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Allgemeiner Anzeiger : 20.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189905205
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-20
-
Monat
1899-05
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.05.1899
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P-IMsche Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser wird dem Vernehmen nach der am 18. August d. stattfindenden Enthüllung der Denkmäler für das erste und dritte Garde regiment z. F. auf dem Schlachtfelde bei St. Privat persönlich beiwohnen und ge legentlich dieses erneuten Aufenthaltes in den Reichslanden auch der Stadt Diedenhofen einen kurzen Besuch abstatten. *Auch eine Vertagung des preußi schen Landtages wird, wie ein parla- mentarischerBerichterstatterschreibt,in Regierungs kreisen erwogen, schon im Hinblick darauf, daß sich die Durchberatung der Justizgesetze im Plenum selbst bis in den Hochsommer hinein nicht wird ermöglichen lassen. Es ist daher notwendig, dieselben gleichzeitig mit dem Bürger lichen Gesetzbuch in Kruft treten zu lassen. Wenn demnach die Vertagung Ende Juni oder Juli erfolgt sein wird, soll im Oktober behufs Erledigung der Justizgesetze der Landtag von neuem zusammentreten. * Der Kolonialrat ist für den 12. Juni zur Beratung zusammenberufen worden. "Die Festnahme eines deutschen Lehrers in Brasilien durch die dortige Polizei wegen Entführung eines minderjährigen Mädchens war, wie jetzt offiziös mitgeteilt wird, den Umständen nach gerechtfertigt. Die Schuld des Lehrers Müller an der ihm zur Last ge legten strafbaren Handlung ist bereits erwiesen. Müller hat nach Feststellung des Thatbestandes die Flucht ergriffen. Von dem kaiserlichen Konsul in Porto Alegre war sogleich bei dem ersten amtlichen Vorgehen gegen Müller das zur Auf klärung der Sache Erforderliche veranlaßt worden. * Die Kanalvorlage ist in der Kom mission des Preuß. Abgeordnetenhauses ab- gelehnt worden. Trotzdem hoffen die Kanal freunde, im Plenum wenigstens einen teilweisen Erfolg zu erzielen. Frankreich. *Der ,Figaro' widmet seinen neuesten Artikel einer Erörterung der Schriftprü fung Bertillons und veröffentlicht dazu den hierauf bezüglichen Teil der Aussagen des ehemaligen Polizeipräfekten Löpine vor dem Kassationshof. Löpine erklärte, er habe Bertillon für das Gutachten bestimmt, weil man ihm die von Bertillon zu leistende Arbeit als die wahr hafte Schriftprüfung dargestellt habe. Der .Figaro' gibt die Aussagen Bertillons wieder, welche zur Entscheidung über die Verhaftung Dreyfus' geführt haben, und fragt, warum man, als man der Meinung Bertillons Glauben schenkte, nicht auch den Bruder Dreyfus', Mathieu, den Bertillon als Mitschuldigen bezeichnete, ver folgt habe. Der ,Figaro' beantwortet diese Frage dahin, daß, wenn man Mathieu Dreyfus vor die Geschworenen gestellt hätte, damit gleich das ganze Anklagegebäude zusammengefallen wäre. * Außer dem großartigen Empfang des Afrikaforschers Marchand, den die Nationa listen und Antidreyfufianer zu einer dreyfus feindlichen Kundgebung gestalten wollen, beab sichtigen die Generalstäbler, noch einen imposan teren Empfang dem aus Madagaskar heim kehrenden General Gallieni zu bereiten und hiermit einen letzten Putschversuch machen zu wollen. England. * Zwischen Rußland und England drohen trotz der soeben erst abgeschlossenen Ver einbarung betreffend China neue Mißhellig- keiten. Die jetzt von den Russen geforderte Konzession zum Bau einer Eisenbahn, die Peking mit der mands schen Bahn ver binden soll, geht den Engläi^.ui sehr gegen den Strich. In einem Artikel der , Times' wird aus geführt, die russische Forderung gehe direkt dar auf aus, das Ziel des englisch-russischen Ab kommens, nämlich die Vermeidung von Konflikts ursachen in China zu vereiteln. Der britische Handel in China beruhe auf der Macht und dem Ansehen Englands, und dies beides sei durch das Vorgehen Rußlands ernstlich gefährdet. Belgien. * Die belgische Regierung, die erfuhr, daß Der Polizei verfalle«. 1) Erzählung von Philipp Galen,*) Lvffafser des »Irren von St.JameS", Fritz Stilling' rc. j. 1. Ich führe meine Leser in den Juni des Jahres 1835, eine Zeit zurück, wo ich noch Zögling des für die preußische Armee so segens reichen königlichen Friedrich-Wilhelm-Instituts (unter dem Namen der Pepinisre in aller Welt bekannt) und erst seit drei Monaten Studiosus der Medizin war. Wir damaligen Eleven dieser Anstalt hatten es bei weitem nicht so gut, wie es die heutigen haben; denn, abgesehen von manchen, durch die streng gehandhabte Disziplin gebotenen Ein schränkungen und verschiedenen anderen unnenn baren Uebelständen, wohnten wir, stets zu dreien, in dürftig ausgestatteien Zimmer, in welchen wir auch schlafen mußten, aßen schlecht an einem von der Anstalt besorgten und nicht allzu sauberen Tisch und hatten keine andere trost- und hoffnungsreiche Aussicht, als in vier Jahren, «ach glücklich absolviertem Doktorexamen, zuerst Charitö- und sodann Kompanie - Chirurgen zu werden, um als solche, mit dem goldenen Portöpse geschmückt und dem Range eines Unteroffiziers bekleidet, in die Armee zu treten und so unsere mehr mühevolle entbehrungs reiche als gloriose militärische Laufbahn zu be ginnen. Nur eins war damals grade so wie heute: wir mußten alle unsere geistigen und physischen *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. der Herzog von Orleans während der! Revifionsverhandlungen des Kassationshofes und der Verhandlung gegen Deroulede und Habert sein Hauptlager in Brüssel aufzuschlagen und die Führer seiner Partei um sich zu versammeln gedachte, hat dem Prätendenten mitgeteilt, daß seine Anwesenheit in Belgien zur angegebenen Zeit ihr unerwünscht sei und daß er ihr die Notwendigkeit einer Ausweisung ersparen möge. Holland. * Die Friedenskonferenz im Haag wird schon am Donnerstag nachmittag 2 Uhr zu der Eröffnungssitzung zusammentreten. — Der russische Delegierte, Botschafter Baron von Staal stattete dem niederländischen Minister des Aeußeren de Beaufort einen Besuch ab und machte ihm im Namen des Kaisers von Ruß land die Mitteilung, daß ihm der Alexander- Newsky-Orden verliehen worden sei. *Auf Anordnung des Kardinals Rampolla hat der päpstliche Juternuntius im Haag Tarnassi seinen Posten verlassen und sich nach Luxemburg begeben. (Die Kurie gibt durch diesen ungewöhnlichen Schritt ihrer tiefen Verstimmung darüber Ausdruck, daß kein Vertreter des päpstlichen Stuhles zu der Ab rüstungskonferenz eingeladen worden ist.) Svanien. *Der Ministerpräsident Silvela erklärte auf eine Anfrage in der Deputiertenkammer, betr. den Angriff der Filipinos auf die Spanier in Zamboanga, er habe, da Spanien nicht ver pflichtet sei, ein Gebiet zu verteidigen, in dessen Besitz es nicht mehr sei, an General Rios tele graphiert, die Truppen in Zamboanga unver züglich nach Spanien einzuschiffen und GeneralOtis hiervon Mitteilung zu machen. Portugal. * In Lissabon gibt die Anwesenheit des deutschen Geschwaders zu allerlei Fest lichkeiten Anlaß. Der deutsche Admiral und die Schiffskapitäne des Geschwaders wurden durch den Gesandten Grafen Tattenbach im königlichen Palast vorgestellt. Abends fand ein Diner in der deutschen Gesandtschaft statt. Auch ist ein Besuch der königlichen Familie an Bord des deutschen Admiralsschiffes vorgesehen. Ferner findet ein Gartenfest beim deutschen General konsul Daenhardt, eine Kour im königlichen Palais und Galadiner statt. Ferner gibt der Marineminister ein Diner von 200 Gedecken, Donnerstag ist ein Ball auf der deutschen Legation, dem das Königspaar und die Prinzen beiwohnen. Rußland. *Der englische Friedensapostel Stead hielt in Petersburg vor einem zahlreichen Publikum einen Vortrag über den Eindruck der Friedensidee des Zaren inEng- land. Stead behandelte ziemlich scharf ver schiedene Fragen, sogar die finnländische. Ander seits war sein Vortrag sehr geistreich und humoristisch und erweckte allgemeines Interesse. Der Redner wurde häufig von lautem Applaus unterbrochen. Stead war vorher dem Zaren in Zarskoje Selo vorgestellt worden. Amerika. * Die amerikanischen Behörden find mit der Lage auf Cuba nicht zufrieden. Die Verwal tung will den Cubanem nicht gestatten, noch länger ihre Heeresorganisation aufrecht zu hal ten. Es würden vielmehr Maßnahmen getroffen werden, die cubanische Armee aufzu lösen und zu entwaffnen. Die Anhäu fung von Waffen und Munition seitens der Cubaner werde in gewissen Kreisen als das An zeichen von Vorbereitungen für eine bewaff nete Erhebung angesehen, für den Fall, daß die Ver. Staaten nicht allen Wünschen der Cubaner nachkämen. Afrika. *Jn Transvaal glauben die Behörden ein englisches Komplott, das sich gegen den Bestand der Boernrepublik richtet, entdeckt zu haben, das schon seit vier Monaten besteht. In der Nacht zum Dienstag wurden sieben Eng länder in Johannesburg verhaftet und nach Pretoria gebracht. Bei den Verhafteten sollen Kräfte zusammennehmen und fleißig sein; denn man überstürzte uns, namentlich in den ersten Semestern, mit Vorlesungen und Repetitionen aller Art, und außer den fünf bekannten soge nannten philosophischen Disziplinen, welche die Grundlage des medizinischen Studiums bilden, wurden wir auch noch zum Ueberfluß mit lateinischen, deutschen und geschichtlichen Lek tionen geplagt, die wir schon längst auf den Gymnasien für immer absolviert zu haben glaubten. Als erster medizinischer Disziplin aber mußten wir der interessanten Knochenlehre unsere Aufmerksamkeit schenken, in der uns Professor Schlemm, unvergeßlichen und dankbaren Ange denkens, mit seinem stereotypen Lächeln und seiner sanft lispelnden Redeweise eben so väter lich gütig wie meisterhaft klar und gründlich unterrichtete. Wollte man aber in der Osteologie, der unumgänglichen festen Grund lage der dem Arzte unentbehrlichen Kenntnis der Anatomie des menschlichen Körpers, nutzbringende Fortschritte machen, so mußte man sorgfältig und oft repetieren, und zu diesem Zweck thaten sich denn diejenigen Studenten kameradschaftlich zu sammen, die sich besonders zu einander hinge zogen fühlten, und demonstrierten sich Tag für Tag das eben vom Katheder herab vernommene an guten und uns reichlich dargebotenen Knochen- präparaten vor. Mr war das Glück zu teil geworden, schon im ersten Semester einen wahren Freund zu gewinnen, der kein Eleve des Instituts war, dem also auch nicht wie mir so viele schöne weißgebleichte Knochen zu Gebote standen, und I wichtige Papiere, darunter Listen mit 2000 heim- j lich Angeworbenen, beschlagnahmt worden sein Auf Hochverrat steht in Transvaal die Todesstrafe. Man glaubt, daß die jüngst erfolgte Abreise vieler Familien von hervor ragenden Uitlanders in Verbindung mit der beabsichtigten Rebellion stand. Die Auflegung ist ungeheuer. Asten. *Aguinaldo hat am Sonntag dem General Otis durch einen Boten den Wunsch aussprechen lassen, eine Kommission behufs Unterhandlung mit einer Kommission der Ver. Staaten über die etwaigen Friedensbe dingungen nach Manila senden zu dürfen. Es wurde die Weisung erteilt, einer solchen Kommission zu gestatten, die amerikanischen Linien zu passieren. Ans dem Reichstage. Der Reichstag setzte am Montag die zweite Lesung des Jnvaliditäts- und Alters-Versicherungs- gesctzes fort. Ueber 8 8 (freiwillige Versicherung für diejenigen Personen, welche nach den vorauf gehenden Paragraphen dem Versicherungszwangc nicht unterworfen sind) wurde die Abstimmung gemäß einem Anträge Richter vertagt. Zu 8 20 wurde ein Antrag Albrecht (soz.), an Stelle der Wochenbeiträge von 14, 20, 24, 30 und 36 Pfennig 6, 10, 24, 28 und 32 Pfennig zu setzen, abgelehnt. Am 16. d. wird die zweite Beratung des Jn- validen-Versicherungs-Gesetzes fort gesetzt bei 8 20a, der von der „Gemeinlast und Sonderlast" handelt. Es wird zunächst über die drei ersten Absätze diskutiert, welche das Prinzip dieser Scheidung in Gemein- und Sonderlast fest- legen. Ein Antrag Richter (fr. Vp.) will diesen Para graph ganz streichen. Außerdem liegen drei Abänderungsanträge der Abgg. Albrecht (soz.), Zehnter (Ztr.) und v. Richthofen (kons.) vor. Abg. v. Staudy (kons.) erklärt, die Vorlage habe seinen Freunden viele Enttäuschungen gebracht. Aber einen Vorzug bringe dieselbe, einen Ver mögensausgleich zu Gunsten der notleidenden Anstalten. Dieser Ausgleich fei eine zwingende Notwendigkeit, er dürfe aber nicht in kleinlicher Weise erfolgen. Werde der Zweck nicht erreicht, die notleidenden Anstalten wirklich zu sanieren, so müßten seine Freunde gegen das ganze Gesetz stimmen. Abg. Zehnter (Zentr.) empfiehlt seinen Antrag, der dahin geht, die Gemeinlast und Gemeinmasse nicht auf das ganze Reich zu erstrecken, sondern diese ganze Einrichtung territorial zu gestalten, so daß also jeder einzelne Bundesstaat mit mehreren Ver sicherungsanstalten für sich das System der Gemein last einführt. Redner weist im voraus den Ge danken zurück, daß sein Antrag partikularikischer Rücksichten entspringe. Das Haus könne den Antrag um so eher annehmen, als derselbe im übrigen die Grundlagen des Gesetzes nicht alteriere. Staatssekretär Graf PosadowSky erwidert, am besten wäre die Kalamität vermieden worden, wenn man eine einzige Versicherungsanstalt für das Reich geschaffen hätte. Das wäre aber eine Anstalt von so ungeheuerem Umfange gewesen, daß eine regelmäßige Abwickelung der Geschäfte nicht gesichert gewesen wäre. Aber auch Preußen sei ein zu großes Gebiet, als daß man daran hätte denken können, für diesen Staat eine einzige Versicherungsanstalt zu schaffen. Es handle sich auch hier nicht um eine Vermögensmasse, die den einzelnen Bundesstaaten gehöre. Dieselbe sei vielmehr auf Grund eines Rcichsgesctzes angesammelt zu einem großen sozial politischen Zweck, zum Wohle der deutschen Arbeiter. Deshalb hätten sich auch alle deutschen Regierungen mit dem Ausgleich unter allen deutschen Versicherungs anstalten einverstanden erklärt, und er müsse an nehmen, daß die Regierungen noch heute auf demselben Standpunkte stehen. Bei der geltenden Freizügigkeit, unter der sich ganze Völkerwanderungen von Arbeitern über die verschiedenen Bundesgebiete ergießen, sei auch eine partikulare Abgrenzung absolut undurchführbar. Deshalb bitte er das Haus, es bei der Regelung des Ausgleiches zu belassen, welche die Kommission vorgeschlagen habe. Diese sei das mindeste, was man fordern müsse, um eine Art Rückversicherung für alle Versicherungsanstalten zu schaffen. Abg. Richter (fls. Bp.): Eine Rückversicherung könne man diesen sogenannten Ausgleich nicht nennen, denn es handle sich um Zuwendungen, für die keineswegs dem Risiko entsprechende Beiträge ent richtet seien. Der Antrag Zehnter ändere an dem Ausgleichsvorschlage gar nichts, denn er lasse für Preußen und Bayern die ganzen Härten bestehen, da ich ihn die mir zugefallene Vergünstigung mitgenießen lassen wollte, begab ich mich jeden freien Nachmittag zu ihm in seine in der Dorotheenstraße gelegene Wohnung, stets in einem großen Beutel etliche Knochen mit mir tragend, deren nur dem Mediziner bekannte Ge heimnisse wir uns zu eigen machen wollten. Ja, wir beide waren eifrige und fleißige Studenten, und so ließen wir selbst die Sonn tagnachmittage nicht ungenutzt vorüberstreichen, die der flotte Bursche sonst auf traulichen Spaziergängen im tiefbeschatteten Tiergarten oder in einem der zahllosen Bierlokale hinter hochschäumendem Seidel zu genießen pflegte. So saßen wir auch an einem schönen Sonn tagnachmittag in dem traulichen Stübchen meines Freundes in der Dorotheenstraße beisammen und demonstrierten uns, das königliche Stirnbein des Menschen in der linken, und das deutende Stäbchen in der rechten Hand, den schönen Knochen vor, hinter dem das edelste Organ des ganzen Körpers, das Gehirn seinen Wohnfitz hat. Um uns aber die etwas trockene Verhand lung mit einem wohlschmeckenden flüssigen Elemente zu versüßen, hatten wir uns auf einer der jüngst erfundenen und von der Mutter meines Freundes herrührenden Blechmaschine einen höchst gefahrlosen, das heißt, dünnen Kaffee gebraut, zu dem ich eben ans dem nächsten Materialladen die bestgerösteten braunen Bohnen geholt; und mein Freund verstand die selben mit bewundernswürdiger Ausdauer und wohlgeschulter Virtuosität auf der etwas defekten Kaffeemühle zu zermalmen, die wir der vor sorglichen Güte seiner Wirtm verdankten. die in ihm liegen. Wolle man wirklich eine Gemein last neben einer Sonderlast konstruieren, so würde das richtige sein, sie lediglich aus den Grundbeträgen iker Altersrenten bestehen zu lassen, denn die Fest, stellung der Altersrenten sei eine verhältnismäßig einfache Sache. Durch die Hinzunahme der Grund- beträge der Invalidenrenten werde die Sache außer ordentlich kompliziert. Das Hauptbedenken gegen den ganzen Ausgleich richte sich dahin, daß für die einzelnen Versicherungsanstalten jeder Ansporn in Wegfall komme, sparsam zu verwalten, denn die Früchte eines solchen sparsamen Vorgehens würden den Anstalten entzogen. Die Folge werde eine er hebliche Steigerung der Verwaltungskosten sein. Eine Notwendigkeit zu einem so fundamentalen Ein greifen liege nicht vor. Abg. Molkenbuhr (soz.) befürwortet einen sozialdemokratischen Antrag (Abgg. Albrecht u. Gen.), nach welchem die Gemeinlast lediglich in den Grund beträgen der Altersrenten bestehen soll. Alle übrigen Verpflichtungen sollen die Sonderlast bilden. Die Invalidenrenten hinzuzufügen, scheine unnötig, dann aber auch bedenklich um deswillen, weil die gleiche Basis fehle. Abg. Lehr (nat.-lib.) erklärt, seine Freunde wür den für den Antrag der Kommission stimmen, der einen ausreichenden Ausgleich schaffe. Der Antrag Zehnter sei für sie unannehmbar, ebenso der sozial demokratische Antrag. Abg. Schmidt-Elberfeld (frs. Vp.) legt die Gründe dar, welche für die Kommission bei dem dem Hause gemachten Vorschläge leitend gewesen seien. Abg. v. Richthofen (kons.) empfiehlt seinen Antrag, die Gemeinlast noch etwas über den Kom missionsbeschluß hinaus zu erhöhen und zu dem Bc- huse nicht 40 Prozent, sondern 45 Prozent der Bei träge dem Gemeinvermögen zuzuführen. Abg. Rösicke-Dessau tritt für die Vorschläge der Kommission ein, die eine Art Kompromiß dar stellten. Rüttle man daran, so werde das ganze Gesetz wieder in Frage gestellt. Direktor v. Woedtke betont, daß nach den noch mals angestelltcn Berechnungen mindestens 55 Pro zent der Beiträge zur Deckung der Gemeinlast er forderlich seien. Hiermit schließt diese Debatte. Absatz 4 des Paragraphen betrifft die Neuregelung der dem Ge meinvermögen zu überweisenden Beitragsquote, falls eine solche anderweite Regelung nach Ablauf der ersten zehnjährigen Periode erforderlich erscheint. Der Bundesrat soll über die Quote beschließen: wird diese erhöht, so bedarf cs der Zustimmung des Reichstags. Abg. Müller- Fulda (Zentr.) beantragt, das bis zum 31. Dezember angesammelte Vermögen bei der Ausgleichung der Fehlbeträge auszuscheiden. Abg. Schmidt- Elberfeld will das gesamte bis zum 31. Dezember 1899 angesammelte Vermögen, und weiterhin bei Ablauf der weiteren Verlängerungs- Perioden, nicht zur Deckung der Gemeinlast heran gezogen wissen. Damit schließt auch diese Erörterung. In der Abstimmung werden die Anrägc Zehnter,. Albrecht u. Gen. und v. Richthofcn abgelehnt; angenommen dagegen die Anträge Müller- Fulda und Schmidt-Elberfeld. — Ebenso der damit abgcänderte 8 20 a. Sodann schreitet das HanS — entgegen der vom Abg. Richter im Laufe einer längeren Geschäfts- ordnungsdebatte verfochtenen Auffassung, daß 8 8 heute nicht auf der Tagesordnung stehe — zur Ab stimmung über 8 8 und die dazu vorliegenden Anträge. Unter Ablehnung der Anträge Richter und Albrecht wird der 8 8 in der Fassung der Kom mission (nur mit einer redaktionellen Aenderung) angenommen. 8 16, dessen Beratung am Montag ausgesetzt worden war, handelt von der Wartezeit. Ueber die Wartezeit bei der Invalidenrente ent- spinnt sich, da von zwei Seiten Abänderungen be antragt sind, eine längere Debatte. Entgegen einem Anträge v. Richthofen wird schließlich die Wartezeit, wenn mindestens für 100 Beitragswochen aus Grund der Versicherungspflicht Beiträge geleistet worden sind, auf 200 Wochen, andernfalls auf 400 Wochen festgesetzt. Darauf vertagt sich das Haus. Preußischer Kandt«» Am Montag setzte das Abgeordnetenhaus die Beratungen der Anträge Gamp u. Gen. (freikons.) betr. Maßnahmen zur Abstellung der Leutenot auf dem Lande fort. Als Punkt 10 fordert die Kom mission planmäßige Ansiedelung von kleinen und mittleren Landwirten sowie landwirtschaftlichen Ar beitern durch Genossenschaftsverbände unter Mit wirkung des Staates. Punkt 11 schlägt die Be urlaubung von Soldaten zu dringenden landwirt schaftlichen Arbeiten vor, Punkt 12 endlich empfiehlt die Erweiterung der Zulassung ausländischer Arbeiter. Nach längerer Diskussion wurden die Ziffern 10—12 angenommen. Damit ist die Beratung des Antrages > Gamp erledigt. Nächste Sitzung Mittwoch. Um unsere lammmütige Geduld aber nicht auf eine zu harte Probe zu stellen, bis der den Gelehrten so wohlthätige Trank fertig war, hatten wir uns zwei lange, natürlich mit mächtigen schwarzweißen Quasten geschmückte Pfeifen mit einer nicht allzu kostbaren Varinasmischung ge stopft und füllten nun nach echter Burschen Weise das kleine Gemach, in der Studenten sprache „Kneipe" genannt, mit fabelhaft dicken Rauchwolken an. Eben war das dunkelfarbige und lieblich duftende Gebräu fertig geworden, und wir hatten kaum die erste Schale davon mit zufriedener Miene und beistimmendem Kopfnicken gekostet, um gleich wieder das zur Seite gelegte Stirnbein zur Hand zu nehmen, da wurde unser Vorhaben auf eine sehr unerwartete Weise unterbrochen. Ein durch das ganze Haus dröhnender Mannes schritt ließ sich auf der Treppe vernehmen, gleich darauf trat jemand mit flüchtigem Fuße vor unsere Zimmerthür, blieb aber hier einen Augen blick stehen, als ob er die nach Studentenart mit vier Oblaten angeklebte Visitenkarte, die den Namen meines Freundes trug, läse, und eine halbe Minute später riß eine noch unsichtbare Hand heftig die Thür auf und herein ins Zimmer stürzte mehr als er ging, ein junger Mann, den ich nicht kannte, der aber, sobald er meinen Freund nur einen Moment ins Auge gefaßt, auf diesen zuflog, ihm mit dem Jubelrufi: „Ja, das ist er, und das bin ich, Wilm! Kennst du mich nicht?" um den Hals fiel und ihn mit seinen stürmischen Liebkosungen fast erdrückte. Ich war von meinem Stuhl aufgesprungen
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