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Allgemeiner Anzeiger : 06.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189905069
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18990506
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-06
-
Monat
1899-05
-
Jahr
1899
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.05.1899
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Politische Rundschau. Deutschland. * Das Kaiserpaar ist am Mittwoch vor mittag in Straßburg eingetroffen. *ZurSamoafrage wird von der,Daily Mail' aus Sydney gemeldet, daß der dortige katholische Erzbischof Kardinal Moran in einer Rede schärfster Tonart erklärt habe, das Vor gehen in Apia sei kein Krieg, sondern eine vor sätzliche Ermordung der Einge borenen, schlimmer als die armenischen Gräuel. Es ist selten, daß das englische Kabel derartige Kundgebungen wiedergibt. Um so erklärlicher ist der hohe Wert, den man in maßgebenden deutschen Kreisen auf die An bahnung einer direkten Kabelverbin dung mit Nordamerika legt. Diese Verbindung steht man für unbedingt notwendig an, damit die Amerikaner endlich Gelegenheit erhalten, deutsche Vorkommnisse und deutsche An schauungen ohne englische Brille kennen zu lernen. *Die Reichsregierung beschäftigt sich gegen wärtig mit der Frage, wie das deutsche Kon sulatwesen mit Verbesserungen aus gestattet werden könne nach der Richtung, daß die kaufmännische Tüchtigkeit der Konsulate ge stärkt werde. In amtlichen Kreisen werden zwei Vorschläge erwogen; entweder die Konsulate dadurch zu stärken, daß man ihnen kaufmännische Attaches beigibt, oder auf Berufs-Konsuln zu verzichten und angesehene Kaufleute zu ernennen, denen juristisch gebildete Beamte beigegeben werden. *Die Pfingstferien des Reichs tages sollen nach der Abficht des Präsidiums im Beginn möglichst west hinausgeschoben und dem Pfingstseste nahegerückt werden. Man will namentlich die zweite Beratung der Novelle zum Jnvalidenversicherungsgesetz, die von der Kommission durchberaten worden ist, im Plenum bis zu den Ferien erledigen. Die Vorlage wird trotz der sorgfältigen Arbeit der Kommission immerhin Zeit in Anspruch nehmen. Eine Wendung in bezug auf die Kanal vorlage hat sich vollzogen. Die konser vativen Parteien und die gegnerische Hälfte der Zentrumspartei wollen jetzt zwar den Dort- mund-Rheinkanal zugestehen, aber desto entschiedener den Mittellandkanal bekämpfen. (Der Dortmund-Rheinkanal für sich allein würde wesentlich nur die Bedeutung eines Ausfuhrkanals für Kohlen nach dem Rhein und nach Holland haben.) * Eduard v. Simson, der frühere Reichstagspräsident, ist am Dienstag abend in Berlin gestorben. * Der Reichstags- und Preuß. Landtags abgeordnete Rath, Amtsgerichtsrat in Greven broich, ist plötzlich gestorben. Er war am 6. Juli 184b geboren. Dem Reichstage wie dem Abgeordnetenhause gehörte er seit den letzten Wahlen an, und zwar als Mitglied der Zentrums fraktion. Oesterreich-Ungarn. *Jm Landtage von Krain bean tragte man nicht nur gegen den Widerstand der Regierung die Einführung des Kroati schen als Unterrichtssprache an der staatlichen Oberrealschule, sondern der Abg. Lenarcitsch verlangte sogar, daß an der Anstalt die russisches!) Sprache gelehrt werde, deren Kenntnis für jeden gebildeten Slawen un erläßlich sei. Als darauf Landespräsident Baron Hein bemerkte, diese übertriebene Bedeutung habe die russische Sprache in Oesterreich „Gott sei Dank" noch nicht, verwahrte sich der Kano nikus Kalan gegen das „Gott sei Dank" und gegen die Art, in der sich der Vertreter der Regierung über die russische Sprache geäußert habe. Jedenfalls lehrreich! Frankreich. * Die Regierung soll beschlossen haben, einst weilen alle Interpellationen wegen der Dreyfussache abzulehnen. * Der Berichterstatter des Kassations - Hofes, Ballot de Beauprö, wird seinen Be richt etwa am 20. Mai einreichen. Der Bericht wird, wie verlautet, mit großer Entschiedenheit auf die Annahme des Revisions gesuches schließen. Die Verweisung vor ein neues Kriegsgericht wird von dem An walt der Familie Dreyfus, Mornard, gefordert werden. *Der Prozeß gegen Döroulede und Habert ist auf den 29., 30. und 31. Mai anberaumt worden. England. *Zum Abschluß der englisch-russi sch e n V e r st ä n d i g u ng in Sachen Chinas halten urteilsfähige englische Kreise an der Ansicht fest, daß in dem Abkommen England zn Gunsten Rußlands alles anerkenne, was bisher streitig gewesen. Es sichere England nur, was ihm auch ohnehin sicher gewesen; es laufe beiderseits nur auf Anerkennung vollendeter Thatsachen hinaus, enthalte für die Zukunft keine andere Friedensgewähr, als die sehr unbe stimmte Hoffnung, daß Rußland sich so lange in China mit dem heutigen Besitze begnügen und an den neuen Abmachungen halten werde, als es an anderen Punkten zu sehr engagiert oder für innere Unternehmungen geldbedürftig sei. *England soll auf die Nachricht von dem Erscheinen einer russischen Expe dition auf persischem Gebiete sofort eine Gegenexpedition ausgerüstet haben, welche bereits mit einem Kanonenboot die Straße von Ormus passiert habe. Zweck der englischen Expedition sei ohne Zweifel, einer Festsetzung der Russen am Persischen Golf zuvor zukommen. Man gehe kaum fehl, wenn man die englischen Maßnahmen als Vorboten für eine definitive Besitzergreifung der Mündungen desEuphrat undTigris ansehe. Italien. *Jn Arcona beginnt am 12. d. der Pro zeß wegen des angeblichen Attentats, das in Alexandrien gegenK aiserWilhelm geplant gewesen sein sollte. Angeklagt ist nur der Polizeiagent Bazzani, der das Attentats- gerücht erfunden und wahrscheinlich gemacht hat, um sich eine Belohnung zu sichern. Die Ge richtsverhandlung wird ergeben, wie weit diese Annahme der Wirklichkeit entspricht. Sollte Bazzani in der That der Macher des Attentats sein, so wäre kaum anzunehmen, daß er aus eigenem Antriebe vorgegangen sein sollte. Wahr scheinlicher ist, daß er selbst aus politischen Gründen angestiftet worden ist. Schon früher wurde der Verdacht ausgesprochen, daß Engländer die wahren Urheber der ganzen Sache seien. * In der Deputiertenkammer bestritt bei der Beratung der Interpellation über die Ko lonialpolitik der Minister Canevaro, daß er jemals einen Befehl zur Landung von Matrosen in derSanmunbucht gegeben habe. Dänemark. *Die Kreuzerkorvette „Valkyrien" ist vom dänischen Marine-Ministerium dazu bestimmt worden, unter dem Befehl des Prinzen Waldemar die Reise nach Ostasien zu machen. Diese wird sich von dem Hauptziele Siam auch nach Ching und Japan aus dehnen, da die Regierung ein Geldangebot der „Großen Nordischen Telegraphen - Gesellschaft" für diesen Zweck angenommen hat. Spanien. * Die Wahlen zum Senat am Sonn tag sind für die konservative Regierung sehr günstig verlaufen und haben ihr eine Mehrheit von 40 Stimmen über die gesamte Opposition gesichert. Es wurden nämlich gewählt 110 Ministerielle, 50 Liberale, 7 Parteigänger Gamazos, b Anhänger des Herzogs von Tetuan, 3 Karlisten, 1 Republikaner, 1 Unabhängiger, 1 Jmegrist oder Katholik. Rustland. * Finanzminister Witte ist ein fleißiger Mann. Jetzt ist er damit beschäftigt, in einer ausführlichen Denkschrift, die besonders durch ihre statistischen Grundlagen wertvoll sein soll, die wirtschaftlichen .Verhält nisse des russischen Reiches darzulegen. Hauptsächlich hat er sein Augenmerk auf das Studium der landwirtschaftlichen Pro duktions-, sowie der Landarbeiter-Ver hältnisse gerichtet und hofft, mit der Zeit verhüten zu können, daß das Land alljährlich in weiten Distrikten von einer Hungersnot heimgesucht wird. Amerika. * In Nordamerika pflegenA rbeiter ausstände mit bedenklicheren Nebenumständen verknüpft zu sein. Ans Wardner (Idaho) wird berichtet: Seit zehn Tagen find die Arbeiter im Courdalene-Gruben-Distrikt in den Ausstand ge treten. Am 1. d. trafen hier mehrere hundert Mitglieder der Arbeiter-Union ein und brachten Sprengpulver mit. Sie zerstörten eine Mühle und andere Gebäude. Der Schaden wird auf 250 000 Dollar veranschlagt. Infolge eines Mißverständnisses schossen die Ausständigen auf ihre eigenen Leute, wobei einer getötet und einer verwundet wurde. Asten. *Der Krieg auf den Philippinen scheint thatsächlich seinem Ende entgegenzugehen. Beide Teile bekommen recht. Aguinaldo unterwirft sich mit den Seinen — die Amerikaner sind Sieger! — Die Filipinos erhalten vollständige Un abhängigkeit unter dem Schein des ame rikanischen Protektorats — sie haben also auch ihren Willen! Preußisch»? Landtag. Am Montag wurde im Abgeordnetenhaus über den Antrag Gamp (freikons.) betr. Maßregeln gegen die in der Landwirtschaft herrschende Leutenot ver handelt. Die von der Kommission vorgeschlagene Resolution fordert die Konzessionspflicht der Gesinde vermieter, Erschwerung des Kontraktbruchs, Halb tagsschulunterricht, Verminderung der Beschäftigung von Arbeitern in Staatsbetrieben während der Erntezeit und die Verwendung von Strafgefangenen bei Meliorations- und landwirtschaftlichen Arbeiten. Nach Annahme dieser Punkte der Resolution wurde die Weiterberatung bis Mittwoch vertagt. Das rauchlose Pulver. Wie unser rauchloses Pulver, als dessen Er finder der jüngst verstorbene Geheimrat Scheibler gilt, geschaffen wurde, darüber findet sich in einem Nachruf, den der Herausgeber der .Zeitschrift für Rübenzuckerindustrie', Ernst Glanz, seinem Freunde Scheibler widmet, folgende, nach den Erzählungen Scheiblers ausgezeichnete Mitteilung: Eine für Scheibler sehr interessante Episode in seinem wissenschaftlichen Leben fiel in eine Zeit, in der er seine Thätigkeit auf einem ihm bisher fremden Gebiete der chemischen Technik zu ent wickeln Gelegenheit fand und der er das Bekannt werden seines Namens bei einem großen Teile des deutschen Volkes verdankt. Es war im Jahre 1888, als er unverhofft durch den ihm befreundeten Geheimrat Rottenburg zum Fürsten Bismarck nach Friedrichsruh berufen wurde. Er folgte natürlich dem Rufe mit der größten Freudigkeit, aber etwas beklommenen Herzens, in Erwartung dessen, was wohl der große Alt meister der Politik von ihm erfahren möchte. Nach seinem Eintreffen in Friedrichsruh am späten Abend wurde er von dem Fürsten und dessen Familie aufs freundlichste begrüßt und an die Familientafel gezogen. Der Fürst zählte ihm sofort die Namen der in seinem Keller ruhenden Weine auf, um ihn seine Wahl selbst treffen zu lassen. Auch warf der Fürst die Frage auf, ob Scheibler deutschen oder französischen Sekt zu trinken wünsche. Aus Bescheidenheit wählte Scheibler den ersten, worauf ihm der Fürst zurief: „Sie Heuchler, ich weiß von meinem Sohne, Rottenburg und Schweninger wohl, daß Sie nur französischen Sekt trinken." Scheibler wandte sich nun an den Fürsten mit der Frage, was ihm die Ehre verschafft habe, nach Friedrichsruh berufen zu werden. Darauf erwiderte der Fürst etwa folgendes: „Die Franzosen haben ein neues Pulver, das sich durch große Vorzüge von dem unsrigen, be ziehungsweise bisher gebräuchlichen, sehr vor teilhaft auszeichnen soll. Ist es so und können wir das gleiche Pulver nicht sofort nachmachen, so bedeutet das Krieg. Ich möchte nun über dieses Pulver von einem erfahrenen Sach verständigen ein unparteiisches Urteil hören". Der Fürst, der das Erstaunen im Gesicht Scheiblers über diese Mitteilung bemerkte, fuhr fort: „Sie wollen wohl die Frage an mich richten, warum ich mich nicht bei den Räten des Kriegsministeriums oder beim Generalstab erkundige, darauf sage ich Ihnen, daß mir von dort der sehr höflich gehaltene Bescheid erteilt würde, ich soll mich um meine eigenen Ange legenheiten bekümmern und mich nicht in Sachen mischen, die mich nichts angehen". Scheibler wandte nun ein, daß er, um sich ein Urteil über dieses Pulver bilden zu können, eine Probe haben müsse, worauf der Fürst sofort den ent sprechenden Auftrag an das Auswärtige Amt telegraphisch erteilte. Scheibler kehrte am nächsten Tage nach Berlin zurück, erhielt sogleich die ge wünschte Probe des französischen Blättchen pulvers und begann seine Untersuchungen. Nach kurzer Zeit konnte er an Fürst Bismarck be richten und sich über die Eigenschaften des französischen Pulvers in günstigem Sinne äußern. Zugleich betonte er, daß der Darstellung des Pulvers in Deutschland nichts entgegenstehe, und daß sie weder auf einem Geheimnis noch auf einer neuen Entdeckung beruhe. Bismarck veranlaßte hierauf Scheibler, einen ausführlichen Bericht in diesem Sinne an das Kriegsministe rium abzufassen, ohne jedoch das Eingreifen des Fürsten zu erwähnen. Dieser Bericht fand rasch die verdiente Würdigung und hatte für Scheibler einen Auftrag zur Folge, die für den Staat arbeitenden Pulverfabriken zu besuchen und über seine Erfahrungen zu berichten. In einer Be ratung des Kriegsministeriums teilte Scheibler die Ergebnisse seiner Studien und Beobachtungen mit und sprach sich mit voller Entschiedenheit zu Gunsten des neuen Pulvers aus. Die Folge der Beratung war die Errichtung einer ersten Versuchsfabrik zur Erzeugung des rauchlosen Pulvers in Spandau. Eine unmittelbare per sönliche Mitwirkung an dieser lehnte Scheibler ab; jedoch hatte er noch oft Gelegenheit, mit seinem Rat helfend einzugreifen. Die Sach kenntnis und die unmittelbare Thatkrast der Offiziere, die mit der Einrichtung der Fabrikation beauftragt waren und die sich mit einem beispiel losen Eifer ihrer neuen Aufgabe widmeten, machten später seine Inanspruchnahme unnötig. Don Nah und Fern. Darmstadt. Prof. Dr. Ludwig Büchner, der Verfasser von „Kraft und Stoff", ist hier Sonntag nacht gestorben. Er war am 28. März 1824 geboren, studierte Medizin und lebte zu nächst einige Zeit als Arzt in seiner Vaterstadt. 1852 habilitierte er sich als Privatdozent in Tübingen und veröffentlichte bald darauf seine in fast alle Sprachen übersetzte Schrift „Kraft und Stoff", in der er die theologisch-philo sophische Weltanschauung im Geiste der modernen Naturerkenntnis umzugestalten versuchte. Die Schrift, die es im Laufe der Jahre auf etwa achtzehn Auflagen gebracht hat, rief damals einen heftigen litterarischen Sturm hervor und hatte für Büchner zur Folge, daß er seine aka demische Stellung aufgeben mußte und zu seiner ärztlichen Praxis nach Darmstadt zurückkchrte. Als naturwissenschaftlicher Schriftsteller trat er noch öfter hervor. Schwerin. Der Großherzog hat an seinem Geburtstage dem Rentier Scheibel aus Staven- Hagen, der vor einigen Wochen, wie noch erinnerlich sein dürfte, vom Landgericht wegen fahrlässiger Tötung zu sechs Monat Gefängnis verurteilt worden war, weil er im November v. den Sanitätsrat Alfeld auf der Hasenjagd ver sehentlich erschossen hatte, die über ihn verhängte Strafe im Gnadenwege erlassen. Selbst die Kinder des Erschossenen hatten das eingereichte Gnadengesuch befürwortet. Lübeck. Der Vertiefung der Trave von Lübeck bis zur Ostsee um drei Meter (auf acht Meter) im Anschluß an den Elb-Trave-Kanal hat die Lübecker Bürgerschaft endgültig zuge stimmt. Breslau. In dem Mordprozeß gegen den Schuhmacher Franz Herrmann wurde das Urteil gefällt. Der Angeklagte wurde wegen Totschlags zu 15 Jahr Zuchthaus und 10 Jahr Ehrverlust verurteilt. (Herrmann hatte vor 14 Jahren seine Frau erschlagen und deren Leiche im Keller vergraben.) Durch Felde« zum Glück. 11) Erzählung aus dem Leben v. Oskar MerreS. (Fortsetzung.) Die Tante hatte ihre Besinnung weniger verloren; ein schadenfroher Gedanke stieg sofort in ihr auf: „O, sie ist die Diebin, nur sie!" „Wer, Tante, wer?" fragte Frieda mit starren Blicken. „Denke daran, wie gestern abend erzählt wurde, daß dieses Frauenzimmer fünfzehntausend Mark dem Schlossergesellen gegeben hat, wäh rend sie nur zehntausend " „Sie hat mich bestohlen, kein anderer!" schrie Frieda, deren Entrüstung um so größer war, als durch diesen Verlust die kaum erfaßte Aus sicht zur Erlangung des erforderlichen Geldes entschwand. „Was soll ich beginnen, Tante?" „Sofort eine Anzeige bei der Polizei!" rief diese. „Laß sie festnehmen und zur Unter suchung ziehen; sie muß nachweisen, woher sie den Mehrbettag von fünftausend Mark hat." „Ganz richtig, Tante, — ich will so gleich , wie aber, wenn ich mich übereile, fast kann ich es nicht glauben. Wir wollen hin M ihr, Tante, — vielleicht gesteht sie, und wir haben keinen offenen Skandal. Sie gehört doch einmal zu unserer Familie." Diese Milde war durchaus nicht nach dem Sinn der gehässigen Tante. „Dann nehmen wir wenigstens den uns bekannten Kriminal- Assessor Bergroth mit, — ein Beamter hat eine eindringlichere Art zu fragen, als wir." Frieda willigte ein; sie gab sofort Befehl -um Anspsnnen, mid in kurzer -Zett war sie mit der Tante auf der Fahrt zum Assessor Bergroth. 10. Seit dem Tage, wo Frieda ihren Gatten in so verdächtigender Stellung mit ihrer Koufine überrascht hatte, war dieser einige Male in Trudes Wohnung gewesen und hatte das arme geängstigte Mädchen damit in neue Verlegenheit gebracht. Sie bat ihn unter Hinweis auf Friedas ungerechtfertigten Verdacht, diesen durch solche auch sie kompromittierende Besuche nicht zu be stärken, — sie versicherte ihn ihrer steten Dank barkeit, — aber Arno von Heimburg schien nicht willens, seine Bemühungen einzustellen, ob ihn nun nur Trudens Widerstand noch mehr reizte oder ob ein tieferes Gefühl ihn dazu trieb. Er spielte den Unglücklichen weiter, um auf das Mitleid derselben einzu wirken und dadurch einen Platz in ihrem Herzen zu erringen. Sie wollte Fritz nicht beunruhigen und ver schwieg ihm, wie sie von dem Manne bedrängt wurde, dem sie die Mthilfe zu ihrem Glück zu verdanken hatten. Wenn sie sich einerseits zur Nachsicht gegen Arno geneigt fühlte, so mußte sie anderseits der Ansicht sein, daß der Dienst gar nicht so groß sei, den er ihr mit dem bereit willigen Darlehn geleistet, da sie ihn sowohl wie Frieda für so vermögend halten mußte, daß für ihn die geliehene Summe nicht sehr in Bettacht kam. Es hatten sich aber auch diensteifrige Zungen gefunden, welche Fritz davon unterrichteten, daß seine Braut öfters Besuche von einem fein ge kleideten Herrn erhalte. Nur einmal hatte ihm Trude selbst erzählt, daß ihr Vormund bei ihr gewesen sei; nachher sprach sie nicht mehr von ihm. Und Fritzens Vertrauen war so rein und groß, wie seine Liebe, und er ärgerte sich nur, daß man sich im müßigen Geschwätz über die erging, welche ihm über alles teuer war. Er schwieg darüber zu seiner Verlobten, weil er sie durch die leiseste Andeutung zu kränken fürchtete, und das würde er sich niemals vergeben haben. — Auch zur selben Zeit, wo Frieda ihre Pretiosen vermißte, war Arno bei Trude er schienen. Er war heut besonders aufgeregt und spielte den unglücklichen, verratenen und ver einsamten Ehemann so meisterhaft, daß sich Trude unwillkürlich hingerissen fühlte, ihm ihr Mitleid auszudrücken und Trost zuzusprechen. Dieses Eingehen auf das selbstgeschaffene Unglück des gewandten Heuchlers sah das ehr liche Mädchen aber sofort schlecht belohnt. Arno empfing diese herzliche Teilnahme in einer ganz anderen Auffassung, als wie sie gegeben wurde. Er ging von seinem tiefen Schmerz plötzlich zu den zärtlichsten Ergüssen seiner Zuneigung zu der schönen Trösterin über, und flehte sie an, ihn nicht von sich stoßen zu wollen. Da wich Trude scheu und beleidigt zurück. Zu spät sah fie ein, wie sehr ihre Herzensgüte verkannt und mißbraucht wurde. „Herr von Heimburg," bat sie mit dem ganzen Emst, welchen der peinliche Vorgang ihr aufzwang, „wenn Sie auch in der irrigen An sicht beharren, daß Sie durch das gefährliche Spiel Ihrer Gattin selbst von jeder Pflicht ent bunden wären, so wollen Sie doch bedenken, daß ich die Braut eines redlichen Diannes bin, aber ohnedies ebenso tief von Ihren Aeußerungen verletzt sein muß." Doch Arno vonHeimburg glaubte, daß er siegen müsse. „Braut? ja, — Sie sind diesem ein fachen Menschen näher getreten, um einen Schutz für das Leben gewinnen zu wollen. Im Unmut über erfahrene Kränkungen haben Sie sich einem rohen Handwerker in die Arme geworfen, den Sie doch nicht lieben können!" „Hören Sie auf, Herr von Heimburg. Sie fügen nur neue Beleidigungen hinzu. Ja, ich liebe diesen einfachen Mann so, wie ein Weib den Mann lieben soll, innig und wahr, und bin stolz auf diesen Mann. Wären Sie ebenso edel und gut wie er, so würden Sie mich nicht so tief beleidigen, daß Sie aus Ihrer Hilfe das Recht herleiten, mir die Schamröte in das Gesicht treiben zu dürfen, so oft Sie über meine Schwelle treten. Hätte ich dies ahnen können,' so würde ich sicher vorgezogen haben, das Weib eines braven Gesellen zu werden!" „Trude," rief Arno, sich vor ihr hinwerfend, verurteilen Sie mich nicht so hart. Fehlte ich, so war es meine unbezwingbare Liebe für Sie, die mich willenlos dazu trieb. Nur ein Wort der Verzeihung aus Ihrem Munde." „So stehen Sie auf und verlassen Sie mich. Gehen Sie, um nicht wiederzukommen, so lange ich noch allein bin." Er wollte weiter sprechen, da hörte man draußen auf dem Flur laute Stimmen. „Meine Fraurief Arno in jähem Er«
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