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Allgemeiner Anzeiger : 17.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189905177
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990517
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-17
-
Monat
1899-05
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.05.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. *Am 13. d. ist das Kaiserpaar zu achttägigem Aufenthalt in Wiesbaden ein getroffen. * Die jetzt aus S amo a eintreffenden Nach richten unterscheiden sich sehr zu ihrem Vorteil von den früheren Meldungen. Der Kriegslärm ist verstummt, und damit sind die Aussichten auf eine allmähliche Ausgleichung der Gegensätze unter den Angehörigen der drei Vertragsstaaten erheblich gewachsen. *Jm Senioren -Konvent des Reichstags kam man dahin überein, bis zu den Pfingstferien die Novelle zum Jnvaliden- gesetz zu beraten und von anderen Vorlagen ab zusehen ; man ging freilich hierbei von der Vor aussetzung aus, bis zur Mitte der Pfingstwoche ein beschlußfähiges Haus erhalten zu können. Wenn diese Voraussetzung sich erfüllen sollte, Werden die Pfingstferien am 18. Mai beginnen und am 6. Juni zu Ende gehen. *Nach der soeben veröffentlichten amtlichen Zusammenstellung über die Jndiensthal- tung der Kriegsschiffe sind im abge laufenen Jahre im Dienst gewesen: 9 Linien schiffe, 6 Küstenpanzer, 3 Panzer-Kanonenboote, 4 große Kreuzer, 17 kleine Kreuzer, 2 Kanonen boote, 15 Schulschiffe, 7 Spezialschiffe, 1 Hafen schiff, 10 (d. h. sämtliche) Torpedo-Divisions boote, 58 Torpedoboote, insgesamt also mit Ausnahme der Torpedofahrzeuge 64 Schiffe, von denen 20 auf das Ausland entfallen. Am stärksten herangezogen waren die Torpedo-Di- vifionsboote, dann die Linienschiffe und Kreuzer, ganz vereinzelt im Dienst waren nur die gänz lich veralteten Panzerkanonenboote. * Nach der im Reichs - Eisenbahnamt aufge stellten Nachweisung der auf deutschen Eisenbahnen (ausschließlich Bayerns) im Monat März d. vorgekommenen Betriebs unfälle waren zu verzeichnen: 32 Entglei sungen, 10Zusammenstöße (sämtlich inStationen), und 161 sonstige Vorkommnisse. Die Zahl der beiden ersten Kategorien ist wieder etwas höher, als im vergangenen Monat. Doch ist die An zahl der bei den Unfällen Verunglückten trotz dem etwas verringert: Es sind 64 Personen getötet und 96 verletzt worden, gegen 61 bezw. 114 im Februar. Der bei weitem größte Teil davon entfällt, wie immer, auf Bahnbeamte und Bahnarbeiter im Dienst. *Ein schärferes Vorgehen gegen den unlautern Wettbewerb hat der Finanzminister v. Miquel einer Abordnung des Zentralvereins selbständiger Gewerbetreibender in Aussicht gestellt. Zunächst soll nach der ,Voss. Ztg/ gegen die sog. „Lockartikel in den Warenhäusern und Ausverkäufen" eingeschritten werden, ebenso gegen die „schwindelhaften Ver steigerungen", die bislang alle gesetzlichen und polizeilichen Vorschriften zu umgehen wußten. * Aus Anlaß der Friedenskonferenz hat der Deutsche Nautische Verein an den Reichskanzler eine Eingabe mit der Bitte gerichtet, daß die deutschen Vertreter angewiesen werden, auf der Konferenz bei etwaigen Verhandlungen über den Schutz des Privateigentums auf See die bisher in dieser Richtung hervor getretenen Anträge des Deutschen Nautischen Vereins zu unterstützen, gegebenenfalls daß die selben die Initiative ergreifen, um eine Beratung über diese Angelegenheit herbeizuführen. *Nach Deutsch - Südwestafrika wird in den nächsten Tagen aus Klausthal a. H. eine bergmännische Expedition, bestehend aus 8 Harzer Bergleuten, einem Goldbergmann aus Siebenbürgen und dem Führer Bergmeister Eichmeyer aus Zellerfeld in See gehen, um an geblich Kupfer- und Golderzgänge bei Rehoboth in Südwestafrika zu erforschen und auf ihre Bauwürdigkeit zu prüfen. Die Bergleute bleiben in ihrem knappschaftlichen Verhältnis, bekommen bei freier Station monatlich 250 Mk. Lohn und find für den Todesfall mit 10 000 Mk. ver sichert. Frankreich. *Wie die,Gazette des Tribunaux' mitteilt, hat Ballot Beauprö im Ausschuß des Kassa li o n s h o f e s eine Anzahl Aktenstücke verlesen und dem Büreau mitgeteilt, daß sein Bericht abgeschlossen sei und er denselben nur noch durchzusehen habe. Nach dem auf den 29. Mai anberaumten Beginn der öffentlichen Verhandlung sollen die Sitzungen ununterbrochen andauern, einschließlich Sonntag, den 4. Juni, falls dies nötig ist. England. * Für dieAbrüstungskonferenz hat Lord Salisbury nach einer etwas unklaren Meldung die englischen Vertreter angewiesen, da die Etablierung eines allgemeinen inter nationalen Schiedsgerichts für alle eventuell möglichen Streitfälle zur Zeit undurchführbar sei, wenigstens darauf hinzuwirken, daß derartige positive Abmachungen, soweit möglich, zum Gegenstand eines internationalen General-Ver trages gemacht werden. Italien. *Das neue Kabinett ist zwar noch nicht vollständig gebildet, durch die Zusage Visconti-Venostas jedoch, daß er das Porto- feuille des Auswärtigen übernehmen will, ge- sichert. Viskonti-Venosta stellt die ihm jüngst zugeschriebene grundsätzliche Abneigung gegen jedwede ostasiatische Unternehmung in Abrede. Holland. * Bei der Abrüstungskonferenz haben sich die Mächte geeinigt, behufs Ver hütung von Ueberschreitungen des Programms Zuschriften politischer oder nichtpolitischer Vereine an die Konferenz abzulehnen, desgleichen An träge oder Denkschriften von Regierungen, in denen die inneren Zustände anderer Länder in Erörterung gezogen werden. Balkanstaaten. *Die bulgarischen Wahlen haben die übliche Mehrheit für die Regierung ergeben, aber doch keine so erdrückende, daß sich die Opposition nicht ein Drittel der Mandate ge sichert hätte. Außerdem werden dem Ministerium Grekow-Radoslawow in der Sobranje sämtliche Oppositionsführer gegenübersteheu, denn alle, Stoilow, Zankow, Karawelow, find gewählt. Aber es scheint nicht, daß das Ministerium darüber in großer Unruhe ist. Sehr bezeichnend kann man finden, daß dasselbe am Vorabend der Wahlen dem Gerücht entgegentrat, als ob ihm eine russische Anleihe in Aussicht gestellt wäre. Es hat dadurch augenscheinlich darthun wollen, daß es sich getraue, aus eigener Kraft die verfahrenen bulgarischen Finanzen wieder ins Geleise zu bringen. Aegypten. * Wie den .Times' aus Kairo gemeldet wird, beabsichtigt der Sirdar Lord Kitchener, im Sep tember, wenn die Bahn bis Chartum fertig gestellt ist, den Sudan für den Handel ohne Einschränkung zu öffnen. Aus ländische Waren sollen von Abgaben frei sein, abgesehen von einer kleinen Eintragsgebühr in Wadihalfa; den Europäern soll es gestattet sein, Land zu erwerben. Amerika. * Mac Kinley wird den Kongreß zu einer außerordentlichenTagung einberufen, um die Philippinen- und die Wäh rungsfrage zu lösen. Mac Kinley will nämlich diese beiden Hauptfragen noch vor den Wahlen aus dem Wege räumen. *Der wirtschaftliche Gegensatz zwischen Amerika und England gibt sich in einer Meldung aus Washington kund, daß alle Hoffnung auf ein Wiederzusammentreten der amerikanisch-kanadischen Kommission im August d. geschwunden ist, da beide Teile sich völlig un nachgiebig verhalten. Es handelte sich in der Hauptsache einmal um die Grenzregulierung betr. das Goldland von Klondike, sodann um die Einschränkung des amerikanischen Tarifs gegen über Kanada und Ausdehnung der kanadisch englischen Vorzugszölle auf Amerika. Asten. * Die Gerüchte von chinesischenTrup- penbewegungen an der Nordgrenze der zum deutschen Einflußgebiet gehörenden Pro vinz Schantung scheinen sich in der That zu bestätigen. Nähere Nachrichten über Umfang und Zweck dieser Maßregeln liegen an Berliner amtlichen Stellen nicht vor, man ist aber keines falls geneigt, diesen militärischen Operationen irgend einen für die deutschen Interessen bedenk lichen Charakter beizulegen. Aus dem Reichstage. Der Reichstag trat am Mittwoch nach Ablehnung eines von sozialdemokratischer Seite gestellten Ver tagungsantrages in die zweite Beratung des neuen Jnvaliditätsversicherungs - Gesetzes ein. Von den Sozialdemokraten wurde bei 8 1 über einen Antrag derselben, die Hausindustrie allgemein der Ver sicherungspflicht zu unterwerfen, eine namentliche Abstimmung beantragt; mit 180 gegen 39 Stimmen wurde 'Der Antrag abgelehnt. 8 1 wurde nach dem Kommissionsantrag unverändert angenommen; ebenso die 88 2 und 3. Bei 8 3a, nach welchem Personen, die Lohnarbeit nur in bestimmten Jahreszeiten für nicht mehr als 12 Wochen übernehmen, der Ver sicherungspflicht nicht unterliegen, und die Versiche rungspflicht ausländischer Arbeiter der Bestimmung des Bundesrats überlassen ist, entspann sich eine lebhafte Debatte. Am 12. d. wird die zweite Beratung des Inva - lidenversicherungsgesetzes bei 8 3a (Ent bindung zeitweilig beschäftigter Arbeiter von der Ver sicherungspflicht) fortgesetzt. Abg. Hilpert (bahr. Bauernbd.) behauptet, Abg. Stadthagen müsse sich auch nicht im geringsten bemüht haben, die Verhältnisse auf dem Lande kennen zu lernen. Gerade die Landwirte seien überall in den deutschen Gauen auf das Wohl ihrer Arbeiter bedacht. Deshalb müßten solche verhetzenden Dar stellungen, wie sie Abg. Stadthagen gegeben, ent schieden zurückgewiesen werden. (Präs. Graf Ballestrem bezeichnet den Ausdruck „verhetzend" in Anwendung auf ein Mitglied des Hauses als unparlamentarisch.) Ausländische Arbeiter würden von den Landwirten nur ungern genommen, weil die Leutenot zu groß ist. Gerade die sozraldemokratische Agitation treibe immer mehr Leute vom Lande fort. Abg. v. Kardorff (freikons.) bestreitet, daß die Lohnverhältnisse auf dem Lande im Osten so un günstige seien, wie. Abg. Stadthagen es am Mitt woch dargestellt habe. Man müsse die beträchtlichen Naturalleistungen in Betracht ziehen und dabei nach dem Wert in Ansatz bringen, den sie in den großen Städten und Jndustriebezirken haben. Die ländlichen Grundbesitzer würden niemals so thöricht sein, sich die Arbeiter durch schlechte Behandlung vom Lande zu vertreiben. Abg. Graf Klinckow ström (kons.) spricht sein Bedauern darüber aus, daß Abg. Hase nicht anwesend sei; derselbe habe es nach der Niederlage, die er hier erlitten, wohl vorgezogen, nach Hause zu reisen. Was er am Mittwoch vorgebracht habe, sei kein Geheimnis. Das Verfahren gegen den Guts besitzer Braun sei nicht geheim gewesen, das Er kenntnis mit den Gründen sei öffentlich verkündet worden. So sei es ja auch dem Abg. Hase bekannt geworden. Viel Anhänger könnten sich die Sozial demokraten durch solche Parteigenossen nicht erwerben. Ihre Erfolge bei den Wahlen hätten sie ja auch bisher nicht auf Kosten der Konservativen, sondern der Freisinnigen errungen. Die Arbeiter in Ost preußen seien jetzt aufgeklärt; sie wüßten, was sie von den Sozialdemokraten zu halten haben. Abg. Molkenbuhr (soz.) wundert sich, daß die Konservativen dem einen Fall, in dem ein sozial demokratischer Arbeitgeber sich einer gewissen Hart herzigkeit schuldig gemacht hat, so große Bedeutung beilegten. Daß dieser Fall so vereinzelt dastehe, be weise doch, daß die Sozialdemokraten bessere Men schen sind. In der Heranziehung der nicht ver- sichcrungspflichtigm Ausländer liege lediglich eine Bevorzugung der Großgrundbesitzer; deshalb müsse diese Ausnahme gestrichen, oder wenigstens der Arbeitgeber-Beitrag verdoppelt werden. Abg. Lucke (B. d. L.) hält den Lohn, der den ländlichen Arbeitern gezahlt wird, wenn man die Naturalien nach ihrem richtigen Wert in Ansatz bringe, für durchaus den thatsächlichen Verhältnissen entsprechend. Die Sozialdemokratie wolle sich in den unzufriedenen Landarbeitern die nötige Reserve- Armee sichern. Auf der einen Seite forderten sie billiges Brot, auf der anderen höhere Löhne, aber das Rezept könnten sie nicht angeben, wie beides durchzusühren ist, ohne die Landwirte zu ruinieren. Abg. Bebel (soz.) steht den Hauptgrund für die Entvölkerung des Platten Landes in der schlechten Behandlung und unzureichenden Löhnung der länd lichen Arbeiter. Mitbestimmend für den Abzug zahl reicher ländlicher Arbeiter sei auch der Mangel an jeder Freiheit, vor allem des Koalitions-, der Vcreins- und Versammlungsfreiheit, sowie das Fehlen von Fortbildungsanstalten für die Heranwachsende Jugend. Solche seien eben den Grundbesitzern ein Dorn im Auge, denn durch ihren Besuch würden die Arbeiter zu klug und unzufrieden. Eine der wesentlichsten Gründe zur Verschärfung der landwirtschaftlichen Kalamität liege in der Tendenz nach der Ausdehnung des Großgnrudbesitzes. Abg. Oertel-Sachsen (kons.) bezeichnet eine Handlungsweise wie die Brauns als in konservativen Grundbesitzerkreisen undenkbar. Die konservative Partei habe Hammerstein sofort abgeschüttelt, als sie dessen Verfehlungen kannte. Redner tritt dann noch ausführlich für die agrarischen Bestrebungen ein, dabei auch die Latifundienbildungen als unvermeid liche Folge der Not im kleinen und mittleren Grund besitz entschuldigend, aber die Latifundienbildung der Herren Rothschild und Genossen mißbilligend. Die Beschäftigung von Ausländern sei jedenfalls eine unvermeidliche Notwendigkeit. Die Ausländer wür den erst entbehrt werden können, wenn die Linke des Hauses s. Z. mit den Agrariern in bezug auf die Handelsverträge zusammengehen würde. Abg. Stadthagen (soz.) verbreitet sich noch mals über die Arbeiter-Verhältnisse auf dem Lande. Abg. Richter (frs. Vp.) meint, hinsichtlich der vorliegenden Bestimmung müsse er anerkennen, daß in der Befreiung der ausländischen Arbeiter von der Versicherungspflicht geradezu eine Prämie auf die Heranziehung ausländischer Arbeiter ausgesetzt werde. Den Vorschlag der Kommission, den Arbeit gebern die Hälfte des Beitrages aufzuerlegen, halte er für keinen glücklichen, weil nur halbe Lösung. Für richtiger halte er es, es überhaupt bei dem geltenden Recht zu belassen, nach welchem cs der Bestimmung des Bundesrats überlassen bleibt, in wieweit vorübergehende Dienstleistungen als Be schäftigungen im Sinne des Gesetzes anzusehen seien. Abg. Hahn (wildkons.) hält das Bedenken des Abg. Richter für ungerechtfertigt. Ueber den Bedarf würde kein Grundbesitzer ausländische Arbeiter heranziehen. Damit schließt die Diskussion. 8 3a wird, unter Ablehnung der sozialdemokratischen Anträge, un verändert in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung angenommen. In Verbindung mit 8 4 wird 8 9 beraten, der u. a. die Invalidenrente dem zuspricht, der im Sinne des 8 4 Absatz 2 erwerbsunfähig ist. Abg. v. Stumm (freikons.) beantragt, da bei solcher Bestimmung zu große Unklarheiten entstehen und außerdem die Arbeiter benachteiligt werden würden — weil ihnen die Rente alsdann zu spät gewährt werden würde —, die Begriffsbestimmung der Erwerbsunfähigkeit ähnlich wie in Paragraph 9 Absatz 3 des bestehenden Gesetzes wiederherzu stellen. Ein Antrag Lehr (nat.-lib.) zum 8 9 will fern-r bei Invalidität infolge Unfalls, daß der Empfänger einer Unfallrente auch denjenigen Betrag der In validenrente erhalte, mit welchem diese die Unfall- rcnte übersteigt. An der Debatte beteiligen sich Molkenbuhr und Lehr für ihre Anträge, Hilbck für und Rösicke-Dessau gegen den Antrag Stumm, Sachse (soz.) für und Hitze (Zentr.) gegen den sozialdemokratischen Antrag, sowie zugleich gegen den Antrag Stumm. Nach einer weiteren Debatte wird 8 4 unver ändert und 8 9 mit dem Anträge Lehr ange nommen, wogegen die Anträge Albrecht und Stumm abgelehnt werden. Darauf wird die Weiterberatung vertagt. Preußischer Landtag. Das Herrenhaus erledigte am Mittwoch die Denkschrift über die Hochwasserschäden vom Sommer 1897 durch Kenntnisnahme. Eine Reihe Petitionen wurde nach den Anträgen der Kommission durch Uebcrgang zur Tagesordnung erledigt. Am Freitag richteten im Herrenhause die Herren v. Rheden und Struckmann die Anfrage an die Re gierung, welche Schritte sie zu thun gedenke, um der durch die Industrie, insbesondere durch die Kali-In dustrie drohenden übermäßigen Verunreinigung der Gewässer entgegenzutreten. Minister Brefeld antwortete, eine mäßige Verunreinigung der Flüsse sei nach dem Gutachten der technischen Deputation unschädlich. Es werde aber, wo sich schädliche Folgen zeigten, Ein stellung des Betriebes verlangt. Es wurde sodann noch ein Antrag v. Below angenommen betreffs Erlaß eines Schankstätten-Verbotes für junge Leute unter 17 Jahren. Das Abgeordnetenhaus nahm am Mittwoch in dritter Beratung das Volksschullehrer-Reliktengesetz beinahe einstimmig an. In der Diskussion wurde, nachdem Minister v. Miquel erklärt hatte, daß die in der zweiten Lesung beschlossene Ouotisierung der Staatsbeiträge und die Einbeziehung der kreisfreien Städte in den Staatszuschuß das Gesetz für die Regierung unannehmbar machten, das Prinzip der festen Staatsbeiträge zu den Witwen- und Waisen- gcldern im 8,14 wicderhcrgestellt, wobei jedoch die Sätze der Regierungsvorlage auf 420 Mark für Witwen, 84 bezw. 190 Mk. für Waisenkinder erhöht wurden. Darauf wurde in erster Lesung der Gesetz entwurf betr. die Polizeiverwaltung in den Vororten von Berlin einer Kommission überwiesen. Nächste Sitzung Montag. Durch Leiden zum Gluck. 14) Erzählung aus dem Leben v. Oskar Merres. (Schluß.) 13. Es war Weihnachten. In der Jänschschen Maschinenbau-Anstalt war einige Stunden früher Feierabend gemacht worden, die Arbeiter gingen vergnügt vow dannen und der Besitzer besprach noch einiges mit seinem Buchhalter, bis auch dieser Buch und Kasse schloß. Fröhlicher Weihnachtsabend, wie verschieden bist du in Hütte und Palast. Herr Jänsch begab sich nach seiner Wohnung, die gar keine schimmernde Pracht zur Schau trug, aber von einer soliden Wohlhabenheit zeugte. Er hatte sich unter Sorgen und Mühen hinauf gearbeitet, so daß er mit zufriedenem Blick auf die seitdem verflossenen fünf Jahre zurückblicken konnte. Er trat in das erste Zimmer, wo ein Knabe von etwa acht Jahren mit einem Baukasten die schwere Wartezeit auf den hellstrahlenden Weih nachtsbaum zu verbringen suchte, während ein etwa vierjähriges Mädchen die kunstvoll errich teten Bauten vergnügt einriß. Als die beiden Kinder den Papa sahen, sprangen sie ihm entgegen; doch dieser drängte sie mit einigen kurzen Trostworten zurück und verschwand schnell in dem nächsten Zimmer, dessen Thür er fest hinter sich schloß. Hier war der Weihnachtsengel an seiner geschäftigen Arbeit; er baute die Geschenke der Liebe auf, welche zur Weihe des schönen Festes gehören. Die Hauptarbeit des lichten Engels besorgte die immer geschäftige Frau Marie, die sich noch immer nicht den Ton der treuherzigen Schlosser gesellenfrau ganz abgewöhnen kann, trotzdem sie jetzt die Frau eines Fabrikherrn ist. Und neben ihr die schlanke, etwas gebeugte Gestalt mit dem so bleichen Gesicht, über dessen Schwermut hin und wieder bei den drolligen Worten Mariens ein mildes Lächeln huschte, war Trude, die schon totgeglaubte, aber dennoch dem Leben wieder gewonnene Dulderin. Als damals, wo der alte Andreas bitter weinend an ihrem Lager kniete, der Arzt ent deckte, daß anstatt des Todesschlafes eine ent scheidende Krisis eingetreten sei, als dann die bereits dem Tode Verfallene wieder erwachte und der Genesung Hoffnung gab, da hatte sich Jänsch einige Male gefragt, ob er nicht seiner Frau die Hände binden solle, denn diese trieb in ihrer übermäßigen Freude eine so tolle Wirt schaft, daß sie kaum zu bändigen war. Als dann Trude wirklich das Krankenhaus verlassen und das Zimmer bei der Fumilie Jänsch, das schon längst für sie eingerichtet war, beziehen konnte, da drehte die tolle Marie mit ihrem Jubel das ganze Haus um. Seitdem wohnte die stille Trude bei der wieder fröhlichen Marie, wo sie wie auf Händen getragen wurde. Und wenn Marie recht lustig und Trude herzlich dazu lächelte, dann schauten sich beide wie mit einem Gedanken an, und Trude gedachte des fernen Fritz. Jänsch hatte verschiedene Male Nachforschun gen über ihn angestellt, aber vergeblich, er blieb wie verschollen. Doch während ihn die beiden Frauensleute als tot beweinten, meinte der nüch terne Mann: „Der wird schon einmal wieder zum Vorschein kommen!" Und heute der Weihnachtstisch mit dem blen denden Linnen und dem waldduftenden Tannen baum und den beiden noch jugendlichen, doch so verschiedenen weiblichen Gestalten. Aus dem Hintergrund leuchten zwei weiße Häupter zu den vielbeschäftigten Weihnachts engeln herüber. Es ist das Großmütterchen und der — treue Andreas. Als Marie gehört, wie sich der Alte ihrer Tude in ihrer gänzlichen Verlassenheit angenommen, hatte sie ihm still ein Stübchen neben dem Trudens zurechtgemacht. Für die alte Großmutter aber war dieser neue Hausgast eine herrliche Sache; sie hatte nun einen, der den ganzen Tag mit ihr plau derte, und bald nannte man die beiden das alte Liebespaar. Der Tisch war geordnet, die Lichter brannten, Marie ließ noch einen prüfenden Blick über alle die Herrlichkeiten schweifen, dann ging ihr Mann hinaus, um die KmRr zu holen. Damit war die Bescherung eröffnet, wo jedes seinen so heimlich besorgten Teil erhielt. Durch den Kinderjubel hindurch schauten sich die Aeltern und Alten glücklich an. Und als dann bei der traulichen Familien tafel der Hausherr das Glas erhob, um dem lieben Herrgott zu oanken, der sein irdisches Streben bis zu diesem schönen Abend begleitet, da perlte eine Thräne in Trudens Glas und Frau Marie legte verständnisvoll ihren Arm um sie. Die Thräne galt ihm, dem fernen Trotzkops, das wußte Marie. Was hielt ihn denn ab, sich gar nicht mehr um die Heimat zu kümmern, auch wenn er glaubte, hier alle Erdenfreude verloren zu haben? „Ja, der Bengel ist ein Trotzkopf," so dachte Frau Marie, — „der nicht weiß, was für ein Herz hier auf ihn wartet." Und während Jänsch mit den Kindern spielte, und die beiden Alten noch einmal alle Geschenke musterten, plauderten die beiden Freundinnen von den vergangenen Zeiten. Wo waren sie alle geblieben, welche einst so störend in das Leben der armen Waise ein gegriffen ? Am äußersten Ende der Vorstadt hatte Frieda eine kleine dürftige Wohnung inne. Ihre Seele war leer, und es fehlte ihr der Mut, die selbstverschuldete Armut zu tragen. Die Men schen fliehend, verließ sic ihre Zufluchtsstätte, um sich die Sachen zu holen, welche sie zu ihrem mehr wie bescheidenen Haushalt bedurfte. Das kleine Kapital, welches einst Heimburg aus dem gestohlenen Schmuck gelöst und Trude ge liehen hatte, war das einzige, was sie aus dem Schiffbruch ihres großen Vermögens gerettet hatte. Es stand noch auf dem Konto der großen Maschinenfabrik, und Jänsch verzinste ihr dasselbe so reichlich, daß die Arme wenigstens leben konnte. Trude hatte die Verarmte ausgesucht, sobald sie von dem vollständigen Ruin gehört. Frieda erlag fast dem Gewicht der Schani, aber die edlere Koustne nahm die Unglückliche liebe voll in ihre Arme, sprach ihr tröstend zu und versicherte sie ihrer Verzeihung. Auch zum
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