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Allgemeiner Anzeiger : 18.01.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190201189
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19020118
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- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1902
-
Monat
1902-01
- Tag 1902-01-18
-
Monat
1902-01
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.01.1902
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser empfing am Dienstag mittag die Präsidien beider Häuser des preuß. Landtages. * Prinz Heinrich, der zum Taufakt der kaiserlichen Jacht nach Amerika geht, wird vom Präsidenten Roosevelt sehr feierlich empfangen werden. Der „Hohenzollern" fährt ein noldamerikanisches Geschwader zur Begrüßung entgegen. *Der Köln. Zig/ zufolge herrscht in den englischen politischen Kreisen bittere Erregung. Man hört die Erwarlung aussprechen, der Berliner Besuch des Prinzen von Wales werde unter den jetzigen Umständen noch der vielfach als höchst unhöflich und ver letzend empfundenen Aeußerung der ,Nordd. Allg. Ztg/, als sei der Thronfolger nicht ein geladen gewesen, wahrscheinlich unter bleiben. Sogar die Möglichkeit, daß die beiderseitigen Botschafter einen längeren Urlaub antreten könnten, wird erörtert, und wenn auch verantwortliche Personen von jeder Uebertreibung und allzu ernsthafter Auffassung abraten, so wäre es doch sehr bedenklich, die heutige Sach lage allzu leicht zu nehmen. — Dem ist ent gegenzuhalten, daß der englische Bot schafter in Berlin dem Grafen Bülow am Dienstag ein Kastmahl gegeben hat, an dem 30 Personen teilnahmen. *Jn der Geheimmittelfrage steht nunmehr die Entscheidung bevor. Im Reichs- pesundheitsamte sind von einer Kommission die Gekeimmittellisten behM endgültiger Beschluß fassung seitens des Bundesrats zusammengestellt worden. Die Listen sollen sebr umfangreich ausgefallen sein. Von der öffentlichen An kündigung ausgeschlossen wurden etwa 110 Heil- miftel, außerdem noch 20 gänzlich verboten und nur 40 pharmazeutische Spezialitäten frei gegeben. *Bei der Reichstags-Ersatzwahl im Wahlkreise Siegburg-Waldbroel ist nach amtlicher Feststellung der Kandidat des Zentrums, Amtsrichter Dr. Becker gewählt worden. Oesterreich-Ungarn. * Wegen „Unzulänglichkeit der Mittel, die derzeit zur Erhaltung des kaiserlichen Hofhalts zur Verfügung stehen", soll die Zivil liste des Kaisers um jährlich 2 MU. Kronen erhöht werden. Man sieht, die Not dH Zeit klopft auch an die Pforten des Kaiser- Palastes; doch da weiß man sich einigermaßen zu helfen. Frankreich * Präsident Loubet wird nach neueren Meldungen noch Vörden Wahlen, Ende März oder Anfang April, in Begleitung Del- caffös an Bord eines Kreuzergeschwaders nach Rußland reisen. *Die Wahlen kündigen sich schon von weitem an. In St. Etienne haben Waldeck- Rousseau und Millerand, in Remire- mont Meline „große" politische Reden ge halten. * Der javanische Staatsmann Ito hat feine Eurovareise beendet und von Marseille aus die Heimfahrt nach Japan angetreten. Italien. * Zur Entwaffnung mancher Gegner Crispis werden Aufzeichnungen des Staatsmannes über Leben und Thaten mehrerer hervorragender Parlamentarier insbesondere über Bitten um finanzielle Unter stützungen dienen. In politischer H-nficht gibt das Tagebuch Crispis überraschende Au Müsse über seine Beziehungen zu Deutsch land und Oesterreich-Ungarn; es ewbSlt auch Urteile Bismarcks und Caprivis. Drei um fangreiche Briefe endlich enthalten bedeutsames Material über drei Politiker, welche seiner Zeit den Feldzug gegen Crispi leiteten. Belgien. *Ueber die Aussichten der Zucker- konferenz macht man sich nirgends Illussionen mehr. Anscheinend sieben ! nur noch zwei oder drei Sitzungen rein formellen ! Charakters bevor. Das wichtigste Hindernis einer Einigung scheinen auch diesmal die Instruktionen der französischen Dele gierten gewesen zu sein. Rustland. *DieRussischmachungFinnlands wird unaufhaltsam fortgesetzt. So ist »weder die Aufhebung der finnischen Telegraphenagentur für den 1. Februar angeordnet. Amerika * Während das Repräsentanten haus in Washington sich fast emstimmig für den Nikaraguakanal ausgesprochen hat, ist im Senat die Stimmung für den Panamakanal im Wachsen. * Aus dem interessante Venezuela er fährt man nicht viel, insbesondere nich', wie die Verhandlungen mit Deutschland sieben. Auf ständische sollen an mehreren Punkten des Landes Waffen gelandet haben, ohne daß die „Kriegsschiffe" des Präsidenten Castro dies zu verhindern vermochten. Afrika *Die Versuche de Wets, nach dem Süden weiter vorzudr'ngen, scheinen Erfolg zu haben. So überschritt er kürzlich die Eisen bahnlinie bei Kronstadt, nach einer Reuter- weldung soll er wieder zurückgetrieben sein. Man fürchtet aber, daß er den Versuch erneuern wüd. Einen Trost gegenüber den Aktionen des Ruhestörers finden die Engländer in der Meldung, daß Oberst Wing 20 Meilen nord westlich von Ermelo ein Burenlager überrascht haben soll. Unter den 42 Ge- Geiangenen, die, wie Reuter behauptet, dabei gemacht worden find, sollen sich Major Wol- marans, Kapitän Wolmarans und Leutnant Malan, alle drei von der Staatsartillerie, be finden. *Der kürzlich von dem General Methuen gefangen genommene Burens ührer Liebenberg, der des „Mordes" an Leutnant Neumeyer angeklagt war, ist hinge- richtet worden. Alieu. *Die Gesandten in Peking werden in einigen Tagen in Audienz empfangen. Bis dahin werden wahrscheinlich die Schwierigkeiten in befriedigender Weise gehoben sem, die durch die Weigerung des französischen Ge sandten Beau, sein Beglaubigungsschreiben zu überreichen, entstanden find. Das Vorgehen Beaus ist in der Absicht geschehen, das französische Protektorat über die katholischen Missionen in Verbindung mit der vor kurzem erfolgten Ermordung von zwei Missionaren in Kansu und der noch nicht geregelten Frage des Missionswesens in der Mandschurei zu vertreten. Ans dem Reichstage. Der Reichstag setzte am Montag die erste Etats beratung bei tast leerem Haute sort. Es beteiligten sich an der Debatte außer den Regierung?vertre-ern die Abgg. Stockmann und Arendt (sreikoni), Werner (Antit.), Stöcker (wild), Haffe (nat.-lib.), Hahn (Bd. d. L.) und Hermes (frs. Vp.), die aber Neues nicht mehr zur Sprache brachten. Am 14. d. wird die Etatsberatung fort gesetzt. Abg. Sattler nat.-lib.) hält gegenüber den Ausführungen des Fürsten Radziwill seine Aus führungen vom Dezember über die ruthenischen Schulverhältnisse voll aufrecht, zumal seine da maligen Behauptungen von den gestrigen Aus führungen sicherlich gar nicht getroffen würden. So dann wendet er sich gegen den Abg. Bachem über das Recht und den Wert historischer Forschungen von katholischen Prokessoren. Einig seien sie beide darin, daß für Professoren - Berufungen nur die wissenschaftliche Tüchtigkeit ausschlaggebend sein solle. Spahn überrage an wissenschastlicher Tüchtig keit die große Mehrzahl der anderen Geschichts forscher. Der Widerstand, den seinerzeit die katholische Kirche gegen Galilei geleistet habe, sei nichts anderes gewesen als der Kampf gegen eine damals neu« Weltanschauung, der auch von Galileis Fachgenossen geführt wurde. Abg. Bachem (Zentr.) bemerkt, eS habe ihm ferngelegen, den Vorredner persönlich anzugreisen. Habe etwa der heutige Katholizismus keine wissen schaftlichen Leistungen aufzuweisen? Man denke nur an den jetzigen Papst, der auch protestantische Gelehrte zu den vatikanischen Archiven zuließe. Es gebe in Deutschland hervorragende katholische Historiker. Die wissenschaftliche Freiheit eines katho lischen Historikers sei in keiner Weise beschränkt. Falls in Straßburg weiter gehandelt werde wie bisher, würde es sich das Zentrum sehr überlegen, ob es weiterhin den Reichszuschuß für die Universität f bewilligte. Abg. Wetterle (Els.) führt dir geringe Anzahl katholischer Studenten an der Straßburger Universität daran' zurück, daß diese als eine Vorburg des Pro testantismus gelte. Abg. Schlumberger (Els., nat.-lib.) bemerkt, daß er seinem Freund Sattler abgeraten habe, den Fall Spahn hier zur Sprache zu bringen. Die Verhältnisse in Maß-Lothringen fingen allmählich an, sich in ruhigeren Bahnen zu bewegen. Da müsse man solchen gefährlichen Brennstoff fernhalten. Von der Universität Siraßburg hielten sich einheimische Protestanten und Katholiken in gleicher Weiie fern. Das liege daran, daß es in den Reichslanden ver schiedene Deutschtums gebe. Redner nimmt dann die Syndikate als deren überzeugter Anhänger in Schutz, obwohl er großer Kohlen- und Petroleum konsument fei. Abg. Schrader (fr. Vgg.) tadelt bei der Be rufung Spahns, daß ihm die äußerliche Unter ordnung unter die Lehren der katholischen Kirche aufgegeben und dann an ihn die unerfüllbare Forderung gestellt sei, diese katholische Anschauung mit der brandenburgisch-preußischen in Einklang zu bringen. Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.) bemerkt zu dem Falle Spahn, daß die Konfessionalität der Wissenschaft immer der Totengräber der freien Wissenschaft sei. Die Bewegung richtet sich keines wegs gegen den Katholizismus. Der Grund der Ueberzahl der protestantischen Professoren ist doch einzig darin zu suchen, daß es keine oder nur sehr wenige katholische Gelehrte gab, die berufen werden konmeu. Abg. Gradnauer (soz.): Der Reichskanzler hat behauptet, Bebel hätte die deutschen Soldaten beleidigt. Er wollte Stimmung machen gegen den inneren Feind, weil ihm angst wurde vor der äußeren Politik, nachdem er von englischer Seite so hart angelassen war. Bebel wollte nur nachweisen, daß in jedem Kriegt, auch Wider den Willen der An führer, von den Soldaten Dinge geschehen, die mit der Humanität in Widerspruch stehen. Auch manche Maßregeln im Kriege von 1870 sind mit dem Völker recht nicht in Einklang zu bringen. Chamberlain hat in Birmingham allerdings die Unwahrheit gesagt, wenn er behauptete, daß da« englische Heer in Südafrika feder Armee als Muster der Humanität dienen könnte. Ich muß aber unsere Negierung derselben Vertuschung für schuldig erklären wie den englischen Minister. Die Wegnahme der astronomischen In strumente widerspricht den Bestimmungen des Völkerrechts. Ter Reichskanzler hat die Hunnen briefe als Schnurrpfeifereien bezeichnet, ein anderer Negierungsvertreter hat von einer Hunnenbrief- Fabrikation gesprochen. Gegen diese Auffassung müssen wir protestieren. Von den Spitzelbriesen ist nicht einer in die Oeffentlichkeit und in die sozial demokratische Presse gelangt. Wie war es möglich, daß die Adressen verloren gegangen sind? Welche Rolle spielt Herr Normann-Schumann in dieser Sache? Man will ihn in Berlin gesehen haben, und es ist nicht ausgeschlossen, daß er dem Knegs- ministerium das Material geliefert Hai. Nur über einen einzigen Hunnenbrief hat eine wirkliche Unter suchung staUgesunden, über den Brief, besten Inhalt Herrn v. Feilitzsch' Bestrafung wegen Soldatenwiß handlungen berbeilübrie. Wir sind durchaus nicht gegen eine Weltpolit'k, sondern nur gegen eine un vernünftige Weltpolitik, wie sie die Regierung macht. Staatssekretär Graf Posadowsky führt gegen über dem Abg. Schlumberger au«, die Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Kinderarbeit seien von den bürgerlichen Parteien beschlossen worden. Die Regierung werde in besonnener Weise das Werk der Sozialpolitik fortführen und sie hoffe dabei auf die Mitwirkung des Reichstags. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Antif.) wendet sich gegen die Art, wie die Presse feine Etatsrede kritisiert habe. Er sei nicht über die Grenzen hinausgegangen, die im Hause erlaubt seien, als er die englische Armee kritisierte auf Grund amtlicher englischer Nachrichten. Er frage noch mals: Hat die deutsche Regierung Krupp die Ein fuhr von Kriegsmaterial nach Englisch-Südafrika gestattet, nach dem Oranje-Freistaat aber verboten? Diese Frage hat der Staatssekretär des Auswärtigen anscheinend bis jetzt nicht beantwortet. Die Eng länder sind mit der Antwort bes Kanzlers auf meine Rede noch nicht zufrieden und die englische Presse meint, er hätte mich ganz anders abkanzeln müssen. Welche Unkenntnis der thatsächlichen Verhältnisse! Der Kanzler wollte und konnte mich gar : icht zu- rechlwe sen. Das wäre ein Eingriff in die Rechte des Präsidenten gewesen. Die diplomatische Aeuße- rung des Kanzlers, so dankenswert sie war, genügte wohl für England, aber nicht, um das Sicherheit«. Ventil im Lande zu öffnen. Staatssekretär des Auswärtigen v. Richt hofen: Was die Krupp-Angelegenheit betrifft, so beruhen die Nachrichten darüber auf Unwahrheit. Es ist kein Ausfuhrverbot von unserer Seite erlassen worden, und die Firma konnte daher liefern, an wen sie wollte. Von einer Begünstigung oder Nichibegünstizung unsererseits kann also nicht die Rede sein. Abg. Schlumberger hält daran fest, daß die Gewerbeordnung in ihren Folgen die guten Ab sichten des Gesetzgebers hinsichtlich der jugendlichen Arbeiter zerstört habe. Damit schließt die erste Beratung. Aut Antrag von Mitgliedern aller Parteien, einschließlich der Sozialdemokraten, wird ein Teil des Etats an die Budgetkommission verwiesen, der größere Teil aber der Plenarberatung Vorbehalten. Vrenyischer Kandtag. Am Montag beschäftigte sich das Abgeordneten haus mit den von den Nationalliberalen und den Polen eingebrachten Interpellationen betr. die Polenfrage. Nachdem die Abgg Hobrecht (nat.-lib.) und v. Jazdzewski (Pole) die Begründung erledigt erklärte in seiner Antwort Ministerpräsident Graf Bülow, daß die Wre^chener Vorgänge nicht etwa durch ein Organ der Staat "regieruug, sondern durch planmäßige Agitation und Verhefung verschuldet wurden. Grausamkeit kenne die Negierung nicht, und daß sich die übrig-ns nur in mäßigen Grenzen erso'gtcn körperlichen Züchtigungen nicht mehr wieder holen 'ollen, dakür seien die nötigen Anordnungen erlassen. Die Regierung betreibe in Polen weder eine Kermanisierungspolitik, noch sei sie bestrebt, die katholische Religion zu unterdrücken. Aker hier handele es sich um eine nationale Frage, und darin versiehe er keinen Spaß. Die polnische Agitation gewinne eine unheimliche Ausdehnung, deutscher Besitz gehe in polnische Hände über, deutsche Arbeiter und Handwerker würden planmäßig boykottiert; solchen Bestrebungen müsse mit aller Maebt ent- gegentrcten und das Deutschtum im Osten mit allen Mitteln geschützt werden. Die Debatte über die beiden Polen-Interpella tionen wurde am Dienstag im Abgeordnetenhause fortgesetzt. Abg. Sieg (nat.-lib.) billigte im wesent lichen die vom Ministerpräsidenten in Aussicht ge stellten Maßnahmen. Im gleichen Sinne sprach sich der Abg. v. Tiedemann (sreikom.) aus. Gegen die Ausführungen des Abg. v. CzarlinSki (Pole), der in beredter Weise die Unterdrückung der Polen zu beweisen bestrebt war, wandte sich Minister Frhr. v. Hammerstein, um den bereits bekannten Standpunkt der Regierung nochmals zu präzisieren. Abg. Kopsch (sri. Vp.) unterzog die vom Minister präsidenten erwähnten Maßnahmen des PolcnkurseS einer Kritik und trat namentlich dafür ein, daß der deutschen Volksschule im Osten eine größere Förde rung zu teil werden müsse. Non Nah und Fern. Kanvnenkönig Krupp als Steuerzahler. Geheimrat Krupp in Essen versierte r nach det neuesten Sieuerstatistik ein Einkommen von 20 bis 21 Millionen Mark für dak Jabr, während er im Jahre 1900 15—16 Missionen und 1899 „nur" 12 bis 13 Millionen Mart versteuerte. Neber die Entschädigung für Eiscnbahn- Unsälle ergibt eine Zusammenstellung des preußischen Eisenbahnministeriums, daß im Jahre 1900 die einmaligen Abfindungen ein schließlich der Kosten des Heilverfahrens und der Beeroignng 849 694 Mk., die sortlau enden Zahlungen 2 740 086 Mk. betrag'n baben, zu sammen 3 589 780 gegen 3 900 377 M'. im Jahre 1899 und 4 90! 870 in 1898. Mordprozeh Jänicke. Der „Arbeiter" Jänicke in Berlin, der die Frau seines Freundes Rühlicke ermordet und beraubt latt«, wurde nach dreitägiger Verhandlung zum Tode Mr- urteilt. Gegen seinen Komplicen Steinecke wurde wegen Beihilfe zum schweren Raube, Begünstigung und Hehlerei auf 6 Jahr Zucht haus erkannt. Eine schwere Gruberkatastrophe ist Dienstag mittag in dem Jupiterschacht zu Brüx durch einen Wassereinbruch herbeigemhrt worden. Von 116 Mann der Belegschaft weiden 43 ver mißt, darunter der Betriebsleiter, Ingenieur Seemann, und zwei NuMMeamtc. D^r Jupiterschacht war wegen hohen Wasserstandes vor Dienstag abend nicht zugänglich, so daß übe- das Schicksal der im Schacht Emgeschlossenen zur Ze.t nichts Bestimmtes bekannt ist. Die Tochter des Kerkermeister». 14) Roman von Karl v. Leistner. Rat Jäger blickte den Sprechenden ver wundert an. Diese Redeweise glich ja fast einer Herausforderung. War dies denn wirklich der lichtscheue, ihm stets ausweichende Olaf Lindström? — Es war ihm, als seien die Rollen plötzlich vertauscht worden, und als wolle jener ihn selbst zur Rechenschaft ziehen, anstatt vor eigener Verantwortung zurückzuschrecken. „Wollen Sie sich gefälligst daran erinnern, Herr Rat, daß Sie bereits verbreiteten, es stehe mir eine Verhaftung bevor?" wendete der junge Oekonom sehr bestimmt ein, wodurch er Emmys Bräutigam in eine kaum zu verbergende Ver legenheit brachte. „Ein solches Gerücht zu verbreiten, wie Sie sich ausdrückten, konnte mir nie in den Sinn kommen," sagte dieser. „Wenn derartiges zu Ihrer Kenntnis gelangte, so wäre das unbedingt nur die mir außerordentlich unliebsame Folge eines verwaulichen Meinungsaustausches unter Nahestehenden. Sie wissen, daß ich nicht mehr Untersuchungsrichter bin und niemand seine Freiheit entziehen kann." „Allerdings!" gab Olaf zur Antwort. -Dies schließt aber nicht aus, daß Sie die Sache neuerdings in Anregung zu bringen und Ihrem Nach'olger — sagen wir als Zeuge — Anhaltspunkte an die Hand geben, was Ihnen in Ihrer Stellung um so leichter wird. Wenn das frühere Verfahren unter Ihrer Mit wirkung nicht zum richtigen Resultat gelangt ist—" „Erlauben Sie mir, eine Frage hier einzu- schalten," unterbrach ihn der Rat. „Was gibt Ihnen die Berechtigung zu dieser Annahme?" „Meine persönliche Ueberzeugung von der Unrichtigkeit der gefällten Sentenz und Ihre neuerlichen Schritte, die hiermit im Einklänge stehen," erwiderte Olaf kaltblütig. „Und welche Gründe haben Sie für diese Ueberzeugung?" forschte der andere wieder. „Nachdem Sie zugestanden haben, daß Sie mir nicht als Richter, sondern als Privatperson gegenüberstehen, finden Sie es wohl begreiflich, wenn ich die Auskunft hierüber ablehne, bis ich amtlich dazu veranlaßt werde," versetzte Lindström. „Das steht Ihnen frei," gab Rat Jäger zu. „Nur sehe ich nicht ein, weshalb Sie mich dann mit Ihrem Besuche beehrten." „Ehe Sie mir Ungelegenheiten verursachen, was Ihnen unter den obwaltenden Verhält nissen immerhin in ausgiebigem Maße gelingen könnte, woll'e ich Sie warnen, Herr Rat, nicht zum zweiten Male ein schuldloses Haupt mit der schwersten Anklage zu bedrohen," erklärte Olaf. „Ich möchte Sie deshalb ersuchen, sich durch mein bisheriges, vielleicht allzu zaghaftes und zurückhaltendes Benehmen nicht zur mischen Voraussetzung verleiten zu lassen, daß ich für mich selbst etwas zu befürchten hätte. Dies ist keineswegs der Fall, aber die plötzliche Auf findung der blutigen Leiche meines Verwandten und die sie begleitenden Umstände, die Bedenken, ob ich bei den wiederholten Verhören in meinen eidlichen Aussagen nichts versäumte, und sonstige Aufregungen erschütterten mich, jugendlich und unerfahren, wie ich damals war, aufs nach drücklichste. Ich befand mich seitdem in einem Instand nervöser Reizbarkeit und habe hierdurch Ihren gegen meine Pe son gefaßten Verdacht unbew ßterweise genä rt. Ob Sie demselben nach dieser Erklärung eine weitere Folge geben wollen, das mögen Sie mit Ihrem Gewissen ausmachen." — Der Beamte hatte den jungen Mann währenddessen aufmerksam betrachtet und über legte, welchen Wert er dem Vorgebrachten bJ» messen sollte. Vielleicht stand ihm ein Mittel zu Gebote, hierüber ins Reine zu kommen. — Rasch entfaltete er auf seinem Schreibtisch die Teile jener Empfangsbestätigung, welche ihm gestern von unbekannter Seite zugegangen waren. „Wußten Sie eS bereits, daß von dieser Urkunde, die Ihnen bei Ihren Vernehmungen vorgezeigt wurde, eine täuschend ähnliche Nach bildung existiert?" fragte er dann, den andern plötzlich scharf ins Auge fassend. „Ja!" entgegnete dieser unbefangen. „Ich bin sogar derjenige, welcher sie Ihnen über mittelt hat." „Sie selbst? Woher stammt das Duplikat und warum hielten Sie eS für nötig, mich in dessen Besitz zu setzen?" Rat Jäger verriet hierbei ein lebhaftes Erstaunen. „Ich war zugegen, als es in unserem Hause hinter dem Geldschrank aufgesunden wurde und eignete es mir an, um es vor neugierigen Blicken zu bewahren. Nachdem ich die Gew ß- heit erlangte, daß Sie sich gegenwärtig mit der Sache abgaben, erachtete ich es für zweck mäßig, Ihnen das Papier zur Verfügung M stellen." „Sahen Sie diese Ausfertigung zum ersten Mal, als sie bei jener Gelegenheit zum Vor schein kam?" forschte der Rat wiederum. „Gewiß!" antwortete Olaf. „Ich muß mir jedoch auch in diesem Betreff jede genauere Anskunstserteilung für später Vorbehalten und habe deshalb die Zusendung aus solchem Wege bewirkt, ohne ein Gutachten beizmügen. Die Bedeutung deS Fundes zu ermessen, überlasst ich einstweilen Ihnen und dem Gericht, dem Sie diese Fragmente wohl einhändigen werden. — Jetzt aber dürste das, was mich zu Ihnen ge ührt hat, für heute erledigt sein, und ich bitte zu gestatten, daß ich mich zurückzieke." Mit diesen Worten verbeugte er sich und verließ daS Büreau. Wiederum einige Tage später hatten Glock und Olaf Lindström in der Wohnstube de» Oekonomiegebäudes soeben die Durchsicht der aus die Gutsverwaftung bezüglichen Rechnungen vollendet, deren Revision Olaf durch Frau von Ahlburg übertragen worden war. „Alles stimmt aufs genaueste, wie Sie sich überzeugen konnten", bemerkte der Verwalter, das Buch zuklapvend. „Bei mir muß dä mmer so sein. Herr von Ahlburg kümmertt ich blutwenig um Geldgeschäfte, und ich war deshalb von jeher gewohnt, diese allein in triklcster Ordnung zu halten. Jetzt freilich cheint man es für erforderlich zu erachten, daß man mir auf die Finger fchaut, obwohl ich nicht weiß, wodurch ich dies verschuldet habe.
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