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Allgemeiner Anzeiger : 03.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189906035
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18990603
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990603
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-06
- Tag 1899-06-03
-
Monat
1899-06
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 03.06.1899
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Uon Unh und Fern. Pose». Mit der Hebung des Handwerks im Osten wird hier ein ernstlicher Anfang ge macht werden durch eine Magistratsvorlage, m welcher 70 000 Mk. für eine Gebäude gefordert werden, das für Schlosser, Schmiede, Klempner, Tischler und Monteure Lehrwerkstätten enthalten soll, auch Räume zur Ausstellung von Modellen, Werkzeugmaschinen und Schülerarbeiten. Später werden die Gesellen- und Meisterkurse an diese Einrichtung, die örtlich und verwaltungstechnisch mit der Posener Baugewerksschule verbunden wird, angegliedert werden. Dortmund. Im Gnadenwege wurde eine dem Invaliden Rüther, der einen Pflaumendieb so schwer durch einen Schuß verwundet hatte, daß der Verletzte bald darauf starb, seiner Zeit zuerkannte Gefängnisstrafe von sechs Monaten in eine vierzehntägige Haftstrafe umgewandelt. Hannover. Eine seltene Familienfeier wird h;er am Sonntag, 25. Juni, stattfinden. Die vier Töchter Lina, Ella, Mary und Henny des dort wohnenden Kunst- und Handelsgärtners Poser werden an diesem Tage zugleich das Fest ihrer Vermählung feiern. Von besonderem Interesse dürfte hierbei die Mitteilung sein, daß Mary und Henny Poser Zwillingsschwestern seien. Erfurt. Die Beraubung des mit 78000 Mk. deklarierten Geldbriefes, welchen der Posteleve Hering an die Dresdener Bank in Berlin ge sandt hat, erweist sich als ein dreister Schwindel, den der junge Mann selbst in Szene gesetzt hat. Dem die Untersuchung führenden Postinspektor aus Erfurt hat Hering, der aus Herz berg a. d. Elster stammt, bereits ein bezügliches Geständnis mit dem Hinzufügen abgelegt, daß er niemals im Besitz der von ihm angegebenen Summe gewesen sei. Infolge dieses Geständ nisses find der Gastwirt R. und der Forstbeamte, bei welchem Hering in Stellung war, aus der Haft entlassen. Letzterer hatte sie bekanntlich beschuldigt, daß sie die 78 000 Mk., die er ein gelegt, durch einen Kunstgriff kurz vor der Sie gelung des Briefes sich angeeignet und durch Makulatur ersetzt hätten. Jena. „Ist denn kein Stuhl da?" Mt dem Absingen dieses Gassenhauers zog in der Nacht zum 2. Feiertag ein angeheiterter Jenenser Einwohner durch die Straßen unserer Stadt. In der Nähe des „Deutschen Haufes" wurde dem Biedermann Antwort auf seine Frage als bald zu teil. Aus einem Fenster dieses Hauses flog ihm aus der Hand eines Musensohnes ein Stuhl vor die Füße. Dem also prompt Be dienten schien aber das rechte Verständnis für das Entgegenkommen zu mangeln, vielleicht war er gar erbost darüber, daß zwar der Stuhl da war, aber ihm die „Hulda" fehlte. Kurzum, der feuchtfröhliche Sänger beantwortete das Wersen mit dem Stuhl mit einer Flut von Schimpfworten, worauf aus mehreren Fenstern des Hotels allerhand Mobilien, Porzellan und Geschirr rc. in Massen geflogen kamen, was natürlich trotz der vorgerückten Stunde nach und nach einen allgemeinen Menschenauflauf ver ursachte. Nachdem die Musensöhne so ziemlich alles aus dem Hotelzimmer auf die Straße be fördert hatten, trat friedliche Stille ein. Der überkecke „Studentenulk" wird den Studenten zweifellos teuer zu stehen kommen. Der Hotel wirt berechnet seinen Schaden auf 1600 Mk. Leipzig. Im Aschantidorf des Zoologischen Gartens herrschte dieser Tage am späten Nach mittag großer Jubel. Ein frohes Ereignis war unter den Leuten bekannt geworden. Die junge 18 jährige Negersfrau Dede Ammar hatte einem kleinen Söhnchen das Leben geschenkt. Der junge Neger sieht keineswegs wie ein solcher aus, seine Hautfarbe ist vielmehr eine rötlich fleischfarbige zu nennen und nur das kurze krause, lockige Kopfhaar verrät außer einem Merkmale, welches nur Eingeweihten bekannt sein dürfte, den Vollblut-Neger. Im übrigen aber könnte man das Kind ebenso gut als von weißen Eltern abstammend ansehen. Der Vater, ein 30 jähriger Neger Abodai Kwablah, wurde von den Stammesangehörigen beglückwünscht. Die Mutter des Kindes wurde von den sie Be suchenden und Beglückwünschenden beschenkt. Mutter und Kind befinden sich äußerst n Dem kleinen Leipziger Bürger wurde der »w Tobro Koffieg gegeben. Krimmitschau. Ein rabiates Weibchen scheint ein hier wohnhafter Ehemann zu be sitzen, der von demselben einen Topf mit sieden dem Wasser an den Kopf geworfen erhielt und von dem Inhalt schwere Verbrühungen im Ge sicht erlitt. Der Ehemann soll Anzeige erstattet haben. Es dürfte diese „heiße" Aufwallung der sanftmütigen Ehegattin noch viel Unannehmlich ketten bringen. München. Im Hofbräuhause kaufte sich dieser Tage ein Arbeiter eine Gipsbüste König Ludwigs II- Leider hatte der Mann damit nach der dritten „Maß" ein schweres Pech, denn ein unversehener Stoß — und die Büste lag zer trümmert am Asphaltboden. Unter allgemeinem Bedauern der Tischgenossen holte der Mann die Trümmer zusammen, nicht jedoch ohne einige Kraftausdrücke fallen zu lassen. Niemand fiel es aber ein, diese auf den König zu beziehen, oder gar als Majestätsbeleidigung zu betrachten. Nur einem norddeutschen Studenten war es Vor behalten, darin eine Majestätsbeleidigung zu er blicken. Er entfernte fich heimlich und holte einen Schutzmann, um den Verbrecher dingfest machen zu lassen. Das Publikum und besonders die Tischgenossen, die den Hergang der Affäre ganz genau kannten, nahmen aber sofort Partei für den Arbeiter, und der Schutzmann sah sich veranlaßt, mangels jeglichen Grundes von einer Einschreitung abzustehen. Der junge Herr hatte aber seinen Uebereifer schwer zu büßen, denn kaum hatte sich der Schutzmann entfernt, als ein bisher vollständig unbeteiligter Zuschauer in der Person eines elegant gekleideten Herrn auf den Denunzianten zuging und ihm nach kurzem Wortwechsel eine weithin schallende Ohrfeige ver setzte. Unter geradezu frenetischen Bravorufen und Beifallklatschen mußte fich der Geohrfeigte aus dem Staube machen. Kufstein. Am Sonntag ist der Diätar beim Sekretariat der österreichischen Südbahn, Pfannerer, unter Mitnahme von Dienstgeldern im Betrage von 3000 Kronen verschwunden. Der Oberkondukteur Hosp, der Sonntag früh von Innsbruck kam, hatte ihm das Geld zur Ablieferung an die Stationskasse übergeben. Pfannerer hat vermutlich den bayrischen Zug 10 Uhr 10 Min. vormittags zur Flucht benutzt. Pf., der Sohn eines Stationschefs in Mähren, ist erst 19 Jahre alt, blond und bartlos. Laibach. Der erst seit wenigen Monaten hier thätige evangelische Pfarrvikar Otto Baum gart ist am Pfingstmontag zur Probepredigt nach Feldamsee gegangen und dabei in den Bergen abgestürzt. Er wurde tot aufgefunden. Fünfkirchen. Der Lithograph Hochrein und der Mechaniker Goepil wurden wegen Fälschung von Zehnguldennoten, die sie auf photographi schem Wege täuschend nachahmten und in großer Menge verbreiteten, verhaftet. Neapel. Das Haupt der neapolitanischen Gaunerbande, welche unter dem Schutze der Camorra ihr Unwesen treibt, Bankier Sufio, ist im Kohlenbunker eines nach Marseille bestimmten Dampfers verhaftet worden. Brüssel. Am Sonntag ereignete sich in Capelle-St. Ulric bei der dortigen Kirmesfeier ein Unfall. Als ein Unwetter ausbrach, flüchtete eine Anzahl Personen, darunter viele Kinder, in einen Musikpavillon, der unter der Last zusam menbrach. Unter den Trümmern befanden sich etwa zwölf Kinder, sieben wurden schwer verletzt, eines derselben ist gestorben. Auch mehrere Musiker wurden verletzt, darunter einige schwer. Antwerpen. Eine abscheuliche Unthat soll sich auf einem Dampfer der belgischen Schiff fahrtslinie Antwerpen-Kongo zugetragen haben. Wie der Antwerpener ,De Werker' berichtet, waren zwei vor Sierra Leone eingestellte Schwarze auf der Fahrt nach Belgien an den Pocken erkrankt. Um der Quarantäne in Sierra Leone zu entgehen, wurden die beiden schwer- Erkrankten in ein am Hinteren Teil des Schiffes befestigtes Rettungsboot gelegt und mit einer leinenen Decke bedeckt. Während der Nacht wurden sie über Bord geworfen. Die Kranken klammerten fich jedoch an das Tauwerk an, wurden aber mit Stockhieben auf die Hände ge zwungen, es loszulassen. Endlich ergriffen die Neger, die verzweifelt gegen den Tod kämpften, ein am Schiff herunterhängendes Seil; man schnitt es durch und die Neger verschwanden. Der ,Soir' will wissen, daß die Neger selbst im Fieberwahn aus dem Rettungsboot in das Meer gesprungen seien, doch wird zunächst eine Unter suchung eingeleitet werden müssen, um die Wahr heit festzustellen. Warschau. Der bekannte Hypnotiseur „Professor Dr." Czynski, der vor einer Reihe von Jahren mit einer Dame der sächsischen Aristokratie in München durch eine Pseudo- Trauung fich „vermählte", um sich in den Besitz des Vermögens der Dame zu setzen, und dafür zu mehrjähriger Gefängnisstrafe verurteilt wurde, ist jetzt hier wieder aufgetaucht. Er hat sich als „wissenschaftlicher Graphologe" niedergelassen. Ezynski bezeichnet sich auf großen Plakaten an den Straßensäulen als einen Hörer der Charttee in Paris, einen Schüler des berühmten Crepieux Jamin, des Begründers der wissenschaftlichen Graphologie und will „Kurse für wissenschaft liche Graphologie" einrichten. Konstantinopel. Ein Ruderboot, in dem fich Kontre-Admiral Osman, dessen Schwieger sohn und ein Schiffsleutnant mit 3000 Pfund Lohngeldern für das Marine-Arsenal befanden, kenterte am Goldenen Horn; der Schwiegersohn Osmans und der Schiffsleutnant ertranken, das Geld ist verloren. New Aork. Admiral Dewey, der Seeheld von Manila, soll von der Bevölkerung der Ver. Staaten dadurch geehrt werden, daß ihm aus dem Ertrag öffentlicher Sammlungen in Washing ton ein Haus gekauft und eingerichtet werde. Ein Aufruf zu Geldsammlungen für das Dewey- Heim ist bereits erlassen worden. Gerichtshalle. Bochum. Der Wechselfälscher Kranzcr aus Grumma, dessen Verhaftung seiner Zeit großes Auf sehen erregt hatte, ist jetzt von der Strafkammer zu drei Jahr Zuchthaus und Ehrverlust auf die gleiche Dauer verurteilt worden. Ohne über Barmittel zu verfügen, gründete Kranzcr ein Baugeschäft und er stellte sich bald eines geradezu ungewöhnlichen Ver trauens. Als er in Geldverlegenheiten geriet, ver legte er sich auf das Fälschen von Wechseln. Es sind im ganzen 86 Accepte über 170 000 Mark von ihm in den Verkehr gebracht worden. Kranzcr hat sämtliche Bochumer Banken und eine Anzahl Privat personen geschädigt. Hamburg. Seit einiger Zeit geht die hiesige Polizeibehörde scharf gegen die Verkäufer solcher Konservenbüchsen vor, die an den Außenseiten mit Blei gelötet sind. Es ist auch wiederholt von den Gerichten dahin erkannt worden, daß solche Büchsen gegen das Reichsgesetz vom 25. Juni 1887 ver stoßen, da kleine Partikelchen Blei in das Innere der Büchse gelangen konnten und dies einer Jnnen- lötung mit Blei gleichzustellen sei. Jetzt hat jedoch das Hanseatische Oberlandesgericht diese Auslegung für unrichtig erklärt, und die Angeklagten freigc- sprochen. Es hat ausgeführt, daß das Gesetz nur die Lötung an der Innenseite mit mehr als zehn Prozent Blei enthaltender Legierung verboten habe, nicht aber die Außenlötung, wenn sie auch zur Folge haben könne, daß ein Partikelchen der Bleilötung in das Innere der Büchse gelangen könne. Selbstmord eines chinesischen Attaches. Erschossen hat fich der Attache der Pariser chinesischen Gesandtschaft, Che-mi-ne, am Sonntag morgen gegen 9 Uhr in seiner in Charlottenburg belegenen Wohnung. Der Verstorbene, ein Bruder des gleichfalls in Charlottenburg wohn haften Legations-Sekretärs bei der Berliner chinesischen Gesandtschaft, Kinkinthai-Tantai, bezog vor sechs Wochen ein möbliertes Zimmer dei dem Gymnafial-Oberlehrer Schwarz; zuvor hatte er bei seinem Bruder gewohnt, war jedoch von dort verzogen, um mit größerer Muße seinen deutschen Studien nachhängen zu können. Che-mi-ne war nach Deutschland gekommen, um hier vor seiner Rückkehr nach China seine Ge sundheit zu kräftigen; schon vor längerer Zeit wollte er die Heimreise zu seiner Gattin, die er in China zurückgelassen, ansteten, nahm jedoch auf dringenden Wunsch seines Bruders, der die Verantwortung nicht übernehmen zu können glaubte und meinte, es könne dem Leidenden während der langen Seefahrt etwas zustoßen, davon Abstand. Inzwischen konstatierten hiesige Aerzte, die Che-mi-ne konsultiert hatte, daß seine Krankheit eine unheilbare sei, und diese Mit teilung scheint fich der Aüachö derartig zu Herzen genommen zu haben, daß er es vorzog, seinem Leben selbst ein Ende zu bereiten. Am Sonntag morgen erhob er fich — gegen seine sonstige Gewohnheit — um 7 Uhr aus dem Bett, ging darauf einige Zeit unruhig im Zimmer auf und nieder und klingelte dann nach dem Thee, den Frau Schwarz ihm selbst brachte. Der Dame fiel es auf, daß er ein ganz besonders liebens würdiges Wesen zu ihr zeigte und ihr, was er sonst nie that, die Hand schüttelte. Gegen 9 Uhr vernahm die Wirtin dann einen dumpfen Knall; ' da ihr Gatte gelähmt ist, so meinte sie zunächst, er könne aus dem Bett gefallen sein, fand jedoch ihre Vermutung nicht bestätigt und eilte nun an die Thür ihres Mieters, aus dessen Zimmer sie ein leises Röcheln zu hören glaubte. Bei ihrem Eintritt in den unverschlossenen Raum fand sie den Attache auf dem Teppich in der Nähe des Fensters liegen, ein Kopfkissen unter dem Kopf, in der Rechten einen noch rauchenden Revolver, aus dem Che-mi-ne sich eine Kugel in unmittelbarer Nähe des Herzens in die Brust gejagt hatte. Aus der Wunde waren nur wenige Tropfen Blut herausgedrungen, vor dem Munde des Sterbenden stand blutiger Schaum. Der sofort herbeigerufene Arzt Dr. Palmie, der auf demselben Flur wohnt, konnte nur den inzwischen schon eingetretenen Tod konstatieren. Die Kriminalpolizei und der Bruder des Verstorbenen wurden gleichfalls sofort benachrichtigt und er schienen alsbald an dem Thatorte. Gegen 12 Uhr mittags kam auch der chinesische Gesandte Lü- Hai-Hwan in Begleitung einiger Herren von der Gesandtschaft; an der Leiche des Verstorbenen wurde ein Gottesdienst nach chinesischem Ritus abgehalten. Che-mi-ne hat einen in chinesischer Sprache abgefaßten Zettel zurückgelassen, in dem er das bereits erwähnte unheilbare Leiden als Motiv für seine That angibt; die Leiche soll einbalsamiert werden. Gemeinnütziges. Benzin. Sebr ost wird angeraten, bei der Wäsche, um diese weißer zu machen, dem Wasch wasser Benzin zuzusetzen. Letzteres ist aber sehr feuergefährlich, und hat man es somü nur mit großer Vorsicht zu benutzen — man darf es nur kaltem, nie aber kochendem Wasser zusetzen, weil es sich sonst entzünden und großes Unglück an richten kann. Austerordentlich haltbaren Bindfaden, haltbarer noch als die sogenannte Zuckerschnur, gewinnt man, indem man ein gutes Test Alaun in Wasser auflöst. Wird der Bindfaden in diese Auflösung gelegt und nachher getrocknet, so ist er unzerreißbar. Kuntes Allerlei. Kompastpflanzen. Forschungsreisende wur den schon mehrfach durch die Erscheinung über rascht, daß die Blätter gewisser Pflanzen die Himmelsrichtung mit ziemlich derselben Deutlich keit angaben, wie ihr Kompaß; bei diesen Pflanzen stehen die Blätter fast sämtlich in der Ebene des Meridian, d. h. in der von Süden nach Norden gerichteten Ebene. Die Pflanzen gehören sämtlich in die Familie der Kompositen. Die Kompaßpflanzen nehmen natürlich ihre Stellung nicht etwa, wie es der Kompaß selbst thut, unter dem Einfluß des Erdmagnetismus ein, sondem es handelt fich einfach um Selbst schutz. Bei der Richtung, in die sie fich stellen, find nämlich die Blätter den um die Mittagszeit am stärksten wirkenden Sonnenstrahlen am wenigsten ausgesetzt, ihre Stellung schützt sie also vor der übermäßigen Wasserverdunstung. * * * Was man hat, das hat man. Er: „Der Ring scheint dir zu groß zu sein, Ge liebte. Soll ich ihn mitnehmen und umtauschen ?" — Sie: „Nein, Liebster, ein Verlobungsring ist ein Verlobungsring, und wenn ich ihn um den Hals tragen müßte!" tisch getreten und hatte sechs Gläser mit edlem Rheinwein gefüllt, die er uns so höflich darbot, wie der geschulteste Lakai es nur kann. Alle nahmen ein Glas, und gleich darauf klangen sie aneinander, wobei freundliche Worte ausgetauscht wurden; doch habe ich davon nur die folgenden in meinem Gedächtnis bewahrt, aus dem sie auch nie wieder verschwinden werden. „Herr N. . sagte die Sopranistin zu mir, „ja, Ihr Tenor ist so frisch und rein, so voll und sicher, wie Ihre Aussprache klar und deutlich. Sie haben eine gute Schule durch gemacht und könnten auf jedem Theater des Erfolges sicher sein. O, wenn einmal glück lichere Zeilen für Sie eintreten, möchte ich Sie wohl einige meiner Lieblingsarien aus dem Freischütz, aus Oberon und der Weißen Dame fingen hören." Ich weiß nicht, woher mir der Mut kam, auf der Stelle zu sagen: „O, mein gnädiges Fräulein, Sie sind zu gütig und nachsichtig; bis jetzt habe ich nur eine reine Naturstimme, aber ich hoffe, ich werde bei stetem Fleiß und guter Anleitung noch etwas aus ihr machen können. Wollen Sie mich aber dann irgend eine Ihrer Lieblingsarien singen hören, so rufen Sie mich, und wo ich auch sein mag, ich komme und singe Ihnen so lange etwas vor, wie Sie Lust haben, es zu hören." Sie verneigte fich, ohne eiie Wort weiter zu sprechen als: „Ich werde Sie beim Wort halten, und vielleicht rufe ich Sie." Dies wurde fast nur flüsternd gesprochen, aber doch deutlich genug verstanden, — von mir wenigstens; denn es kam mir so vor, als habe sie es nur für mich allein gesagt, obgleich der aufmerksam lauschende Polizeirat, der dicht neben uns stand, es sicher auch gehört hatte. Fünf Minuten später saß der Komponist wieder am Flügel, und wir sangen das Ton stück noch einmal, welches ziemlich lang war und gerade so viel Zeit fortnehmen sollte, wie die mitwirkenden Personen zur Darstellung ihrer lebenden Bilder gebrauchten." Der Erzähler that ein paar mächtige Züge aus seiner Pfeife, versank dann einen Augen blick lang in ein träumerisches Hinstarren, bis er plötzlich mit dem Aufgebot seiner ganzen Willenskraft sich zusammenrafste und, rascher als vorher sprechend," sagte „Doch nun laßt mich kurz sein, damit wir bald zum Ende kommen und ich euch meine gegenwärtigen Wünsche vortragen kann. — Ob gleich wir unser Musikstück nun schon zweimal gesungen und kein bedeutender Fehler gemacht worden war, begnügte sich der Komponist noch nicht damit, sondern bat uns, unsere Kehlen noch einmal anzustrengen. Wir alle vier, glaube ich, thaten es gleich gern, und diesmal zu allge meiner Befriedigung; denn nicht ein einziger Fehler wurde bemerkt, und namentlich der junge Meister war mit unseren Leistungen vollkommen zufrieden. So war es endlich 11 Uhr ge worden, und als wir uns noch einmal in eine heitere Plauderei einzulassen begannen, die etwas lang zu werden drohte, gab der Polizeirat dem Göttinger und mir einen Wink, d u wir ver standen, und so wurde rasch Abschied genommen, nachdem uns noch Tag und Stunde der fest lichen Aufführung bezeichnet war." Hier stockte der Erzähler wieder einen Augen blick, als besinne er sich, ob uns auch das, was eben seine Gedanken erfüllte, verraten solle. Allein er war eine offenherzige Natur, und so faßte er fich schnell und fuhr wieder mit lächelnder und freudig erregter Miene fort: „Nun ja, was ist denn dabei, das kann ich euch ja auch noch sagen. Genug, — der junge Komponist begleitete uns bis zur Thür, durch die wir das Zimmer verlassen mußten, und drückte uns hier noch einmal mit dankenden Worten die Hand, und als wir uns nun aus der Ferne vor den in der Mitte des Zimmers zurück gebliebenen Damen verneigten und eben aus der Thür schreiten wollen, kamen sie mit fast fliegenden Schritten auf uns zu, und Fräulein Anna, die Altistin, reichte dem Bassisten, und Fräulein Bertha, die Sopranistin, mir die Hand, wobei es mir vorkam, als ob — doch, das braucht ihr nicht zu wissen, und ich bin ja in meinem ganzen Leben kein Schulschwätzer ge wesen. Mt einem Wort, nachdem uns ein so wohl- thuender Abschied zu teil geworden, befanden wir uns nebst unserem treuen Führer mit einem Male auf der Treppe des Hauses und gleich darauf auf der vom Mond hell beschienenen Straße. So gingen wir denn mit dem Polizei rat langsam durch die still geworl ne Stadt, und nun erst sah ich, daß das Haus, m welchem das uns so beglückende Fest stattfinden sollte, in der Wilhelmstraße lag. Eine halbe Stunde später hatte uns der sehr langsam, gleichsam vorsichtig schreitende und fich nach allen Seiten umblickende Polizeirat wieder vor die Hausvogtei gebracht; aber auch hier verließ er uns noch nicht, sondem betrat ögar mit uns unser Zimmer, welches der dienst- ertige Schließer, sobald er uns kommen hörte, chnell öffnete. Als er aber mit uns wieder darin allein war, blieb er einen Augenblick vor uns stehen, sah uns mit einem unbeschreiblichen Blick herz licher Teilnahme in die Augen uud sagte mit nachdrücklichem und scharf in unsere Herzen dringendem Tone: „Ich gehe heute um eine schöne Hoffnung reicher von Ihnen fort. Wenn mich nicht alles täuscht, haben Sie beide die längste Zeit hier zugebracht und werden bald in Ihre Heimat zurückkehren, wo Sie, mein lieber N . ., wahr scheinlich nicht mehr studieren werden, wie Ihr Herr Vater es früher so sehnlichst gewünscht. Nein, nein, ich glaube das ganz gewiß nicht, und nachdem ich Sie heute abend mit den beiden schönen Damen fingen gehört und Ihr Benehmen in so auserwählter Gesellschaft be obachtet habe, prophezeie ich Ihnen eine ebenso zahlreiche wie dankbare Zuhörerschaft in einem Tempel, der nicht den Göttern, wohl aber den Musen geweiht ist. Mn ja, das denke ich mir, aber mag es sein wie es will, vergessen Sie nur Ihr der schönen Bertha gegebenes Ver sprechen nicht: wenn sie Sie ruft, kommen Sie und singen Sie ihr die verheißenen Lieblings- Arien vor. Vielleicht ruft sie Sie wirklich ein mal, und dann find für Sie die glücklichere» Zeiten gekommen, von denen daß süße Geschöpf vorher so liebevoll sprach." Pv s (Fortsetzung folgt.)
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