestimmten soge nannten Kadinettsbriese, wurde eine Anzahl von Postbeamten vernommen. Die einzelnen von mehreren Unterbeamten gemachten verdächtigen Wahrnehmungen suchte der Angeklagte Laqua dahin zu erklären, daß es sich um ganz unverdächtige, mit der ordnungsmäßigen Behandlung der Briefe zusammen hängende Handgriffe gehandelt habe. Dem Ange klagten Laqua wurde von seinen Kollegen das Zeug nis gegeben, daß er stets ein ungemein großes dienstliches Interesse an den Tag gelegt habe und unter Umständen auch bereit war, kleine Vergehungen anderer auf seine Kappe zu nehmen. Wie aus der Verhandlung hervorging, ist die Ab lösung von Briefmarken früher mit Ordnungsstrafen geahndet worden, dies ist der erste Fall, welcher der Staatsanwaltschaft übergeben worden ist, nachdem schon seit den achtziger Jahren gegen einzelne Post beamte, welche Marken abgelöst hatten, mit größerer Strenge vorgegangen worden war. Der Staats anwalt ist diesmal angerufen worden, weil die Post wertzeichen in großem Umfang verschwanden, un zählige Beamte verdächtigt wurden und unter den Unterbeamten große Erbitterung herrschte. Frau Laqua bekundete, daß ihr Mann durch langeKrankheit in seiner Energie und Widerstandskraft geschwächt gewesen sei. Die Beweisaufnahme ergab, daß in dem einen Falle, in welchem der Angeklagte eine Markenent wendung zugegeben hatte, dieser überhaupt nicht in der Lage gewesen ist, die Marke seinerseits zu ent fernen. Staatsanwalt Stachow hielt den Ange klagten im allgemeinen für stark verdächtig und mindestens in einem Falle für überführt. Er bean tragte gegen Laqua die niedrigste Strafe von drei Monat Gefängnis, gegen Ulbrich Freisprechung. Der Gerichtshof sprach beide Angeklagte frei, da er auch bezüglich des Laqua die Sache nicht für genügend aufgeklärt erachtete. Erfurt. Die Meuterei im Gefängnis zu Mühl hausen i. Th., welcher sich am Abend des 21. April sieben dort Internierte schuldig gemacht haben, bildete hier am Donnerstag den Gegenstand einer Schwur gerichtsverhandlung. Drei der jugendlichen Ange klagten erhielten Zuchthausstrafen von zwei Jahr neun Monat, vier und fünf Jahr, drei wurden je zu 1 Jahr 6 Monat Gefängnis verurteilt. Der siebente, welcher sich, um den Oberaufseher herbeizu locken, krank gestellt hatte, kam mit einem Jahr Ge fängnis davon. Kuntes Allerlei. Die deutsche Handelsflotte ist, wie be-^ kannt, nächst der englischen die größte der Erde. Der jetzt veröffentlichte statistische Bericht für das Jahr 1897 beweist ziffernmäßig das stetige Wachstum deutscher Macht auf dem Gebiet des friedlichen Seeverkehrs. In die Häfen des deut schen Küstengebietes find 1897 rund 155 000 Schiffe mit einem Raumgehalt von 33 Millionen Registertonnen ein- und ausgelaufen; gegen das Vorjahr bedeutet das eine Zunahme von 7000 Schiffen (5 Prozent) und von 2 Millionen Registertonnen (6,7 Prozent). Die Gesamtzahl der Seereisen deutscher Schiffe erreichte die Höhe von 87 000 (jedes Schiff ist hierbei so oft be rechnet, als es Seereisen in dem Jahre gemacht hat), und der dabei in Bewegung gesetzte Raum gehalt betrug 40 Millionen Registertonnen; auch das ergibt eine Zunahme von 5000 Reisen (5,8 Prozent) und von 4 Millionen Register tonnen (11,4 Prozent). Zwischen außerdeutschen Häfen endlich verkehrten 21 000 deutsche Schiffe mit rund 26 Millionen Registertonnen. In der Schule kommen oft Stückchen vor, wie sie so lustig die .Fliegenden Blätter? gar nicht bringen können. Aus einem Dorfe bei Hoya wird dem ,H. Wochenbl? folgendes Ge- schichtchen erzählt: Ein A-B-C-Schütze meldet sehr vergnügt, daß er „morgen seinen Geburts tag" habe und „frei" haben wolle. Ausnahms weise und in Berücksichtigung der besonderen Umstände wird ihm dies gewährt. Das hat einen anderen Kourage gemacht. Er tritt vor: „Ick will mor'n ok „Verlöf" hebben." — Lehrer: „So darfst du aber nicht sagen, mein Junge, du mußt um Erlaubnis bitten." — Schüler: Keine Antwort. — Lehrer: „Wie sagst du denn zu deiner Mutter, wenn du ein Butterbrot haben möchtest?" — Schüler: „Ick will'n Bottem hebben!" — Lehrer (zu einem andern kleinen Flachskopf): „Und du, wie sagst du denn zu deiner Mutter?" — Zweiter Schüler: „Ick segg' ok so!" — Dritter Schüler: „Ick ok." — Vierter Schüler: „Ick ok." — Lehrer (nachdem noch viele „ick ok" erklungen waren): „Wer von euch sagt denn anders zu seiner Mutter?" — Nach kurzer Pause des Stillschweigens meldet sich der kleine Friedrich. — Lehrer: „Seht ihr, Kinder, der kleine Friedrich wird euch alle be schämen. Na, Friedrich, nun sag' mir mal, was sagst du zu deiner Mutter, wenn du ein Butter brot haben möchtest?" — Der kleine Friedrich: „Ick segg' gor niks, ick smeer mi sülben een'n up!" * * * Aengstlich. Frau (zum Professor, der auf dem Standesamt die Geburt seines Kindes an zeigen soll): „Aber nicht wahr, Männchen, du nimmst deine Gedanken zusammen . . . nicht daß du dich da auf dem Standesamt noch einmal verheiraten läßt!" Der Verbrecher sank gleichsam in sich selbst zusammen und schien fast kleiner zu werden; denn er sah durch diese eine letzte Frage schon seine ganze Schandthat enthüllt. Aber bis hierher wollte der Polizeirat sem erstes allgemeines Verhör nur ausdehnen. Er nickte ihm daher ganz gemütlich zu und jag.e noch: „So, es ist gut, ich weiß für jetzt genug, und das übiige wird sich la nun bald finden. Ich verlasse dich jetzt und sage nur: auf bal diges Wiedersehen! — Ihr aber, wandte er sich mit nachdrücklich ernstem und laut schmetteni- dem Tone an die anwesenden Kranken, die sich unwillkürlich und wie durch eine magische Gewalt herangezogen um uns her gedrängt hatten, „ihr alle steht mir dafür, daß dieser Wilhelm Muller alias Richter keinen Schritt aus diesem Zimmer thut, — ich mache euch alle dafür verantwort lich. — Und nun, Herr Doktor," redete er mich freundlich an, „bin ich hier fertig. Bitte, kommen Sie mit mir!" Als wir auf den Korridor hinausgetreten waren, sagte er zu mir: „Haben Sie die Güte und kommen Sie noch einen Augenblick mit mir in das Büreau, ich muß die Papiere des Friedrich Richter an sehen und dann der Direktion meine Ansicht von der Sache unterbreiten. Der Mann gehört jetzt schon mehr mir als Ihnen, und ich lege von Amtswegen meine Hand fest auf ihn. Binnen emer Stunde werde ich einige handfeste Leute Aden, die meinen alten Bekannten Müller alias Richter in ihren Verwahrsam nehmen und," Wie er lächelnd hinzu, in meiner Staats- »irroffe m sein ihm zur Wohnung bestimmtes Schloß, — daZ hxjßf hinter Schloß und Riegel Augen sollen. Der Kerl ist endlich reif für zehn ^ahr Zuchthaus, und so lange wenigstens AAu.wir und mit uns ganz Berlin vor ihm jMjer jein. Kommen Sie, uno nun können wir etwas rascher gehen." mr. TA Verhandlung im Büreau, welches in der Alten Charitee lag, nahm nur wenige Minuten w Anspruch; denn die dortigen Beamten, vom schon längst unterrichtet, um was es sich handele, waren auf der Stelle bereit, seinen Wünschen zu entsprechen, und diese wurden im Laufe der nächsten Stunde pünktlich ausgeführt. Nachdem der Polrzeirat die ohne Zweifel falschen Papiere des p. Müller auä " Richter in Empfang genommen hatte, um durch sie vielleicht wieder auf einen neuen Verbrecher zu geraten sagte er nur noch: » - „Nur ein wichtiges, meine Herren, habe ich Ihnen noch mitzuteilen, und auch darin werden Sie mir gewiß willfährig sem. Der p. Müller darf die Kleider, in denen er hierhergekommen ist nicht wieder ausgehändigt erhalten und an- leaen sondern dieselben müssen sofort wie sie gerade sind, dem Gericht überliefert werden; und da „r nieder in Adams noch im Charltee-Kranken- kottüm transportiert werden kann, werde ich sofort dÄi-°-"°d d°M überbringen lassen, die er dann benutzen mag. Dies meine Herren,, ist Wütiger, ass Sie Lieft leicht glauben, und ich muß auf meinem Gesuch bestehen. Denn, bedenken Sie wohl der p. Müller ist ein hartgesottener Sünder und zu gleich ein — Schneider. Und da habe ich so meinen eigenen Verdacht, daß er einige ge stohlene Schmucksachen, etwa ausgebrochene Steine, vielleicht auch Goldstücke aus geschickte Weise in seine Kleider eingenäht hat. Die nun müssen wir auf das genaueste untersuchen, und eben deshalb will ich sie heute noch haben, da ich vor Begier brenne, mein neuestes Drama, auf das ganz Berlin mit Anteil und Spannung blickt, zu Ende zu führen." Man sagte ihm natürlich alles zu, und nun endlich war die heute mich so lebhaft be schäftigende Angelegenheit, das neueste Drama des Polizeirats Dunker, soweit sie die Charitee betraf, erledigt. Ich begleitete den ersten Darsteller in diesem Drama bis vor die Thür des Hauses, und hier reichte er mir die Hand und sprach seinen Dank für meine Teilnahme an seiner heutigen Unternehmung aus. Ehe er aber von mir schied, verhieß er mir, mich sobald wie möglich von seinen Er folgen in bezug auf die Untersuchung der Kleider und den ferneren Verlauf des Prozesses gegen den PP. Wilhelm Müller zu unterrichten. Er hielt auch Wort, aber ich mußte etwas lange aus die versprochene Mitteilung warten. Der Prozeß zog sich nämlich unerwartet in die Länge. Eines Tages im Oktober erhielt ich einen höchst liebenswürdigen Brief vom Polizeirat, in welchem er mir mitteilte, daß sein erster Ver dacht in bezug auf den mir bekannt gewordenen Einbruchsdiebstahl auf den rechten Mann ge fallen sei. ,, Wilhelm Müller war wirklich der Haupt schuldige gewesen und hatte schließlich nicht nur seine Urheberschaft an dem geplanten ver brecherischen Unternehmen, sondern auch seine Oberleitung bei der Ausführung selbst einge standen, weshalb er, als schon mehrfach be strafter Dieb, zu acht, und sein Bruder, der Teilnehmer am Einbruch, zu sechs Jahr Zucht haus verurteilt worden war. Aber auch in bezug auf die Kleidungsstücke des pp. Müller hatte der Polizeirat das richtige vermutet. Als dieselben auf dem Gerichte von Sach verständigen einer genauen Untersuchung unter worfen wurden, fand man in dem doppelten Boden der kurzen schwarzen Lederhose und auch im Rockfutter an verschiedenen Stellen nicht nur zwanzig und einige Friedrichsd'or, sondern auch mehre kostbare Steine, auf sehr künstliche Weise in Watte verpackt, eingenäht, die der Dieb so gar seinem Bruder zu unterschlagen und vorzu- enthalten die Geschicklichkeit besessen hatte, wäh rend alles übrige gestohlene Gut einem diebes freundlichen Hehler anvertraut war, bei dem die meisten Kostbarkeiten auch gefunden wurden, da derselbe den günstigen Zeitpunkt noch nicht ge kommen glaubte, um sie mittels eines ge schickten Helfershelfer sicher über die Grenze schaffen zu lassen. Diesen freundlichen Brief beantwortete ich dem Absender sofort mit dem herzlichsten Danke und das war das letzte Mal, daß ich mit dem selben in nähere Berührung trat. Wohl hörte und las ich ost genug von seinem späteren Unternehmungen in seinem höchst wichtigen und gefährlichen Berufe, aber wiedergesehen habe ich ihn seit dem Tage nicht, wo ich ihn durch die Säle der Neuen Charitee begleitete. LV»« Ende.
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