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bemerkte der erste Leutnant. »Aber ich glaube nicht, daß er einen Bruder hatte." In diesem Äugenblick trat der Fremde in das Wachtzimmer. Die Veränderung durch das Kostüm war natürlich bedeutend, aber was er an Zivilisation gewonnen hatte, das hatte sein malerisches Aussehen eingebüßt. Er sah noch immer wie ein sehr hübscher, junger Mensch aus, aber in seinen Zügen war jetzt eine gewisse Rauheit bemerkbar, welche in seinem früheren, mangel haften Kostüm nicht ausgefallen war. Die Kleidung paßte ihm übrigens nur der Höhe nach und war zu eng für die Glieder des jungen Riesen. — .Mister Wylder," sagte Lennox freundlich, „Sie haben hier un erwartet einen Freund gesunden. Mister Grant, unser erster Leut nant, ist mit Ihrer Familie bekannt, wie es scheint, wenn sie in Craglands in Cumberland haust." — „Wirk lich?" erwiderte der junge Mann, und ein Erröten des Vergnügens glühte auf seinen dunkeln Wangen. „Ja, das war meineHeimat."Er ergriff die aus- gestreckte Hand des Leutnants und drückte sie kräftig. — „Ich bin sehr erfreut," sagte Grant, „daß wir dazu ausersehen waren, Sie aus einer jo unan genehmen Lage zu befreien." — „Ich danke Ihnen sehr," erwiderte verjünge Mann mit verbind lichem Lächeln, „aber Sie müssen es meiner langen Abwesenheit aus der Welt zuschrei ben, daß ich mich Ihres Gesichts nicht erinnern kann." — „Sie haben mich nie gesehen, Mister Wylder. Ich kam erst nach Ihrem Verschwinden nach Craglands, vor einige» Jahren, um bei Ihrem Onkel John zu speisen, als ich bei seiner Nachbarin, Lady Grail, zu Gastwar."—„Bei Drei ksäschem meinem Onkel in Craglands? Ist denn mein armer Vater tot?" sragte der junge Mann. „Leider ja, Mister Wylder. Er starb, wie ich glaube, sechs Monate nachdem Sie ihn verlassen hatten." Wylder wandte sich nach dem Kajütenfenster und blickte schweigend einige Minuten hinaus, indem er seinen Genossen den Rücken zukehrte. „Armer Bursche," sagte Grant zn Lennox, „ich hatte ihm traurige Nachrichten mitzuteilcn." „Sie müssen mich nicht für hartherzig halten, Mister Grant," bemerkte Wylder, indem er sich Plötzlich wieder umwandte, „wenn ich nur tvenig Erregung ük^r die eben erhaltene Nachricht zeige. Ich bin so lange tot für die Welt gewesen, daß die Welt auch sür mich tot war. Ich kann in der That über den Tod meines Vaters nicht überrascht sein bei dem Zustand seiner Gesundheit, als ich ihn verließ, aber es thut mir jetzt sehr leid, daß wir nicht in gutem Einvernehmen geschieden sind. Sie hörten vielleicht etwas davon?" „Ja, man sprach davon, aber ans Lady Grails Mitteilungen vernahm ich, daß die Sache eher die Folge eines Miß verständnisses, als eines Fehlers von feiten der Betei ligten war." — „O ja, und das Unrecht war auf meiner Selle," sagte der junge Mann reumütig. „Es war nicht recht, daß ich ihn in seinem Alter im Zorn verließ." — „Sie gingen zur See, nicht wahr?" fragte Grant. — „Ja, ich segelte von West haven mit einer Handelsbrigg,dem „Albatros" ab, er scheiterte in einem Sturm, wie dieser, an einem Riff der Craglandsinsel, wie ich sie nach meiner alten Hei mat genannt habe. „Keine Seele an Bord erreichte das Land, außer mir, und dort habe ich zehn lange Jahre allein gelebt." — „Allein? Aber das ist merkwürdig!" rief Grant, „ich könnte darauf schwören, daß ich durch mein Glas gesehen habe, nach dem Sie an Bord gekommen waren, wie die Flagge auf der Insel her- abgelassen wurde. Es schien mir so gar,alsobmanda- mit signalisierte." — „Signali sierte?" wieder holte der junge Mann lächelnd. „Nein, das ist kaum möglich. Aber Sie können gesehen haben, daß sie herabgelassen wurde. Als ich sagte, ich war allein, meinte ich damit, daß ich keine europäischen Genossen hatte. Ich sand einige Eingeborene auf der Insel, welche sich im ganzen gut gegen mich benommen haben. Sie sind jedoch Fremden nicht gewogen, und waren sicherlich weit davon entfernt, Ihre Aufmerksamkeit erregen zu wollen." Hier wurden einige Erfrischungen, welche Lennox besohlen hatte, sür den Neuangekommenen hereingebracht, und die beiden Osfiziere entfernten sich, da der Dienst sie aus Deck rief, wo inzwischen der dritte Leutnant ans dem Posten gewesen war. toorgctzuttg solzi.) Nach dem Gemälde von Joh. R. Wehle. 14*